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Bacacay

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Kampa Verlagerschienen am12.10.2023
»Je klüger, desto dümmer«, war ein Schlachtruf von Witold Gombrowicz, der sich immer einen Spaß daraus gemacht hat, in seinem Werk die vermeintliche Grenze zwischen oben und unten, Gedankensphären und Gosse brachial zu durchbrechen. Am besten zeigt sich das in seinen Erzählungen, von denen einige als schwarz-humorige Schocker oder spannende Kurzkrimis aà la Roald Dahl durchgehen, wenn etwa mit einem Revolver auf einen fliegenden Tennisball geschossen wird und ein vegetarisches Bankett mit einer unappetitlichen Pointe seinen makabren Höhepunkt erreicht. Die Erzählungen von Gombrowicz sind ein Feuerwerk von Einfällen, hintergründigem Humor und lustvoller Phantasmagorie, sie bieten Abgründe, Absonderlichkeiten und immer immensen intellektuellen Kitzel, egal wie tief der Autor selbst stapelt.

Witold Gombrowicz wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Ma?oszyce in Polen geboren. 1915 übersiedelte die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1928 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1933 veröffentlichte er den Erzählungsband Memoiren aus der Epoche des Reifens. 1938 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz auf einer Reise in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch in Paris und später auch in Warschau veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. 1964 ließ er sich, mit Unterbrechung durch einen einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence nieder, wo er 1969 starb.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

Klappentext»Je klüger, desto dümmer«, war ein Schlachtruf von Witold Gombrowicz, der sich immer einen Spaß daraus gemacht hat, in seinem Werk die vermeintliche Grenze zwischen oben und unten, Gedankensphären und Gosse brachial zu durchbrechen. Am besten zeigt sich das in seinen Erzählungen, von denen einige als schwarz-humorige Schocker oder spannende Kurzkrimis aà la Roald Dahl durchgehen, wenn etwa mit einem Revolver auf einen fliegenden Tennisball geschossen wird und ein vegetarisches Bankett mit einer unappetitlichen Pointe seinen makabren Höhepunkt erreicht. Die Erzählungen von Gombrowicz sind ein Feuerwerk von Einfällen, hintergründigem Humor und lustvoller Phantasmagorie, sie bieten Abgründe, Absonderlichkeiten und immer immensen intellektuellen Kitzel, egal wie tief der Autor selbst stapelt.

Witold Gombrowicz wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Ma?oszyce in Polen geboren. 1915 übersiedelte die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1928 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1933 veröffentlichte er den Erzählungsband Memoiren aus der Epoche des Reifens. 1938 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz auf einer Reise in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch in Paris und später auch in Warschau veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. 1964 ließ er sich, mit Unterbrechung durch einen einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence nieder, wo er 1969 starb.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311704317
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum12.10.2023
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1216 Kbytes
Artikel-Nr.12532163
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Memoiren aus der Epoche des Reifens



Der Tänzer des Rechtsanwalts Landt


Zum vierunddreißigsten Male schon wollte ich mir wieder die Aufführung der Operette Die Csárdásfürstin ansehen, und da es spät war, umging ich die Schlange und wandte mich direkt an die Kassiererin: »Liebes Fräulein, geschwind, wie immer einen Platz auf der Galerie«, als mich jemand von hinten kalt - ja, kalt - am Kragen packte, vom Schalter zurückzog und mich an den mir gebührenden Platz stieß, nämlich ans Ende der Schlange. Das Herz begann mir stark zu klopfen, ich rang nach Atem - denn ist das nicht mörderisch, so plötzlich an öffentlichem Ort am Kragen gepackt zu werden? Doch ich sah mich um: Es war ein hochgewachsener, geschniegelter, duftender Herr mit kurz gestutztem Schnurrbärtchen. Im Gespräch mit zwei eleganten Damen und einem Herrn betrachtete er die soeben gekauften Eintrittskarten.

Alle schauten mich an - ich musste etwas sagen.

»Sind Sie so freundlich gewesen?«, fragte ich in einem vielleicht ironischen, vielleicht sogar unheilverkündenden Tone, doch, da mir plötzlich schwach wurde, fragte ich zu leise.

»Hä?«, fragte er, sich zu mir beugend.

»Sind Sie so freundlich gewesen?«, wiederholte ich, doch wieder - zu leise.

»Ja, ich war so freundlich. Dort - ans Ende! Hier herrscht Ordnung. Europa!« Und zu den Damen gewandt bemerkte er: »Man muss erziehen, unentwegt erziehen, sonst werden wir nie aufhören, ein Volk von Zulukaffern zu sein.«

An die vierzig Augenpaare und verschiedene Gesichter - das Herz klopfte, die Stimme versagte mir, ich wandte mich dem Ausgang zu - im letzten Moment (ich segne ihn, diesen Moment) - verschob sich etwas in mir, und ich kehrte um. Ich reihte mich in die Schlange ein, kaufte eine Eintrittskarte und kam gerade noch zu den ersten Takten der Ouvertüre zurecht; aber diesmal ging ich nicht wie sonst mit ganzer Seele in der Vorstellung auf: Während die Csárdásfürstin, kastagnettenklappernd, biegsam und atmend sang und erlesene Jünglinge mit Zylindern und hochgeklappten Kragen unter ihren erhobenen Armen in einer Reihe defilierten, schaute ich auf einen in den ersten Reihen des Parketts schimmernden Kopf mit blondem, pomadisiertem Haar und wiederholte: »Ach, so ist das!«

Nach dem ersten Akt ging ich hinunter, stützte mich leicht auf die Orchesterbrüstung und - wartete ein wenig. Da - verbeugte ich mich. Er reagierte nicht. Also noch eine Verbeugung - dann begann ich, mich nach den Logen hin umzusehen und wieder - verbeugte ich mich, als der entsprechende Moment gekommen war. Ich kehrte nach oben zurück, zitternd und erschöpft.

Nachdem ich das Theater verlassen hatte, blieb ich auf dem Bürgersteig stehen. Bald tauchte er auf - er verabschiedete sich von einer der Damen und ihrem Gemahl: »Auf Wiedersehen, sehr geehrte Herrschaften, also unbedingt - ich bitte Sie! - morgen um zehn Uhr im Polonia. Meine Hochachtung.« Danach half er der anderen Dame in ein Taxi und wollte gerade selber einsteigen, als ich hinzutrat.

»Verzeihen Sie, dass ich mich aufdränge, aber vielleicht wären Sie so freundlich, mich ein Stück mitzunehmen, ich liebe eine gute Fahrt so sehr.«

»Lassen Sie mich bitte in Ruhe!«, schrie er mich an.

»Vielleicht legen Sie ein Wort für mich ein«, wandte ich mich an den Fahrer. Ich spürte eine merkwürdige Ruhe in mir. »Ich liebe â¦« Aber schon fuhr das Taxi los. Obwohl ich nicht viel Geld habe, kaum genug für die nötigsten Bedürfnisse, sprang ich in das nächste Taxi und hieß es hinter ihnen dreinfahren.

»Verzeihung«, sagte ich zum Portier des braunen, vierstöckigen Hauses, »das ist doch wohl der Herr Ingenieur DziubiÅski, der soeben hineinging?«

»Woher denn, mein Herr«, erwiderte er, »das ist Herr Rechtsanwalt Landt mit Gemahlin.«

Ich kehrte nach Hause zurück. Diese Nacht konnte ich nicht einschlafen - wieder und wieder überdachte ich den ganzen Vorfall im Theater und meine Verbeugungen und die Abfahrt des Rechtsanwalts -, drehte mich von einer Seite auf die andere im Zustand der Wachsamkeit und einer gesteigerten Geschäftigkeit, die mir nicht einzuschlafen erlaubte und die infolge des unaufhörlichen Sich-im-Kreise-Drehens zugleich wie ein zweiter Schlaf im Wachen ist. Gleich am nächsten Morgen schickte ich einen prachtvollen Strauß Rosen an den Rechtsanwalt Landt. Gegenüber dem Hause, in dem er wohnte, befand sich eine kleine Milchbar mit einer Veranda - dort saß ich den ganzen Morgen hindurch und erblickte ihn endlich gegen drei Uhr nachmittags in einem grauen eleganten Anzug mit einem Spazierstöckchen. Ach, ach - er ging dahin, vor sich hin pfeifend, und schwang hin und wieder das Stöckchen, schwang das Stöckchen â¦ Sofort zahlte ich und lief ihm nach - und voller Bewunderung der leicht wogenden Bewegung seines Rückens delektierte ich mich an dem Gedanken, dass er von nichts wusste - dass dies zuinnerst meine Angelegenheit war. Hinter ihm her wehte ein Rüchlein von Toilettenwasser, er war frisch - es schien eine Unmöglichkeit, irgendeine Annäherung an ihn zu erreichen. Doch fand ich ein Mittel dafür! Ich beschloss: Biegt er nach links ein, so kaufst du dir dieses Buch Abenteuer von London, von dem du seit Langem träumst - und biegt er nach rechts ab, so wirst du es niemals haben, nie mehr, selbst wenn du es umsonst kriegen solltest, wirst du nicht eine einzige Seite davon lesen! Es wird verloren sein! Oh, stundenlang hätte ich auf diese Stelle seines Nackens starren können, wo das Haar in gerader Linie endet und der weiße Nacken beginnt. Er bog nach links ein. Unter anderen Umständen wäre ich sofort in eine Buchhandlung gelaufen, doch jetzt ging ich weiter hinter ihm her - und nur mit dem Gefühl unaussprechlicher Dankbarkeit.

Der Anblick eines Blumenmädchens gab mir eine neue Idee ein - konnte ich ihm doch gleich, sofort - dies lag ja in meiner Macht - eine Ovation darbringen, eine diskrete Huldigung, etwas, was er vielleicht nicht einmal merken würde. Aber was lag daran, wenn er es nicht bemerkte? Das wäre sogar noch viel schöner - heimlich zu huldigen. Ich kaufte ein Sträußchen, überholte ihn - und sobald ich nur in seinen Gesichtskreis trat, war mir ein gleichmäßiger, gleichgültiger Schritt ein Ding der Unmöglichkeit - und ich warf ihm unmerklich einige schüchterne Veilchen vor die Füße. Und da fand ich mich plötzlich in einer überaus wunderlichen Situation: Ich ging immerzu weiter und weiter, ohne zu sehen, ob er hinter mir hergehe oder ob er vielleicht abgebogen oder in ein Haus eingetreten sei, aber ich hatte nicht die Kraft, mich umzuschauen - ich hätte mich nicht umgeschaut, und wenn weiß ich was davon abgehangen hätte, vielleicht alles überhaupt -, und als ich mich schließlich dazu überwunden hatte und so tat, als verlöre ich meinen Hut, und mich umdrehte - war er nicht mehr hinter mir.

Bis zum Abend lebte ich nur noch mit dem Gedanken an das Hotel Polonia.

Ich trat unmittelbar hinter ihnen in den prächtigen Saal und setzte mich an ein benachbartes Tischchen. Ich ahnte, dass mich das teuer zu stehen kommen würde, aber schließlich (dachte ich) lag nichts daran, und vielleicht lebte ich nicht mehr länger als ein Jahr und brauchte nicht zu sparen. Plötzlich wurden sie meiner gewahr; die Damen waren sogar so taktlos, dass sie zu flüstern begannen, er hingegen - enttäuschte mich nicht in meinen Erwartungen. Er bedachte mich nicht mit dem Schatten einer Beachtung, er charmierte, neigte sich zu den Damen, dann wieder schaute er sich um und beobachtete andere Damen. Er sprach bedächtig, mit Geschmack, während er die Speisekarte durchsah:

»Horsd Åuvres â¦ Kaviar â¦ Mayonnaise â¦ Poularde â¦ Ananas zum Dessert - Mokka, Pommard, Chablis, Cognac und Liköre.«

Ich bestellte.

»Kaviar - Mayonnaise - Poularde - Ananas zum Dessert - Mokka, Pommard, Chablis, Cognac und Liköre.«

Es dauerte lange. Der Rechtsanwalt aß viel, besonders von der Poularde - ich musste mich zwingen - wahrhaftig, ich dachte, ich würde es nicht mehr schaffen, und schaute mit Schrecken hin, ob er sich nochmals nachlegte. Er langte fortwährend nach und aß mit Genuss, in großen Bissen, aß ohne Erbarmen, trank Wein dazu, bis es für mich am Ende zu einer wahren Tortur wurde. Ich dachte, ich würde niemals mehr eine Poularde sehen können und nie wieder einen Löffel Mayonnaise hinunterschlucken können, es sei denn - es sei denn, wir würden einmal wieder zusammen in ein Restaurant gehen, und dann wäre es etwas anderes, dann, das wusste ich sicher, dann würde ich es durchstehen. Er trank auch eine Menge Wein, sodass mir langsam schwindelig wurde. Ein Spiegel gab seine Gestalt wieder. Wie wundervoll er sich beugte! Wie geschickt und kundig bereitete er sich den Cocktail! Wie elegant, einen Zahnstocher zwischen den Zähnen, scherzte er! Auf dem Scheitel hatte er eine heimliche kahle Stelle, an seinen zart gepflegten Händen trug er einen Siegelring, seine Stimme war tief, Bariton, weich und zärtlich. Seine Frau zeichnete sich durch nichts aus, sie war - man kann sagen - unwürdig. Hingegen die Frau Doktor! Ich hatte sofort bemerkt, dass seine Stimme, wenn er sich an Frau Doktor wandte, weichere und rundere Töne...

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Autor

Witold Gombrowicz wurde 1904 als Sohn eines Landadeligen in Maloszyce in Polen geboren. 1915 übersiedelte die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1928 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1933 veröffentlichte er den Erzählungsband Memoiren aus der Epoche des Reifens. 1938 erschien Ferdydurke und löste eine heftige literarische Debatte aus. Im Sommer 1939 wurde Gombrowicz auf einer Reise in Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre lang in Argentinien, das für ihn zur zweiten Heimat wurde. In dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke, die ab 1950 auf Polnisch in Paris und später auch in Warschau veröffentlicht wurden. 1963 kehrte Gombrowicz nach Europa zurück. 1964 ließ er sich, mit Unterbrechung durch einen einjährigen Aufenthalt in Berlin, im französischen Vence nieder, wo er 1969 starb.