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Das Café der Existenzialisten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
449 Seiten
Deutsch
C.H. Beckerschienen am18.07.20161. Auflage
Wie macht man Philosophie aus Aprikosencocktails? Für Sartre kein Problem: Er machte Philosophie aus einem Schwindelgefühl, aus Voyeurismus, Scham, Sadismus, Revolution, Musik und Sex. Sarah Bakewell erzählt mit wunderbarer Leichtigkeit, wie der Existenzialismus zum Lebensgefühl einer Generation wurde, die sich nach radikaler Freiheit und authentischer Existenz sehnte. Ihre meisterhafte Kollektivbiographie der Existenzialisten ist zugleich eine höchst verführerische Einladung, die existenzialistische Lebenskunst heute neu zu entdecken. 'Sarah Bakewell bringt alle Voraussetzungen mit, um uns die Geschichte des Existenzialismus neu zu erzählen. ... Sie schreibt brillant, mit leichter Feder und einem sehr britischen Humor, und bietet faszinierende Einsichten.' The Guardian 'Sie hat den Dreh raus, wie man zentrale Ideen auf den Punkt bringt.' Financial Times 'Skurril, witzig, klar und leidenschaftlich.' Daily Mail 'Ein Page-Turner.' The Paris Review

Sarah Bakewell lebt als Schriftstellerin in London, wo sie Creative Writing an der City University lehrt und für den National Trust seltene Bücher katalogisiert.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR24,95
BuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextWie macht man Philosophie aus Aprikosencocktails? Für Sartre kein Problem: Er machte Philosophie aus einem Schwindelgefühl, aus Voyeurismus, Scham, Sadismus, Revolution, Musik und Sex. Sarah Bakewell erzählt mit wunderbarer Leichtigkeit, wie der Existenzialismus zum Lebensgefühl einer Generation wurde, die sich nach radikaler Freiheit und authentischer Existenz sehnte. Ihre meisterhafte Kollektivbiographie der Existenzialisten ist zugleich eine höchst verführerische Einladung, die existenzialistische Lebenskunst heute neu zu entdecken. 'Sarah Bakewell bringt alle Voraussetzungen mit, um uns die Geschichte des Existenzialismus neu zu erzählen. ... Sie schreibt brillant, mit leichter Feder und einem sehr britischen Humor, und bietet faszinierende Einsichten.' The Guardian 'Sie hat den Dreh raus, wie man zentrale Ideen auf den Punkt bringt.' Financial Times 'Skurril, witzig, klar und leidenschaftlich.' Daily Mail 'Ein Page-Turner.' The Paris Review

Sarah Bakewell lebt als Schriftstellerin in London, wo sie Creative Writing an der City University lehrt und für den National Trust seltene Bücher katalogisiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406697654
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum18.07.2016
Auflage1. Auflage
Seiten449 Seiten
SpracheDeutsch
Illustrationenmit 26 Abbildungen
Artikel-Nr.1979847
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Cover;1
2;Titel;3
3;Impressum;4
4;Widmung;5
5;Inhalt;7
6;Inhalt;7
7;Erstes Kapitel: Monsieur, wie schrecklich, Existenzialismus!;13
7.1;Du kannst über diesen Cocktail sprechen, und das ist Philosophie!;13
7.1.1;Du bist frei, also wähle!;18
7.1.2;Existenzialismus als Lebensform;24
7.1.3;Kierkegaard und Nietzsche;30
7.1.4;Befreiung von jeder Unterdrückung;35
7.1.5;Sartres letzter Auftritt;38
7.1.6;Wieder über Freiheit sprechen;40
7.1.7;Das Café der Existenzialisten;45
7.1.8;Was ist das überhaupt, Existenzialismus?;48
8;Zweites Kapitel: Zu den Sachen selbst;51
8.1;Husserl oder Das vor Augen Stehende beschreiben;52
8.2;Wie aus Kaffee Phänomenologie wird;56
8.3;Ein fleißiges Eichhörnchen;61
8.4;Das Bewusstsein, hell und klar;63
8.5;Cartesianische Meditationen;65
9;Drittes Kapitel: Der Zauberer von Meßkirch;67
9.1;Meister des Staunens;67
9.2;Das phänomenologische Kind;68
9.3;Ein Romancier der Moderne;75
9.4;Die Sorge, das Zeug und das Mitsein;79
9.5;Die Stadt der zwei Phänomenologien;83
9.6;Wie ein verbogener Nagel alles in Frage stellt;85
9.7;Auf dem Zauberberg;88
10;Viertes Kapitel: Das «Man», der Ruf;91
10.1;1933, ein «unheimliches» Jahr;91
10.2;Aufruf zum Widerstand?;95
10.3;Heideggers Nationalsozialismus;96
10.4;Karl Jaspers lange Beine;99
10.5;Verschlüsselte politische Botschaften;106
10.6;Der Charakterlose;108
10.7;Kehre und Kitsch;111
10.8;Flucht der Schüler, Tod des Lehrers;113
11;Fünftes Kapitel: Blühende Mandelbäume abweiden;119
11.1;Some of These Days;119
11.2;Zähflüssiges, Klebriges, Schleim;125
11.3;Leben und Schreiben, gegen die Bourgeoisie;129
11.4;Simone de Beauvoir und Maurice Merleau-Ponty;132
11.5;Notwendige und zufällige Liebe;135
12;Sechstes Kapitel: Ich möchte nicht, dass man mich zwingt, meine Manuskripte zu fressen;143
12.1;Eine Woche im Herbst 1938;143
12.2;Die Rettung des Husserl-Nachlasses;146
12.3;Merleau-Ponty und das Geheimnis von Husserls Spätwerk;151
12.4;Von der Côte d Azur in den Krieg;155
12.5;Edith Stein, Phänomenologin und Heilige;156
13;Siebtes Kapitel: Okkupation und Befreiung;161
13.1;Der komische Krieg;161
13.2;Ein glücklicher Gefangener;165
13.3;Résistance, im Alltag;167
13.4;Keep Calm and Carry On;170
13.5;Absurd oder nicht absurd;175
13.6;Frei oder nicht frei;178
13.7;Handeln gegen die Unfreiheit;184
13.8;Schmutzige Hände;187
13.9;Moderne Zeiten;190
13.10;Existenzialismus und Jazz;192
13.11;Traduit de l américain;194
13.12;Amerikanische Missverständnisse;199
14;Achtes Kapitel: Verwüstung;203
14.1;Auf Burg Wildenstein;203
14.2;Das Geräumige, das in der Weite waltet;206
14.3;Expedition und Sanatorium;207
14.4;Heideggers Kehre;209
14.5;Marcuse fragt, Heidegger schweigt;216
14.6;Jaspers kommuniziert, und Heidegger begeistert;218
14.7;Lévinas verlässt das Heidegger-Klima;222
14.8;Moral und Mystik;225
14.9;Hat Heidegger Sartres «Dreck» gelesen?;228
14.10;«Die Fliegen» in Berlin;230
14.11;Der Alte vom Berg;233
15;Neuntes Kapitel: Studien nach dem Leben;237
15.1;Simone de Beauvoir und das andere Geschlecht;237
15.2;Sartre, der Blick und die Liebe;241
15.3;Angewandter Existenzialismus;243
15.4;Sartre über Sartre, Genet und andere;247
15.5;Flaubert, der Idiot der Familie;251
15.6;Wenn Sartre Freud analysiert;254
15.7;Eine bizarre Häufung von Unwahrscheinlichkeiten;255
16;Zehntes Kapitel: Der tanzende Philosoph;259
16.1;Was geschieht, wenn wir an unserem Cocktail nippen;259
16.2;Ich denke, also gibt es andere;261
16.3;Verwoben mit der Welt;267
16.4;Anmut und Charme;269
16.5;An den schattigen Rändern der Philosophie;272
17;Elftes Kapitel: Croisés comme ça;275
17.1;Opfer für den Kommunismus;275
17.2;Koestler und die Unmöglichkeit der Freundschaft;281
17.3;Die schreibende Hyäne;284
17.4;Das Taubenkomplott und Sartres Kehre;287
17.5;Camus, der Konterrevolutionär;291
17.6;Alors, c est fini;294
17.7;Die Mandarins von Paris;299
17.8;Besser, mit Sartre zu irren;300
17.9;Schreiben, schreiben, schreiben und ein Röhrchen Corydran;302
17.10;Eine neue Kehre;305
18;Zwölftes Kapitel: Mit den Augen der Benachteiligten;307
18.1;Das Prinzip Genet;307
18.2;Frantz Fanon und die Gewalt der Unterdrückten;309
18.3;Ein schwarzer Schriftsteller in Paris;314
18.4;Eine Tochter aus gutem Hause;317
18.5;Das existenzialistische Jahrzehnt in Amerika;318
18.6;Existenzialismus der Halbstarken;323
18.7;Gegenkulturen der Sechziger - und Herbst des Existenzialismus;328
18.8;Phänomenologischer Frühling in Prag;330
19;Dreizehntes Kapitel: Wer einmal von der Phänomenologie gekostet hat;337
19.1;Sein zum Tode;337
19.2;Die ersten Gäste verlassen das Café;338
19.3;Heideggers Heimkehr;342
19.4;Sartre, petit père, tu uns das nicht an!;347
19.5;Die letzten Gäste gehen;350
20;Vierzehntes Kapitel: Eine unauslotbare Strahlkraft;357
20.1;Im Dickicht der existenzialistischen Filme;357
20.2;HeideggersTiefenbohrungen und Sartres Dschungelpfade;359
20.3;Ich sehe dich, aber ich sehe nicht dich;365
21;Die Mitwirkenden;370
22;Dank;376
23;Bildnachweis;377
24;Anmerkungen;378
25;Literatur;431
26;Personenregister;444
27;Zum Buch;449
28;Über die Autorin;449
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Leseprobe


Viertes Kapitel
Das «Man», der Ruf

in dem Sartre Albträume hat und Heidegger zu denken versucht, Karl Jaspers bestürzt ist und Husserl zu Heroismus aufruft



1933, ein «unheimliches» Jahr


Heideggers magnetisierende Auftritte 1929 erhöhten nur die Anziehungskraft seiner Philosophie in einem Land, das nach dem Ersten Weltkrieg und der Hyperinflation 1923 in einer noch schwereren wirtschaftlichen Katastrophe zu versinken drohte. Viele Deutsche empfanden die Revolution von 1918/19 wie einen Staatsstreich, durch den Sozialdemokraten und Kommunisten das gute alte Kaiserreich zerstört hätten. Man munkelte über mutmaßliche Pläne von Juden und Kommunisten, den Staat zu unterminieren. Heidegger schien diesen Argwohn zu teilen. Auch er fühlte sich orientierungslos und verachtete die Weimarer Demokratie.

Besucher jener Jahre erschraken über Elend und Armut, die die Menschen links- und rechtsextremen Parteien in die Arme trieben. Raymond Aron, der 1930 erstmals in Deutschland war, fragte sich schockiert, was Europa tun müsse, um nicht in einen neuen Krieg hineinzuschlittern.[1] Zwei Jahre später bereiste die junge französische Philosophin Simone Weil Deutschland und berichtete für eine linksgerichtete Zeitung über Not und Arbeitslosigkeit, die das soziale Gefüge zerstörten. Wer einen Arbeitsplatz habe, schrieb sie, lebe in der ständigen Angst, ihn zu verlieren. Wer sich keine Wohnung leisten könne, verliere das Dach über dem Kopf oder müsse auf Kosten seiner Angehörigen leben, was die Familienbeziehungen extrem belaste. Das Unglück könne jeden treffen: «Greise mit steifem Kragen und Melone betteln an den U-Bahn-Ausgängen oder singen mit gebrochener Stimme auf der Straße.»[2] Die Alten litten, aber die Jungen, die nichts anderes kannten, konnten sich nicht einmal in schöne Erinnerungen flüchten.

Revolution lag in der Luft, aber man konnte nur spekulieren, wohin die politische Entwicklung führen würde: in Richtung der Kommunisten oder der Nationalsozialisten. Simone Weil setzte ihre Hoffnung auf die Linken, befürchtete aber, dass in einer so verzweifelten Lage die strenge Disziplin der uniformierten nationalsozialistischen Aufmärsche eindrucksvoller und attraktiver war als vage sozialistische Träume von Gleichheit.[3] Sie sollte recht behalten. Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Einst eine belächelte Randfigur, beherrschte Hitler jetzt das Land. Die Wahlen am 5. März stärkten seine Partei, die NSDAP. Am 23. März erhielt er mit dem Ermächtigungsgesetz nahezu unumschränkte Vollmachten, die er im Lauf des Sommers weiter ausbaute. Zwischen Arons Aufforderung an Sartre, ausgesprochen nach dem Gespräch über Aprikosencocktails, und dessen Aufbruch nach Berlin veränderte sich das Land so stark, dass es kaum wiederzuerkennen war.

Die ersten Umbrüche zeigten sich schon in jenem Frühjahr, und sie schränkten das Leben der Menschen in elementarer Weise ein. Bereits im März gab es willkürliche Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen. Mit neuen Verordnungen wurden das Brief- und das Telefongeheimnis aufgehoben - persönliche Freiräume, die bis dahin als unantastbar gegolten hatten.[4] Im April wurde zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen, und das «Berufsbeamtengesetz» erlaubte es, jüdische und politisch missliebige Staatsbedienstete zu entlassen. Am 2. Mai wurden die Gewerkschaften verboten. Am 10. Mai fand die erste öffentliche Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz statt. Am 14. Juli 1933 wurden alle politischen Parteien außer der NSDAP verboten.

Viele Deutsche, aber auch viele Menschen in Europa, beobachteten diese Entwicklung mit Entsetzen. Simone de Beauvoir wunderte sich später, wie gelassen sie und Sartre dem Aufstieg der Nationalsozialisten zugesehen hatten, ausgerechnet sie, die sich in der Folge so stark politisch engagierten.[5] Sie hätten zwar eifrig Zeitung gelesen, sich aber mehr für Mordgeschichten und psychologisch extreme Fälle wie die Tragödie der Papin-Schwestern interessiert (die beiden Zofen ermordeten ihren Arbeitgeber) oder die Geschichte eines jungen Paares, das ein unbekanntes Ehepaar mit in ihre Wohnung nahm, Orgien feierte und sich am nächsten Tag umbrachte.[6] Angesichts solcher Merkwürdigkeiten erschien ihnen der Aufstieg von Faschismus und Nationalsozialismus als eine eher abstrakte Angelegenheit. Doch im Sommer 1933, kurz vor Sartres Aufbruch nach Berlin, machten die beiden auf irritierende Weise Bekanntschaft mit dem italienischen Faschismus. Sie nutzten ein Sonderangebot der italienischen Eisenbahn und fuhren nach Rom. Als sie nachts im Kolosseum waren, richteten plötzlich zwei Schwarzhemden ihre Taschenlampen auf sie und schrien sie an, was sie hier zu suchen hätten.[7] Sie waren zwar schockiert, wurden aber politisch nicht wachgerüttelt.

Während seines Aufenthalts in Berlin war Sartre so sehr mit der Lektüre Husserls und anderer Philosophen beschäftigt, dass er die Außenwelt zunächst kaum wahrnahm. Er trank mit seinen Mitstudenten und unternahm lange Spaziergänge. «Dort entdeckte ich erneut die Verantwortungslosigkeit», erinnerte er sich später.[8] Doch die Hakenkreuzfahnen, die Aufmärsche und die regelmäßigen Gewaltexzesse wurden immer beunruhigender. Im Februar 1934 besuchte Beauvoir zum ersten Mal Sartre und wunderte sich darüber, wie normal Deutschland wirkte.[9] Als sie dann aber im Juni erneut nach Berlin reiste und mit Sartre über Dresden, München und Nürnberg nach Paris zurückfuhr, erlebte sie Militäraufmärsche und am Rande auch brutale Szenen auf den Straßen mit, so dass sie froh war, Deutschland wieder zu verlassen. Sartre bekam Albträume von Städten im Aufruhr, von «Blut an den Straßenkreuzungen und auf der Mayonnaise der Metzger».[10]

Diese Mischung aus Beklemmung und dem Gefühl des Irrealen war nichts Ungewöhnliches. Viele Deutsche empfanden es ähnlich. Es herrschte ein Gefühl der «Unheimlichkeit», wie es Heidegger nannte.

In der Regel wurden die Nazis gerade von den gebildeteren Bevölkerungsschichten nicht sehr ernst genommen. Karl Jaspers gab im Nachhinein zu, diesen Fehler gemacht zu haben. Eine ähnliche Einstellung beobachtete Simone de Beauvoir bei den französischen Studenten in Berlin. [11] Immerhin lernten die meisten, die Hitlers Ideologie ablehnten, dass es besser war, ihre Ansichten für sich zu behalten. Bei Aufmärschen überließen sie den Nazis die Straßen. Ließ es sich nicht vermeiden, entboten sie den obligatorischen Hitlergruß. Sie fanden, diese Geste sei bedeutungslos, wenn sie nicht daran glaubten. Wie der Psychologe Bruno Bettelheim später über diese Zeit schrieb, waren nur wenige bereit, für eine scheinbare Kleinigkeit wie den unterlassenen Hitlergruß ihr Leben aufs Spiel zu setzen - dennoch wurde auf diese Weise die Kraft des Widerstands geschwächt, die Verantwortung für das eigene Tun und die moralische Integrität unterminiert.[12]

Der Journalist Sebastian Haffner, damals Jurastudent, sprach in seinen Erinnerungen gleichfalls von einer Atmosphäre des «Unheimlichen». Alles geschah «in einer Art von halber Narkose, mit einer dünnen, kümmerlichen Gefühlssubstanz hinter dem objektiv Ungeheuerlichen: daß Morde begangen werden aus der Stimmung eines Dumme-Jungen-Streichs, daß Selbsterniedrigung und moralischer Tod hingenommen werden wie ein kleiner störender Zwischenfall». Seiner Ansicht nach trug nicht zuletzt die Moderne selbst die Schuld daran: Die Menschen, schrieb er, standen im Bann ihrer Gewohnheiten und der Massenmedien und vergaßen, die Routine ihres täglichen Lebens zu unterbrechen, um sich zu fragen, was eigentlich vorgehe.[13]

Heideggers ehemalige Geliebte und Schülerin Hannah Arendt schrieb in ihrer Studie Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, nicht zuletzt die Zersplitterung des modernen Lebens mache die Menschen anfällig für Demagogen und verschaffe totalitären Bewegungen Zulauf.[14] Arendt prägte auch das Schlagwort von der «Banalität des Bösen»: das völlige Versagen des...

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