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QUANTUM - Tödliche Materie

Thriller
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2020
Ein Actionfeuerwerk der Extraklasse Eben noch sitzt der Physiker Nicola Caneddu beim Feierabendbier - im nächsten Moment findet er sich in den Händen brutaler Kidnapper wieder, die Informationen zu einem geheimen Tunnel  am CERN aus ihm herauspressen wollen. Nicola entkommt und recherchiert zunächst auf eigene Faust - dann im Auftrag des amerikanischen Präsidenten. Und tatsächlich deckt er eine Verschwörung um eine Superwaffe auf, die ungeheure Dimensionen annimmt. Als Agent wider Willen landet Nicola in einem Szenario, das er bis dato nur aus Actionfilmen kannte. Doch sein immenses Wissen in der Elementarteilchenforschung macht ihn zum wertvollen Verbündeten in einem Kampf, der die ganze Welt verändern kann.

Patrick Illinger, geboren 1965, forschte am Europäischen Forschungszentrum CERN über Antimaterie, bevor er sich dem Journalismus und dem Schreiben widmete. 1997 wurde Patrick Illinger leitender Redakteur der >Süddeutschen Zeitung<, wo er zunächst die Online-Redaktion aufbaute. Seit 2002 ist er für das Wissensressort verantwortlich.
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Produkt

KlappentextEin Actionfeuerwerk der Extraklasse Eben noch sitzt der Physiker Nicola Caneddu beim Feierabendbier - im nächsten Moment findet er sich in den Händen brutaler Kidnapper wieder, die Informationen zu einem geheimen Tunnel  am CERN aus ihm herauspressen wollen. Nicola entkommt und recherchiert zunächst auf eigene Faust - dann im Auftrag des amerikanischen Präsidenten. Und tatsächlich deckt er eine Verschwörung um eine Superwaffe auf, die ungeheure Dimensionen annimmt. Als Agent wider Willen landet Nicola in einem Szenario, das er bis dato nur aus Actionfilmen kannte. Doch sein immenses Wissen in der Elementarteilchenforschung macht ihn zum wertvollen Verbündeten in einem Kampf, der die ganze Welt verändern kann.

Patrick Illinger, geboren 1965, forschte am Europäischen Forschungszentrum CERN über Antimaterie, bevor er sich dem Journalismus und dem Schreiben widmete. 1997 wurde Patrick Illinger leitender Redakteur der >Süddeutschen Zeitung<, wo er zunächst die Online-Redaktion aufbaute. Seit 2002 ist er für das Wissensressort verantwortlich.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423436861
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum01.07.2020
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3767
Artikel-Nr.4938728
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

RESTAURANT MOTI MAHAL
MADURAI, SÜDINDIEN
April 1968
Rachman, immer wieder dieser Rachman. Gleich würde sie seine schlurfenden Schritte auf der steinernen Kellertreppe hören. Sicherlich hatte er wieder seine Rute dabei. Er würde sie bedrohlich über ihrem Kopf schwingen oder, je nach Laune, auf ihren Rücken schlagen. Er tat das nie so heftig, dass Verletzungen blieben, zumindest keine sichtbaren. Aber nach zwei Jahren in diesem Keller, nach zwei Jahren unter Rachmans Herrschaft hatte Lakshmi ihre Lebenslust nahezu verloren.

Seit drei Stunden meißelte sie nun kleine Stücke Kohle aus großen, unförmigen Briketts heraus. 128 Splitter waren es bis jetzt, eine besondere Marke, fand sie. Was für eine elegante Zahl. Man konnte daraus zwei gleich große Haufen machen. Und diese Haufen wieder in zwei gleich große Haufen teilen. Und wieder. Und wieder. Acht Mal. Sie liebte sie, diese runden »weichen« Zahlen, wie sie sie nannte. Lakshmi wusste, dass die Erwachsenen Zahlen bevorzugten, die sich durch zehn teilen ließen, so wie die Fünfzig. Oder die Hundert, vor der sie geradezu Ehrfurcht zu haben schienen. Das konnte sie nicht verstehen. Was konnte man schon mit der Hundert anfangen? In zwei Teile teilen, dann noch mal, und dann musste man schon fünf Haufen machen, um gleich große Mengen zu bilden. War die 128 nicht viel, viel edler? Und erst die Vierundsechzig. Oder die Neunundvierzig. Wieso gab es in der Welt der Erwachsenen Geldscheine im Wert von fünfzig Rupien und nicht von neunundvierzig? Neunundvierzig Kohlestücke konnte man in einem perfekten Quadrat anordnen, mit je sieben Stücken an einer Kante. Was nur liebten die Erwachsenen an der Fünfzig, aus der man keine symmetrischen Figuren legen konnte und die sich nur ungelenk in Haufen teilen ließ?

Ähnlich faszinierend, wenngleich auf bizarre Weise kantig, fand Lakshmi die »harten« Zahlen. Jene, die man gar nicht in gleich großen Haufen anordnen konnte. Drei, fünf oder sieben Kohlestücke konnte man schlecht aufteilen. Je mehr Kohlestücke zusammenkamen, desto seltener wurden allerdings diese unteilbaren harten Zahlen.

Als sie gerade mit ihren zarten, bis zu den Ellenbogen staubschwarzen Händen in der Kohle wühlte, trat Rachman in den Kellerraum.

Immer wieder dieser Rachman.

Er schlug ihr mit seiner Ledergerte auf den Rücken.

»Träumst du schon wieder, du kleiner Nichtsnutz? Arbeiten sollst du, miese Heuschrecke! Weshalb haben wir dem Waisenhaus tausend Rupien bezahlt? Dafür, dass du träumst? Was geht bloß in dir vor? Bis um sechs Uhr, wenn die ersten Gäste eintreffen, will ich beide Säcke voller Kohlestücke sehen. Beide. Und kein Stück darf größer als mein Daumennagel sein. Hast du das verstanden?!«

Lakshmi nickte unterwürfig und versuchte, Rachman nicht mit ihrem Blick zu provozieren.

»Außerdem brauchen wir dich heute Abend oben im Gastraum. Es ist Feiertag. Wir erwarten mehr Rummel als sonst. Du musst fegen und Tische abräumen.«

Lakshmi nickte erneut.

Seit man sie vor drei Jahren aus dem Waisenhaus in dieses Restaurant gebracht hatte, musste sie im Keller die Kohle schlagen, mit der die Grillöfen für die Dosa-Fladen und der Herd für die Currytöpfe angeheizt wurden. Ein gut gehendes Restaurant wie das Moti Mahal im Herzen von Madurai konnte Dutzende Menschen wie sie mit Arbeit versorgen, was natürlich auch daran lag, dass Arbeit in ihrem Land so gut wie nichts kostete. Man fand für jede noch so niedrige Tätigkeit jemanden, der sie ausführte. Einer von Lakshmis Zimmergenossen, ein vielleicht zehnjähriger Junge, hatte die Aufgabe, Papierservietten einzusammeln, welche die Gäste nach dem Besuch des Lokals in die Straßengräben der Umgebung warfen. Na, da hacke ich lieber Kohle, dachte Lakshmi.

Ein Onkel zweiten Grades hatte sich ihrer vor drei Jahren erbarmt und sie aus dem Waisenhaus geholt. Er ließ sie in seinem Restaurant, dem Moti Mahal , arbeiten. Sie bekam dort jeden Tag zu essen und ein anständiges Bett in einem kleinen Zimmer, das sie sich mit vier weiteren Kindern teilte. Aber sie musste hart dafür arbeiten. In die Schule zu gehen, kam nicht infrage, sie war ein Mädchen. Ihr Onkel war an sich kein schlechter Mensch, doch für die Überwachung der Tätigkeiten im Keller - das Kohleschlagen, die Vorratshaltung und das Flicken von Kesseln - war Rachman zuständig. Und Rachman war alles andere als ein guter Mensch.

Seit drei Jahren schlug Lakshmi bereits Kohle für Rachman. Und seit drei Jahren schlug Rachman auf sie ein. Sie spürte, wie der Druck und die andauernde Bedrohung sie abstumpfen ließen. Sie konnte Rachman nichts recht machen, und so flüchtete Lakshmi sich immer tiefer in ihre Welt aus Zahlen und Formen. Sie reihte manchmal Kohlestücke in Vierecken auf. Dabei entdeckte sie, dass nicht alle weichen Zahlen sich als Quadrate anordnen ließen. Die Vierundsechzig ja, die 128 aber nicht. Und sie entdeckte, dass jede größere quadratische Zahl, die sie Tischzahlen nannte, weil sie wie die Tische im Gastraum eben quadratisch waren, sich aus zwei kleineren Tischzahlen addieren ließ.

Früh am Morgen, wenn Rachman noch schlief und die Dosa-Öfen abgekühlt waren, schlich Lakshmi manchmal durch das Restaurant, penibel darauf bedacht, die Arbeiter nicht zu stören, die das Geschirr wuschen und den Boden fegten. Dann hob sie einige der länglichen Zettel auf, die mit dem übrigen Dreck in einer Ecke zusammengekehrt waren. Sie entdeckte darauf Symbole, die stetig wiederkehrten. Zehn verschiedene Symbole, so viele wie sie Finger hatte. Sie brauchte nicht lange, um in den Symbolen verschieden große Haufen von Kohle zu erkennen. Und mehrere der Symbole in einer Reihe geschrieben konnten gewaltigen Haufen entsprechen. Sie begann zu verstehen, dass das Symbol »0«, welches eigentlich nichts bedeutete, also einen leeren Kohlesack, plötzlich einen Haufen Kohle bedeutete, wenn eine »1« davor geschrieben stand. Sie nannte es das Zehnfingerzählen. Und sie begann, die Zettel aus dem Restaurant nachzurechnen. Dabei fiel ihr auf, dass viele dieser Zettel Fehler enthielten. Es wurden unterhalb eines breiten Strichs oft größere Zahlen ausgewiesen, als es der Summe der darüber aufgeschriebenen Zahlen entsprach.

An diesem Tag war Vishu, ein hoher südindischer Feiertag, und das Restaurant war brechend voll. Familien in traditionellen Festtagsgewändern bevölkerten die Tische, die Männer in langen, um die Beine geschlagenen Tüchern, die Frauen in leuchtend bunten Saris. Die Gespräche, das Klappern der Metallbecher, die Rufe aus der Küche hallten durch den Gastraum.

Wie Rachman angewiesen hatte, half Lakshmi an diesem Tag oben mit. Der Boden musste unablässig gefegt werden, und die als Gedeck dienenden Bananenblätter mussten ausgetauscht werden, sobald Gäste ihr Mahl beendet hatten und Platz für die nächsten Hungrigen machten.

An einem der Ecktische bemerkte Lakshmi einen älteren Herrn. Er trug altmodische ausländische Kleidung, eine dunkle Hose, ein weißes Hemd mit hohem Kragen und eine abgewetzte schwarze Jacke, aus deren Tasche eine Kette hing. Ein grauer Vollbart umrahmte seinen fülligen Mund. Sein Haar war ebenfalls grau und ungekämmt. Eine silberne Nickelbrille klemmte auf seiner Nase, durch die zwei aufgeweckte freundliche Augen den Gastraum musterten. Als der Mann sich zum Gehen erhob, näherte sich Lakshmi und begann, seinen Tisch abzuräumen. Dabei bekam sie seinen achtlos liegen gelassenen Zahlenzettel in die Finger. Sie warf verstohlen einen Blick darauf und brauchte nur Sekunden, um zu merken, dass wieder einmal etwas nicht stimmte. Die ausgewiesene Summe war eine harte Zahl, aber das konnte nicht sein. Es musste eine weiche Zahl sein. Was hier stand, war falsch, und sie schüttelte den Kopf.

»Na, was hast du denn entdeckt?«

Die tiefe Stimme ließ Lakshmi zusammenzucken. Der ältere Herr war zurück an den Tisch gekommen, weil er seinen Hut vergessen hatte. Dabei hatte er Lakshmis Verwunderung bemerkt. Sie sah ihn verunsichert an. Da ergriff der Mann die zerknitterte Rechnung und überflog sie mit seinen wachen Augen. Er nickte und sah Lakshmi mit neugierigem Blick an.

»Erstaunlich«, murmelte er. »Sehr erstaunlich.«

Lakshmi zuckte ängstlich mit den Schultern. Der Mann zog einen Stift aus seiner Jackentasche, kritzelte etwas auf die Rückseite des zerknitterten Zettels und zeigte es Lakshmi. Es war die Zahl 169.

»Das ist eine Tischzahl«, sagte Lakshmi, ohne zu zögern.

»Was meinst du damit?«, fragte der Mann, woraufhin Lakshmi mit ihrem Zeigefinger die Kanten des quadratischen Tisches abfuhr, an dem der Ausländer gegessen hatte. Der Fremde nickte wissend.

»Und kannst du mir die Zahl sagen, die für diese Kante steht?«, fragte er sie.

Sie nahm den Stift und kritzelte eine »13« auf den Zettel. Die Augen des Mannes weiteten sich. Er betrachtete Lakshmi mit wachsendem Staunen.

»Wie alt bist du?«, fragte er.

»Eine Kistenzahl«, sagte Lakshmi. Sie lächelte vorsichtig.

Der alte Mann malte mit dem Zeigefinger die Form eines Würfels in die Luft.

»Meinst du das mit einer Kistenzahl?«, fragte er. »Einen Würfel?«

Das Mädchen nickte.

»Und eine Kante sind zwei Jahre?«, fragte der Alte.

Lakshmi nickte wieder.

»Dann bist du also zwei im Kubik, also zwei mal zwei mal zwei, macht acht?«, fragte der Mann mit erwartungsvollem Blick.

»Stimmt genau. Liebst du auch Zahlen? Darf ich dir noch ein Rätsel aufgeben?« Langsam verlor Lakshmi ihre Scheu.

»Vielleicht später. Wie heißt du? Und wer ist dein Vormund?«

Lakshmi nannte ihren...

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Autor

Patrick Illinger, geboren 1965, forschte am Europäischen Forschungszentrum CERN über Antimaterie, bevor er sich dem Journalismus und dem Schreiben widmete. 1997 wurde Patrick Illinger leitender Redakteur der >Süddeutschen Zeitung
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Illinger, Patrick