Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Papa Antipasti

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am20.07.20221. Auflage
»Gibte dich der Schicksal Zitrone, machste Limoncello draus.« »Ich war zehn, als ich Giovanni zum ersten Mal begegnete. Er trat in mein Leben, und das buchstäblich, indem er den Iglu zertrampelte, den ich gerade baute.« Der Herr Dschiwobandi - so versteht der zehnjährige Frederic den Namen des Mannes - lebt in einem winzigen Fachwerkhaus, liest Micky Maus und beeindruckt mit seiner ansehnlichen Sammlung von VHS-Kassetten und einer Schreibmaschine. Noch ahnt Frederic nicht, dass Giovanni viele Jahre später sein Stiefvater und das einzige Vermächtnis seiner Mutter sein wird. Zunächst ein ungeliebtes Erbe, doch dann fällt ihm ein Manuskript in die Hände, die Geschichte des Gastarbeiters Giovanni in den 60ern. Und allmählich öffnet Frederic sich für den kleinen Mann mit dem großen Herzen.

Jan F. Wielpütz, Jahrgang 1975, arbeitete als Journalist, Literaturübersetzer und Verlagslektor, bis er sich ganz dem Schreiben widmete. Unter dem Pseudonym Stefan Bonner hat er den SPIEGEL-Bestseller >Generation Doof< sowie weitere Sachbücher veröffentlicht, auch als Krimiautor feierte er jüngst einen Bestsellererfolg.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Gibte dich der Schicksal Zitrone, machste Limoncello draus.« »Ich war zehn, als ich Giovanni zum ersten Mal begegnete. Er trat in mein Leben, und das buchstäblich, indem er den Iglu zertrampelte, den ich gerade baute.« Der Herr Dschiwobandi - so versteht der zehnjährige Frederic den Namen des Mannes - lebt in einem winzigen Fachwerkhaus, liest Micky Maus und beeindruckt mit seiner ansehnlichen Sammlung von VHS-Kassetten und einer Schreibmaschine. Noch ahnt Frederic nicht, dass Giovanni viele Jahre später sein Stiefvater und das einzige Vermächtnis seiner Mutter sein wird. Zunächst ein ungeliebtes Erbe, doch dann fällt ihm ein Manuskript in die Hände, die Geschichte des Gastarbeiters Giovanni in den 60ern. Und allmählich öffnet Frederic sich für den kleinen Mann mit dem großen Herzen.

Jan F. Wielpütz, Jahrgang 1975, arbeitete als Journalist, Literaturübersetzer und Verlagslektor, bis er sich ganz dem Schreiben widmete. Unter dem Pseudonym Stefan Bonner hat er den SPIEGEL-Bestseller >Generation Doof< sowie weitere Sachbücher veröffentlicht, auch als Krimiautor feierte er jüngst einen Bestsellererfolg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423446075
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum20.07.2022
Auflage1. Auflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9147024
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Prolog

Ich war sieben, als ich Giovanni zum ersten Mal begegnete. Er trat in mein Leben, und das buchstäblich, indem er den Iglu zertrampelte, den ich gerade baute. Natürlich ahnte ich damals nicht, welche Rolle er in meinem Leben spielen sollte.

Es war ein Wintermorgen in den Achtzigern. Helmut Kohl war Bundeskanzler, alle sprachen von Waldsterben und Gurtpflicht, Nino de Angelo sang »Jenseits von Eden«, und der Schnee fiel noch regelmäßig und in solchen Mengen, dass die Räumfahrzeuge mehrmals am Tag unterwegs waren, um die Straßen frei zu halten. Ich war damals mit meiner Mutter zu meinen Großeltern gezogen. Mein Vater hatte uns verlassen, und Oma und Opa wohnten in einem großen Haus, in dem genügend Platz für uns alle war.

Ich half Opa gerade dabei, im Hof den Schnee vor der Garage wegzuschippen, damit er das Auto herausholen konnte. Er wollte zum Kiosk, eine Stange Zigaretten und die Zeitung holen, und ich hatte vor, ihn zu begleiten, da bei solchen Ausflügen in der Regel ein Comic-Heft für mich heraussprang.

Opa hatte den Schnee in einer Ecke des Hofs zu einem Haufen zusammengeschoben, der mittlerweile so groß war, dass er sich bestens zum Bau eines Iglus eignete. Opa hatte mir gezeigt, wie man es machte. Ich trampelte so lange auf dem Schneeberg herum, bis sich unten eine feste Schicht bildete, aus der ich dann mit meiner Plastikkinderschaufel einzelne Blöcke herausstach.

Ich hatte bereits mit einer Igluwand begonnen und hob einen weiteren Schneewürfel hoch, um ihn auf die anderen zu setzen, als ein Stiefel in meiner Mauer landete. Ich blickte auf. Ein braun gebranntes Gesicht mit buschigen Augenbrauen schaute zu mir herab, darüber eine rote Pudelmütze.

»Kleine Mann, was machste?«, fragte das braun gebrannte Gesicht. »Bauste eine Haus?« Die buschigen Augenbrauen schossen in die Höhe.

Ich nickte stumm, während ich überlegte, warum der Mann so seltsam sprach. Und wusste er wohl, dass man nicht einfach in anderer Leute Iglu trampelte? Vielleicht hatte er meine Mauer aber auch einfach übersehen, sie war ja noch sehr niedrig.

Zumindest schien er sich keiner Schuld bewusst, denn er redete einfach weiter: »Baue ich auch an meine Haus. Wenn du willst, kanne ich zeigen.«

Was sollte ich darauf antworten? Opa kam mir zu Hilfe. Er begrüßte den Mann mit dem braun gebrannten Gesicht, dessen Name Giovanni war, was sich für meine Kinderohren anhörte wie: Dschiwobandi.

Während ich mit der Sanierung meines platt getrampelten Iglus begann, plauderten Opa und Herr Dschiwobandi. Sie sprachen über Fußball und das Wetter, wobei Letzteres Herrn Dschiwobandi nicht gefiel, weil viel zu kalt. Schließlich kam er wieder auf sein Haus zu sprechen und überredete Opa nach einigem Hin und Her, sich die Sache doch mal anzusehen. Ich sollte mitkommen.

Unser Haus stand an einem steilen Hang. Wir gingen die Straße ein Stück hinunter, bis hinter der Kurve ein kleines Fachwerkhaus zum Vorschein kam. Herr Dschiwobandi führte uns auf die Rückseite zu einer Art Glaskasten, der vor die Eingangstür gebaut war und den er Wintergarten nannte, was für mich wenig Sinn ergab, da ohnehin gerade Winter im Garten war.

Wie auch immer, im Wintergarten gab es jedenfalls zwei Stühle und einen Tisch, und auf dem Tisch lag ein Stapel Comics.

Herr Dschiwobandi drückte mir eines davon in die Hand. »Isse Mikie Mausen.« Er schien wirklich ein seltsamer Kauz zu sein. Nicht nur dehnte er das I merkwürdig in die Länge, ich kannte auch herzlich wenig Erwachsene, die sich etwas aus Micky Maus machten.

Ich setzte mich und widmete mich dem Comic, während Herr Dschiwobandi meinen Opa durch das Haus führte. Wie sich schnell herausstellte, kannte ich die Ausgabe bereits. Ich legte das Comic zurück auf den Tisch und blickte mich um.

Dem Wintergarten gegenüber befand sich die Toilette, deren Tür halb offen stand. Ich konnte einen Eimer mit Farbe und diverse Pinsel darin erkennen. Links von mir führte ein Durchgang in den Wohnraum.

Die Stimmen von Opa und Herrn Dschiwobandi kamen nun aus dem Obergeschoss. Ich stand auf und schlich mich ins Wohnzimmer. Viele Möbel gab es hier nicht. Eine Couch mit Karomuster, einen Ohrensessel neben dem offenen Kamin und einen Farbfernseher. Auf dem Beistelltisch lagen eine Tüte Chio Chips und ein Stapel mit VHS-Kassetten. Herr Dschiwobandi hatte offenbar einen Videorekorder. Cool.

Ich ging weiter. In der Küche, die direkt an das Wohnzimmer angrenzte und nur etwas größer war als unsere Besenkammer, gab es außer dem Herd, dem Kühlschrank und der Spüle lediglich einen kleinen Esstisch, auf dem eine Schreibmaschine mit eingespanntem Papier stand.

Ich fragte mich, was Herr Dschiwobandi wohl arbeitete. In unserer Straße gab es noch so ein kleines Haus wie seines. Opa hatte mir einmal erzählt, dass dort ein Schriftsteller lebe, was meine Neugierde weckte, da ich Bücher liebte. Schriftsteller, so hatte Opa gemeint, seien Menschen, die Bücher schrieben und selten viel damit verdienten. Deshalb war er auch nicht gut auf den Mann zu sprechen. Denn, so hatte Opa weiter gemeint, ein Mann müsse nun mal für seine Familie sorgen. Und der Schriftsteller konnte das offenbar nicht.

Dabei schien der Mann recht fleißig zu sein. Vom Fenster meines Zimmers aus konnte ich das Haus sehen, und oft brannte noch spätabends, wenn ich zu Bett ging, Licht im obersten Stock, und der Mann saß an seiner Schreibmaschine. Wenn ich ihn beobachtete, fragte ich mich immer, ob es wohl genauso viel Spaß machte, Bücher zu schreiben wie sie zu lesen.

Ich betrachtete die Schreibmaschine von Herrn Dschiwobandi und reihte die Tatsachen aneinander: Er hatte ebenfalls ein kleines Haus. Er hatte eine Schreibmaschine. Außerdem lebte er allein, was wohl bedeutete, dass er arm war und sich eine Familie nicht leisten konnte. Folglich war Herr Dschiwobandi ebenfalls ein Schriftsteller.

Allerdings konnte das so schlecht, wie Opa meinte, wiederum nicht sein. Immerhin musste Herr Dschiwobandi nicht zur Schule gehen und Hausaufgaben machen. Er konnte Comics lesen, Videos gucken, wann immer er wollte, und dabei Chips essen, ohne dass ihn jemand ausschimpfte. Und wenn er Lust hatte, schrieb er auf seiner Schreibmaschine Geschichten, was zumindest den Vorteil hatte, dass er nicht wie die meisten anderen Erwachsenen früh aufstehen, mit dem Auto in den Stau fahren musste und den ganzen Tag im Büro eingesperrt war, nur um abends schlecht gelaunt nach Hause zu kommen.

Vielleicht, überlegte ich im Stillen, sollte ich auch einmal eine Geschichte schreiben und sehen, ob das mit dem Bücherschreiben Spaß machte.

Plötzlich hörte ich Schritte auf der Treppe. Opa und Herr Dschiwobandi kamen wieder herunter. Ich flitzte zurück auf meinen Platz im Wintergarten, schnappte mir das Comic und tat so, als würde ich lesen.

»Ist und bleibt ne schöne Bruchbude«, meinte Opa.

»Isse nixe Bruchbuden«, antwortete Herr Dschiwobandi. »Mache ich der schönste Haus in der Straß draus.«

»Aha.« Opa kratzte sich am Kopf. »Na, dann pass bloß auf, dass dir der Schuppen nicht wieder über dem Kopf zusammenfällt.«

»Willste Portion Spaghetti?«

»Nee.«

»Isse aber mit Liebe gemacht.«

»Bestimmt, aber wir waren im Sommer an der Adria. Da hatte ich zwei Wochen lang Durchfall. Lass mal gut sein.«

»Dann hat der Hotel nix mit Liebe gekocht. Kommste mal mit alle Mann zu mir. Bringste deine Frau und der kleine Mann mit - und auch deine bella bionda.«

Bevor ich erzähle, was mein Opa darauf antwortete, sollte ich zu seiner Ehrenrettung vorausschicken, dass er wirklich ein sehr netter Mann war. Er kaufte mir Schokolade, selbst wenn Mutter es verbat, und grantig wurde er nur, wenn Oma ihm abends sein Bier wegnahm. Auch war er ein absolut friedliebender Mensch - er, der selbst im Krieg gewesen war, sagte mir immer wieder, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe.

Doch nun sah ich meinen Großvater zum ersten Mal ein wirklich wütendes, ja böses Gesicht machen. Er trat einen Schritt auf Herrn Dschiwobandi zu und stach mit dem Zeigefinger nach dessen Brust. »Denk bloß nicht, dass ich blöde bin und nichts mitbekomme!«, zischte er. »Hör auf, bei uns herumzuscharwenzeln. Und lass ja deine Finger von meiner Tochter, du Spaghettifresser!«

Dann packte Opa mich an der Hand, und wir ließen Herrn Dschiwobandi reichlich verdattert stehen.

Während wir den Hang wieder nach oben stiefelten, überlegte ich, was mein lieber Opa wohl gegen Spaghetti einzuwenden hatte, die doch erwiesenermaßen das köstlichste Gericht überhaupt waren.

Bevor wir hinter der Kurve verschwanden, blickte ich noch einmal schnell über die Schulter. Herr Dschiwobandi stand vor seinem Haus und schaute uns nach. Als sich unsere Blicke trafen, nahm er die rote Pudelmütze vom Kopf und winkte mir damit zu.

»Vor den Italienern musst du dich in Acht nehmen«, meinte Opa neben mir und fuchtelte mit dem Zeigefinger in der Luft herum. »Die ziehen dir das Hemd bei lebendigem Leib aus.«

Ich begriff nicht, was er damit meinte - Opa hatte sein Hemd noch an und ich auch -, doch mehr sagte er nicht. Als wir wieder bei unserem Haus ankamen, zündete er sich eine Zigarette an - er rauchte immer Ernte 23 in den orangeroten Päckchen - und machte mit dem Schneeschippen weiter.

Sechs Monate später starb er, und obwohl ich meinen Großvater noch heute schmerzlich vermisse, war das vielleicht ganz gut so. Denn so musste er nicht mehr erleben, wie der Mann mit den buschigen Augenbrauen und der roten Pudelmütze trotz seiner ausdrücklichen...
mehr