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Das Ting

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am16.09.20191. Auflage
»Eine moderne Story über drohenden Autonomieverlust.« SZ Extra Vier junge Visionäre gründen in Berlin ein Start-Up up und entwickeln zusammen eine App: das sogenannte Ting, das körperbezogene Daten seiner Nutzer sammelt, auswertet und auf dieser Grundlage Handlungsempfehlungen gibt. Das Prinzip Ting überzeugt - die App schlägt ein wie eine Bombe. Getrieben vom Erfolg entwickelt Mitgründer Linus die Möglichkeiten immer weiter, sein eigenes Leben und das der User mithilfe des Ting zu optimieren. Doch um neue Investoren für die Firma zu gewinnen, sind er und sein Team bald gezwungen, sich auf ein gefährliches Spiel einzulassen: Sie verpflichten sich vertraglich, künftig unter allen Umständen jeder Empfehlung des Ting zu gehorchen - mit verheerenden Folgen.

Artur Dziuk wurde in Polen geboren, studierte in Berlin und machte den Master of Arts im Literarischen Schreiben an der Universität Hildesheim. >Das Ting< ist sein Romandebüt. Er lebt in Hamburg.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Eine moderne Story über drohenden Autonomieverlust.« SZ Extra Vier junge Visionäre gründen in Berlin ein Start-Up up und entwickeln zusammen eine App: das sogenannte Ting, das körperbezogene Daten seiner Nutzer sammelt, auswertet und auf dieser Grundlage Handlungsempfehlungen gibt. Das Prinzip Ting überzeugt - die App schlägt ein wie eine Bombe. Getrieben vom Erfolg entwickelt Mitgründer Linus die Möglichkeiten immer weiter, sein eigenes Leben und das der User mithilfe des Ting zu optimieren. Doch um neue Investoren für die Firma zu gewinnen, sind er und sein Team bald gezwungen, sich auf ein gefährliches Spiel einzulassen: Sie verpflichten sich vertraglich, künftig unter allen Umständen jeder Empfehlung des Ting zu gehorchen - mit verheerenden Folgen.

Artur Dziuk wurde in Polen geboren, studierte in Berlin und machte den Master of Arts im Literarischen Schreiben an der Universität Hildesheim. >Das Ting< ist sein Romandebüt. Er lebt in Hamburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423436328
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum16.09.2019
Auflage1. Auflage
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4340 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.4369993
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

LINUS

Sein Spiegelbild in der gläsernen Drehtür wird mit jedem Schritt größer. Der neue Anzug scheint glänzend und glatt, doch Linus ahnt, dass die Fahrt Falten hineingedrückt hat. Heute darf er sich keine Fehler erlauben. Seine Performance muss tadellos sitzen. Seine Karriere - sein Leben hängt davon ab.

Wenige Meter über ihm, an der Glasfront des Towers, leuchtet der Schriftzug: Strindholm Consulting. Die Geräusche um ihn herum werden leiser. Bassgetriebene Musik aus einem Sportwagen. Das Gespräch mehrerer Männer, auf dem Weg in eine Szenekneipe. Das Lachen eines Liebespaares.

Die Hitze der Sommernacht drückt auf seine Schläfen. Zur Sicherheit kontrolliert er das Display seines Smartphones. Keine Nachricht von Kira. Keine Empfehlung des Ting.

In der Lobby ist es still, die Deckenlampen sind gedimmt. Die weite Eingangshalle ist leer, abgesehen von einem Mann, der hinter einem Tresen sitzt, das Gesicht erhellt von einem Bildschirm. Wie ein steinerner Wächter, umgeben von Marmor und gläsernen Wänden. Er schenkt Linus keinen einzigen Blick.

In fünf Minuten ist es 22 Uhr 30. Trotzdem ist niemand hier: keine Universitätsabsolventen, die flüsternd die Stationen ihres Lebenslaufs durchgehen. Sich gegenseitig taxieren. Keine Personaler, die ihn begrüßen. Ihm versichern, es gebe keinen Grund, nervös zu sein. Erklären, was er schon weiß. Dass Strindholm Consulting Bewerbungsverfahren in der Nacht abwickelt. Dass zwölf Bewerber eingeladen, geprüft, weggeschickt werden, wenn sie den Anforderungen nicht genügen. Dass, wer am Morgen übrig ist, gleich hierbleibt und den ersten Arbeitstag vor sich hat.

Linus streicht sein Sakko glatt, atmet tief ein. Und wieder aus. Wahrscheinlich warten Personaler und Bewerber in einem anderen Raum. Sein Hemd ist unangenehm feucht. Die klimatisierte Luft hat den Schweiß innerhalb von Sekunden abgekühlt. Er hebt unauffällig den Arm und neigt den Kopf, um seinen Körpergeruch einzuschätzen. Doch er ist nicht sicher, ob da überhaupt etwas ist. Die Schritte in den neuen Lackschuhen klingen laut auf dem Marmorboden, und er versucht, weniger stark aufzutreten. Noch immer schaut der Mann hinter dem Empfangstresen nicht auf. Auch nicht, als Linus direkt vor ihm steht.

»Entschuldigung - ich bin wegen des Bewerbungsgesprächs hier.«

Endlich richtet der Mann seinen Blick auf Linus und faltet die Hände ineinander. Aus dem neutralen Gesichtsausdruck schält sich ein schmales Lächeln.

»Guten Abend. Wie kann ich Ihnen helfen?«

Unter dem Anzug steckt ein athletischer Körperbau, obwohl der Mann die Fünfzig bereits überschritten haben muss. Linus denkt über die Berufsbezeichnung seines Gegenübers nach. Aber sie fällt ihm nicht ein. »Pförtner« kann es nicht sein. Vielleicht ein Anglizismus. Dem Aussehen nach zu urteilen ist der Mann Geschäftsführer oder sogar Personaler. Linus stutzt. Was, wenn er tatsächlich Personaler ist? Und diese Situation, die leere Lobby, seine Unfreundlichkeit, Teil der ersten Prüfung?

»Warum starren Sie mich so an?«

»Entschuldigung. Mein Name ist Linus Landmann. Ich bin wegen des Bewerbungsgesprächs hier.«

Der Mann blickt wieder auf den Bildschirm. Bewegt langsam die Maus. Klickt.

»Sie meinen sicherlich das Assessment-Center. Die Kollegen vom Recruiting sind mit den Bewerbern vor 20 Minuten hochgefahren. Tut mir leid. Man hat ohne Sie begonnen.«

Die gläserne Rückwand der Lobby ist beschlagen, als hätte ein riesiger, offener Mund von der anderen Seite dagegengeatmet. Diffuses Licht geht von ihr aus. Es bedeckt den Marmorboden und legt sich von hinten über den Körper des Mannes.

»Das kann nicht ... Laut Einladung beginnt das Assessment-Center erst in einigen Minuten.«

Der Mann hebt die Schultern und schüttelt den Kopf. Wenn das tatsächlich eine Prüfungssituation ist, wenn der Mann das alles nur spielt, dann muss Linus seine Kreativität unter Beweis stellen. Er muss beweisen, dass er sich durch Hindernisse nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Vielleicht ist Adam noch im Büro. Linus könnte ihn anrufen, ihn um Hilfe bitten. Dem vermeintlichen Personaler zeigen, dass er vorbereitet ist, dass er Connections hat. Doch in Wirklichkeit weiß Linus noch nicht mal, ob Adam von seiner Bewerbung erfahren hat. Ob er sie gutheißt. Kira hingegen meint, Adam ist der einzige Grund, warum man ihn überhaupt eingeladen hat.

»Könnten Sie vielleicht jemanden für mich anrufen?«

Der Mann hinter dem Tresen stöhnt auf. Greift nach einem Telefonhörer und wählt, wobei er sich auf seinem Stuhl um 120 Grad dreht. Nach einigen Sekunden sagt er: »Ein Linus Landmann ist hier.«

Er wartet die Antwort ab und legt wieder auf.

»Bitte setzen Sie sich. Sie werden gleich abgeholt.«

Linus sucht nach einem Platz. Vor einer Flotte von Lederhockern erstarrt er für einen Moment, als würde von seiner Entscheidung für eine Sitzgelegenheit etwas abhängen. Dann setzt er sich vorsichtig auf den erstbesten Hocker. Das diffuse Licht bedeckt ihn jetzt vollständig. Die Quelle liegt irgendwo im Zentrum des Towers, hinter der inneren Glaswand, die noch immer lückenlos beschlagen ist. Hindurchschauen kann er nicht.

Auf dem Display seines Smartphones findet er neue Nachrichten von Kira.


Ich bin mir sicher, dass es dieses Mal klappt.
Ich glaube an dich.


Darunter ein Foto. Hochgezogene Augenbrauen, ein optimistisches Lächeln, ein gedrückter Daumen. Das Bild soll ihm Mut machen. Kira hat bereits Schlafsachen an und sitzt in ihrem Sessel. Wahrscheinlich scrollt sie gerade durch Modeblogs, um von der Arbeit zu entspannen. Geht zwischendurch auf den Balkon, eine rauchen. Macht Pläne für ihr Wochenende. Hoffentlich bleibt sie noch ein paar Stunden wach.

Dem Bild folgt ein weiterer Satz.


Wenn du Adam triffst, dann grüß ihn ganz herzlich.


Mit seinem Smartphone steuert Linus die Website von Strindholm Consulting an, sucht unter der Kategorie Team nach seinem ehemaligen Freund. Kein Foto, keine Angaben zur Vita, außer: M. Sc. Wirtschaftsingenieurwesen. Er steckt das Telefon in seine Tasche und versucht, geräuschlos seine Sitzposition auf dem unbequemen Hocker zu verändern. Möglicherweise kann Adam ihm helfen, den Job zu bekommen. Doch möchte er Adam überhaupt wiedersehen? Möchte er ihn um einen Gefallen bitten, nach allem, was vorgefallen ist? Linus ist sich nicht sicher. Seit dem Studium haben sie nicht mehr miteinander gesprochen.

Linus versucht, die Gedanken an ihre letzte Begegnung zu unterdrücken, aber es gelingt nicht. In ihrem letzten gemeinsamen Semester hatten sie die Idee für ein Produkt: ein »Navigationssystem fürs Leben«. Sie spielten mit dem Gedanken, ein Start-up zu gründen. Linus zuständig für die Entwicklung, Adam für den wirtschaftlichen Part. Linus entwarf ein erstes Konzept und stützte seine Masterarbeit darauf. Als er die Arbeit abgab, erfuhr er, dass Adam den Entwurf kopiert und in seiner eigenen Abschlussarbeit verwendet hatte. Es gab zu viele Überschneidungen und Linus musste einen neuen Ansatz finden. Letztlich kostete ihn die Neuausrichtung ein ganzes Semester. Auch noch nach Jahren, auch hier in der Lobby von Strindholm Consulting verkrampft sein Oberkörper, wenn er an ihr letztes Treffen zurückdenkt: wie sauer er auf Adam war, wie er vor Wut zitterte. Wie Adam am Küchentisch saß und ein großes, leeres Glas von einer Handfläche in die andere schubste. Lächelte und schwieg, statt sich zu entschuldigen, sich zu rechtfertigen, Linus zumindest anzuschauen. Nach einer Weile nahm Adam das Glas und füllte es bis zum Rand mit Wasser. Er ließ sich Zeit und blickte anschließend lange aus dem Küchenfenster. Während Linus um seine Fassung rang, mit der Stille im Raum kämpfte, drehte Adam sich um und schaute ihm direkt in die Augen. Ohne den Blick von Linus zu lösen, setzte er das Wasserglas an die Lippen und trank. Erst behutsam, dann immer gieriger. Mit jedem Schluck wurde die Bewegung des Adamsapfels ausladender, wurde das dazugehörige Geräusch obszöner. Einige Tropfen lösten sich aus seinen Mundwinkeln, flossen als Rinnsal die Wange herab und tropften vom Kinn. Auch wenn es nur ein Glas Wasser war - Linus sah ein Raubtier vor sich, das hungrig Stücke aus dem Leib seiner Beute riss. Mit einem Klong stellte Adam das Glas auf den Tisch. Und ging, ohne ein weiteres Wort.

Je länger er und Adam anschließend keinen Kontakt hatten, desto mehr flaute Linus´ Ärger ab. Und desto mehr stellte Bewunderung sich ein.

Linus schreckt auf, als sich die Tür des Fahrstuhls öffnet. Es ist nicht Adam, der heraustritt. Eine junge Frau kommt auf ihn zu. Während ihre Absätze selbstbewusst in die Lobby klacken, mustert sie ihn von oben bis unten. Er greift nach der ausgestreckten Hand und widersteht dem Verlangen, sich daran hochzuziehen.

»Herr Landmann, schön. Sie haben es doch noch geschafft. Mein Name ist Enni Strindholm. Ich bin Junior Human Resources Managerin. Und bevor Sie fragen: Ja, ich gehöre zur Familie. Kommen Sie, wir sind spät dran. Die Vorstellungsrunde findet im Abendmahl statt.«

Die Seitenwände des Fahrstuhls sind verspiegelt. Linus versucht, die Personalerin unauffällig anzuschauen. Er schätzt sie auf Mitte zwanzig. Sie ist knapp größer als er, trägt einen grauen Hosenanzug und ihre blonden Haare sind zu einem Dutt hochgesteckt. Ihr strenges Äußeres und die geradlinigen Bewegungen passen nicht zu ihrem kindlichen Gesicht. Als sie sich im Nacken kratzt, fällt ihm auf, dass sie keine Ohrringe trägt. Nicht einmal Ohrlöcher hat. Er fragt sich, was das über sie aussagen könnte. Ihm fällt nichts...
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Autor

Artur Dziuk wurde in Polen geboren, studierte in Berlin und machte den Master of Arts im Literarischen Schreiben an der Universität Hildesheim. >Das Ting
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Dziuk, Artur