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Dieses schöne Leben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am02.11.20231. Auflage
Berührend, klug, hoffnungsvoll: Wie die Umarmung eines geliebten Menschen wärmt und tröstet Mikki Brammers Roman »Dieses schöne Leben«. Eine wunderschöne Liebes- und Selbstfindungsgeschichte und eine lebensbejahenden Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben. Umgeben von Büchern, vielfältigem Wissen und geliebten Ritualen verbringt Clover eine ungewöhnliche, aber liebevolle Kindheit bei ihrem Großvater, einem Professor, in New York. Als er unerwartet stirbt, während sie verreist ist, beschließt Clover, Sterbebegleiterin zu werden. Denn niemand soll allein, ohne Trost, aus dem Leben scheiden müssen. Mit ihrer ruhigen, mitfühlenden Art ist Clover die Beste auf ihrem Gebiet, doch das Leben droht sie zwischen ihrem Beruf und einsamen Abenden mit romantischen Filmen zu verpassen.  Das ändert sich schlagartig, als die quirlige Sylvie nebenan einzieht, die von den Aufgaben einer Sterbebegleiterin fasziniert ist statt wie die meisten anderen Menschen abgeschreckt von dem Kontakt mit Trauer. Dann bekommt Clover mit der resoluten alten Dame Claudia eine neue Klientin, die sie auf die Suche nach ihrer verlorenen großen Liebe schickt - eine Suche, die Clover ihrem eigenen Seelenverwandten näher bringen wird, als sie ahnt ... »Um einen schönen Tod zu sterben, musst du ein schönes Leben leben.« - Mit dieser bewegenden Botschaft bietet Mikki Brammers lebensbejahender Roman warmherzig-inspirierende Unterhaltung für alle, die Matt Haighs »Mitternachtsbibliothek« oder Gail Honeymans »Ich, Eleanor Oliphant« geliebt haben.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextBerührend, klug, hoffnungsvoll: Wie die Umarmung eines geliebten Menschen wärmt und tröstet Mikki Brammers Roman »Dieses schöne Leben«. Eine wunderschöne Liebes- und Selbstfindungsgeschichte und eine lebensbejahenden Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben. Umgeben von Büchern, vielfältigem Wissen und geliebten Ritualen verbringt Clover eine ungewöhnliche, aber liebevolle Kindheit bei ihrem Großvater, einem Professor, in New York. Als er unerwartet stirbt, während sie verreist ist, beschließt Clover, Sterbebegleiterin zu werden. Denn niemand soll allein, ohne Trost, aus dem Leben scheiden müssen. Mit ihrer ruhigen, mitfühlenden Art ist Clover die Beste auf ihrem Gebiet, doch das Leben droht sie zwischen ihrem Beruf und einsamen Abenden mit romantischen Filmen zu verpassen.  Das ändert sich schlagartig, als die quirlige Sylvie nebenan einzieht, die von den Aufgaben einer Sterbebegleiterin fasziniert ist statt wie die meisten anderen Menschen abgeschreckt von dem Kontakt mit Trauer. Dann bekommt Clover mit der resoluten alten Dame Claudia eine neue Klientin, die sie auf die Suche nach ihrer verlorenen großen Liebe schickt - eine Suche, die Clover ihrem eigenen Seelenverwandten näher bringen wird, als sie ahnt ... »Um einen schönen Tod zu sterben, musst du ein schönes Leben leben.« - Mit dieser bewegenden Botschaft bietet Mikki Brammers lebensbejahender Roman warmherzig-inspirierende Unterhaltung für alle, die Matt Haighs »Mitternachtsbibliothek« oder Gail Honeymans »Ich, Eleanor Oliphant« geliebt haben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426466100
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum02.11.2023
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1741 Kbytes
Artikel-Nr.11462650
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

4

Dass meine Eltern tot waren, erfuhr ich am selben Tag, als ich auch lernte, dass Pferde nur durch die Nase atmen können, weil ihr Kehldeckel Mund- und Nasenhöhle voneinander trennt.

Es war zur Mittagszeit an einem Dienstag in der ersten Klasse. Ich saß, an den Stamm der einsamen Eiche im Schulhof gelehnt, zwischen zwei knorrigen Wurzeln, die sich am Boden krümmten wie arthritische Finger. An dieser Stelle saß ich, wenn das Wetter es erlaubte, fast jede Mittagspause und las, während meine Schulkameraden in der Nähe ausgelassen herumtobten. An jenem Tag war ich ganz vertieft in ein Buch über Tiere. Ich war fast mit dem Abschnitt über Pandas fertig, als ich bemerkte, dass unsere Direktorin Ms Lucas schnurstracks über den Schulhof auf mich zumarschiert kam. Die schwingende Bewegung ihrer voluminösen Haare entsprach dem Rhythmus ihres entschlossenen Schrittes, und mit einer wichtigtuerischen Geste hielt sie das Revers ihres Polyesterblazers umklammert. Mein Nacken juckte, wie wenn ein Insekt darüberkrabbelt, aber als ich mir mit der Hand über die Haut fuhr, war dort nichts.

In einer V-Formation folgten dicht hinter Ms Lucas meine Klassenlehrerin und die Beratungslehrerin der Schule. Da das Trio eine wichtige Mission zu haben schien, legte ich ruhig das Buch zur Seite und erwartete sie unter der Eiche.

»Clover, Liebes.« Ms Lucas´ süßlicher Singsang klang verdächtig nach Einschmeichelei. Es war der Ton, den Erwachsene gerne anschlugen, wenn sie einen zur Kooperation bewegen wollten. Sie beugte sich steif zu mir herunter, die Hände in einer umgedrehten Gebetshaltung adrett zwischen die Kniekehlen geklemmt. »Kommst du bitte mal mit uns mit in mein Büro?«

Mein Blick wanderte zu den beiden Frauen, die Ms Lucas flankierten, und mir fiel ihr angespanntes Lächeln auf. Ich fragte mich, ob irgendetwas, das ich heute getan hatte, eine Strafe rechtfertigte. Hatte ich etwa versehentlich irgendeine Regel gebrochen? Ich gab mir eigentlich immer allergrößte Mühe, brav zu sein. Vielleicht hatte ich vergessen, ein Buch zurück in die Bibliothek zu bringen? Da ich mich zahlenmäßig leicht unterlegen fühlte, blieb ich vorerst umgeben von den Baumwurzeln sitzen und war dankbar für ihre schützende Umarmung.

»Ich würde lieber unter dem Baum sitzen bleiben«, sagte ich und freute mich leise über meinen kleinen Akt des Widerstands. »Es ist noch Pause.«

Ms Lucas sah mich finster an. »Nun ja, ich verstehe, dass du gerne noch draußen sein willst, bevor es zu kalt dafür wird, aber da ist etwas, das ich ... das wir mit dir besprechen müssen, und ich denke, es ist besser, wenn wir dazu nach drinnen gehen.«

Ich ging gedanklich meine Optionen durch. Es war nicht wahrscheinlich, dass Ms Lucas und ihre blusentragenden Leibwächterinnen mich einfach in Ruhe lassen würden. Also erhob ich mich widerwillig, wischte mir die Zweige von der Jacke und setzte mich gehorsam in Bewegung.

»Braves Mädchen«, sagte Ms Lucas.

 

Im Büro der Direktorin musste ich mich hoch in den hölzernen Drehstuhl hieven. Als ich dann mit weit über dem Linoleumboden baumelnden Beinen dasaß, gruben sich die alten Springfedern unter dem Lederkissen unangenehm in meine dürren Oberschenkel.

Mit finsteren Gesichtern saßen mir die drei gegenüber und wechselten gequälte Blicke, als würden sie schweigend imaginäre Strohhalme ziehen, um zu sehen, wem die unangenehme Aufgabe zufallen würde. Anscheinend hatte die Beratungslehrerin den Kürzeren gezogen. Sie holte tief Luft und setzte an, hielt dann aber noch einmal inne und überdachte ihre Worte.

»Clover«, sagte sie schließlich. »Deine Eltern sind doch gerade auf Reisen.«

»In China«, kam ich ihr zu Hilfe. »Da gibt es Pandas.« Ich presste mein Buch an die Brust wie einen wertvollen Schatz.

»Ja, so ist es - wie schlau du bist.«

»Pandas fressen Bambus. Und sie können über hundert Kilo schwer werden und richtig gut schwimmen«, sagte ich in der Hoffnung, meine Klugheit vor den Erwachsenen weiter zu untermauern, wenn ich schon mal ihre Aufmerksamkeit hatte. »Mommy und Daddy kommen in zwei Tagen nach Hause - ich hab mitgezählt.« Ich hoffte, dass sie mir auch diesmal wieder ein Geschenk mitbringen würden, wie das letzte Mal, als sie in Paris waren.

Die Beratungslehrerin räusperte sich und nestelte an einer extravaganten Brosche an ihrer Bluse herum. »Ja, also, ich weiß, dass deine Eltern am Donnerstag wieder zurück sein wollten, aber es gab ... einen Unfall.«

Ich runzelte die Stirn und umklammerte das Buch noch fester. »Einen Unfall?«

Meine Klassenlehrerin beugte sich vor und tätschelte mein Knie. An ihrem Handgelenk baumelte ein Haufen billiger Armreifen. Mir gefielen die bunten Farben. »Du bist gerade bei einer Freundin deiner Mutter untergebracht, stimmt´s Clover?«

Ich nickte argwöhnisch, und meine Ohren fingen an zu brennen. Der Schweiß begann, sich seinen Weg zwischen dem Leder des Stuhls und den Rückseiten meiner Oberschenkel zu bahnen, und das laute Geschrei meiner Schulkameraden drang durchs offene Fenster herein und verstärkte mein Unbehagen.

Das gequälte Lächeln meiner Klassenlehrerin machte mich nervös. »Heute wirst du stattdessen bei deinem Großvater bleiben. Er kommt heute Nachmittag aus New York her und holt dich hier ab. Ist das nicht toll?«

Ich hatte wirklich keine Ahnung, ob das toll war oder nicht. Ich hatte in meinem kurzen Leben mit meinem Großvater mütterlicherseits erst ein paar Nachmittage verbracht, und meine Gefühle gegenüber dem Mann waren ziemlich neutral. Er war ganz nett, auch wenn er nie viel sagte, und er und meine Mutter verhielten sich irgendwie wie Fremde zueinander. Aber zu jedem meiner Geburtstage schickte er mir ein Geschenk - dieses Jahr war es das Tierbuch gewesen, das ich gerade auf dem Schoß hielt. Vielleicht würde er mir etwas Neues mitbringen.

»Warum kann ich nicht bei Miss McLennan bleiben?«

Die alte Junggesellin, die bei uns um die Ecke wohnte, war keine besonders angenehme Gastgeberin, und in ihrem Haus roch es immer nach Roastbeef, egal, was es gerade zu essen gab. Aber abgesehen davon, dass sie für mein leibliches Wohl sorgte und darauf achtete, dass ich zur Schule ging, ließ Miss McLennan mich in Ruhe in meinem Zimmer lesen, während sie auf ihrem Sofa mit Plastikschonbezug saß und häkelte. Und da meine Eltern mich oft wochenlang bei ihr ließen, hatten sie und ich gelernt, friedlich nebeneinanderher zu leben - auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass sie es hauptsächlich für das Bündel Geld machte, das mein Vater ihr immer in die Hand drückte, bevor er ging.

Meine Lehrerinnen tauschten erneut düstere Blicke und verständigten sich wohl in einer Art Geheimsprache, bei der sie nur ihre Augenbrauen benutzten. Am Ende seufzte Ms Lucas schwer.

»Clover, es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber deine Eltern sind tot.« Die beiden anderen Frauen holten scharf Luft, fassungslos über ihre Direktheit, mit der die Direktorin mir eine solch heikle Nachricht überbrachte.

Ich starrte sie ebenso geschockt und mit großen Augen an. Die Frauen beobachteten mich nervös, als versuchten sie, die nächste Bewegung eines wilden Tiers abzuschätzen.

Schließlich gelang es mir zu flüstern: »Tot ...? So wie Mr Hyland?«

Ich musste an die Folge der Sesamstraße denken, die man uns nach dem dramatischen Ableben unseres Vorschullehrers gezeigt hatte. Darin setzte sich Bibo mit dem Tod seines Freundes Herrn Huber auseinander.

»Ich fürchte, ja, Clover«, erwiderte Ms Lucas milde, in dem Versuch, ihre abrupte Enthüllung abzufedern.

 

Als ich am späten Nachmittag neben meinem Großvater im Zug saß, der von Connecticut Richtung Manhattan zuckelte, fiel mir ein, dass ich mich gar nicht von meinen Klassenkameraden verabschiedet hatte. Aber da sie sowieso kaum mit mir sprachen, spielte das vermutlich keine Rolle. Vor dem plötzlichen Ableben unseres Vorschullehrers hatte ich mir keine großen Gedanken über die anderen Kinder gemacht, aber durch meine neugierige Reaktion auf seinen Tod - vor allem die Tatsache, dass ich nicht ausgeflippt war wie die anderen - wurde ich zur Außenseiterin. Und nachdem ein Junge dann auch noch angefangen hatte, das Gerücht zu verbreiten, ich wäre »mit den Toten im Bunde«, galt ich endgültig als komischer Vogel. Vermutlich würde ihnen nicht einmal auffallen, dass ich fort war.

Grandpa war in meiner Schule aufgetaucht, als die Glocke das Ende der Mittagspause einläutete. Den kleinen himmelblauen Koffer, den ich zu Miss McLennan mitgenommen hatte, hatte er schon dabei. Nach einem kurzen murmelnden Gespräch mit meinen Lehrerinnen, das ich schwer verstehen konnte, führte mich Grandpa ernst zu einem Taxi, das draußen vor dem Schultor wartete.

Auf der Fahrt zum Bahnhof hatte er mir nur ein paar Details über den Unfall meiner Eltern genannt - etwas von einem alten Boot und einem Tropensturm und einem Fluss namens Jangtsekiang. Ich nickte nur und fragte mich insgeheim, ob meine Eltern wohl auch Pandas in diesem Fluss hatten schwimmen sehen. Doch während hinter dem staubigen Zugfenster die eintönige Vorstadt an mir vorbeizog, sickerte langsam die Wahrheit zu mir durch. Sterben, das wusste ich, hieß, dass man niemals wieder zurückkam. Von da an existierte man nur noch in der Erinnerung anderer Menschen. Ich musste daran denken, wie meine Mutter mich am Morgen ihrer Abreise nach China ungeduldig durch die Haustür hinausgescheucht hatte. Und an den flüchtigen Kuss, den sie mir noch zuwarf, bevor sie ging, begleitet von der Aufforderung, brav zu sein, während sie bereits...
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