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Global Exit

Die Kirchen und der Totale Markt
TaschenbuchKartoniert, Paperback
223 Seiten
Deutsch
btberschienen am01.01.2004
Es geht um unser Leben, sagt Carl Amery in seiner brisanten Streitschrift. Unsere Welt wird im neuen Jahrtausend, beschleunigt durch den Sieg des Totalen Marktes, zusammenbrechen und unbewohnbar werden. Zentrale Aufgabe für die historischen Kirchen der Christenheit im 21. Jahrhundert muss es deshalb sein, den Kampf gegen die Religion des Totalen Marktes aufzunehmen und für eine funktionierende Zukunftsgesellschaft zu wirken. Wie kann die Erde als bewohnbarer Planet erhalten bleiben? Die lateinamerikanische Befreiungskirche könnte ein Beispiel sein für den Exodus aus dem "Sklavenhaus des globalen Kapitalismus". Was hindert die Kirchen daran, diesen Weg einzuschlagen?mehr

Produkt

KlappentextEs geht um unser Leben, sagt Carl Amery in seiner brisanten Streitschrift. Unsere Welt wird im neuen Jahrtausend, beschleunigt durch den Sieg des Totalen Marktes, zusammenbrechen und unbewohnbar werden. Zentrale Aufgabe für die historischen Kirchen der Christenheit im 21. Jahrhundert muss es deshalb sein, den Kampf gegen die Religion des Totalen Marktes aufzunehmen und für eine funktionierende Zukunftsgesellschaft zu wirken. Wie kann die Erde als bewohnbarer Planet erhalten bleiben? Die lateinamerikanische Befreiungskirche könnte ein Beispiel sein für den Exodus aus dem "Sklavenhaus des globalen Kapitalismus". Was hindert die Kirchen daran, diesen Weg einzuschlagen?
Details
ISBN/GTIN978-3-442-73133-6
ProduktartTaschenbuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Verlag
Erscheinungsjahr2004
Erscheinungsdatum01.01.2004
Seiten223 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht224 g
Artikel-Nr.11431593

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Unsere Lebenswelt könnte untergehen. Dies wäre die Folge unserer Fortschritte in der Naturbeherrschung und unserer Unfähigkeit (oder Unwilligkeit), diese Fortschritte lebensgerecht zu ordnen und zu überwachen.Daß es dazu kommen kann, ist nicht unlogisch. Aber daß es dazu kommen muß, ist nicht zwingend.Homo sapiens sapiens, erst vor kurzem in die Lebenswelt entbunden, begriff diese als Gefahr und Beute. Was er zum Überleben benötigte, fand er zur Not in seinem Kopf und in den Sinnen vor, und er folgte (was blieb ihm anderes übrig?) zunächst dem Programm alles Lebendigen, gespeichert im limbischen Reptiliengehirn: Nähre dich redlich oder unredlich, hol dir, was du schnappen kannst, multipliziere dich, mach's dir so bequem, wie's dir die Welt erlaubt, mit den dir erreichbaren Ressourcen. (So weiß es schon und so handelt, viel tiefer unten auf der Skala des Lebendigen, das Programm der Bierhefe: Sein folgerichtiger Endpunkt, kulturell vom Brauer herbeigeführt, ist der Erstickungstod in den eigenen Exkrementen. Causa finalis, Endziel: Das könnten wir durchaus erleben.)Homo sapiens - homo demensDaneben aber, vielmehr darüber, das eigentliche Humane -und das ist nicht die Einbrecher- und Diebesgeschicklichkeit des homo oeconomicus: Kisten aufeinanderstapeln, um an die Bananen zu kommen, dergleichen schafft Vetter Schimpanse allemal. Das spezielle Humanum, die wirkliche Differenz zur Zoologie, das ist die Reflexion der eigenen Lust und Pein, der Blick auf die Schatten an der Höhlenwand - und der Versuch, dies alles (das Fressen, das Gefressenwerden, den Auf- und Untergang der Sonne, das Traumgespräch mit dem verstorbenen Vater, die Angst vor den tausend Augen von den nahen Hügeln, den unentrinnbaren Tod) zum verständlich-verständigen Muster zu ordnen - to establish order out of noise. So entstehen Epen und Kathedralen, so entstehen aber auch Wahnsinnssysteme und Wahnsinnstaten der verschiedensten Art und Schattierung, der homo sapiens ist unvermeidlich und von Anfang an auch der homo demens, der Verrückte in Zeit und Raum.Daraus erwuchsen Kulturen, gräßliche und wundervolle; und damit war wundervoll und gräßlich zu leben - und zu sterben. Denn zur allgemeinen Krise des Lebendigen führten sie deshalb nicht, weil der Tod noch zu mächtig war, die unentbehrliche Verkehrsform des Lebens: Wirbelt die Spirale des Ausgriffs, der Jagd nach Glück und Ressourcen, zu weit in schlechte Unendlichkeit, dann zieht sie die zentripetale Kraft von Not und Tod an die festigende Achse zurück. Viel Grün, und die Schneehasen vervielfachen sich; viel Schneehasen, und die Zahl der Polarfüchse explodiert - bis das Gras verwelkt, die Hasen gefressen, die Füchse dezimiert sind. Gab es eine verheerende Pest, dann starb die Hälfte der Leute, die Rodungsflächen erholten sich, und die Löhne der Dienstboten stiegen. Die piekfeine, die hochmoderne, die Globalkrise: die besorgte uns der homo oeconomicus, der im Bierhefe- und Schimpansenprogramm nicht nur verharrte, sondern es zum Motor des Fortschritts verklärte; immer mehr von seinen höheren Fähigkeiten (zuletzt den ganzen Produktionsfaktor Wissenschaft) investierte er in den stets weiteren Ausgriff der Gierspirale, den (letzten Endes tragikomischen) Erfolg der Panikflucht vor Not und Tod, weg von der Todesachse, die er nicht als Stabilisierung, sondern als Verhöhnung, als Beleidigung, als unbedingt zu beseitigenden Grundfehler der Existenz begreift (vielmehr: zu begreifen vorzieht).Opportunismus im Treppenhaus: Genesis des KapitalismusDie großen alten Systeme des Höheren, der Ethik, der Philosophie und Theologie, geben dazu nicht viel her. Sie haben die schlauen Basteleien mit Kot, Eisen und Dynamit, mit Nachschlüssel und Genomen nie als zentralen Gegenstand ihrer Betrachtung gesehen, sie haben keinen Geschmack daran. Sie bewerten, entwerten das alles als notwendige Lästigkeiten, als die - möglichst diskrete - Anfuhr der Lebensmittel durch den Lieferanteneingang ins Parterre des Zivilisationsgebäudes; in den oberen Stockwerken werden ausschließlich höhere Werte gepflegt und Sternbilder ausgespäht. Wenn grabschender Opportunismus diesem Streben zu offensichtlich lästig wird, wenn er zuviel Krach im Parterre macht, blickt man unwillig durchs Treppenhaus hinunter und mahnt zum "rechten Gebrauch" der Ressourcen, was den Opportunisten weiter nicht stört. Spätestens seit Francis Bacon, Adam Smith und Karl Marx hat er ohnehin seine eigenen philosophischen Büchsenspanner gefunden.So konnte sich denn der Kapitalismus als "Parasit des Christentums", oft genug in religiöse Vorwände vermummt, unbehelligt von witternden Inquisitoren durch Jahrhunderte nähren und stärken, bis er als die eine unsinnige, aber übermächtige Weltsicht und Weltordnung hervortrat, als wichtigste Quelle und Garantie zivilisatorischer Verblendung - bis hin zur Unfähigkeit, die Verblendung und ihre Gefahren überhaupt ernsthaft zu reflektieren.Diese Weltsicht und Welt-(un-)ordnung formte sich also seit Jahrhunderten. Manche erblicken ihre Keime schon im Papst-Kaiser-Streit des 11. Jahrhunderts, der im Abendland die große Scheidung von "sakral" und "profan" einleitete, zumindest aber im Konflikt zwischen dem Vatikan und Barbarossa, der zeitlich nicht zufällig mit dem kometenhaften Aufstieg der italienischen Stadtstaaten zusammenfiel. Wirtschaftsherrscherlicher Kolonialismus wird als System nach dem Zusammenbruch von Byzanz im IV. Kreuzzug (1204) sichtbar und wirksam; vor allem Venedig und Genua schnappen sich die Gewürzinseln der Ägäis, und das Italienische liefert alle wesentlichen Fachausdrücke der Bankersprache. Was noch fehlt, ist die große Liquidität - und der erbarmungslose Erwerbsfleiß. Erstere liefern dann Spanier und Portugiesen (nebst ihren Schmarotzern, den mehr oder weniger lizensierten nordeuropäischen Piraten und den Amsterdamer Bankern), letzteren die sogenannte protestantische Ethik des tätigen Bürgertums. (Sie wird historisch genauer zu bestimmen sein.) Das alles nimmt seinen unaufhaltsamen Lauf, den schließlich hymnisch Marx' Kommunistisches Manifest beschreibt, und erwirbt im Laufe des 20. Jahrhunderts alle Züge einer weltweit herrschenden Religion.Kapitalismus und andere NamenVon 1921 stammt ein Aufsatzfragment Walter Benjamins, zweieinhalb Seiten unter dem Titel Kapitalismus als Religion. Tiefer und genauer beschrieb selten jemand die neue Macht; es wird auf diesen Text noch öfter eingegangen werden müssen. Doch war er für die meisten Zeitgenossen, auch und gerade denEngagierten im Arbeiterbewegungssozialismus, zu tief und genau - man blieb lieber im tagespolitischen Kriegstheater; zudem wurde die volle Evidenz für das, was Benjamin erspürte, erst Jahrzehnte später nachgeliefert. (Heute häufen sich die Beweisstücke, real und metaphorisch, vor und hinter den Haustüren der schönen neuen Welt.) Aber religiöse Wahrheit, wenn sie denn eine ist, läßt sich auf die Dauer nicht vermeiden; zahlreiche, immer zahlreichere Werke und Publikationen, vor allem auch aus dem Reich der theologischen Lehrstühle, befaßten und befassen sich mit Benjamins ahnungsvoller Definition.mehr
Kritik
"Amerys Buch ist eine brillant geschriebene Provokation, anschaulich, mitreißend, voll desillusionierter Analysen und kluger Beobachtungen." Bayerischer Rundfunkmehr

Autor

Geboren am 9. April 1922 in München. Studium der Neuphilologie sowie der Literaturtheorie und -kritik in München und Washington. Mitglied der Gruppe 47, von 1989 bis 1991 Präsident des bundesdeutschen PEN-Zentrums sowie Mitbegründer der E.F. Schumacher-Gesellschaft für politische Ökologie. Amery schrieb neben einigen Hörspielen zahlreiche Romane und wurde vor allen Dingen durch seine kulturkritischen Essays sowie als engagierter Ökologe bekannt. Jahrzehntelang hat er mit Büchern wie "Die Botschaft des Jahrtausends", "Hitler als Vorläufer" oder "Global Exit" die politische Diskussion in der Bundesrepublik entscheidend mitgeprägt. Zuletzt erschienen im Frühjahr 2005 die von ihm herausgegebenen "Briefe an den Reichtum". Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem "Tukan Preis", dem "Bayerischen Friedenspreis" und 1991 mit dem "Literaturpreis der Stadt München". Carl Amery starb am 24. Mai 2005 im Alter von 83 Jahren in seiner Heimatstadt München. Bei Luchterhand erschienen u.a.: "Global Exit" und "Briefe an den Reichtum". In der Sammlung Luchterhand: "Hitler als Vorläufer", "Das Geheimnis der Krypta" und "Die Wallfahrer".