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Der Espressionist

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
276 Seiten
Deutsch
treditionerschienen am28.10.2021
Der Held des 'Espressionisten' hat sich festgelebt. Das ändert sich, als er auf einem Barista-Kurs einen umwerfend guten Espresso trinkt und eine Frau mit kornblumenblauen Augen trifft. Von nun an ist er auf der Suche nach dem heiligen Gral der Kaffeetrinker: dem Godshot. Ganz nebenbei beantwortet der Roman wichtige Fragen des Lebens: Welchen Kaffee trinkt Gott? Was ist Totraum? Brauche ich Crema?

Henning Withöft hat Literaturwissenschaft und Publizistik studiert und ist gelernter Journalist. Er lebt und arbeitet in Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR2,99

Produkt

KlappentextDer Held des 'Espressionisten' hat sich festgelebt. Das ändert sich, als er auf einem Barista-Kurs einen umwerfend guten Espresso trinkt und eine Frau mit kornblumenblauen Augen trifft. Von nun an ist er auf der Suche nach dem heiligen Gral der Kaffeetrinker: dem Godshot. Ganz nebenbei beantwortet der Roman wichtige Fragen des Lebens: Welchen Kaffee trinkt Gott? Was ist Totraum? Brauche ich Crema?

Henning Withöft hat Literaturwissenschaft und Publizistik studiert und ist gelernter Journalist. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783347392816
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum28.10.2021
Seiten276 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2565 Kbytes
Artikel-Nr.12571674
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Seit Jahren feiere ich immer wieder meinen neunundzwanzigsten Geburtstag. Doch beim zwanzigsten Mal fingen meine Gäste plötzlich an zu zicken.

Ich hatte sie in ein von Bartmännern betriebenes Café gebeten. Es sollte keine Riesenparty geben, auch kein geheimnisvolles Treffen in einer teuren Location. Eher ein fluffiges Beisammensein. Das Café Montesquieu war gerade zwei Jahre alt. Früher wurden dort Honda Dax repariert, zwergenhafte Oldtimer-Motorräder, die aussehen, als hätte man sie aus dem Zirkus geklaut.

Durch ein Tor gelangt man in den Hof, in dem im Sommer Liegestühle stehen, Holzverschläge führen zu kleinen Ateliers, die wie die Umkleidekabinen auf einem italienischen Strand wirken. Im Sommer sitze ich hier, eingehüllt in das grüne Leuchten meines Hochenergie-Überladungs-Schutzschirms, und schnüffele an meinem Kaffee. Manchmal auch an der leeren Tasse. Die Minimotorräder sind verschwunden und haben dem üblichen Hipster-Interieur Platz gemacht: Bunt zusammengewürfelte Tische und Stühle, bei denen unklar bleibt, ob sie neu, sauteuer und auf alt getrimmt oder aufgearbeiteter Sperrmüll sind. Ich hatte im Obergeschoss den kleineren der beiden Räume gemietet. Hier sollte es einen Kaffee-Umtrunk und üblichen Kram geben, den man in Bartmänner-Cafés bekommt: Rote-Beete-Suppe, Pekannuss-Kuchen, Brownies, Chili sin Carne, den tagesaktuellen Smoothie, dazu portugiesischen Kaffee oder Espresso. Hafermilchespresso, Milchkaffee mit Sojamilch oder laktosefreier Kuhmilch waren ebenfalls im Angebot. Wer wollte, konnte auch einen Tropfen Ziegenmilch für sein Glas heißes Wasser bekommen.

Geladen waren die üblichen Gäste. Allen voran meine Homies, meine Frau Ska sowie Tochter Anne und Sohn Falk. Mein Freund Benjamin und seine Frau Marion hatten die fast hundert Kilometer lange Anfahrt von ihrem Brandenburger Gehöft offenbar gut überstanden. Ebenfalls erschienen waren Nachbarn wie Jonas und Susanne, mit denen ich mich gut stellen musste. Sie hatten von ihren Fenstern einen wunderbaren, privatsphärekillenden Blick in unser Haus - und wir in ihres.

Manch ein Gast war mit der ganzen Familie gekommen. Die Kinder eroberten die Tische, verteilten Malzeug und Kinderbücher, die sie in einer Ecke des Zimmers gefunden hatten. Auf einem Tisch an der Wand thronte ein indischer Sparschwein-Elefant. Wer wollte und keine Krawatte als Geschenk mitbrachte, konnte sich mit einer Spende an der abgebildeten Espressomaschine beteiligen, die ich mir kaufen wollte. Leider hatten wir den Schlüssel des Elefanten vor Jahren verloren, sodass es schwierig werden würde, das Geld aus seinem Bauch zu bekommen. Egal, der Gag war es wert, der Elefant war bemalt wie ein Hippie-Bus und hatte den klaren Auftrag zu trompeten, wenn er voll war.

Doch diesmal lief einiges schief.

Schon kurz nachdem die Gäste hereingeträufelt waren und jeder seinen Milchkaffee, Latte macchiato oder Kakao und ein Stück Kuchen bekommen hatte, geriet ich in eine unwürdige Diskussion mit Benjamin und meiner Tochter Anne.

Wir erzählen uns lustige Geschichten über dich und deine Familie , erklärte Benjamin.

Wieso? Gibt es da etwas zu erzählen? Ich setzte mich auf einen der freien Stühle. Was höflich gemeint, aber ein großer Fehler war.

Wie schon oft fiel mir das Artgarfunkelmäßige an Benjamin auf. Die kleinlockigen, blonden, recht langen Haare standen in seltsamem Winkel nach hinten ab. 10.000 Volt und immer Gegenwind. Meine Tochter saß wohlgeraten daneben und grinste. Auch gelockt, aber dunkel und ohne Gegenwind. Eine selbstbewusste Medizin-Studentin ohne Fehl und Tadel, die schon seit geraumer Zeit nicht mehr bei uns wohnte. Über Töchter witzelt man nicht.

Auf diesem Ohr ist er taub , sagte Anne und lehnte sich zu Benjamin hinüber, den sie seit ihrer Kindheit kannte. Schulter an Schulter betrachteten sie mich, als ob ich ein zahlendes Ausstellungsstück wäre. Darüber will er nicht reden und ist darin sehr konsequent. Gewisse Seltsamkeiten liegen in der Familie. Bist du mal seinem Vater begegnet?

Nein.

Opa Sven war schräg. Als er noch lebte, hat er sich gerne selbst eingeladen. Einmal war er in der Stadt und wollte uns besuchen. Vorher Bescheid sagen war nicht seine Art, zu konventionell. Er stand lieber plötzlich in der Tür, konnte sich nie festlegen und war immer unterwegs. Wir waren aber nicht da. Als wir zurückkamen, lag im Briefkasten ein Zettel mit dem Wort Ich und einem Datum. Wir haben eine Weile gerätselt, was das für ein Zettel war.

Soso, dein Opa war ein reisender Nonkonformist , diagnostizierte Benjamin und gabelte ein Stück von seinem Käsekuchen.

Wohl eher ein alter Trotzkopf , fuhr Anne fort. Auch Opa Svens Auftritte bei Partys und Familienfesten waren nicht ohne. Einmal, so geht die Legende, habe er sich beim Essen eine Stoffserviette auf den Kopf gelegt, unter der er fast verschwand, und wie ein Gespenst seinen Kuchen weitergegessen. Man hatte sich nicht genug um ihn gekümmert.

Die beiden lachten laut und fröhlich.

He, was soll das, Anne , schaltete ich mich ein und überlegte, ob Väter nicht doch Witze über Töchter machen sollten. Die Geschichte mit der Serviette habe ICH dir erzählt - und sicherlich nicht, damit du sie bei unpassenden Gelegenheiten weitererzählst.

Benjamin grinste: Es ist immer spannend, Neues über dich zu erfahren.

Gewisse Eigenheiten könnten vererbt worden sein, will ich damit sagen , erklärte Anne. So von den Genen her.

Ist dein Vorname auch eine dieser Eigenheiten? Benjamin blickte mich an.

Kennst du die Geschichte noch nicht? , erwiderte ich zerknirscht. Ursprünglich sollte ich Andreas heißen, erzählt man sich. Doch der Name war meinem Vater zu normal. Er hat dann behauptet, er sei Finnland-Fan und hat schließlich die finnische Variante von Andreas durchgesetzt.

Glücklicherweise unterbrach uns Marion an dieser Stelle, indem sie den beiden Klatschtanten eine weitere Runde American Cheesecake auf den Tisch stellte. Dann setzte sie sich auf die Sesselkante, strich ihrem Popstar-Gatten über das Haar und schaukelte mit dem Holzclog. Das lenkte ihn von weiteren Fragen ab.

Ich nahm mir einen Kaffee vom Tablett, schnüffelte kurz daran und trank. Unterhielt mich mit Marion, fragte nach dem Dorfleben und den Plänen, das Haus auszubauen. Dann zog es mich wie so oft weiter. Ich drehte eine kleine Runde durch den Raum, räumte Geschirr weg, checkte den Elefanten, wechselte ein paar flirrige, belanglose Worte und setzte mich schließlich an einen leeren Tisch.

Meine Geselligkeit täuschte. Der Kurzzeit-Finnland-Fan Sven hatte mir einen lebenslangen Dad-Joke verpasst: Statt Andreas heiße ich Antti, ein Name, der die Menschen zu Witzeleien anregt. Leider hatte mir mein Vater auch ein paar seiner anderen Eigenheiten weitergegeben, was vermutlich der Grund war, dass ich mich immer etwas abseits hielt oder halten musste. Wenn es spannend wurde, saß ich am Rand und sah nur zu, so wie jetzt. Ich musste immer alles etwas anders machen als andere. Auch wenn es überhaupt keinen Sinn ergab.

Dann klingelte mein Handy. Eigentlich wollte ich nicht drangehen.

Nathalie?

Mühsam schaltete mein Hirn um. Diese Frau war auf den Tag zwanzig Jahre älter als ich und sprach kein Deutsch.

Antti! , näselte es französisch aus dem winzigen Lautsprecher. Wir sitzen zusammen, feiern meinen Geburtstag, essen Tarte aux pommes und denken dabei an dich. Wie geht es dir? Feierst du?

Wir sitzen auch zusammen, essen - äh Kuchenkäse. Mir fehlten die Worte. Wer kann schon auf Knopfdruck auf fremdsprachige Konversation umschalten? Am Handy?

Dann will ich nicht lange stören , fuhr Nathalie fort. Wir können in ein paar Tagen telefonieren, wenn mehr Zeit ist. Ich habe einen Geburtstagswunsch. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen und deshalb wollte ich dich und deine Familie einladen. Das neue Haus kennst du gar nicht, obwohl wir schon lange hier wohnen.

Ich war das erste Mal mit dreizehn in Nathalies Familie aufgetaucht. Der Clan hatte den anfangs ziemlich verwirrten Deutschen assimiliert und in ihm ungewohnte Leidenschaften geweckt - unter anderem für Petit café und Tarte aux pommes.

Aus dem Smartphone kam Franzosengetöse, offenbar grüßten mich die anderen. Dann legte Nathalie auf. Ließ mich durcheinander, aber auch berührt zurück. Ich hatte nicht einmal gratuliert.

Doch mir blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken. Benjamin führte etwas im Schilde. Er stand vom Tisch auf und ging zu meiner Frau. Tuschelte, sah zu mir. Ska nickte. Dann griff er sich ein Glas und klopfte theatralisch mit einem Löffel daran, bis sich das Geplapper gelegt hatte. Selbst die Kinder blickten von ihren...

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Autor

Henning Withöft hat Literaturwissenschaft und Publizistik studiert und ist gelernter Journalist. Er lebt und arbeitet in Berlin.
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Withöft, Henning