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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am01.08.20181. Auflage
In einer Welt, in der Frauen nur hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, bricht eine das Gesetz. Das provozierende Überraschungsdebüt aus den USA, über das niemand schweigen wird! Als die neue Regierung anordnet, dass Frauen ab sofort nicht mehr als hundert Worte am Tag sprechen dürfen, will Jean McClellan diese wahnwitzige Nachricht nicht wahrhaben - das kann nicht passieren. Nicht im 21. Jahrhundert. Nicht in Amerika. Nicht ihr. Das ist der Anfang. Schon bald kann Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht länger ausüben. Schon bald wird ihrer Tochter Sonia in der Schule nicht länger Lesen und Schreiben beigebracht. Sie und alle Mädchen und Frauen werden ihres Stimmrechts, ihres Lebensmuts, ihrer Träume beraubt. Aber das ist nicht das Ende. Für Sonia und alle entmündigten Frauen will Jean sich ihre Stimme zurückerkämpfen.

Christina Dalcher ist Autorin des internationalen Bestsellers »Vox«. Die Amerikanerin promovierte an der Georgetown University in Theoretischer Linguistik und forschte über Sprache und Sprachverlust. Ihre Kurzgeschichten und Flash Fiction erschienen weltweit in Magazinen und Zeitschriften, u.a. wurde sie für den Pushcart Prize nominiert. »Q« ist ihr zweiter Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
HörbuchCompact Disc
EUR19,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIn einer Welt, in der Frauen nur hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, bricht eine das Gesetz. Das provozierende Überraschungsdebüt aus den USA, über das niemand schweigen wird! Als die neue Regierung anordnet, dass Frauen ab sofort nicht mehr als hundert Worte am Tag sprechen dürfen, will Jean McClellan diese wahnwitzige Nachricht nicht wahrhaben - das kann nicht passieren. Nicht im 21. Jahrhundert. Nicht in Amerika. Nicht ihr. Das ist der Anfang. Schon bald kann Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht länger ausüben. Schon bald wird ihrer Tochter Sonia in der Schule nicht länger Lesen und Schreiben beigebracht. Sie und alle Mädchen und Frauen werden ihres Stimmrechts, ihres Lebensmuts, ihrer Träume beraubt. Aber das ist nicht das Ende. Für Sonia und alle entmündigten Frauen will Jean sich ihre Stimme zurückerkämpfen.

Christina Dalcher ist Autorin des internationalen Bestsellers »Vox«. Die Amerikanerin promovierte an der Georgetown University in Theoretischer Linguistik und forschte über Sprache und Sprachverlust. Ihre Kurzgeschichten und Flash Fiction erschienen weltweit in Magazinen und Zeitschriften, u.a. wurde sie für den Pushcart Prize nominiert. »Q« ist ihr zweiter Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104909530
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum01.08.2018
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1224 Kbytes
Artikel-Nr.3411530
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3

Als es begann, noch bevor wir anderen erkannten, was die Zukunft für uns bereithielt, gab es insbesondere eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nahm. Ihr Name war Jackie Juarez.

Ich will nicht an Jackie denken, doch plötzlich werde ich anderthalb Jahre zurückversetzt, kurz nach der Amtseinführung. Ich sitze mit den Jungs nach dem Abendessen im Wohnzimmer und ermahne sie, leiser zu sein, damit Sonia nicht aufwacht.

»Die Frau im Fernsehen ist hysterisch«, behauptet Steven, als er mit drei Portionen Eis zurückkommt.

Hysterisch. Ich kann dieses Wort nicht leiden. »Wie bitte?«

»Frauen sind gaga«, fährt er fort. »Das ist doch nichts Neues, Mom. Du weißt ja, was man über hysterische Frauen und ausflippende Mütter sagt.«

»Wie bitte?«, wiederhole ich. »Wo hast du das denn her?«

»Hab ich heute in der Schule gelernt. Stammt von irgendeinem Typ namens Cooke oder so.« Steven verteilt den Nachtisch. »Mist, eine Portion ist kleiner. Mom, willst du die kleinere oder die größere?«

»Die kleinere.« Seit der letzten Schwangerschaft kämpfe ich mit meinem Gewicht.

Er verdreht die Augen.

»Ja doch. Warte nur, bis dein Stoffwechsel die Vierzig erreicht. Und seit wann liest du Crooke? Hätte nicht gedacht, dass sein Werk über die Anatomie des Menschen es mal zur Schullektüre bringt.« Ich nehme den ersten Löffel von meiner winzigen Eisportion. »Selbst in englischer Literatur.«

»Nee, in Religion, Mom«, erwidert Steven. »Und ob Cooke oder Crooke, wo liegt da der Unterschied?«

»Im r, mein Lieber.« Ich wende mich wieder der zornigen Frau im Fernsehen zu.

Sie ist schon früher aufgetreten, hat über Lohnungleichheit und »Gläserne Decken« geschimpft, verbunden mit Schleichwerbung für ihr neuestes Buch. Das allerneueste trägt den erbaulichen Weltuntergangstitel Sie werden uns zum Schweigen bringen, Untertitel Was Sie über das Patriarchat und Ihre Stimme wissen müssen. Auf dem Umschlag eine Reihe knallbunter Puppen, denen per Fotoshop Ballknebel in den Mund gestopft worden sind.

»Gruselig«, sage ich zu Patrick.

»Ziemlich übertrieben, findest du nicht?« Er blickt ein bisschen zu sehnsüchtig auf mein schmelzendes Eis. »Isst du das noch?«

Ich reiche ihm die Schale, ohne mich vom Fernseher abzuwenden. Irgendwas an den Ballknebeln beunruhigt mich - mehr als mich eine Puppe mit einem roten Ballknebel vor dem Gesicht beunruhigen sollte. Liegt an den Bändern, denke ich. Das schwarze X mit dem blutroten Mittelpunkt wirkt wie ein halbherziger Schleier. Er löscht alles bis auf die Augen aus. Vielleicht ist das der Zweck.

Jackie Juarez ist die Autorin dieses und sechs anderer Bücher, alle mit ähnlich haarsträubenden Titeln wie Klappe halten und setzen, Barfuß und schwanger: Wie die religiöse Rechte uns haben will, sowie Patricks und Stevens Lieblingstitel Der wandelnde Uterus. Die dafür verwendete Graphik war grausig.

Jetzt schreit sie den Interviewer an, der vermutlich nicht »Feminazi« hätte sagen sollen. »Wissen Sie, was übrig bleibt, wenn man die Feministin aus Feminazi nimmt?« Jackie wartet nicht auf die Antwort. »Nazi. Das bleibt übrig. Gefällt Ihnen das besser?«

Der Interviewer ist perplex.

Jackie ignoriert ihn und bohrt den wirren Blick ihrer geschminkten Augen in die Kamera, und es kommt mir vor, als schaute sie mich direkt an. »Ihr alle habt ja keine Ahnung. Keine gottverdammte Ahnung. Wir befinden uns auf einer Rutschbahn in die Steinzeit, Mädels. Denkt darüber nach. Denkt darüber nach, wo ihr sein werdet - wo eure Töchter sein werden -, wenn die Gerichte die Uhr zurückdrehen. Denkt an Ausdrücke wie Zustimmung des Ehegatten und Väterliche Einwilligung . Denkt darüber nach, eines Morgens aufzuwachen und zu entdecken, dass ihr kein Mitspracherecht mehr habt.« Sie macht nach jedem dieser letzten Wörter eine Pause und beißt die Zähne zusammen.

Patrick gibt mir einen Gutenachtkuss. »Muss morgen in aller Herrgottsfrühe raus, Schatz. Frühstückstermin mit dem Oberboss, du weißt schon, wo. Schlaf gut.«

»Du auch, Schatz.«

»Die sollte sich mal abregen.« Steven hat den Blick immer noch auf den Bildschirm gerichtet. Inzwischen hat er eine Tüte Tortilla-Chips auf dem Schoß und mampft sie geräuschvoll, fünf auf einmal, eine Erinnerung daran, dass die Pubertät nicht nur schlecht ist.

»Eis und Chips, Großer?«, frage ich. »Du machst dir deine Haut kaputt.«

»Nachtisch der Champions, Mom. Hey, können wir nicht was anderes sehen? Die Tussi ist das reinste Brechmittel.«

»Klar.« Ich gebe ihm die Fernbedienung. Jackie Juarez verstummt, nur um durch eine Wiederholung der Reality-Sendung Duck Dynasty ersetzt zu werden.

»Muss das wirklich sein, Steven?«, stöhne ich, während ein bärtiger Hinterwäldler in Tarnkleidung nach dem anderen Philosophisches über Politik von sich gibt.

»Ja. Die sind eine megageile Truppe.«

»Die sind geisteskrank. Und sprich nicht so.«

»War doch nur ein Witz, Mom. Himmel, solche Leute gibt´s in echt gar nicht.«

»Warst du je in Louisiana?« Ich nehme ihm die Chipstüte weg. »Dein Dad hat mein ganzes Eis gegessen.«

»Mardi Gras, vor zwei Jahren. Mom, ich mach mir langsam Sorgen um dein Gedächtnis.«

»New Orleans ist nicht Louisiana.«

Oder vielleicht doch, denke ich. Wenn man es genau betrachtet, was ist dann der Unterschied zwischen ein paar hirnlosen Hinterwäldlern, die Männern raten, Mädchen im Teenageralter zu heiraten, und einem Haufen kostümierter Betrunkener, die jeder Frau Perlenschnüre zuwerfen, wenn sie ihre Brüste auf der St. Charles Avenue zeigt?

Vermutlich kein großer.

Und hier haben wir das Land in fünfminütigen Clips: Jackie Juarez, die in Hosenanzug und mit Bobbi-Brown-Make-up Furcht und Schrecken verbreitet, und die Hass predigenden Hinterwäldler. Oder vielleicht ist es andersherum. Wenigstens starren mich die Hinterwäldler nicht vom Bildschirm an und machen mir Vorwürfe.

Steven, jetzt bei seiner zweiten Cola und der zweiten Schale Eis - genauer gesagt, hat er die Schale weggelassen und löffelt das letzte Eis direkt aus der Verpackung -, verkündet, er wolle ins Bett. »Schreiben morgen eine Arbeit im College-Kurs Religionswissenschaften.«

Seit wann bieten sie im zweiten Jahr der Highschool schon College-Kurse an? Und warum hat er dann nicht etwas Sinnvolles gewählt, wie Biologie oder Geschichte? Ich frage ihn nach beidem.

»Der Kurs in Religion ist neu. Er wird allen angeboten, selbst den unteren Klassen. Ich glaube, sie wollen ihn im nächsten Jahr in den regulären Lehrplan aufnehmen. Was soll´s«, ruft er aus der Küche. »Das heißt, dieses Jahr keine Zeit für Bio oder Geschichte.«

»Und worum geht es? Vergleichende Theologie?« Schätze, damit könnte ich leben - selbst in einer öffentlichen Schule.

Er kommt mit einem Brownie zurück ins Wohnzimmer. Sein Schlummerkuchen. »Nee. Eher so was wie, keine Ahnung, Philosophie des Christentums. Egal, Mom. Schlaf gut. Hab dich lieb.« Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet im Flur.

Ich schalte Jackie Juarez wieder ein.

In persona ist sie viel hübscher, und es ist unmöglich, zu erkennen, ob sie seit der Uni zugenommen oder die Kamera ihr die sprichwörtlichen sieben Kilo draufgepackt hat. Mit dem professionellen Make-up und der gestylten Frisur wirkt Jackie müde, als hätten sich zwanzig Jahre Wut in ihr Gesicht gegraben, eine Falte nach der anderen.

Ich genehmige mir noch einen weiteren Chip und lecke mir die salzigen Chemikalien von den Fingern, bevor ich die Tüte zusammenrolle und außer Reichweite schiebe.

Jackie starrt mich mit diesen kalten, unveränderten Augen vorwurfsvoll an.

Ich brauche ihre Vorwürfe nicht. Ich brauchte sie vor zwanzig Jahren nicht und brauche sie auch jetzt nicht, doch ich erinnere mich an den Tag, an dem sie begannen. Der Tag, an dem meine Freundschaft mit Jackie den Bach runterging.

»Du kommst doch mit zur Demo, ja, Jean?« Jackie stand, ohne BH und ungeschminkt, an der Tür zu meinem Zimmer, in dem ich zwischen dem halben Bibliotheksbestand neurolinguistischer Fachliteratur lag.

»Kann nicht. Hab zu tun.«

»Verdammt nochmal, Jean, das hier ist viel wichtiger als irgendwelche blöden Studien über Aphasie. Wie wär´s, wenn du dich auf die Menschen konzentrierst, die noch da sind?«

Ich sah sie an, den Kopf zu einer stummen Frage nach rechts geneigt.

»Okay, okay.« Sie warf die Hände hoch. »Sie sind immer noch da. Tut mir leid. Ich will damit bloß sagen, dass das, was da bei diesem Obersten-Bundesgerichtsding vorgeht, na ja, jetzt passiert.« Jackie bezeichnete politische Vorgänge - Wahlen, Nominierungen, Bestätigungen, Reden, was auch immer - als Ding. Dieses Gerichtsding. Dieses Redending. Dieses Wahlding. Das machte mich verrückt. Man sollte doch meinen, eine Soziolinguistin würde sich die Zeit nehmen, hin und wieder an ihrem Vokabular zu arbeiten.

»Also, ich gehe da jedenfalls hin. Du kannst mir später danken, wenn der Senat Grace Murray als Bundesrichterin bestätigt. Inzwischen die einzige Frau, falls dich das interessiert.« Sie ereiferte sich erneut über »diese frauenfeindlichen Flachwichser im Anhörungsausschuss vor zwei Jahren«.

»Danke, Jackie.« Ich konnte das Lächeln in meiner Stimme nicht verbergen.

Sie lächelte jedoch nicht.

»Na gut.« Ich schob mein Notizheft beiseite und steckte den Bleistift durch meinen Pferdeschwanz....
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Autor

Christina Dalcher ist Autorin des internationalen Bestsellers »Vox«. Die Amerikanerin promovierte an der Georgetown University in Theoretischer Linguistik und forschte über Sprache und Sprachverlust. Ihre Kurzgeschichten und Flash Fiction erschienen weltweit in Magazinen und Zeitschriften, u.a. wurde sie für den Pushcart Prize nominiert. »Q« ist ihr zweiter Roman. Marion Balkenhol übersetzt aus dem Englischen. Sie übertrug u.a. Romane von Marion Zimmer Bradley und Judy Nunn ins Deutsche.