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Zwei Schwestern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
280 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am22.09.20151. Auflage
»Ein wirklicher Fund.« Ulrich Greiner in >Die ZeitYoung Man with a Horn< mit Kirk Douglas, Lauren Bacall und Doris Day geht auf einen ihrer Romane zurück. Dorothy Baker gehört zu den bedeutenden Wiederentdeckungen der NYRB Classics und wird nun endlich auch in Europa gewürdigt.mehr
Verfügbare Formate
HörbuchCompact Disc
EUR19,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

Klappentext»Ein wirklicher Fund.« Ulrich Greiner in >Die ZeitYoung Man with a Horn< mit Kirk Douglas, Lauren Bacall und Doris Day geht auf einen ihrer Romane zurück. Dorothy Baker gehört zu den bedeutenden Wiederentdeckungen der NYRB Classics und wird nun endlich auch in Europa gewürdigt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423428132
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum22.09.2015
Auflage1. Auflage
Seiten280 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse925 Kbytes
Artikel-Nr.1823925
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2

Die Straße macht eine leichte Biegung, kurz bevor sie unsere Ranch erreicht. Die Biegung führt bergauf, sodass man nicht sieht, wie man sich nähert. Man gelangt an den Scheitel der Kurve, und plötzlich ist alles da, hinter einem Zaun links der Straße, erst der Korral, dann das Haus, dann Werkstatt und Garage und am Tor das kleine Haus aus Lehmziegeln, in dem Conchita Padilla, eine vollendete Hemdenbüglerin und Bodenwachserin, mit ihrem Mann Tomás Padilla wohnt, einem gleichgültigen Gärtner. Es hat einen leicht feudalen Aspekt, dieses Haus am Tor. Es lässt an Torwächter, Wachhaus, Zugbrücke, schwierigen Zugang denken, dabei muss man einfach nur einbiegen, denn das Tor steht immer offen, und über den knirschenden Kies der Auffahrt zu unserem Haus fahren, das ziemlich langgestreckt und aus Eisenbahnschwellen erbaut ist.

Schon bevor ich den Scheitel der Kurve erreichte, sah ich ein Schimmern, wie von einem Feuer oder den Lichtern einer Stadt, und im nächsten Moment wusste ich, was es war - irgendjemand hatte mir sozusagen ein Licht ins Fenster gestellt. Alles war strahlend hell erleuchtet - Flutlicht auf Rasen und Korral, Kutscherlampen neben der Tür, ländliche Elektrifizierung allenthalben, und es versetzte mir einen Stich, zu denken, dass jemand all diese Schalter betätigt hatte, um mich nach Hause zu lenken und bei sich zu haben. Aber so war es. Es war nicht meine Mutter gewesen, aus gutem und zureichendem Grund. Auch nicht meine Großmutter, denn die geht mit Licht nicht so verschwenderisch um wie mit ihren Konten. Und auch nicht mein Vater, denn der kommt nicht auf solche Ideen.

Ich beendete am Tor die Marseillaise, fuhr die knirschende Auffahrt hoch, hielt vor der Tür an und trat zweimal kräftig aufs Gaspedal, ehe ich den Motor abstellte. Der Hund kam als Erstes, grimmig und mit gesträubten Nackenhaaren kam er ums Haus herum, aber als ich ausstieg, hörte er, oder vielmehr sie, auf zu bellen, ließ die Nackenhaare wieder sinken und schüttelte mir sehr herzlich die Hand. Unterdessen war mein Vater aus dem Haus getreten und kam ums Auto herum auf mich zu. Er trug eine weiße Hose, weißes Hemd und Sonnenbrille; er hielt mich auf Armeslänge vor sich und betrachtete mich einen Moment lang, ehe er etwas sagte.

»Und welche bist du nun?«, fragte er. Ich weiß nicht, warum. Es war schon seit Jahren nicht mehr lustig, wenn es denn je lustig gewesen war.

»Ich bin Cassandra«, sagte ich trotzdem. »Die, die von den Mauern Trojas herunterheulte. Und das hab ich dir zu verdanken, also guck mich nicht so an.«

Er zog mich an sich, an sein schönes Hemd.

»Es ist ein guter Name«, sagte er. »Mir gefällt er.«

»Dann ist ja alles gut.« Ich ließ mich freudig weiter an seinen Kragen und ein Stück seines Halses pressen und atmete das reine Destillat ein, das, schon seit ich denken kann, mit stabilen hundert Volumenprozent aus seinen Poren dringt, um mir deutlich zu machen, wen ich vor mir habe. Einen Moment lang war ich wieder in Athen zu Füßen des Weisen, zusammen mit den beiden anderen Jünglingen, und der Weise muss gemerkt haben, wie es um mich stand, denn den Bruchteil einer Sekunde bevor ich in Tränen ausgebrochen wäre, ließ er mich los. Ich bin mir nicht sicher, was für Tränen es gewesen wären, hätten sie sich denn Bahn gebrochen, aber ich nehme an, Tränen der Erleichterung - der Erleichterung, ausnahmsweise mal philosophische Arme um mich zu haben. Soll heißen, Arme, denen ich trauen konnte, und ein Destillat, das ich verstehen und als etwas so Universelles wie Five-star-Hennessy identifizieren konnte, nach einer trostlosen Phase voller Düfte names Joie de Patou oder Femme de Rochas, die ich auseinanderhalten konnte, ohne dass es mich groß interessiert hätte, welcher welcher war. Oder wer sie trug.

Ich weiß nicht, wann meine Großmutter herausgekommen war, aber als ich mich umschaute, eben losgelassen, stand sie auf den Klinkersteinen zwischen den Kutscherlampen in einem Ansturm von Motten und sah sehr zerbrechlich und elegant aus. Meine Großmutter liebt Motten nicht sonderlich. Ihrer Meinung nach fressen sie Kleider und spinnen ihre Fäden in rohem Weizengrieß, aber sie wartete inmitten des Ansturms, bis ich mich aus Papas Armen löste und kam, um sie zu erlösen.

»Komm, wir gehen rein, raus aus den Motten«, sagte ich, nachdem ich sie geküsst hatte, und sie war mehr als willens, schlug allerdings erst noch ein paar von der Tür weg, ehe sie diese öffnete.

»Versuch sie als Sinnbild des Sommers zu betrachten«, sagte ich beim Reingehen zu ihr. »Sie sind doch hübsch.«

Aber sie schloss die Tür und ließ die Motten draußen, wie auch meinen Vater, der gerade den Kofferraum aufmachte, und als wir drinnen waren, sah ich mich um, als müsste ich in einem Suchspiel den versteckten Gegenstand finden, schaute auf den Flügel, den Schreibtisch, die Stühle, was eben so alles geboten war, während meine Großmutter mir erklärte, wie reizend es von mir sei, einen Tag früher zu kommen, wie hellsichtig, auf diese Weise hier zu erscheinen, wo Judy mich doch vor der Hochzeit unbedingt noch ein bisschen für sich haben wolle, solange der junge Mann weg sei.

Das ließ mich aufhorchen.

»Warum sollte sie das wollen?«, fragte ich. Mag sein, dass es ein klein wenig knurrig herauskam, aber falls dem so war, bemerkte meine Großmutter es entweder nicht, oder sie wollte es nicht bemerken. Ich durchmaß das Wohnzimmer in seiner ganzen Länge und schaute durch die großen Fenster hinaus auf den Rasen, auf den Pool dahinter und die Flussebene noch weiter draußen, die ich im Dunkeln nicht sehen konnte. Sie folgen terrassenförmig aufeinander. Der Pool liegt zwei Stufen unterhalb des Rasens und hinter einem Zaun aus Eisenbahnschwellen, sodass man vom Fenster aus keine freie Sicht darauf hat. Die Schwellen sind im Weg, aber ich konnte sehen, dass die Unterwasserbeleuchtung eingeschaltet und das Wasser aufgewühlt war. Ich erhaschte einen Blick auf einen Arm, vielleicht war es auch ein Bein, dann kam wieder eine Bahnschwelle dazwischen, und ich schaute weiter in die Richtung, in die es meiner Vermutung nach ging, während meine kleine Großmutter meine Frage nicht wirklich beantwortete, sondern, wie mir schien, ziemlich mühsam darum herumredete - es sei doch so wichtig für ein Mädchen, das kurz vor der Hochzeit stehe, noch ein letztes Mal etwas Zeit allein mit der Familie zu verbringen, insbesondere mit ihrer Mutter, ehe sie diesen großen Schritt tue.

»Mit welcher Mutter?« Ich sah wieder das Bein, oder den Arm. Bein, glaube ich. Dann hörte ich auf zu gucken und drehte mich zu Gran um, die genauso traurig aussah, wie ich es erwartet hatte, und mir sagte, eben das habe sie gemeint. Ohne Jane, beziehungsweise nun, da Jane tot sei, so drückte sie sich aus, glaube ich, trügen sie und auch ich eine große Verantwortung, wir müssten die Rolle der Mutter übernehmen, an deren Stelle treten. In so einer Zeit brauche ein Mädchen Rat und Einweisung.

Ich konnte mich nicht erinnern, dass Jane uns beiden je nennenswerten Rat erteilt hätte, aber das sagte ich nicht. Ich trat ans Klavier und schaute, welche Noten auf dem Bord standen. Mozart KV 475.

»Wenn sie so wild auf Rat ist«, sagte ich zu Gran, »warum bleibt sie dann da draußen unter Wasser?«

»Sie hat mich gebeten, dir zu sagen, dass du zu ihr rauskommen sollst, sobald du da bist.«

»Tatsächlich?«

Es muss steif oder ungläubig geklungen haben, denn Granny reagierte sofort darauf und sagte, Judith habe den ganzen Tag versucht, mich anzurufen, alle halbe Stunde ...

»Ich weiß«, sagte ich. »Das hat sie mir erzählt.«

... und als der junge Mann gefahren sei, habe sie sich nicht dazu bewegen lassen, ihn zu begleiten, denn sie habe unbedingt gewollt, dass ich nach Hause käme und sie mich ein bisschen für sich haben könne.

»Das hast du bereits gesagt«, bemerkte ich, aber leichthin, ohne Schärfe, jedenfalls fast. »Was für eine Sorte Rat braucht sie denn? Ob sie wirklich heiraten soll, oder welches Kleid sie zur Hochzeit anziehen soll?«

»Oh«, sagte Gran, »das ist längst beschlossen. Wir waren gestern in Fresno und haben ihr bei Magnin´s eins besorgt. Es ist sehr schlicht, aber es gefällt ihr.«

»Und das ist das Entscheidende, stimmt´s?«

»Wir müssen auch für dich noch eins finden«, sagte Gran, und ich antwortete, ich hätte bereits eins gefunden, auch bei Magnin´s, allerdings in Oakland, und ihr Konto damit belastet, und mir gefalle es, was ja das Entscheidende sei.

Sie sah sehr froh aus, und dann plötzlich besorgt.

»Cassie«, sagte sie. »Du siehst müde aus. Hast du wirklich schon zu Abend gegessen?«

Ich nickte. Papa kam mit meinen Sachen herein. Mir war gerade nicht nach Kleidervorführung, also nahm ich ihm die Schachtel Pralinen aus der Hand und bat ihn, alles andere in mein Zimmer zu stellen, ich würde später auspacken.

»Hier«, sagte ich zu Gran und reichte ihr die Schachtel, »Schokokirschpralinen mit Bitterschokolade. Aber halt die Schachtel waagerecht, bis sie fest geworden sind.«

»Ich leg sie in den Kühlschrank«, sagte sie und bedankte sich überschwenglich dafür, dass ich mich immer daran erinnerte, was sie am liebsten mochte, sogar welche Marke. Ich weiß nicht, warum sie das jedes Mal so rührt, falls es das wirklich tut. Es ist wahrlich nicht schwierig. Aber für die schwierigen Dinge, die ich tue, werde ich nur selten gelobt, dabei sind manche davon ausgesprochen schwierig. So wie morgens aufwachen und abends schlafen gehen, und zwar ganz allein, es sei denn, ich bin mit irgendwem zusammen, und es wird immer schwieriger für mich, überhaupt mit jemandem zusammen zu sein. Und andererseits mehr oder...
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Autor

Dorothy Baker (1907 - 1968) stammte aus Montana. Sie studierte in Los Angeles Französische Sprache und erhielt u.a. ein Guggenheim Fellowship. Sie war verheiratet mit dem Dichter Howard Baker, mit dem sie in den Vierzigerjahren auch ein Theaterstück schrieb - von der Zensur bald kassiert. Baker verfasste mehrere Short Storys und Romane. Der Film >Young Man with a Horn