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Der Kuss des Raben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Arena Verlag GmbHerschienen am01.03.2016
Mila ist schön und anders. Ein außergewöhnliches Mädchen mit einer dunklen Vergangenheit. In Moorstein sucht sie einen Neuanfang - und findet ihre große Liebe: Tristan, eigentlich unerreichbar, erwählt ausgerechnet sie! Mila kann ihr Glück kaum fassen. Doch auch Tristan hat ein Geheimnis. Als im Dorf der Fremde Lucas auftaucht und das Haus der Rabenfrau in Besitz nimmt, erwachen die Schatten der Vergangenheit zum Leben. Lucas und Tristan scheinen sich zu kennen - und zu hassen. Mila gerät zwischen die beiden und findet sich plötzlich selbst vor einem schrecklichen Abgrund wieder ...

Antje Babendererde, geboren 1963, wuchs in Thüringen auf und arbeitete nach dem Abi als Hortnerin, Arbeitstherapeutin und Töpferin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Seit vielen Jahren gilt ihr besonderes Interesse der Kultur, Geschichte und heutigen Situation der Indigenen in Nordamerika, ihre einfühlsamen Romane zu diesem Thema für Erwachsene wie für Jugendliche werden von der Kritik hoch gelobt. In weiteren Romanen entführt Antje Babendererde ihre Leser*innen in ihre thüringische Heimat sowie in die schottischen Highlands, an die sie auf ihren Reisen ihr Herz verloren hat. www.antje-babendererde.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMila ist schön und anders. Ein außergewöhnliches Mädchen mit einer dunklen Vergangenheit. In Moorstein sucht sie einen Neuanfang - und findet ihre große Liebe: Tristan, eigentlich unerreichbar, erwählt ausgerechnet sie! Mila kann ihr Glück kaum fassen. Doch auch Tristan hat ein Geheimnis. Als im Dorf der Fremde Lucas auftaucht und das Haus der Rabenfrau in Besitz nimmt, erwachen die Schatten der Vergangenheit zum Leben. Lucas und Tristan scheinen sich zu kennen - und zu hassen. Mila gerät zwischen die beiden und findet sich plötzlich selbst vor einem schrecklichen Abgrund wieder ...

Antje Babendererde, geboren 1963, wuchs in Thüringen auf und arbeitete nach dem Abi als Hortnerin, Arbeitstherapeutin und Töpferin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Seit vielen Jahren gilt ihr besonderes Interesse der Kultur, Geschichte und heutigen Situation der Indigenen in Nordamerika, ihre einfühlsamen Romane zu diesem Thema für Erwachsene wie für Jugendliche werden von der Kritik hoch gelobt. In weiteren Romanen entführt Antje Babendererde ihre Leser*innen in ihre thüringische Heimat sowie in die schottischen Highlands, an die sie auf ihren Reisen ihr Herz verloren hat. www.antje-babendererde.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783401804675
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum01.03.2016
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1880331
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Reha-Klinik, Montag, 4. August »Guten Morgen, Tristan. Ich bin Rosa Wagner, Ihre Therapeutin für die Zeit der Reha. Wie geht es Ihnen heute?«

»Ich bin achtzehn und kann meine Beine nicht bewegen. Also, was soll die Frage?«

»Es ist normal, dass Sie deprimiert sind, aber das wird sich ändern. Wir werden daran arbeiten.«

»Deprimiert? Mir geht es beschissen, und daran wird sich auch nichts ändern, wenn ich mit Ihnen darüber spreche. Das ganze Psychozeug hat doch keinen Sinn.«

»Was hat Sinn? Im Bett liegen und in Selbstmitleid schwelgen?«

»Ich schwelge nicht in Selbstmitleid. Ich will Rache.«

»Sie hatten einen Motorradunfall, in den keine andere Person verwickelt war. An wem wollen Sie sich rächen? An einem Grenzstein?«

»Es war kein Unfall.«

»Ich denke, Sie können sich an nichts erinnern.«

»Kann ich auch nicht.«

»Keine Sorge, daran werden wir in den nächsten Wochen zusammen arbeiten.«

»Er hat gewonnen.«

»Was haben Sie gesagt? Wer hat gewonnen?«

»Der Rabe.«

Ein Jahr zuvor

Donnerstag, 5. September The Monster diminishes in size if you let it know you re not scared. - diminish: verringern, vermindern, abnehmen. Die Buchstaben verschwammen vor Milas Augen. Gähnend warf sie einen Blick auf den Wecker. Schon fast elf.

Tilde, ihre Gastmutter, spielte jeden Donnerstag mit ihren Freundinnen Doppelkopf und würde erst nach Mitternacht nach Hause kommen. Sie konnte also noch eine gute Stunde unbehelligt lernen, bevor es an ihre Tür klopfen und Tilde rufen würde: Licht aus, Mila, dein Hirn braucht eine Pause.

Dismal: düster, trostlos, miserabel. Wistful: wehmütig, sehnsüchtig. Die Vokabeln wollten einfach nicht mehr in ihren Kopf.

Als Kind war Mila immer so lange aufgeblieben, bis ihr die Augen zufielen, und das war so gut wie nie vor zwölf gewesen. Jetzt war sie fast siebzehn und zwang sich, wenigstens an den Wochentagen vor Mitternacht das Licht auszuschalten.

Das Gastschuljahr am Saale-Gymnasium in Moorstein war ihre große Chance, und sie wollte im Unterricht ausgeschlafen sein, doch die alte Gewohnheit saß tief im Gedächtnis ihres Körpers.

Es fiel Mila nicht leicht, dem Unterricht in einer fremden Sprache zu folgen, auch wenn ihr Deutsch schon fast perfekt war, als sie nach Moorstein kam. Aber vier grammatikalische Fälle, drei Vergangenheits- und zwei Zukunftsformen, dazu die Konjugationsregeln. Und nun Englisch, eine Sprache, in der wieder alles ganz anders war.

»Unser Hirn arbeitet auch in der Nacht«, hatte Tilde ihr erzählt. Der Hippocampus, eine kleine, nussförmige Region im Hirn, verarbeitet Fakten, Ereignisse und Situationen sehr schnell, hat aber keine große Speicherkapazität. Während wir schlafen, filtert der Hippocampus und gibt an die Großhirnrinde weiter, was als wichtig heraussortiert wurde.

Mila hoffte, dass die kleine Nuss in ihrem Hirn die englischen Vokabeln als wichtig erkennen und nicht durch den Filter fallen lassen würde.

Sie tappte in das kleine Bad gegenüber ihrem Zimmer, duschte singend und schlüpfte danach in ihr knielanges Pyjamashirt mit dem Rosenmuster. Mila föhnte und bürstete ihr Haar, bis es knisterte. Es fiel ihr in langen Wellen über die Schulter bis zur Hüfte, war dunkel, fast schwarz, doch jetzt hatte es einen hellen Schimmer von der Sommersonne.

Mit einem trockenen Handtuch wischte Mila über den beschlagenen Badezimmerspiegel und betrachtete kritisch ihr Gesicht: leichter Teint, aber nicht so dunkel, um auf ihre Herkunft schließen zu lassen. Hohe Wangenknochen, eine gerade Nase und ein schmales, aber kantiges Kinn. Ihre Zähne waren strahlend weiß, doch ein Schneidezahn stand leicht über dem anderen.

Die fast schwarzen, weit auseinanderliegenden Augen hatte sie von ihrer Mutter. Das energische Kinn vermutlich vom Vater, den sie nie kennengelernt hatte.

Betrachtet man sich im Spiegel, wenn es Nacht ist, gibt man seine Seele dem Teufel, meldete sich die fast vergessene Stimme ihrer Großmutter Sidonia.

Früher hatte Mila sich an sämtliche überlieferte Regeln und Tabus gehalten, doch das war vorbei, denn die alten Sprüche führten zu nichts. Die Knochen ihrer Baba moderten in ferner Erde und in einer hübschen deutschen Stadt wie Moorstein gab es keine Teufel.

In ihrer ersten Nacht in Tildes Haus hatte Milas kleine tote Großmutter als wortloser Schemen vor ihrem Bett gestanden, gebeugt und dünn wie ein Strich. Die Seelen der Toten wandern als Geister auf der Erde, hatte Baba Sidonia ihr erzählt. Jetzt war sie selbst ein Geist.

Delusion: Einbildung, Wahn, Täuschung.

Mila schnitt ihrem Spiegelbild eine Grimasse. Sie löschte das Licht im Bad und kehrte zurück in ihr heißgeliebtes Zimmer mit den altrosa gestrichenen Wänden, den weinrot schimmernden Vorhängen und den weiß lasierten Holzmöbeln. Ein Zimmer, in dem es genug Platz gab, um darin zu tanzen. Denn Tanzen war ein Teil von Mila - wie Luft holen. Sie schritt über den flauschigen roten Teppich vor ihrem schmiedeeisernen weißen Bett mit dem geschwungenen Kopfteil, grub ihre Zehen voller Wonne hinein, bevor sie in die rote Satinwäsche sprang und sich darin wie eine Königin fühlte. Über ihr ein Baldachin aus Himmelsstoff, luftig wie weiße Wolken.

Mila liebte alles, was schön war. Schönheit war ein großes Geheimnis, war Licht und Schatten. Immer gab es eine zweite Seite, einen Gegenpol: schön und kalt. Schön und gefährlich. Schön und traurig. Nichts war vollkommen, nie. In ihrer Sprache gab es gar kein Wort für hässlich, nur den Ausdruck »nicht schön«.

Vor vier Wochen war Mila mit einem Rucksack voller Wünsche, Hoffnungen und Träume in der kleinen Stadt am Rande des Thüringer Schiefergebirges angekommen und morgen hatte sie schon die zweite Schulwoche hinter sich. Die Zeit verging so schnell, dass ihr manchmal ganz schwindelig wurde davon. Am liebsten wollte sie nie wieder fort aus diesem Land, das ihr auf Schritt und Tritt fremd erschien - mit all seinen Fragezeichen, Eigenheiten und ungeschriebenen Regeln.

Dem Unterricht am Gymnasium zu folgen, war eine Sache. Mit der Mentalität der Moorsteiner zurechtzukommen, eine ganz andere. Obwohl die Sprache keine Hürde war, verstand sie so vieles nicht. Es schien, als teilten alle um sie herum ein Wissen, das ihr verschlossen blieb.

Ihre ersten Tage am Saale-Gymnasium waren das reinste Gefühlschaos. Zwar hänselte oder mobbte sie niemand aus ihrer neuen Klasse, wie das an ihrem alten Gymnasium in Cheb der Fall gewesen war, doch wirklich willkommen fühlte sie sich auch nicht. Einige Mitschüler löcherten sie mit Fragen, die sie nicht beantworten wollte, andere nahmen Mila lediglich zur Kenntnis und der Rest sah einfach durch sie hindurch. Sie hatte das Gefühl, dass es gewisse Prüfungen gab, die sie bestehen musste, um dazuzugehören. Doch niemand sagte ihr, welche das waren.

»Du bist die Neue«, hatte Tilde sie getröstet, »und Moorstein ist nun mal eine Kleinstadt. Sie sind neugierig, aber gleichzeitig auch skeptisch allem Fremden gegenüber. Geh auf sie zu und sei offen, dann werden sie dich schnell mögen.«

Doch Mila verstand sich nicht gut darauf, Freundschaften zu schließen, deshalb stand sie auf dem Schulhof mitten unter ihren Klassenkameraden und gehörte dennoch nicht dazu. Sie wusste es und die anderen spürten es auch.

Nur einer schien sie wirklich zu sehen. Er hieß Tristan Hellstern und trug ausnahmslos schwarze Klamotten. Mit seinen langen blonden Haaren, den verträumten braunen Augen und seinem sinnlichen Mund war er der attraktivste Junge in ihrer Klasse und der Begriff Schönheit bekam für sie eine neue Dimension, einen neuen Gegenpol: schön und beunruhigend.

Mila mied Tristan, denn sein gutes Aussehen und seine schwarze Kluft schüchterten sie ein. Offensichtlich verstand er es, mit seinem düsteren Komplettlook einen finsteren Eindruck zu schinden, und doch verhielt er sich vom ersten Tag an ausgesprochen aufmerksam und höflich ihr gegenüber. Aus diesem Grund mied sie ihn auch weiterhin. Weil alle sie anstarrten, wenn er mit ihr sprach, und Mila lieber unsichtbar bleiben wollte.

»Wenn du es zu etwas bringen willst, erzähl niemandem, wer du bist und wo du herkommst«, hatte ihre Mutter ihr geraten. Und Mila hielt es für klug, sich an diesen Rat zu halten. Es war gar nicht schwer, sich unsichtbar zu machen, wenn man nur wusste, wie.

Als ihre Vorfahren vor mehr als tausend Jahren aus Indien gen Westen flüchteten und sich überall auf der Welt verteilten, mussten sie lernen, schnell hinter die Fassaden von Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen zu schauen, um mit den Menschen vor Ort klarzukommen. Etwas von dieser Fähigkeit steckte Mila wohl noch im Blut.

Sie war nach Moorstein gekommen, um zu lernen. Dieses Gastschuljahr aus dem Euregio-Egrensis-Programm war ein Glücksfall, ihre große Chance. Alles andere musste eben warten.

Freundschaften. Liebe.

Erst einmal wollte sie ankommen und dazugehören. Die Dinge begreifen. Eines Tages würde ihr dann jemand...
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Autor

Antje Babendererde, geboren 1963, wuchs in Thüringen auf und arbeitete nach dem Abi als Hortnerin, Arbeitstherapeutin und Töpferin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Seit vielen Jahren gilt ihr besonderes Interesse der Kultur, Geschichte und heutigen Situation der Indigenen in Nordamerika, ihre einfühlsamen Romane zu diesem Thema für Erwachsene wie für Jugendliche werden von der Kritik hoch gelobt. In weiteren Romanen entführt Antje Babendererde ihre Leser*innen in ihre thüringische Heimat sowie in die schottischen Highlands, an die sie auf ihren Reisen ihr Herz verloren hat.antje-babendererde.de