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Die Verbündeten

Benjamin Coleman 3
BuchKartoniert, Paperback
317 Seiten
Deutsch
Grohsebner, Veronikaerschienen am06.09.2018
Immer noch befindet sich der Homie von der East Side Crew im Gefängnis. Immer noch ist der Polizist in der Hand des Bandenchefs. Benjamin Coleman und seine ungewöhnlichen Verbündeten versuchen, die Wahrheit über die rätselhaften Geschehnisse in den Ghettovierteln herauszufinden. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, bald schon läuft das Ultimatum auf das Leben des entführten Polizisten ab â¦Die Verbündeten ist der dritte Band der Benjamin Coleman-Reihe.mehr

Produkt

KlappentextImmer noch befindet sich der Homie von der East Side Crew im Gefängnis. Immer noch ist der Polizist in der Hand des Bandenchefs. Benjamin Coleman und seine ungewöhnlichen Verbündeten versuchen, die Wahrheit über die rätselhaften Geschehnisse in den Ghettovierteln herauszufinden. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, bald schon läuft das Ultimatum auf das Leben des entführten Polizisten ab â¦Die Verbündeten ist der dritte Band der Benjamin Coleman-Reihe.
Details
ISBN/GTIN978-3-200-05793-7
ProduktartBuch
EinbandartKartoniert, Paperback
FormatPaperback (Deutsch)
ErscheinungsortWien
ErscheinungslandÖsterreich
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum06.09.2018
Seiten317 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.45742722

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Der Djinn7Ein normaler Arbeitstag19Die Freundin31Eine heiße Spur43Safari53Familiengeschichten70 Blood in Blood out 79Der entscheidende Hinweis96Bestätigung110Vorbereitungen124Das sichere Haus140Im Gefängnis151Der Richter169Feuerprobe181Herausgefordert193Dwayne204Der Austausch216Der Djinn und der Rekrut225Der Fall ist nicht zu Ende235Lose Enden252Urlaub mit Komplikationen265Die kleine Schwester281Familientreffen295Eine große Belohnung304Anhang315Zitate315Anmerkungen317mehr
Leseprobe
Der DjinnDer große und massig gebaute Afroamerikaner durchstreifte ziellos die Straßen des Viertels. Die Kapuze seines Sweaters hatte er so tief ins Gesicht gezogen, dass es beinahe gänzlich verborgen war. Obwohl er in Gedanken versunken schien, entging ihm nichts, was um ihn herum vorging. In der Kriegszone einer Großstadt, dort, wo die Gangs herrschten, überlebte man nicht lange, wenn man nicht sehr früh eine Art sechsten Sinn entwickelte. Allerdings würden es nicht viele Leute wagen, den Djinn hier in seinem eigenen Revier anzugreifen. Außerdem gab es zurzeit eine besondere Abmachung, einen Waffenstillstand zwischen den wichtigsten Gangs in Sedgeville untereinander und zusätzlich zwischen den Gangs und den Special Troops. Plötzlich funkelten seine Augen belustigt. Dieser Waffenstillstand musste so ziemlich das Schrägste sein, was je geschehen war, überlegte er, und noch schräger war die Art und Weise, wie er zustande gekom-men war. Es blieb nur zu hoffen, dass die Leute der Exekutivbehörde bald herausfinden würden, was zum Teufel in den Ghettovierteln von Sedgeville vor sich ging, jetzt, wo sie ungehinderten Zugang zum ge-samten Gebiet hatten. Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Djinn, als er erneut über die rätselhaften Ereignisse zu grübeln begann. Warum war Dwayne Roscoe der Mord an Nolan Symes in die Schuhe geschoben worden? Warum durfte im Gefängnis niemand mit ihm sprechen, nicht einmal Vertreter der Special Troops? Was hatte es damit auf sich, dass seit einigen Jahren eine unverhältnismäßig große Anzahl von Menschen spurlos aus den Ghettovierteln verschwand? Wenn es den Special Troops nicht bis zu einem genau definierten Zeitpunkt gelang, die Vor-gänge aufzuklären, dann würden sich die Gangs gegen sämtliche Exekutivbehörden zusammentun und Krieg würde auf den Straßen der Stadt ausbrechen. Nicht mehr ganz zwei Wochen blieben der Behörde, um dieses Szenario abzuwenden. Der Djinn hatte seine Absichten öffentlich verkündet und er war auch felsenfest entschlossen, seine Drohung wahrzumachen.Abrupt blieb er stehen, als er bemerkte, welchen Weg er unbewusst eingeschlagen hatte. Mit gemischten Gefühlen betrachtete er das Apartmenthaus, wo seine Mutter zusammen mit seinem kleinen Bruder lebte. Er kam nicht gern hierher, aber wo er schon da war, sollte er die Gelegenheit nutzen und seine Familie besuchen. Obwohl das Haus von außen nicht besonders aussah - ein nüchterner grauer Block, die Wände bis zum ersten Stock mit Graffiti beschmiert - war es innen gut gepflegt und die Leute, die hier lebten, hatten zumeist Arbeit; der Djinn hatte das Haus ausgesucht und bezahlte auch die Miete.Als er die Wohnung im zweiten Stock betrat, drang ihm gedämpft das Gelächter aus der Konserve einer Sitcom entgegen. Im Wohnzim-mer lag seine Mutter auf dem Diwan, die Augen auf den Bildschirm geheftet. Eine beinahe leere Whiskeyflasche einer billigen Marke und ein halbvolles Glas standen auf dem Tisch neben ihr, eine Decke lag über ihren Beinen. Sie hatte nicht bemerkt, dass er hereingekommen war. Dieser Tage gab es nicht viel, was sie bemerkte.Der Djinn biss sich auf die Lippen. Seine Mutter war knapp fünf-zig, sah aber mehr als zehn Jahre älter aus. Ihre Haare waren grau und unordentlich, das Gesicht hager, die Haut verrunzelt und glanzlos. Schon lange war sie nicht mehr dazu imstande, sich um sich selbst zu kümmern, geschweige denn um ihren jüngsten Sohn. Eine Nachbarin half aus, wo immer sie konnte, und der Djinn gab ihr dafür auch Geld. Nun ging er zu ihr hinüber und küsste sie auf die Wange. Sie blinzelte und sah vage zu ihm hoch. Da legte sich sogar ein leises Lächeln auf ihr Gesicht, aber sie sprach nicht. Der Gestank von Alkohol umhüllte sie, es war beinahe unerträglich. Der Djinn richtete sich rasch wieder auf und betrat das Zimmer seines kleinen Bruders. Jay lag bäuchlings am Boden, ein Notebook vor sich, und schaute eine Zeichentrickepisode auf YouTube an. Als sein großer Bruder he-reinkam, sprang er überrascht auf. He, Djinn, was geht, Mann , rief er aus. Die Brüder grüßten einander mit einer coolen Umarmung und einem komplizierten Faustcheckritual. Wie lief s? , fragte der Bub eifrig. Konntest du Reggie Freeman und die anderen dazu überreden, mit Benjamin zu sprechen? Der Djinn lächelte. Ja. Wir hatten das Treffen gestern Nachmit-tag. Jay sah erwartungsvoll zu ihm hoch und als sein Bruder nicht wei-tersprach, knuffte er den Djinn am Oberarm. Komm schon, wie ist es gelaufen? Haben sie auf Benjamin gehört? Sie haben ihm doch nichts getan? Hatte er Angst? , fragte er misstrauisch und ein wenig ängstlich, als fürchtete er, dass das Bild, das er sich von dem Mann gemacht hatte, angeschlagen werden könnte. Ich denke schon , grinste der Djinn, und die Unruhe in den Augen des Buben vertiefte sich. Der Djinn lachte laut und fuhr seinem Bruder durch die Haare. Keine Sorge, Jay. Wenn er in dieser Situation keine Angst gehabt hätte, wäre er weder menschlich noch sonderlich intelli-gent. Aber er ließ sich von seiner Angst nicht lähmen und er konnte seine Sache überzeugend vorbringen. Schließlich und endlich haben alle Anführer zugestimmt. Jay machte eine Siegerfaust und stieß einen lauten Triumphschrei aus. Ich wusste, dass er es schaffen würde! Ich wusste es ganz sicher! Im nächsten Moment zog er den Djinn eifrig am Arm. Komm, schau dir an, was ich gemacht habe. Der Junge kicherte. Ich habe mir ein paar kitschige Filme reingezogen, wo Schüler in ihren Klassen über die Berufe ihrer Väter erzählen sollen. Du bist mein großer Bruder, schon klar, aber egal. Kannst du dir die Reaktion von Lehrern an einer norma-len Schule vorstellen, wenn ich ihnen das hier zeigen würde, so als ein typisches Beispiel für deinen Arbeitsalltag? Während sich der Djinn neben seinen Bruder auf den Boden setzte, öffnete der Junge eine Videodatei. Es war der Auszug einer CNN Nachrichtenreportage. Die perfekt gestylte Sprecherin war offenbar eben mit einem Bericht fertig geworden. Nun stutzte sie und fuhr sich mit einer Hand zum Ohr. Ihre Augen wurden vor geübtem Erstaunen groß und dann sprach sie mit sorgfältig beherrschter angespannter Stimme: Wie es scheint, gibt es eine unerwartete Entwicklung im Mordfall Nolan Symes in Sedgeville, Colorado. Der mutmaßliche Mörder, ein Mitglied der East Side Crew, wurde noch vor Ort festgenommen, aber eben jetzt hat uns eine Botschaft des Anführers seiner Gang erreicht, eine Videonachricht des sogenannten Djinn. Das Bild wechselte zu dem Video, es zeigte einen jungen Mann in Polizeiuniform, der gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl saß. Vom Hintergrund her erklang eine tiefe und ruhige männliche Stimme. Hier spricht der Djinn. Dwayne Roscoe ist einer meiner Männer, und er ist nicht schuldig an dem Verbrechen, für das er verhaftet worden ist. Das einzige, wessen er sich schuldig gemacht hat, ist, ein Afroamerikaner aus der Kriegszone zu sein, immer ein willkommener Sündenbock. Es ist offensichtlich, dass die Behörden nicht um Gerechtigkeit bemüht sind, deshalb haben wir Officer Wagner gefangen genommen. Vielleicht wird das für alle betroffenen Exekutivbehörden ein Ansporn sein, den Fall von einem neuen Blickwinkel aus zu betrachten und den wahren Mörder zu finden. Das ist mein Ultimatum: Ist Dwayne Roscoe nicht innerhalb einer Woche frei, stirbt der Cop. Hier hörte die Szene auf und dann folgten einige Sequenzen aus verschiedenen Spielfilmen mit Polizisten, die auf den Straßen unter-schiedlicher Großstädte scheinbar ziellos umherliefen, jedoch nicht in Originalgeschwindigkeit, sondern im Zeitraffer, und das Tempo legte ständig zu. Der Effekt war umwerfend komisch und der Djinn musste lauthals lachen. Genauso stellte er sich die Polizisten und Special Troo-per vor, wie sie verzweifelt nach Officer Wagner suchten.Dann kamen noch einige andere Ausschnitte von Nachrichten, sämtliche Berichte beschäftigten sich mit dem entführten Cop und dem Djinn. Die Zusammenstellung endete damit, wie der Djinn in einer weiteren Videobotschaft bekanntgab, dass er um der Frau und der Kinder des jungen Polizisten willen das Ultimatum auf dessen Leben für weitere zwei Wochen verlängern würde.Jay strahlte, als er sah, wie sehr dem Djinn seine Arbeit gefiel. Es ist noch nicht ganz fertig. Im Hintergrund sollten wir etwas rappen, meinst du nicht auch? Der Djinn stieg bereitwillig darauf ein. Auf jeden Fall. Wie wär s damit? Er begann zu rappen, und nach den ersten Worten stimmte Jay mit ein; er kannte die Lieblingssprüche seines Bruders ebenfalls aus-wendig. Schnelligkeit ist das Wesen des Krieges: Mache dir die mangelnde Bereitschaft des Feindes zunutze, schlage unerwartete Wege ein und greife unbewachte Orte an. Das war einer der vielen Lehrsätze aus Die Kunst des Krieges von Sun Tzu, die der Djinn für seine Strategien anwandte. Erfolgreich. Trotz der gemeinsamen Bemühungen von Polizei und Special Troops war der Ort, wo der Djinn den entführten Cop festhielt, noch nicht entdeckt worden. Die Brüder grinsten und tauschten ein High Five aus. Gehst du gleich wieder fort? Oder spielst du noch mit mir? , fragte Jay. Sorgfältig achtete er darauf, die Sehnsucht aus seiner Stimme zu halten, und sah seinen Bruder scheinbar gelassen an.Der Djinn ließ sich keinen Augenblick lang täuschen und verspürte Gewissensbisse. Er sollte mehr Zeit mit dem Kleinen verbringen. Also versuchte er, all die dringlichen Angelegenheiten für den Moment zu vergessen. Okay. Glaubst du, du kannst mich diesmal schlagen? Beinahe eine Stunde später saßen die Brüder noch immer am Bo-den, völlig vertieft in das Spiel auf der Xbox. Hab dich! , krähte Jaylen voll Vergnügen, als seine Figur am Bildschirm den Gangsterrivalen niederknallte, der von seinem großen Bruder gespielt wurde. Freu dich nicht zu früh , meinte der Djinn gleichmütig. Ich könnte mich noch schrecklich rächen. Tu dein Schlimmstes, ich hab keine Angst vor dir , grinste der Bub, und sein Bruder verabreichte ihm eine freundschaftliche Kopfnuss.Der Djinn legte die Konsole beiseite, streckte sich, gähnte und sagte dann: Genug jetzt. Ich möchte mir deine Hausaufgaben ansehen. Jay starrte seinen Bruder mit offenem Mund an. Echt jetzt? Wer interessiert sich schon für Hausaufgaben! Ich zum Beispiel , erwiderte der Djinn streng. Komm schon. Ich möchte deine Hefte anschauen. Der kleine Junge wand sich und sah zu Boden. Das schlechte Ge-wissen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich hab keine , murrte er. Was ist schon dabei? Du hast die Schule abgebrochen. Du bist groß und stark, und jeder hat Angst vor dir. Ich möchte werden wie du. Du kleiner Narr! , knurrte der Djinn. Er funkelte seinen kleinen Bruder wütend an, und der erwiderte den Blick ebenso wütend. Du möchtest werden wie ich? Na gut. Was, wenn ich dir sage, dass ich die High School abschließen und eine Berufsausbildung machen wollte? Einen Moment verschlug es Jaylen regelrecht die Sprache, dann rief er ungläubig aus: Das hast du mir noch nie erzählt! Aber es ist die Wahrheit. Ich war auch so nahe dran, es zu schaf-fen. Dann sind schlimme Dinge passiert, und ich bin letztendlich doch da gelandet, wo ich jetzt bin, weil mir niemand aus dem Schlamassel herausgeholfen hat. Einige Augenblicke lang schien der Djinn in bittere Gedanken versunken, doch rasch fasste er sich wieder. Er sah dem kleinen Jungen streng in die Augen. Dein Leben wird anders verlaufen! Du wirst ler-nen und dich von all dem hier lösen, und bei dir wird es auch funktio-nieren! Weil ich hier bin und dafür sorge, dass dir keine schlimmen Dinge zustoßen. Du wirst nicht auf der Straße landen! Ist das klar? Jaylen sagte nichts, aber er ließ den Blick sinken.Der Djinn fasste ihn am Kinn und hob seinen Kopf. Ich sagte: Ist das klar? Tränen stiegen dem Buben in die Augen. Ich habe dich gehört , antwortete er, aber seine Stimme klang trotzig und er weigerte sich, seinem großen Bruder in die Augen zu schauen.Etwas sanfter sprach der Djinn weiter: Hör mal, Jay, ich weiß, dass du mich als deinen Helden betrachtest, und das bedeutet mir sehr viel. Mehr als du es dir vorstellen kannst. Aber du machst das aus den falschen Gründen. Ich möchte nicht, dass du ein Gangmitglied wirst. Ich möchte nicht, dass du stirbst, noch bevor du achtzehn geworden bist. Vor ein paar Monaten ist das beinahe passiert. Wenn Benjamin nicht dort gewesen wäre ⦠Willst du damit sagen, dass ein Special Trooper besser ist als du? , fauchte Jay, noch immer ohne aufzusehen.Der Djinn stutzte. Das gab ihm denn doch einen Stich. Zornig gab er zurück: Hör einfach auf zu diskutieren und mach deine Hausaufga-ben. Was glaubst du, wie es mir gelingt, ganz oben zu bleiben? Mit meinen charmanten Manieren? Es geht einzig und allein darum, ständig zu lernen und das Wissen gut anzuwenden. Streng dich in der Schule an und eines Tages kannst du dich entscheiden, ob du wirklich jemand wie ich sein möchtest oder ob du aus deinem Leben vielleicht doch etwas Besseres machst. Also nochmal: Ist das klar? Jay schwieg noch einen Augenblick trotzig, dann nickte er und be-wegte sich widerwillig zum Schreibtisch. Der Djinn wartete, bis sich der Junge hingesetzt hatte. Dann sagte er, noch immer streng: Ich werde ein Auge auf dich haben. Damit kommst du nicht mehr durch, deine Arbeit einfach nicht zu machen. Jay reagierte nicht. Mit hochgezogenen Schultern saß er grollend da.Der Djinn ging zu ihm hinüber und legte ihm eine Hand auf den Rücken. Nimm s nicht so schwer. Ich passe auf dich auf, klar? Für mich hat das niemand gemacht. Aber wie wär s, wenn ich ab jetzt öfter mit dir trainiere? Ich kann dir ein paar gute Tricks beibringen. Dann werden dich die Leute überall respektieren. Ich liebe dich, Bruder. Jay zog auf und wischte mit dem Handrücken über die Nase. Ohne aufzusehen sagte er mit leiser Stimme: Ich liebe dich auch. Der Tisch war vollgeräumt mit den Verpackungen von Computer-spielen und allem möglichen Krimskrams. Immer noch unwillig schob Jay die Dinge zur Seite und zog dann ein Schreibheft unter einem Stoß von Comic-Heften hervor. Obwohl er nach einem Kugelschreiber griff, öffnete er das Heft noch immer nicht. Ungeduldig nahm der Djinn es ihm weg und blätterte es durch. Nicht viele Seiten waren beschrieben und beim Anblick der schlechten Rechtschreibung zog er die Augen-brauen drohend zusammen. Und dann hielt er inne. Was zum Geier â¦? , sagte er.Jaylen spannte sich an und duckte sich ein wenig, als erwartete er einen Schlag. Stattdessen blätterte der Djinn die Seiten langsamer um und musterte deren Inhalt mit immer größerer Verwunderung. Was er sah, waren mit Bleistift gezeichnete Portraits. Sie zeigten Klassenkame-raden von Jaylen, einige seiner Lehrer, und es gab auch Skizzen seines großen Bruders. Der Djinn starrte auf Jaylens gesenkten Kopf. Der Kleine war nur wenig älter als zehn und die Skizzen wirkten auch noch etwas unreif und kindlich, aber dennoch zeugten sie bereits von einem herausragenden Talent.Die anhaltende Stille machte den Jungen nervös und er stahl einen Blick ins Gesicht seines Bruders. Statt Zorn darüber, dass er die Zeit in der Schule mit seinen Kritzeleien verschwendet hatte, sah er in den Augen des gefürchteten Djinn Erstaunen und Begeisterung. Das ist gut, Mann , sagte der Djinn. Warum hast du mir nie er-zählt, dass du zeichnen kannst? Und warum hast du mir nie etwas davon gezeigt? Plötzlich verlegen, zuckte Jay bloß die Schultern. Der Djinn blätterte noch eine Seite um und sog die Luft scharf ein. Es war das mit Abstand beste Portrait. Es zeigte Benjamin Coleman, den Rekruten der Special Troops, wie er auf der Bank in dem Park saß, wo der Djinn ihn zusammen mit Jay getroffen hatte. Trotz der kindli-chen Linienführung erfasste die Zeichnung die Persönlichkeit des Man-nes hervorragend: Eine Entschlossenheit und Charakterstärke, die in interessantem Gegensatz standen zu seinem generell eher scheuen und reservierten Wesen. Wahnsinn, Kleiner, das ist echt genial , sagte der Djinn. Da lächelte Jay zaghaft, ein Glücksgefühl begann tief in ihm zu glühen. Ich glaube, Benjamin würde das gerne sehen. Der Djinn schwieg eine Weile. Schließlich gab er seinem kleinen Bruder das Heft zurück. Umso wichtiger, dass du dich in der Schule anstrengst , sagte er. Du hast Talent. Ich werde darüber nachdenken, wie ich dir dabei helfen kann, es weiterzuentwickeln, aber du musst auch deinen Teil dazu bei-tragen. Okay? Jay nickte und öffnete dann seufzend eins seiner Schulbücher, um ernsthaft mit der Arbeit zu beginnen. Mit etwas leichterem Herzen packte der Djinn seinen Bruder an der Schulter, schüttelte ihn leicht und überließ ihn dann seinen schulischen Pflichten.Stirnrunzelnd ging der Djinn die Straße entlang. Der Besuch zuhause war eine nette Ablenkung gewesen, aber jetzt dachte er wieder über all die Dinge nach, die als Folge seines Versuchs, Dwayne freizubekom-men, an die Oberfläche gekommen waren.Eine ältere Frau kam ihm entgegen und blieb direkt vor ihm stehen. Beinahe stieß er mit ihr zusammen, setzte schon zum Fluchen an und hielt dann inne. Mrs. Roscoe , grüßte er sie stattdessen.Ihr Aussehen erschreckte ihn. Zenya Roscoe war die Tante von Dwayne, sie kümmerte sich um ihn seit seine Mutter vor einigen Jahren gestorben war. In den letzten Wochen hatte sie beträchtlich an Gewicht verloren und ihre Augen lagen tief in den Höhlen. Ihr gramerfüllter Blick ruhte auf dem Anführer der Gang. Und er, der mächtige Djinn, wusste nicht, was er sagen sollte. Kein Krieg. Noch nicht , bemerkte er schließlich. Sind Sie zufrieden? Mit dir? Nun, wie es scheint, besitzt du doch noch ein Fünkchen Verstand , erwiderte sie. Allerdings vermute ich, dass der Aufschub hauptsächlich diesem jungen Special Trooper zu verdanken ist. Er ist ein guter Mann. Jemand, dem man vertrauen kann. Das stimmt , sagte der Djinn. Die Frau trat noch einen Schritt näher und legte ihm eine Hand auf den Arm. Und er scheint jemand zu sein, dem es nicht egal ist, was mit uns geschieht. Das Schicksal der Menschen hier geht ihm ehrlich zu Herzen. Arbeite weiter mit Benjamin Coleman zusammen. Wenn du ihn als Freund gewinnen könntest, dann kommst du vielleicht eines Tages von all dem hier los. Der Djinn sah überrascht aus. Wie sollte er denn das fertigbrin-gen? Ich weiß es nicht. Zenya Roscoe lächelte voll Sehnsucht und Hoffnung. Aber ich hatte den Eindruck, dass er jemand ist, der Dinge heilmacht, anstatt sie zu zerbrechen. Vielleicht kann er auch dir dabei helfen, heil zu werden. Ich wünschte, er könnte das für das gesamte Viertel bewirken. Tränen traten ihr in die Augen. Sie drückte seinen Arm und ging rasch davon.Der Djinn sah der Frau nach, bis sie um die Ecke verschwunden war, und setzte dann seinen Weg fort. Etwas später betrat er die Keller-räumlichkeiten, wo Ethan Wagner gefangen gehalten wurde.Die drei Homies, die an diesem Tag Wachedienst hatten, saßen in der Küche und knabberten Erdnüsse, tranken Softdrinks und spielten Karten. Alkohol und Kiffen war ihnen während dieser Arbeit absolut verboten. Der Djinn hatte sich in diesem Punkt sehr klar ausgedrückt und seine Leute waren keinen Moment lang versucht, seine Befehle zu missachten. So groß war der Respekt, den sie vor ihm hatten. Ein weiteres Ergebnis davon, die Lehrsätze des Meisters Sun Tzu genau zu befolgen.Wenn bei der Ausbildung von Soldaten jeder Befehl kompromisslos durchgesetzt wird, dann wird die Armee diszipliniert sein; wenn nicht, wird die Disziplin schlecht sein. Wenn ein General sein Vertrauen in seine Männer zu erkennen gibt, aber immer darauf besteht, dass seinen Befehlen Folge geleistet wird, dann wird der Gewinn beidseitig sein. Alles okay? , fragte er Jell-O, den größten der drei jungen Männer. Ja, Mann. Der Cop macht uns nie Schwierigkeiten. Jell-O klang leicht verächtlich.Der Djinn griff nach einer der Sturmhauben, die in der Küche he-rumlagen, und zog sie sich über den Kopf. Dann ging er zur Tür am Ende des Korridors, schloss sie auf und betrat das Zimmer. Dieses ent-hielt ein Bett, einen Tisch und einen Stuhl. Es gab kein Fenster, das Tageslicht hereinlassen könnte, aber die nackte Glühbirne, die von der Mitte der Decke herabhing, war eingeschaltet. Die Wände waren in gebrochenem Weiß gestrichen. Der Vinylboden hatte die Farbe von Buchenholz. An der Wand, knapp an der Decke, befand sich eine Kli-maanlage. Die Luft war ein wenig stickig und der Djinn nahm sich vor, die Ventilation besser einzustellen. Ein kleiner Tisch stand gleich neben dem Bett, darauf befand sich ein Tablett mit einem benutzten Teller, ein Wasserkrug und ein Glas sowie ein Stapel Bücher. Der Djinn selbst hatte die Romane zur Verfügung gestellt, um seinem Gefangenen etwas Ablenkung zu gewähren. An dem Stapel Bücher lehnte ein kleines Foto, dieses zeigte eine junge Frau mit einem neugeborenen Baby im Arm, ein etwa zweijähriger Bub kuschelte sich an sie.Der Gefangene des Djinn trug eine dunkelgrüne Jogginghose, das T-Shirt und die Jacke lagen unordentlich am Bett. Ethan Wagner be-merkte ihn nicht sofort und fuhr mit seinem Training fort: Liegestütz, mit Schnelligkeit und Präzision ausgeführt. Der Djinn sagte: Nicht schlecht. Erschrocken sah Ethan Wagner auf und kam dann schnell hoch. Seine Wächter ließen ihre Gesichter nie sehen, doch er hatte gelernt, die Männer an ihrem Körperbau zu unterscheiden. So wusste er, dass nun sein Hauptfeind, der Djinn, in der Türöffnung stand. Rasch griff er nach seinem T-Shirt, zog es über und betrachtete dann den Anführer der Gang misstrauisch. Bist du okay? Brauchst du etwas? , fragte der Djinn. Neue Bü-cher vielleicht? Nein, danke , erwiderte Wagner. Ein sehr dickes Buch lag ge-trennt vom Stapel auf dem Bett, es war in der Mitte aufgeschlagen. Als der Djinn das sah, hob er überrascht seine Augenbrauen, doch das konnte Wagner nicht sehen. Das dicke Buch war die Bibel. Der Djinn hatte es dem Cop in einem Anfall von Zynismus anstatt von Freundlich-keit oder Mitgefühl gegeben. Es sollte dem Mann ein Zeichen dafür sein, dass er sich auf seinen Tod vorzubereiten hatte. Anscheinend war die Botschaft angekommen. Gibt es etwas Neues? , fragte Wagner nun. Er bemühte sich, gelassen zu klingen, konnte die Hoffnung in Augen und Stimme jedoch nicht gänzlich verbergen.Der Djinn zuckte die Achseln. Nicht wirklich. Benjamin Coleman versucht immer noch, die Wahrheit herauszufinden. Du solltest besser weiterbeten, dass ihm das bald gelingt , sagte er und deutete mit dem Kopf auf die Bibel. Ohne auf eine Reaktion zu warten ging er wieder, schloss die Tür ab und begab sich dann in das Zimmer, das er als sein Büro verwendete.Dort war er allein. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und ging wieder einmal sämtliche Daten bezüglich der ungerechtfertigten Verhaftung Dwaynes und seiner eigenen Zusammenarbeit mit den Special Troops durch. Allerdings fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Ungeduldig murmelte er einen Fluch, schob das Notebook weg und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Das, was Zenya Roscoe gesagt hatte, kam ihm in den Sinn, und wieder einmal dachte er über Benjamin Coleman nach.Zuerst war er dem Mann dankbar gewesen, weil er seinem kleinen Bruder das Leben gerettet hatte. Aber inzwischen mochte er ihn um seiner selbst willen. Benjamin war ⦠der Djinn suchte nach einem Wort und fand schließlich ⦠echt. Er versuchte nicht, sich bei den Gangmitgliedern einzuschmeicheln, indem er ihre Sprechweise oder typischen Bewegungen nachahmte. Im Gegenteil, der junge Special Trooper machte es deutlich, dass er die Mitglieder der Gang ernstnahm, indem er ihnen ihre je eigenen Gepflogenheiten zugestand und ganz natürlich erwartete, dass sie ihrerseits sein Anderssein akzeptierten. Im Umgang mit dem Djinn war er meist ruhig, oft sogar humorvoll, aber trotz seinem ruhigen Wesen waren dennoch Festigkeit und eiserne Entschlossenheit zu erkennen. Über Umwege erreichten den Djinn Berichte von Menschen im Viertel, die mit dem Rekruten sprachen, und diese bestätigten den posi-tiven Eindruck, den er bereits gewonnen hatte. Die Leute, die hier leb-ten, betrachteten sämtliche Exekutivbeamten normalerweise mit Miss-trauen. Doch schon nach kurzer Zeit im Gespräch mit Benjamin verlo-ren sich Anspannung, Aggression und Vorurteil. Die Leute wagten es, offen mit ihm zu reden. Die Kunde verbreitete sich, und so war es kein Wunder, dass immer mehr Menschen es vorzogen, mit dem Mann per-sönlich zu sprechen, anstatt sich irgendeinem Vertreter der Special Troops anzuvertrauen. Je besser der Djinn den Rekruten kennenlernte und je mehr er über ihn erfuhr, desto mehr lernte er ihn schätzen. Allerdings hegte er keinerlei Illusionen darüber, was Benjamin ihm gegenüber empfand. Bei all seiner friedfertigen und freundlichen Wesensart ließ sich von Zeit zu Zeit doch auch immer wieder ein gewisser Zorn erkennen. Nein, der Djinn dachte nicht, dass Benjamin ihn recht mochte. Das einzige, was ihn daran überraschte, war der Umstand, dass er darüber ein wenig traurig war.Der Bandenchef schnaubte voll Selbstverachtung. Wer hätte jemals gedacht, dass er eines Tages Wert auf das Wohlwollen eines Mannes legen würde, der zu seinen Feinden zählte? Er ertappte sich sogar bei dem Wunsch, seine Freundschaft erlangen zu können. Hatte er ur-sprünglich auf die täglichen Treffen bestanden, um so seine Macht über die Special Troops zu demonstrieren, freute er sich nun einfach darauf, mit dem Rekruten sprechen zu können.Es war seltsam. Während der Begegnungen mit Benjamin fühlte sich der Djinn friedlicher als sonst, und das Gefühl dauerte noch eine ganze Weile nachher an. Vielleicht hatte Zenya das damit gemeint, als sie davon gesprochen hatte, dass Benjamin ihm helfen könnte, heil zu werden ?Heil werden.Ein seltsamer Gedanke. Wie die meisten Menschen hier war er in seinem ganzen Leben nie heil gewesen. Wie sollte also ein einziger Mann, und ein Special Trooper noch dazu, diesen Zustand ändern?Gereizt schüttelte der Djinn den Kopf. Er wurde weich. Das war gar nicht gut. Er klickte den Bildschirmschoner weg, machte sich wieder daran, die Fakten zu studieren, die er in der Datei gesammelt hatte, und dachte über den nächsten Schritt nach.mehr

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Autor

Veronika Grohsebner (*1966) stammt aus Oberösterreich. Ihre Leidenschaft gilt dem Lesen und Schreiben von englischsprachigen Thrillern, ihre Bücher übersetzt sie selbst ins Deutsche. Die Verfasserin des Bestsellers Johnny Designed und der Alan Jason-Trilogie lebt mit ihrem Mann und den vier Kindern in Wien.