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Eisrosensommer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Arena Verlag GmbHerschienen am12.09.2012
Pia, Richterin an einem Schülergericht, verliebt sich unsterblich in einen der Delinquenten - den charismatischen Jonas. Opfer einer Verleumdung sei er, behauptet Jonas, und Pia will ihm nur allzugern glauben. Doch es häufen sich unerklärliche, äußerst beunruhigende Vorfälle. Nach einem verheerenden Unfall beschleicht Pia ein furchtbarer Verdacht: Ist Jonas doch nicht so unschuldig, wie er behauptet? Was sie nicht ahnt: Je näher sie der schrecklichen Wahrheit kommt, desto mehr gerät sie selbst in tödliche Gefahr.

Ulrike Bliefert, Jahrgang 1951, ist den Fernsehzuschauern u.a. als Darstellerin der Maximiliane in der Verfilmung von Christine Brückners Jauche und Levkojen / Nirgendwo ist Poenichen und als Ulla in der Comedyserie Das Amt bekannt. Sie schreibt zudem erfolgreich Drehbücher. Ulrike Bliefert ist mit einem Schauspielkollegen verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Berlin. Foto © Robert Berghoff
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Produkt

KlappentextPia, Richterin an einem Schülergericht, verliebt sich unsterblich in einen der Delinquenten - den charismatischen Jonas. Opfer einer Verleumdung sei er, behauptet Jonas, und Pia will ihm nur allzugern glauben. Doch es häufen sich unerklärliche, äußerst beunruhigende Vorfälle. Nach einem verheerenden Unfall beschleicht Pia ein furchtbarer Verdacht: Ist Jonas doch nicht so unschuldig, wie er behauptet? Was sie nicht ahnt: Je näher sie der schrecklichen Wahrheit kommt, desto mehr gerät sie selbst in tödliche Gefahr.

Ulrike Bliefert, Jahrgang 1951, ist den Fernsehzuschauern u.a. als Darstellerin der Maximiliane in der Verfilmung von Christine Brückners Jauche und Levkojen / Nirgendwo ist Poenichen und als Ulla in der Comedyserie Das Amt bekannt. Sie schreibt zudem erfolgreich Drehbücher. Ulrike Bliefert ist mit einem Schauspielkollegen verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Berlin. Foto © Robert Berghoff
Details
Weitere ISBN/GTIN9783401801278
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum12.09.2012
SpracheDeutsch
Dateigrösse2745 Kbytes
Artikel-Nr.1230453
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Der Optiker drehte und wendete das Gestell in den Händen und schüttelte ungläubig den Kopf. »Und Sie wollen diese Monstrosität tatsächlich freiwillig im Gesicht spazieren tragen?«

»Ja, will ich.«

Pia Canisius schob energisch das Kinn vor und schickte einen - wie sie hoffte - eiskalt entschlossenen Blick über die Verkaufstheke. Als ungefärbte, echte, wirkliche und wahrhaftige Blondine hatte man´s nicht leicht mit eiskalt entschlossenen Blicken; zumal, wenn - wie in Pias Fall - noch himmelblaue Augen und ein Porzellanteint dazukamen, und gut zehn Zentimeter an einer wenigstens ansatzweise imponierenden Körpergröße fehlten.

»Freu dich doch«, pflegte ihre Schwester Nele - lang, schlaksig, rothaarig und sommersprossig - zu sagen. »Ist doch Gold wert! Die Kombi weckt bei Männern sozusagen automatisch Beschützerinstinkte!«

Aber Pia wollte nicht beschützt werden! Pia hatte es gründlich satt, von ihrer Schwester wie ein Kind behandelt und von ihren Eltern trotz ihrer beinahe achtzehn Jahre immer noch »Mäuschen« gerufen zu werden.

Der Optiker tappte ungeduldig mit dem Brillengestell auf seine Handfläche. »Wir hätten da was im Angebot, das Ihnen bestimmt eher ...«

»Nein, danke.«

Pia starrte den jungen Mann so durchdringend an, wie sie nur konnte.

Ob man auch mit Brille Leute hypnotisieren kann?

Dass sie neuerdings eine - wie die Ärztin es genannt hatte - »Sehhilfe« brauchte, empfand sie beinahe als persönliche Niederlage. Aber Kontaktlinsen, wie Nele sie trug, waren ihr viel zu umständlich. Und so hatte sie nach der Devise »Wenn schon, denn schon!« ein riesengroßes, dunkelblaues 80er-Jahre-Gestell ersteigert. Bei E-bay. Mit daumenbreiten Bügeln und Fassungen, die an alte Fernsehbildschirme erinnerten. Ziemlich genau das Gegenteil von schlicht und unauffällig.

»Bei unserem Angebot des Monats würden Sie sogar noch gratis eine Sonnenbrill. . .«

»Nein!«

»Und unsere Versicherungspolice für den Fall, dass Ihnen das gute Stück einmal zu Bruch gehen sollte?«

Pia kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

Achselzuckend und offensichtlich in seiner Berufsehre gekränkt tütete der junge Mann das blaue Monstrum ein und beschriftete den Abholzettel.

»Ist morgen Nachmittag fertig.«

Pia warf einen raschen Blick auf ihr Handy-Display.

Kurz nach drei. Könnte knapp werden.

Die Teen-Court-Sitzungen begannen zwar immer erst um vier, aber Fabian Schmücke, der betreuende Sozialarbeiter, hatte eine obligatorische Abchillphase eingeführt: Handys und iPods aus, zusammen Kaffee oder Tee trinken und erst mal runterkommen, bevor die eigentliche Verhandlung losging.

»Danke. Tschüssi.«

Der Optiker brummelte ungnädig: »Ja. Wiedersehn«, und Pia rannte zur Bahnhaltestelle.

Während der Fahrt ließ sie in Gedanken noch einmal die Ereignisse Revue passieren, über die sie heute im Schülergericht zu urteilen hatten.

Der Fall hatte vor drei Monaten reichlich Staub aufgewirbelt: »Nächtlicher Spuk auf dem Schulhof«, hatte der Leipziger Kurier getitelt. Von »unbekannten Vandalen« war die Rede gewesen und davon, dass »unsere Kinder selbst in der Schule nicht mehr sicher« seien.

Typisch, dachte Pia, reine Panikmache.

Der Zeitungsbericht hatte definitiv nicht den Tatsachen entsprochen, denn erstens hatte sich das Ganze zwar in winterlicher Dunkelheit, aber keineswegs nachts abgespielt, und zweitens handelte es sich bei der mysteriösen Gestalt hinter dem Steuer keineswegs um einen »unbekannten Vandalen«, sondern um Len­nart Peters´ siebzehnjährigen Mitschüler Jonas Romeike, den einzigen Teilnehmer des abendlichen Bio-Tutoriums, der ein Mofa sein eigen nannte. Dass er zudem so unvorsichtig war, das gestohlene Handy in der Mülltonne vor der elterlichen Villa zu entsorgen, hatte dafür gesorgt, dass er gleich am nächsten Morgen dingfest gemacht werden konnte.

Doof noch dazu, schoss es Pia durch den Kopf, typisch Söhnchen reicher Eltern.

Doch sie rief sich sofort zur Ordnung: Mit Sicherheit waren nicht alle Kinder reicher Eltern wohlstandsverwahrloste Egozentriker; schließlich stammte sie selbst aus einer ausgesprochen gut betuchten Familie. Aber sie hatte festgestellt, dass die Reichen in Fernsehkrimis fast immer die Bösen waren, und es regte sie auf, dass dieses Vorurteil in Gestalt von Jonas Romeike womöglich wieder mal bestätigt wurde.

Die Teen-Court-Sitzungen fanden im Leipziger Süden statt, in einem Gebäude, zu dem der prosaische Name »Jugendhaus« nicht so recht passen wollte: Außen sonnengelb und innen weiß gestrichen, mit hohen Räumen und fast überall noch erhaltenen Stuckdecken. Das Mobiliar bestand aus einem gemütlichen Sammelsurium ausrangierter Einzelstücke, und von der Terrasse im Hochparterre gelangte man über ein paar Stufen in einen herrlich verwilderten Garten. Fabian Schmücke, der zuständige Sozialarbeiter, hatte dort im vergangenen Sommer sogar einen kleinen Goldfischteich angelegt.

Als Pia ankam, waren Marlon und Katja bereits dabei, Tee zu kochen. Katja hatte Kekse mitgebracht - ihre Eltern hatten einen Spätkauf-Kiosk, und da fiel immer mal das ein oder andere für die Sitzungen ab - und Fabian Schmücke legte die Fotokopien aus, auf denen noch mal alle wesentlichen Punkte zum aktuellen Fall zusammengefasst waren.

Pia ließ ihren Rucksack fallen, verteilte rasch noch ein paar Kaffeebecher auf dem Tisch und vertiefte sich in die Unterlagen.

»Sagt mal, findet ihr das nicht irgendwie seltsam? Seit wann landen denn solche Hämmer bei uns auf dem Tisch? Für mich sind das gleich fünf Straftaten auf einmal!«

»Ist doch egal. Was letztlich auf unserem Tisch landet, bestimmen schließlich nicht wir, sondern die Staatsanwaltschaft«, brummte Marlon und machte sich über die Kekse her. »Außerdem gehört den Eltern von Jonas Romeike die älteste und renommierteste Tanzschule hier in Leipzig. Die räumen schon in dritter Generation regelmäßig Goldmedaillen ab. So jemandem pinkelt man nicht ans Bein, wenn´s sich vermeiden lässt, verstehste?«

»Was heißt denn ans Bein pinkeln?!«, mischte Katja sich ein. »Das saubere Söhnchen von denen hat sie doch wohl nicht mehr alle. Dem Typ gehört gewaltig eins auf die Mütze!«

»Genau!« Demonstrativ zählte Pia Jonas Romeikes Sündenregister an den Fingern ihrer linken Hand auf: »Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs, Sachbeschädigung, fahrlässige oder sogar vorsätzliche Körperverletzung, Fahrerflucht und Diebstahl.«

Marlon kicherte. »Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum ...«

»Musst du immer wieder auf dem Thema rumhacken?!«

Pia fuhr regelmäßig aus der Haut, wenn jemand sie auf die Canisius´sche Familientradition ansprach: Sie hatte nicht die geringste Lust, in die Fußstapfen von Mutter, Vater, Schwester, Großvater und Urgroßvater zu treten und Rechtsanwältin zu werden. Aber die ewige Paragrafen-Diskutiererei zu Hause färbte natürlich trotzdem ab.

»Mensch, der Typ hat riskiert, dass Len­nart Peters schwer verletzt wird! Wieso geht es dann plötzlich nur noch um Paragraf 248b und 142? Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort: Das sind doch Bagatellen!«

»Eben!« Fabian Schmücke ließ sich in seinen Schreibtischsessel fallen, ein Stück abseits vom Konferenztisch: Er gehörte schließlich nicht direkt zum Schülergremium, sondern hatte lediglich eine Art Aufsichtsfunktion. »Und nur darüber habt ihr hier und heute zu befinden. Alles andere ist nicht euer Bier.«

»Aber... Dieser Jonas Romeike ist doch eindeutig ein Riesenarschloch!«

»Vergiss es, Pia. Für Riesenarschlöchigkeit geht man nun mal nicht in den Knast. Sonst säße schließlich mehr als die Hälfte der Menschheit im Gefängnis.«

»Haha ...« Pia zog eine ungnädige Grimasse. Manchmal ging ihr Fabians unerschütterlich gute Laune mitsamt seinen lahmen Scherzchen wirklich auf die Nerven.

Doch bevor sie sich weiter aufregen konnte, lenkte er ein. »Okay, Leute, ich versteh ja eure Bauchschmerzen. Aber fahrlässige Körperverletzung ist nun mal kein Offizialdelikt und Len­nart Peters hat seine Anzeige keine vierundzwanzig Stunden später zurückgezogen. Die Sache mit dem Handydiebstahl hat er auch auf sich beruhen lassen. Das Ding war zwar uralt, aber es hat den Aufenthalt in der Mülltonne schadlos überlebt. Wahrscheinlich, weil es uralt war.« Er zuckte die Achseln. »Wo kein Kläger, da kein Richter.«

Bevor Pia etwas erwidern konnte, stürmten Laura und Patrick - zwei weitere Teen-Court-Mitglieder - den Sitzungsraum.

»Hi, Leute!«

«Na? Kloppt ihr euch mal wieder um irgendwelchen Killefitt?«

Während Fabian breit grinsend nickte, schüttelte Pia energisch den Kopf. »Von wegen Killefitt! Der hat den Typi doch eindeutig mit Absicht angefahren!«

»Ach komm, Pia, reg dich ab!« Patrick kramte seine Zigarettendreh-Utensilien hervor und sprach, den Filter lässig zwischen die Lippen geklemmt, weiter. »Len­nart Peters ist hingeknallt und hat sich die Rübe angeschlagen. ´n paar Schürfwunden, blaue Flecken und ´ne aufgeplatzte Lippe. Ist doch nichts Dramatisches.«

»Genau.« Auch Laura hielt Pias Bedenken offenbar für reichlich übertrieben.

Oder sie will einfach nur Patrick imponieren, dachte Pia resigniert. Während Patrick schwungvoll die zweite Zigarette...


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Autor

Ulrike Bliefert, Jahrgang 1951, ist den Fernsehzuschauern u.a. als Darstellerin der Maximiliane in der Verfilmung von Christine Brückners Jauche und Levkojen / Nirgendwo ist Poenichen und als Ulla in der Comedyserie Das Amt bekannt. Sie schreibt zudem erfolgreich Drehbücher. Ulrike Bliefert ist mit einem Schauspielkollegen verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Berlin.Foto © Robert Berghoff