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Engelsgrund

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am22.01.20211. Auflage
Eine unheilvolle Allianz zwischen Jäger und Gejagtem Höchst alarmiert wendet sich Carla Diaz, Borns frühere Kollegin bei der Sitte, an den Ex-Polizisten. Zwei junge Frauen, Mitglieder der Sekte »Cernunnos«, der auch Carlas Tochter Malin angehört, wurden ermordet aufgefunden. Nun fürchtet Carla um Malins Leben, dringt aber nicht zu ihr durch. Auch Borns Rückholmission scheitert - an Sektenführer Lampert und an Malin selbst. Da schaltet Born seinen alten Gegenspieler Andrej Wolkow ein, der ihm noch einen Gefallen schuldet. Tatsächlich schickt der Russe einen jungen Killer, der sich als entwurzelter Russlanddeutscher bei »Cernunnos« einschleicht. Doch Wolkow treibt ein doppeltes Spiel ...

Linus Geschke, Jahrgang 1970, arbeitet als freier Autor und Journalist. Für seine Reisereportagen hat er mehrere Preise gewonnen. Sein Thriller >Tannenstein< wurde auf Anhieb ein Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEine unheilvolle Allianz zwischen Jäger und Gejagtem Höchst alarmiert wendet sich Carla Diaz, Borns frühere Kollegin bei der Sitte, an den Ex-Polizisten. Zwei junge Frauen, Mitglieder der Sekte »Cernunnos«, der auch Carlas Tochter Malin angehört, wurden ermordet aufgefunden. Nun fürchtet Carla um Malins Leben, dringt aber nicht zu ihr durch. Auch Borns Rückholmission scheitert - an Sektenführer Lampert und an Malin selbst. Da schaltet Born seinen alten Gegenspieler Andrej Wolkow ein, der ihm noch einen Gefallen schuldet. Tatsächlich schickt der Russe einen jungen Killer, der sich als entwurzelter Russlanddeutscher bei »Cernunnos« einschleicht. Doch Wolkow treibt ein doppeltes Spiel ...

Linus Geschke, Jahrgang 1970, arbeitet als freier Autor und Journalist. Für seine Reisereportagen hat er mehrere Preise gewonnen. Sein Thriller >Tannenstein< wurde auf Anhieb ein Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423437578
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum22.01.2021
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2998 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.5145325
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

BERLIN
VIER TAGE SPÄTER

In der Nacht hatte es in der Hauptstadt geschneit, aber dann waren die Streufahrzeuge gekommen, der morgendliche Berufsverkehr hatte eingesetzt, und kurz danach sahen die eben noch so sauber wirkenden Straßen wie ein vollgepisstes Katzenklo aus.

Sie rochen auch so ähnlich.

Trotzdem liebte Alexander Born diese Stadt. Sie war seine Stadt, der Beginn seiner Existenz und gleichzeitig auch sein Verhängnis. Er liebte jeden schmutzigen, schäbigen Quadratmeter und lehnte Modernisierungsmaßnahmen ab. Er liebte Berlin gerade wegen, nicht trotz seiner Fehler, und diese Liebe war auch das Einzige, was in seinem Leben von Bestand war.

Der Rest?

Ein ewiges Auf und Ab, welches immer häufiger in Trostlosigkeit mündete. So wie jetzt, als er am Wohnzimmerfenster seiner Eigentumswohnung in Charlottenburg stand und überlegte, was er mit dem Rest des Tages anfangen sollte.

Er wusste es nicht.

Wenn er nicht auf die Uhr schaute, wusste er nicht einmal, wie spät es gerade war, und es spielte auch keine Rolle. Die Stunden glichen sich immer mehr an; sie gingen so ereignislos ineinander über wie die verwaschenen Farben eines Batik-T-Shirts.

Es hatte eine Zeit gegeben, in der das noch anders gewesen war. Eine Zeit, in der Born ein Polizist gewesen war, fast so etwas wie der Star der Truppe. Er hatte bei der Sitte gearbeitet, oft undercover, und war dann zur Mordkommission gewechselt. In beiden Dezernaten hatte er für viele spektakuläre Festnahmen gesorgt. Unzählige Schulterklopfer hatten ihm eine große Karriere prophezeit, und eine Berliner Zeitung hatte ihn einen Helden genannt, als er mit seinem Team siebzehn rumänische Zwangsprostituierte aus einem Zehlendorfer Hinterhaus befreit hatte.

Als der damalige Berliner Oberbürgermeister (also jener Mann, der der Polizei ansonsten nur in den Rücken fiel) ihm während eines Besuches des Polizeipräsidiums vor laufenden Kameras die Hand schütteln wollte, hätte er dem Typen am liebsten öffentlichkeitswirksam eins auf die Fresse gehauen.

Born hatte früh erkannt, dass er mit seinem Tun nur die Symptome bekämpfte, nie die Ursachen. Ihm war mit den Jahren immer klarer geworden, dass sich kein Krimineller - zumindest nicht die wirklich harten Jungs - durch die Androhung einer Haftstrafe von irgendwelchen Straftaten abhalten ließ, niemals.

Diese Sprache verstanden sie einfach nicht. Sie taten, was sie taten, weil sie waren, was sie waren.

Abschaum.

Damit solche Leute verstanden, musste man sie an den Eiern packen, ihnen wehtun und ihnen das nehmen, was sie begehrten. Also begann er, mit schöner Regelmäßigkeit jenen zu schaden, die er sowieso für den Bodensatz der Gesellschaft hielt. Er klaute Drogenhändlern das Koks, Raubtätern die Beute und Clanmitgliedern die Waffen, um das Ganze anschließend an Dimitri Saizew zu verkaufen, einen Restaurantbesitzer mit guten Kontakten zum organisierten Verbrechen. Born wurde kriminell, um Kriminellen zu schaden, und war sich des darin enthaltenen Widerspruchs durchaus bewusst.

Anschließend hatte er mit dem Geld das gemacht, was er für das Richtige hielt - meist war es leider das Falsche. Er half Menschen, von denen er glaubte, dass sie seine Hilfe brauchten, und wurde von diesen Menschen verraten. Sein Tun flog auf, eine Suspendierung und die Anklage folgten, dann drei Jahre Haft in der Justizvollzugsanstalt Tegel, wo in seinem Inneren ein dunkles Wesen geboren wurde, das ihm fortan nicht mehr von der Seite wich. Als er vor zwei Jahren wieder freikam, gab es keine Chance mehr, in den Polizeidienst zurückzukehren.

Wieder das Richtige zu tun.

Man hatte ihn vom Schiff der Guten gestoßen. Danach hatte er hilflos im Ozean getrieben und erkannt, dass die Guten nicht mehr zurückkommen würden. Als dann plötzlich eine Piratenflagge am Horizont auftauchte, hatte er sich entscheiden müssen: an Bord gehen oder absaufen.

Er hatte seine Wahl getroffen, und dennoch vermisste er das Schiff der Guten jeden Tag. Vor allem das damit verbundene Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen und nicht gezwungen zu sein, ein Leben in unterschiedlichen Grautönen zu führen, wo ein Tag dem anderen glich, die Freunde immer weniger wurden und die Zukunft noch trostloser erschien als jene des Schnees, der sich vor seinen Augen langsam in Matsch verwandelte.

Borns Dilemma war: Er war ein Mann, der genau wusste, was er wollte, aber erkannt hatte, dass er es nicht mehr bekommen würde. Für ihn gab es kein Schwarz oder Weiß mehr, nur die Schattierungen dazwischen, was es so unglaublich schwer machte, jeden Tag das Richtige zu tun.

Also tat Born gar nichts mehr. Dank der Wohnung, die er von seinen Eltern geerbt hatte, und einiger Aktienpakete hatte er zumindest keine finanziellen Sorgen, und ab und zu gab es sogar in diesem Leben Momente des Glücks. Aber selbst die schönsten Momente waren letztendlich nur Momente, und naturgemäß dauerten sie nicht ewig.

Dann kam die Tristesse wieder.

Die dumpfe Orientierungslosigkeit und das Gefühl, versagt zu haben.

Mitten in diese Überlegungen hinein klingelte es. Born ignorierte das erste Läuten und das zweite; wahrscheinlich nur der Briefträger. Erst beim dritten stand er auf und drückte den Türöffner. Hörte das Summen an der Haustür und schnelle, klackernde Schritte.

Schuhe mit Absätzen, dachte er.

Eine Frau.

Wenn Born gemeint hatte, ihm gehe es dreckig, war das augenscheinlich nichts gegen Carla Diaz, die kurz darauf vor seiner Wohnungstür stand. Das Gesicht der sonst so attraktiven Halbspanierin war von kleinen Fältchen durchzogen, die bei ihrer letzten Begegnung noch nicht da gewesen waren. Die Haut sah blass und teigig aus, und dunkle Ringe breiteten sich unter ihren Augen aus. Die Gesichtszüge waren versteinert, die Lippen zusammengekniffen.

Ein Anblick, der ihm Sorgen machte.

Gemeinsam mit Carla hatte er früher bei der Sitte gearbeitet, und sie war eine der wenigen Freunde, die ihm aus dieser Zeit noch geblieben waren. Ohne sie hätte er Finsterthal nicht überlebt, so einiges andere wohl auch nicht. Carla war einer der stärksten Menschen, die er kannte, stets furchtlos und loyal, und er fragte sich, was ihr die Energie geraubt hatte, die sie sonst immer ausstrahlte.

»Kaffee?«, fragte er nur.

Sie nickte und folgte ihm ins Wohnzimmer, wo sie sich kraftlos aufs Sofa fallen ließ. Carla war nicht nur müde; sie wirkte auch nervös, beunruhigt und verstört. Schlug die Beine übereinander, überlegte es sich anders, stellte sie wieder nebeneinander.

»Was ist passiert?«, fragte Born, als er kurz darauf mit zwei dampfenden Tassen zurückkam. »Stress auf der Arbeit, oder ist â¦«

»Es war übel, Born«, sagte sie tonlos. Nur diese vier Worte, und das machte ihm Angst.

Aus ihrer gemeinsamen Arbeit wusste er, dass Carla eine harte Polizistin war, tough und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. In ihrer Laufbahn war sie schon mit etlichen Grausamkeiten konfrontiert gewesen. Sie hatte wehrlose Rentner gesehen, deren Kopf mit einem Baseballschläger zertrümmert worden war, oder tote Babys, die wie Abfall weggeworfen in Mülltonnen lagen. Sie wusste, wie missbrauchte Frauen aussahen, brutal zusammengeschlagene Männer oder elendig krepierte Junkies, denen noch die Spritze im Arm steckte, während ihnen das Erbrochene aus dem Mundwinkel lief.

Nie war sie deshalb zusammengebrochen, niemals. Auch nicht, als Born in Finsterthal einen Menschen getötet hatte. Carla hatte alles weggesteckt, immer, doch jetzt benahm sie sich, als hätte sie ein Gespenst gesehen.

»Was ist passiert?«, fragte er noch einmal.

Sie beugte sich vor, bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Es ist vier Tage her, und es war grauenhaft«, sagte sie. »Eine der schlimmsten Sachen, die ich je gesehen habe, und du weißt, ich habe einiges gesehen. Ziemlich grausame Dinge, aber das hier war anders. Es geht â¦« Sie brach ab, schüttelte den Kopf, und er hakte nicht nach. Ließ ihr die Zeit, die sie brauchte.

»Da war eine junge Frau Mitte zwanzig«, sagte sie, nachdem sie sich wieder gefasst hatte. »Sie war nackt. Irgendwer hat sie mitten im Wald an einen Baum genagelt, hat ihr sechs lange Nägel durch Arme und Beine getrieben. Durch das Fleisch. Bevor sie gestorben ist, haben der oder die Täter ihr noch die Brüste abgetrennt und den Körper mit Messerschnitten verunstaltet.« Ein tiefer Atemzug. »Üble Typen, Born. Das waren richtig üble Typen. Psychopathen von der schlimmsten Sorte.«

Er kramte in seinem Gedächtnis, fand aber nichts. »Und das Ganze ist vier Tage her?«

Sie nickte.

»Warum habe ich dann noch nichts in der Zeitung gelesen?«

»Es ist nicht hier passiert. Nicht in Berlin. Es war kurz hinter der belgischen Grenze. Am Rande der Ardennen.«

Er sah sie verwundert an. »Was hast du mit einem Mord in Belgien zu tun?«

»Die Tote heißt Valerie Wegmann, und sie war Mitglied in einer Sekte, die sich Cernunnos nennt. Irgendwelche Umweltaktivisten, die von einem Leben im Einklang mit der Natur träumen.«

»Carla, noch einmal: Was hast du damit zu tun?«

»Malin ist â¦«, erwiderte sie, bevor ihr die Stimme versagte.

»Was ist mit deiner Tochter?«

Carla griff sich an den Mund und quetschte die Unterlippe zusammen. »Malin ist dort ebenfalls Mitglied«, sagte sie dann. »Bei Cernunnos, meine ich. Was, wenn es irgendein Irrer auf die Sektenmitglieder abgesehen hat? Was, wenn sie das nächste Opfer ist?«

Born sagte nichts. Er hatte noch nie gut damit umgehen...
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