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Finsterthal

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am21.02.20201. Auflage
Der zweite Fall für Ex-Polizist Alexander Born Junge Frauen werden entführt - und trotz der Zahlung des Lösegeldes ermordet. Ein Racheakt an ihren Vätern, die mit illegalen Geschäften ein Vermögen gemacht haben? Zunächst nur widerwillig geht der kriminell gewordene Ex-Polizist Alexander Born auf Spurensuche. Doch dann ist sein Jagdinstinkt geweckt. Gemeinsam mit seiner ehemaligen Kollegin Carla Diaz will er den Mann, der sich »Der Dunkle« nennt, zur Strecke bringen. Bei ihm laufen offenbar alle Fäden zusammen. Aber in diesem Spiel aus Lüge und Verrat ist nichts, wie es scheint. Und hinter jeder Wahrheit verbirgt sich eine weitere.

Linus Geschke, Jahrgang 1970, arbeitet als freier Autor und Journalist. Für seine Reisereportagen hat er mehrere Preise gewonnen. Sein Thriller >Tannenstein< wurde auf Anhieb ein Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR3,99

Produkt

KlappentextDer zweite Fall für Ex-Polizist Alexander Born Junge Frauen werden entführt - und trotz der Zahlung des Lösegeldes ermordet. Ein Racheakt an ihren Vätern, die mit illegalen Geschäften ein Vermögen gemacht haben? Zunächst nur widerwillig geht der kriminell gewordene Ex-Polizist Alexander Born auf Spurensuche. Doch dann ist sein Jagdinstinkt geweckt. Gemeinsam mit seiner ehemaligen Kollegin Carla Diaz will er den Mann, der sich »Der Dunkle« nennt, zur Strecke bringen. Bei ihm laufen offenbar alle Fäden zusammen. Aber in diesem Spiel aus Lüge und Verrat ist nichts, wie es scheint. Und hinter jeder Wahrheit verbirgt sich eine weitere.

Linus Geschke, Jahrgang 1970, arbeitet als freier Autor und Journalist. Für seine Reisereportagen hat er mehrere Preise gewonnen. Sein Thriller >Tannenstein< wurde auf Anhieb ein Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423436892
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum21.02.2020
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3559 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.4938730
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

BERLIN
DREI TAGE SPÄTER

Alexander Born hatte in dieser Nacht Albträume. Wie schon in der vorherigen und wie in jener, die der vorherigen vorangegangen war.

Ein formloses Wesen war ihm wie ein Schatten durch die Träume gefolgt. Nie wurde es schneller, nie langsamer, ständig spazierte es im Gleichschritt hinter ihm her, schweigend wie eine Gefolgschaft aus Blut und Gewalt. Born wusste nicht, was das Wesen antrieb, aber er wusste, wo es geboren worden war: in der Justizvollzugsanstalt Tegel, in der er drei Jahre eingesessen hatte, weil er sich als Polizist an Kriminellen bereichert hatte, indem er sie ausraubte. Nicht die beste aller Ideen, aber auch nicht die schlechteste.

Dachte er, damals.

Bis zu dem Tag zumindest, an dem jemand seine Partnerin und Geliebte Lydia ermordete und es nichts gab, was er tun konnte, weil Gitterstäbe und Betonwände jeden Handlungsspielraum begrenzten. Es hatte ihn schier wahnsinnig gemacht, irgendetwas in ihm zerbrochen. Was immer in der Dunkelheit dieser Tage geboren wurde, blieb fortan ein Teil von ihm.

Nach seiner Entlassung war er von dem Gedanken besessen gewesen, Rache an dem zu nehmen, den er für Lydias Tod verantwortlich machte. Doch dieser Mann war jetzt auch tot. Born hatte gehofft, er könnte danach seinen Frieden und wieder zu sich selbst finden, aber das Wesen hatte ihn nicht mehr losgelassen.

Manchmal hatte er Angst, es würde ihn packen und verschlingen; manchmal ließ es ihn nachts vom Gefängnis träumen, von dem Gestank und der Angst dort. Bilder von schreienden Irren und gepeinigten Idioten geisterten durch seinen Kopf; von brutalen Gewaltorgien, empathielos ausgeführten Tritten und Schlägen. Er hörte das Geräusch, das Schädel machten, wenn sie gegen Betonwände krachten, sah zerschlagene Gesichter und konnte immer noch die allumfassende Einsamkeit spüren, die er mit Hunderten anderer teilte. Das Wesen erinnerte ihn daran, wie es war, keinen Millimeter Raum für sich zu haben, keine Sekunde allein zu sein. Und keine Spur von Schönheit, nirgends.

Der einzige Mensch, den er nach seiner Entlassung an sich rangelassen hatte, war Norah Bernsen gewesen. Eine Polizistin, in deren Person sich äußere und innere Schönheit verbanden.

Aber auch sie war wieder aus seinem Leben verschwunden. Vielleicht, weil er nie auf ihre Anrufe reagiert hatte; vielleicht, weil sie die Augen irgendwann nicht mehr vor dem verschließen konnte, was in ihm herrschte.

Er war jetzt achtunddreißig und allein auf der Welt.

Fast.

Er hatte ja immer noch das Wesen.

Als Born um neun Uhr aufstand, hatte der wolkenverhangene Himmel die satte, monochrome Sepiafarbe einer alten Fotoaufnahme. Er putzte sich die Zähne, trank einen Kaffee und zog Sportkleidung an. Dann verließ er die großzügig geschnittene Dreizimmerwohnung in Charlottenburg, die er von seinen Eltern geerbt hatte, und joggte los.

Nach zwei, drei Minuten hatte er sein Tempo gefunden. Er trabte durch baumgesäumte Straßen, die von renovierten Altbauten geprägt waren, vorbei an Menschen auf dem Weg zur Arbeit. Da waren Frauen in Businesskostümen und Männer in Anzügen, unter denen er sich seltsam deplatziert vorkam. Er wusste, dass er nicht in dieses Viertel gehörte; nur ein Pirat war, der unter falscher Flagge segelte.

Berlin war seine Heimat, war es immer gewesen, aber das hier war nicht seine Stadt. Sein Berlin waren die heruntergekommenen Viertel, in denen er jede Straße und jede Gasse kannte. Ebenso die Dealer, die Zuhälter und das ganze lichtscheue Gesocks mit Augen, in denen entweder ein unbestimmter Groll auf die Welt oder blanke Dummheit glomm. In dieser Umgebung hatte er sich immer wohlgefühlt; wahrscheinlich, weil er beim Abschaum wusste, woran er war. Schlipsträger hatte er nie verstanden.

In seinem Berlin lag stets eine aggressive Stimmung in der Luft, penetrant wie der Geruch nach Urin, Schweiß und Müll. Dieses Berlin roch wie das Parfüm einer alten Hure, und dennoch liebte er es; selbst an heißen Sommertagen, wenn der Verkehr tobte und die Hundescheiße zum Himmel stank. Das war sein Hoheitsgebiet. Hier war er durch die Schule des Lebens gegangen, hier hatte er schon als Kind gelernt zu kämpfen und zu vergeben, hatte Streits angezettelt und beendet, den Dreck der Straße verachtet und geliebt.

Vor allem in den sieben Jahren, in denen er für die Sitte arbeitete, und den vier folgenden, die er beim Dezernat LKA 11 verbrachte, wo er es mit Tötungsdelikten und Entführungen zu tun gehabt hatte. Oft fragte er sich, warum das so war: warum das Gute inmitten all des Schmutzes besonders hell leuchtete.

Born joggte zwei Runden um das Olympiastadion, dann machte er sich auf den Rückweg, wo er nahe der Kreuzung Reichsstraße und Brixplatz an einem in zweiter Reihe geparkten Streifenwagen vorbeikam, hinter dem sich bereits der Verkehr staute. Der Fahrer saß gelangweilt am Steuer, während sein Kollege gerade auf eine nahe gelegene Bäckerei zumarschierte.

»Hey, Born!«

Er hörte den Ruf und stoppte.

»Sie können sich nicht mehr an mich erinnern, richtig?«

Er trat an den Streifenwagen heran und sah sich den Fahrer genauer an. Ein massiger Typ Anfang vierzig, der wahrscheinlich mal muskulös gewesen war, bevor zu viele Koteletts seinen Weg kreuzten. Trotz des trüben Wetters trug er eine verspiegelte Sonnenbrille, die ihm die Optik eines Pornostars verlieh, und irgendwie kam sein Gesicht Born bekannt vor - vielleicht hatte er bei einer Ermittlung mal die Tatortsicherung übernommen.

»Auf Anhieb nicht«, gab er zu.

»Kein Problem«, erwiderte Sonnenbrille mit einer Handbewegung, die alles Mögliche bedeuten konnte. »Welcher Zivilbeamte merkt sich schon jeden uniformierten Kollegen, mit dem er es mal zu tun gehabt hat? Passen Sie auf, ich helfe Ihnen auf die Sprünge: Es ging damals um einen Araber, der seine sechzehnjährige Schwester abgestochen hat, weil sie mit einem Deutschen ins Kino ging und damit die Ehre der Familie beschmutzte. So ´n verfickter Kleindealer, der ansonsten rund ums Kottbusser Tor Ecstasy vertickte.«

Irgendwas dämmerte.

»Ich kann mich noch erinnern, dass Sie damals für die meisten Kollegen fast so etwas wie ein Held waren«, fuhr der Streifenpolizist fort. »Das war allerdings, bevor rauskam, dass Sie selbst krumme Touren reiten. Mich persönlich hat das, ehrlich gesagt, nicht gewundert. Meiner Meinung nach waren Sie schon damals ein arrogantes Arschloch, das wahrscheinlich dachte, es käme mit allem durch.«

Born trat näher und legte eine Hand auf das Dach des Streifenwagens. »Den Eindruck habe ich auf Sie gemacht?«

Der Bulle grinste dümmlich. »Ein aufgeblasener, arroganter Wichser.«

Das war genau die Art von Diskussion, die Born nicht mehr führen wollte. Er hatte es so satt. »Tut mir leid«, sagte er und wandte sich zum Gehen. »Ich wünsche Ihnen dennoch einen schönen Tag.«

Der Polizist schien noch nicht fertig zu sein. Er nahm die Sonnenbrille ab und sagte: »Vielleicht zahlt Ihnen das ja mal jemand heim, was meinen Sie? Vielleicht wartet ja mal jemand vor der Tür, wenn Sie das Haus verlassen. Also immer schön aufpassen, verstanden?«

So langsam wurde Born sauer. »Sie?«

»Was?«

»Ich wollte wissen, ob Sie das sein wollen. Der Typ, der vor meinem Haus steht, um mich fertigzumachen. Wenn ja - warum dann warten? Warum nicht gleich jetzt und hier, Fettsack?«

Sonnenbrille starrte ihn stumm an.

»Dachte ich mir«, sagte Born, bevor er sich umdrehte und den Streifenpolizisten endgültig seinem Schicksal überließ.

Im Weggehen schaute er, einem inneren Reflex folgend, auf die Uhr. Es war erst 10.37 Uhr, er war schon so müde, und das lag an den Tagen, die in letzter Zeit sein Leben bestimmten.

Tage, die so ereignislos ineinander übergingen, dass plötzlich November war, obwohl der Kalender in der Küche immer noch Februar anzeigte.

In der folgenden Nacht wurde Born unsanft durch das schrille Klingeln des Handys geweckt. Sein Hirn war benebelt, die Gedanken schienen sich durch zähflüssiges Karamell zu bewegen. Dann blickte er zum Handy, das sich wie ein verendendes Tier vibrierend auf die Kante des Nachttisches zubewegte, um sich in selbstmörderischer Absicht in den Abgrund zu stürzen.

23.44 Uhr.

Er rettete es und meldete sich.

»Ich bin´s, Dimitri.« Die Stimme des Russen klang gehetzt. »Kannst du offen reden?«

»Klar. Ich bin allein.«

»Gut ... das ist gut. Ich brauche deine Hilfe. Wir brauchen sie.«

Dimitri Saizew und er waren weder Feinde noch Freunde, ihr Verhältnis bewegte sich irgendwo dazwischen. Entscheidend war, dass der Russe zu den wenigen Menschen gehörte, denen Born vertraute, obwohl sie lange auf verschiedenen Seiten des Gesetzes gestanden hatten. Er gehörte zu der seltenen Spezies Mensch, bei der das gegebene Wort noch etwas galt und Vereinbarungen mit einem Handschlag besiegelt wurden.

Dimitri war über sechzig, ein ehemaliger KGB-Mann, der jetzt in Spreenähe ein Spezialitätenrestaurant betrieb, das Pasternak, welches aber in erster Linie als Fassade diente. Das meiste Geld nahm er mit Waffenhandel und einigen anderen Dingen ein, von denen Born lieber nichts wissen wollte. Fakt aber war: Als Born Dimitris Hilfe gebraucht hatte, hatte dieser sie ihm nicht verweigert, und wenn es nun umgekehrt war, würde Born auch für ihn da sein.

»Worum geht´s?«, fragte er schlaftrunken.

»Irgendwer ist da draußen. Er wandelt durch die Dunkelheit und hat es auf uns abgesehen.«

»Du redest in Rätseln, Dimitri. Was meinst du? Jetzt im Moment ist jemand vor deiner Tür?«

»Nicht jetzt und nicht bei mir. Irgendwo. Ein...
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