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Ausweglos

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am02.07.20211. Auflage
Zwei Türen. Kein Ausweg. Als Noah spätabends die Wäsche vom Dachboden holt, hat er plötzlich ein Messer an der Kehle. Der Angreifer will in seine Wohnung, zu seiner Frau. Noah bleibt keine andere Wahl, doch dann fällt ihm ein: Die Nachbarn gegenüber sind verreist. Und er hat den Zweitschlüssel ... Stunden später findet ihn die Polizei bewusstlos neben der brutal ermordeten Nachbarin. Die Tat trägt die Handschrift eines berüchtigten Serienmörders, und Noah gilt als wichtiger Zeuge. Aber sagt er die ganze Wahrheit?

Henri Faber, Jahrgang 1986, geboren und aufgewachsen in Niederösterreich, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft und lebt als Autor und Texter in Hamburg. Nach seinen Bestsellern >AusweglosKaltherz< ist dies sein dritter Thriller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextZwei Türen. Kein Ausweg. Als Noah spätabends die Wäsche vom Dachboden holt, hat er plötzlich ein Messer an der Kehle. Der Angreifer will in seine Wohnung, zu seiner Frau. Noah bleibt keine andere Wahl, doch dann fällt ihm ein: Die Nachbarn gegenüber sind verreist. Und er hat den Zweitschlüssel ... Stunden später findet ihn die Polizei bewusstlos neben der brutal ermordeten Nachbarin. Die Tat trägt die Handschrift eines berüchtigten Serienmörders, und Noah gilt als wichtiger Zeuge. Aber sagt er die ganze Wahrheit?

Henri Faber, Jahrgang 1986, geboren und aufgewachsen in Niederösterreich, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft und lebt als Autor und Texter in Hamburg. Nach seinen Bestsellern >AusweglosKaltherz< ist dies sein dritter Thriller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423439312
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum02.07.2021
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1773 Kbytes
Artikel-Nr.5702613
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Elias


8 Stunden und 4 Minuten danach


Als ich in die Straße biege, erstreckt sich vor mir die gähnende Leere eines Wohngebiets in Hamburg an einem Samstagmorgen. Ungewöhnlich - kein Notarzt rast mir entgegen, keine Einsatzwagen, die sich gegenseitig blockieren, keine schaulustige Menschenmenge. Ich finde sogar einen Parkplatz. Zur Sicherheit zücke ich mein Telefon und öffne die Nachricht von diesem Campe. Heinsweg 18, ich bin richtig.

Die Straße ist nichts Besonderes, aber nett. Ein Klinkerhaus reiht sich an das nächste, keines höher als drei Stockwerke. Hier wohnen keine Banker, Ärzte oder Staatsanwälte, aber es ist auch nicht so heruntergekommen wie die Sozialgettos in Lurup oder Osdorf. Ein typisches Viertel für den Mittelstand. Lehrer, Beamte, Angestellte, solche Leute.

Ich steige aus, gehe die Straße hinauf und entdecke einen Polizeiwagen - er parkt direkt vor der Nummer 18. Trotzdem bin ich unsicher. Das Haus hat zwei Eingänge, und in Campes Nachricht stand kein Name. Verärgert hole ich erneut mein Telefon hervor, um ihn anzurufen, als plötzlich ein Streifenpolizist aus der rechten Tür taumelt, mich für den Bruchteil einer Sekunde erschrocken anstarrt und mir dann vor die Füße kotzt.

Ein Frischling, noch keine fünfundzwanzig, aber schon in Uniform. Kräftig gebaut, breiter Stand, Stiernacken. Steht wahrscheinlich Tag für Tag um fünf Uhr morgens auf, geht ins Fitnessstudio und pumpt sich die Muskeln wund, damit auch ja jeder versteht, dass er es mit einer Respektsperson zu tun hat. Knapp zwei Meter Recht und Ordnung, proteinbetrieben, testosterongesteuert, amphetaminabhängig. Und jetzt lehnt er an der Straßenlaterne und kotzt sich die Seele aus dem Leib.

Ich sollte ihn fragen, ob alles okay ist. Sollte ihm auf die Schulter klopfen, einen Kaugummi anbieten und so etwas murmeln wie: Wird schon wieder. Mats hätte das getan.

Schweigend gehe ich an ihm vorbei.

Ich bin nicht Mats.

 

Der Eingangsbereich ist eine tageslichtarme Kanüle zu einer noch dunkleren Treppe, auf deren erster Stufe eine Rolle Absperrband liegt. Oben im dritten Stock erwartet mich ein weiterer Streifenpolizist.

»Was ist mit Ihrem Kollegen?«, frage ich kurz angebunden, während die Treppe unter mir knarzt, als bräche sie jeden Moment zusammen.

»Mit Bernd? Ach ...«, antwortet der feiste Polizist und schüttelt meine Hand eine gefühlte Ewigkeit. »Der kommt frisch von der Akademie, hat noch nie einen Tatort gesehen.«

Ich nicke bloß.

»Campe, Linus Campe«, stellt er sich vor. »Ich habe mittlerweile die Zentrale verständigt. Dorn und Köpke haben Dienst.«

»Ich kenne die Kollegen. Warum haben Sie zuerst mich angerufen?«

»Ihr Partner Mats hat ...«

»Ex-Partner«, unterbreche ich ihn forsch und kann nicht glauben, dass sich diese Nachricht noch immer nicht bis zu allen durchgesprochen hat.

Campes Lippen kräuseln sich. »Ihr Ex-Partner hat mir diese Nummer gegeben und gesagt, wenn ich etwas Verdächtiges sehe, soll ich zuerst da anrufen, nicht die Zentrale.«

Ich antworte nicht, schnaube nur verächtlich aus. Mats hasste Telefongespräche, er meinte immer, dass er den Leuten beim Reden in die Augen sehen wolle.

»Mats hat gesagt, offene Ohren machen sich bezahlt«, legt Campe nach, während er verzweifelt versucht, in meinem Gesicht zu lesen.

»Sie verstehen schon, eine Hand wäscht die andere ...«

»Ich verstehe, dass Sie gegen die Dienstvorschrift verstoßen haben«, entgegne ich trocken. »Ein Vergehen, das ich umgehend melden sollte.«

Campes rosiges Gesicht wird bleich. Er versucht, zumindest optisch den Eindruck eines ordentlichen Polizisten wiederherzustellen, drückt den Rücken gerade, streckt die Knie durch und zwingt seinen massigen Körper in eine aufrechte Haltung.

»Was ist hier passiert?«, fahre ich fort, lasse die Dienstvorschriften links liegen.

»Die Nachbarin aus dem Erdgeschoss hat die offene Tür entdeckt und uns angerufen. Laut ihrer Aussage ist sie gegen 6 Uhr morgens hoch auf den Trockenboden, um sich ein paar Sachen zu holen. Sie musste einen frühen Flug erwischen - Stewardess oder so. Jedenfalls sah es dort oben ziemlich verwüstet aus, sie ist dann wieder runter, hat die Tür offen stehen gesehen und 110 gewählt, weil niemand auf ihre Rufe reagiert hat«, rattert Campe im Stakkato herunter.

Ich nicke und starre an ihm vorbei in die Wohnung. »Waren Sie schon drinnen?«

»Kurz. Den Flur runter rechts, hinten im Schlafzimmer. Sieht ganz nach Ihrem Täter aus«, antwortet Campe gehorsam wie ein Schuljunge.

Schweigend trete ich durch die Tür in das Vorzimmer, das sich genauso gut in einem Schauraum von Ikea befinden könnte. Alles ist ordentlich, aber nicht zu ordentlich. Sauber, aber nicht zu sauber. Man fühlt sich sofort willkommen. Die restliche Wohnung ist wie Umblättern im Katalog. Simple Eleganz gepaart mit kreativem Chaos, aber wohlportioniert. Nichts kullert zufällig herum, alles liegt genau da, wo es hingehört. Die Fenster sind geputzt, die Pflanzen gegossen - fleischfressende Pflanzen, interessant -, kein Geschirr im Spülbecken. Aus den Bilderrahmen strahlt ein glückliches Pärchen beim Wandern, Tauchen, Essen mit Freunden. Ich fühle mich wie ein Eindringling in einer Illusion, die für andere Wirklichkeit geworden ist. Dann geht mein Blick Richtung Schlafzimmer.

Das ist mein geheimes Trostpflaster in diesem Job. Egal, welche Insel der Seligen ich auch betrete, egal, wie viele lächelnde Menschen mir aus Fotos entgegenstrahlen und mein eigenes Leben grau und trist erscheinen lassen: Am Ende fällt die Illusion immer in sich zusammen.

Die Tür zum Schlafzimmer steht sperrangelweit offen.

Galle kämpft sich die Speiseröhre empor, Schweiß dringt aus meinen Poren. Atmen. Du musst atmen, tief ein und aus. Ich schließe kurz die Augen, 21, 22, öffne sie wieder. Akzeptiere, was du siehst. Zerlege das Grauen in seine Einzelteile. Lass es nicht an dich ran. Es sind nur Informationen, Indizien, Spuren. Sieh nicht das Blutbad. Sieh, was dahintersteckt.

Okay, fangen wir an.

Die Leiche ist frisch, keinen halben Tag alt. Glatte Haut, keine Flecken, nicht die geringsten Spuren eines Verwesungsprozesses. Meine Finger zwängen sich in einen Nitrilhandschuh, den ich noch irgendwo zu Hause gefunden habe, und betasten vorsichtig den Leichnam. Die Totenstarre ist schwach ausgeprägt, der Tod kann höchstens vor sechs, sieben Stunden eingetreten sein. Das bedeutet ...

»Na, habe ich Ihnen zu viel versprochen?« Campes Stimme hallt aus dem Flur und unterbricht meine Gedankenkette.

Ich antworte nicht, hoffe, dass er mein Schweigen versteht. Tut er nicht.

»Kann natürlich auch ein Nachahmungstäter sein«, schwatzt er weiter, seine Stimme ist nun ganz nahe. »Stand ja in allen Zeitungen, das mit dem Ringfinger.«

»Er ist es«, murmle ich vor mich hin, zähle die Einstiche am Körper.

»Woher wissen Sie das so genau?«

Ich atme tief ein, fletsche die Zähne und lasse den Kopf hängen, als wären alle Muskeln im Nacken gleichzeitig erlahmt. Was bin ich? Die Auskunft? Anscheinend war Campe noch nie an einem seiner Tatorte, sonst würde er nicht so dämliche Fragen stellen. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, ihn wegzuschicken, entschließe mich dann aber für eine Nummer, die sich Mats einmal mit einem Kollegen erlaubt hat. Nicht besonders nett, aber ... nichts aber. Es ist einfach nicht besonders nett. »Wissen Sie, warum ihn die Presse den Ringfinger-Mörder nennt?«

Campe rollt mit den Augen. »Er schneidet seinen Opfern den Ringfinger ab«, presst er ungeduldig hervor. »Das weiß doch jedes Kind.«

»Und warum weiß das jedes Kind?«

»Na, weil das in dieser Enthüllungsreportage stand, von diesem Zeitungsfritzen ... David Dings, äh ...«

»Kronen. David Kronen«, helfe ich ihm auf die Sprünge, obwohl ich den Namen dieses Mistkerls eigentlich nie wieder aussprechen wollte. »Der Name Ringfinger-Mörder stammt von ihm, ein griffiger Name, finden Sie nicht?«

»Na ja, ich weiß nicht, kann schon sein«, druckst Campe herum.

»Ist doch einprägsam, Ringfinger-Mörder. Wahrscheinlich hat er sich deswegen entschlossen, die anderen Details wegzulassen.«

Schweigen. Ich spüre Campes irritierten Blick in meinem Nacken, kann die Rädchen in seinem Kopf regelrecht rattern hören.

»Welche Details?«

»Die anderen wiederkehrenden Muster des Killers, zum Beispiel das hinter Ihnen«, fahre ich fort, ohne mich umzudrehen. »Was glauben Sie, würde die Presse daraus machen? Fällt Ihnen da vielleicht etwas ein?«

»Teufel auch!« Campe schrickt zurück.

Jetzt erst trete ich zu ihm, mustere sein Gesicht, den offen stehenden Mund, den Schweiß auf seiner Stirn.

»Teufel, guter Name«, brumme ich zustimmend. »Ein anderer Kollege meinte mal, der Bestrafer würde passen. Oder der Symbol-Killer .«

Die Sekunden verstreichen, wir betrachten die Wand, bis Campe das Schweigen unterbricht. »Was ... was bedeutet das?«

»Das Zeichen? Keine Ahnung. Das weiß wahrscheinlich niemand außer dem Ringfinger-Mörder selbst. Ich weiß nur, dass es exakt so aussieht wie bei den anderen Tatorten.«

»Ist das ... Blut?«, fragt Campe mit brüchiger Stimme und angewidertem Gesicht.

»Das Labor wird mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass es sich um das Blut des Opfers handelt, ja«, sage ich trocken, schlucke schwer. »Er nimmt den abgetrennten...
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