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Das Loch in der Schwarte

TaschenbuchKartoniert, Paperback
221 Seiten
Deutsch
btberschienen am03.03.2008
Geschichten aus der fernen Zukunft: grandios komisch, ungeheuer verwegen, absolut unterhaltsam

Pajala ist überall! Der Autor des Bestsellers "Populärmusik aus Vittula" legt nach und die schwedische Presse ist wieder begeistert: "Wir wussten es schon immer. Nun sind die letzten Zweifel beseitigt: Mikael Niemi spinnt. Aber auf so verdammt brillante Weise, dass wir ihm bedingungslos folgen, wohin immer er geht." Diesmal führt er uns in die ferne Zukunft, in einen Alltag, der in all seiner Skurrilität, seinen Irrungen und Wirrungen doch sehr dem Leben im nördlichen Schweden ähnelt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR8,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextGeschichten aus der fernen Zukunft: grandios komisch, ungeheuer verwegen, absolut unterhaltsam

Pajala ist überall! Der Autor des Bestsellers "Populärmusik aus Vittula" legt nach und die schwedische Presse ist wieder begeistert: "Wir wussten es schon immer. Nun sind die letzten Zweifel beseitigt: Mikael Niemi spinnt. Aber auf so verdammt brillante Weise, dass wir ihm bedingungslos folgen, wohin immer er geht." Diesmal führt er uns in die ferne Zukunft, in einen Alltag, der in all seiner Skurrilität, seinen Irrungen und Wirrungen doch sehr dem Leben im nördlichen Schweden ähnelt.
Details
ISBN/GTIN978-3-442-73710-9
ProduktartTaschenbuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Verlag
Erscheinungsjahr2008
Erscheinungsdatum03.03.2008
Seiten221 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht212 g
Artikel-Nr.10796520
Rubriken

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Die Sonne stand tief im Norden über dem Waldhorizont. Die rote, zitternde Scheibe spiegelte sich im Wasser und wurde in dicke, rote Pinselstriche gespalten, die auf der dahinfließenden Oberfläche schaukelten. Ich saß am Strand und ließ den Schwermut aus mir hinausrinnen. In der Luft lag ein schwerer Duft nach Schlamm und Juligewächsen. Es war eine Viertelstunde nach Mitternacht, die Ruhe war vollkommen, kein Wind, nicht eine Bewegung im Blattwerk des Erlenbusches. Nur das mächtige Rauschen des Flusses. Tausende Tonnen von Wasser, die sich ihren Weg durch den Wald suchten, ein Wasserrücken in alle Ewigkeit. Man konnte ihn betrachten, so lange man wollte. Die ständige Veränderung des Flusses, obwohl es doch der gleiche blieb. Genau wie Feuer. Das menschliche Lagerfeuer. Millionen von Jahren der Freundschaft.Ich harkte das noch schwelende Holz zusammen, sah, wie die Flammen hochschossen. Die Glut glimmte grellrot in der Asche. Der Rauch stieg weiß und leicht, fast durchsichtig nach oben. Er zog langsam stromaufwärts übers Flussbett, ein Gespenst, das sich entlang der Wasseroberfläche aalte, unvermittelt abtauchte, sich wieder erhob, und schon war es verschwunden. Dicht über der Glut hing eine Äsche, auf einen frisch geschnitzten Zweig gespießt. Die Fischhaut siedete inder Gluthitze, ich drehte vorsichtig den Spieß. Die Äsche hatte an der Bachmündung bei Westrinslända angebissen, hatte sich mit ihrer großen, aufgerichteten Rückenflosse gewehrt, und wieder einmal hatte ich das Leben gespürt. Das Leben, ganz nah. Jetzt wurde der Fisch langsam gegrillt, eine Köstlichkeit von vierhundert, vielleicht fünfhundert Gramm. Meine alte Angel mit dem Fliegenköder aus den Kinderjahren stand an eine krumm gewachsene Birke gelehnt, der Stamm zeigte Spuren heftiger Schneeschmelze. Der Fischkopf und die Eingeweide lagen am Flussufer auf silbrigen kleinen Steinen.Ich zog vorsichtig an der Rückenflosse. Sie löste sich, der Fisch war gar. Am Feuer sitzend, begann ich mit den Fingern zu essen. Ich löste das weiße Fleisch von den nadeldünnen Gräten und stopfte es mir in den Mund. Es war, als äße ichwarmen Schnee. Ein zarter Geschmack, ein Hauch von Rauch. Fluss und Feuer. Ich schloss die Augen, um die Erinnerung zu bewahren. Versenkte sie in meinem weichen Herzen.Satt und zufrieden wanderte ich in Richtung Landungssteg. Die Bretter wiegten sich unter meinem Gewicht, das Wasser gluckste und schwappte. Ich ging auf dem Wasser. Ich spazierte auf der Flusshaut, die direkt unter meinen Füßen strömte. Draußen auf einem Floß schwamm die Sauna selbst, mit Ketten in der Flussströmung verankert. Sie war aus Brettern zusammengenagelt, ein kleines, hübsches Holzhaus, das auf dem Wasser schaukelte.Die Hitze schlug mir entgegen, als ich in den Vorraum trat. Erwartungsvoll zog ich mich aus, hängte meine Kleider an die Haken. Als Allerletztes öffnete ich mein Saunabier, trank den ersten, schäumenden Schluck. Schmeckte das Malz, die zischende Frische in der Kehle. Dann öffnete ich die Tür zum Saunaraum selbst. Die Hitze war stark und harzig. Ich schob die glühend heiße Ofenklappe mit einemStock auf, stocherte in ein paar Holzscheiten und kletterte auf die oberste Liege. Die Kupferkelle funkelte im Eimer. Ich ergriff den abgenutzten, glatten Holzgriff und füllte die Kelle, hielt sie einen Moment lang hoch und sah, wie das Flusswasser über die Kante lief.Dann goss ich. Der Wasserkörper rieselte durch die Luft, schlug auf die Steine auf und wurde in reißenden, beißenden Dampf verwandelt. Ich goss noch einmal und spürte, wie die Ohrläppchen brannten, beugte mich schwerfällig vor und atmete durch die geballte Faust. Meine Finger rochen immer noch nach Fisch. Und ich fühlte so ein Glück. So ein innerliches, verletzliches Glück. Das Tornedal.Das sollte es immer geben. Ich würde es mit mir durch Lichtjahre hindurch tragen.Hinten von Mommankangas ist plötzlich Düsenjetdröhnen zu hören. Etwas Schweres, Dunkles zischt in der Stille, es klingt wie eine P 42, eine von der Bereitschaft. Die letzte Nacht, denke ich. Die letzte Nacht auf der Erde.Dampfend heiß gehe ich hinaus auf die Plattform. Dort stehe ich, die Abendsonne in den Augen, und stoße mich mit meinen nackten Füßen von den Bodenplanken ab. Dann schieße ich hinaus, kopfüber mit breiten Schulterblättern. Segle.Mit offenen Sinnen nähere ich mich der Wasseroberfläche. Mein Zeigefinger berührt die Wasserhaut mit der alleräußersten Fingerspitze. Sie wölbt sich, hält jedoch dagegen, diese glänzende Oberflächenspannung. Unten aus der Tiefe steigt mein Abbild im Spiegel herauf. Ein Zwilling, voller Dunkelheit. Es ist der Fluss, der mich anstarrt, der seinen Finger meinem entgegendrückt. Gleich werde ich überspült, im nächsten Moment. Doch hier wollen wir innehalten, lasst uns diese Szene im sanften Licht betrachten. Eine glänzende Wasserschichtgegen eine steif aufgerichtete Fingerspitze. Ein dampfender Menschenkörper, der auf dieser bebenden Haut balanciert. Ein nacktes, schwebendes Zwillingspaar, und zwischen ihm die Wasseroberfläche wie ein funkelnder Text, ein schwarzer, sich spiegelnder Sternenhimmel.Ich saß eines unterirdischen Abends im Roadercafe auf dem Asteroid Wichssocke. (Es gibt etwas, das mich bei Science-Fiction-Filmen immer ärgert, und zwar diese langweiligen, stereotypen Namen der fremden, bewohnten Himmelskörper. Alle heißen sie Epsilon, Centaurus und ähnlich fantasielos. Oder noch schlimmer, sie bestehen aus Buchstabenkombinationen, bei denen immer ein X vorkommt, wie XCT, WXQ-Alpha und Ähnliches. In Wirklichkeit haben die Planeten ja fast immer auffällig alberne Namen, die in den Ohren anderer Zivilisationen oft total bescheuert klingen.)Ich saß also wie gesagt an einem Plastiktisch auf dem Asteroid Wichssocke, nippte an einem Glas vulkanischem Joghurt und glotzte durch die Frontscheibe hinunter auf den schmutzig grauen Beton des Hangars, auf dem wir gelandet waren, um Brennstoff zu tanken. Es gibt nur wenige Orte, die so deprimierend sind wie diese öden Servicestationen entlang des äußeren Erzgürtels. Alles ist nur Warten, blinkende Leuchtstoffröhren, ein Sternenhimmel voll brennender Einsamkeit, eine Ecke mit abgefuckten Spielautomaten, an denen ein vierbeiniger Grubenarbeiter seine sauer verdienten Groschen los wird. Am Kneipentisch nebenan saßen ein paar Gelblinge und schlürften Wachs, mehr, als ihnen gut tat. Schließlich, aus reiner Langeweile, fragten sie, wie denn der Ort heiße, von dem ich komme.»Erde«, sagte ich.Fehlanzeige, sie kapierten gar nichts, und das lag nicht allein am Wachs, wie ich nach einer Weile feststellte. Ich übersetzte es in alle zehn Sprachen, die ich im Kopf hatte und noch dazu in weitere 340 aus dem Translator, aber sie hatten ihre Lochöffnungen nur erstaunt weit geöffnet.»Erde«, gestikulierte ich. »Wo Gras und Blumen wachsen.«Die Gelblinge guckten noch verständnisloser, und schließlich ging ich zum Eingang, wo die wenigen Gäste ihre Raumanzüge aufgehängt hatten, und holte aus dem Kaktusbeet eine Hand voll magerer Muttererde. Ich kam mit der Erde zurück, kippte sie auf den Tisch und erklärte, dass mein Planet so heiße. Und als sie kapierten, dass es stimmte, dass ich keinen Spaß machte, dass ich nicht einmal versuchte, unverschämt zu sein, da fingen sie an lauthals zu lachen, dass ihre Haarschuppen rasselten, sie schlugen die Tentakel gegeneinander und schnaubten mit ihren Kiefern, wankten vor und zurück, bis das Wachs ihnen aus den Öffnungen spritzte, und schließlich drehte sich ein Bergarbeiter um und fragte, was zum Teufel denn bitte schön so witzig sei, und sie erzählten ihm, dass ich von der Erde käme, und zeigten auf meinen kleinen Erdhaufen, und da fing auch der Bergarbeiter an zu brüllen, lachen und schnauben, dass die Spielchips wie ein Hagelschauer durch den Raum flogen. Was soll man da machen?»Wichssocke!«, rief ich und versuchte, auch höhnisch zu lachen, doch keiner kapierte, was ich damit meinte, obwohl es doch ein viel lächerlicherer Name war.»Erde!«, schrien die Gelblinge so laut, dass der Erdhaufen in einem Sturm von Prusten weggeblasen wurde. Ich war gezwungen, das Lokal zu verlassen. Ich konnte unmöglich bleiben. Also ging ich zu der heftig geschminkten Haarkugel an der Kasse und holte mein Elektrotäfelchen heraus, aber da musste ich feststellen, dass auch sie so heftig lachte, dass sie fast vom Haken rutschte, und zwischen den Lachattacken versuchte sie hervorzubringen, dass es für mich gratis sei, denn so viel Spaß habe sie noch nie gehabt und werde ihn vermutlich auch nie wieder haben, bis ich das nächste Mal wiederkomme, und wie mein Planet denn noch einmal heiße?»Erde, verdammt noch mal.«Und jetzt wurde es noch schlimmer, sie warfen sich haltlos zu Boden, ein Sumpfmaul am nächsten Tisch klinkte sich ein und ein paar Lederspinnen mit ihren Puppentellern auch, alle wanden sich wie in Krämpfen, sie machten sich nass und lösten sich an ihren Rändern auf. »Erde!«Noch schlimmere, noch wahnsinnigere Anfälle, und jetzt starben zwei sogar, die Lederspinnen verschmolzen miteinander und koagulierten, und am Bartresen saß ein Trichtersäufer, wurde ganz lila und hielt sich den Schädel.»Erde! Erde!«Und dann verschied der Trichtersäufer mit einem schnalzenden Geräusch und stieß dabei einen sauren Atemstoß aus, und auch die Gelblinge waren an ihre Grenzen gelangt, und ich dachte, wenn ich »Erde« noch einmal sage, dann bringe ich sie um, also sagte ich: »Erde!«Und sie schluchzten, platzten innerlich und peitschten mit ihren Gliedern in spastischen Zuckungen, und ich dachte nur, verflucht, nur weg von hier, sonst zermalme ich sie noch alle, ich darf nicht mehr »Erde« sagen, und dann sagte ich: »Erde«, und es war das reinste Gemetzel, und ich flitzte hinaus zu meinem Flieger, startete und hob vom Planeten Wichssocke ab, um nie wieder meinen Fuß darauf zu setzen.Sie behaupteten, ich hätte die Lebewesen mit Laserwaffen abgeschlachtet, ich wurde wegen Massenmordes gesucht, und als sie mich schließlich zu fassen kriegten, stand es schlecht um mich. Es kam zur Gerichtsverhandlung, und mein einziger Zeuge war die Haarkugel von der Kasse, die für ihr ganzes Leben behindert bleiben würde. Und als der Richter meine Version hören wollte, sagte ich, dass ich vom Planeten Erde komme. Und da begann der Richter laut brüllend zu lachen, und das ganze Gericht und die Zuschauer auch, und die Wachleute und Sekretärinnen, und mitten in dem Chaos starb die Haarkugel vor Lachen, also huschte ich an den sich krampfhaft schüttelnden Wachen vorbei und dachte, dass ich nicht noch mehr Leben auf dem Gewissen haben wollte.»Erde!«, schrie ich, um einen kleinen Vorsprung zu haben, und es gelang mir, von einem Frachter mitgenommen zu werden, und seitdem habe ich diese Ecke der Galaxis gemieden.Abenteurer wird es immer geben. Einzelne, versprengte Existenzen, die sich nicht anpassen können. Die ständig unterwegs sind, nie zur Ruhe kommen, die meistens schon einen Fuß angehoben haben. Wenn sie einen Berg sehen, müssen sie klettern, sehen sie einen Abgrund, müssen sie hinuntertauchen, fängt es an zu stürmen, stellen sie sich mit dem Gesicht in den Wind. Sie spüren ein ewiges Jucken. Ab und zu gelingt ihnen das Unmögliche, die Sonne wärmt ihnen plötzlich das Gesicht. Dann fühlen sie sich augenblicklich leer und erschöpft, verzweifelt vor lauter Überdruss. Sie möchten jemanden lieben, doch das Glück ödet sie an. Leben, das muss wehtun. Die Haut muss sich an Kletterseilen und Satteln scheuern. Die Haarmähne muss nach hinten geblasen werden. Die Welt ist zu klein, ständig schrumpft sie, jeder Job und jede Verpflichtung verwandelt sich sofort in eine Uniform, deren Falten und Nähte jucken.Es ist diese Sorte Mensch, die es einst wagte, sich dem Feuer zu nähern, die anfing, größere Tiere als sich selbst zu jagen, die jede Wüste, jede Gebirgskette und jeden Ozean als eine Herausforderung ansah. Als Kitzel, dem nicht zu widerstehen war.Als das Weltall sich öffnete, schien es, als wartete es nur auf diese Abenteurer. Anfangs schob ihnen zwar die Technik noch einen Riegel vor. Und die Kosten. Ein Raumfahrzeug kostete so viel wie ein Wolkenkratzer, und die Astronauten, das waren disziplinierte, ausgesuchte, hart gedrillte Marinecorpstypen.Doch dann begann der Bergbau. Mond und Mars und mehrere der Asteroiden wurden erschlossen, und die Überlandfrachter begannen zu pendeln. Der Beruf des Roaders wurde geboren. Und mit der Zeit, analog zur Entwicklung der Technik und je mehr immer modernere Schiffe und Shuttle in Betrieb genommen wurden, entstand ein wachsender Gebrauchtwarenmarkt für Raumfahrtkram. Plötzlich wurde es für die Allgemeinheit möglich, sich ein Raumschiff zu kaufen. Meistens ein abgenutztes, klapprig und leckend, aber wer geschickt war, konnte das meiste reparieren. Und jetzt füllten sich die Raumschiffdocks mit sehnigen, am ganzen Körper tätowierten Jünglingen, hinkenden Kerlen mit Hemingwaybart, mageren Mädchen mit Pistolenhalfter und Injektionsnarben, stummen Frauenzimmern mit rasierten Schädeln und wegoperierten Brüsten. Alle fummelten an ihrer eigenen Karre herum. Sie lagen auf dem Rücken und schweißten in einem absolut unbequemen Winkel, standen mit einer Lupe im Auge über Heerscharen von Spinnennetzelektroniken gebeugt, sie fluchten und zerrten an irgendwelchen Hitzeschilden, die sich festgebrannt hatten und ausgetauscht werden mussten, sie installierten tragbare Gewächshäuser, Trockenduschkabinen, Gravitationskreisel, Videogeräte mit Pornofilmen, Sonnenwindfänger, Chirurgenausstattungen für die Eigenoperation mit dazugehörigem Lehrbuch, Feuchtigkeitsabsorber, die Schweiß und Körperflüssigkeiten in Trinkwasser umwandelten, und anderes Unentbehrliches für eine lange Reise.Dann machten sie sich auf den Weg. Allein. Schweigend, fast im Geheimen. Manchmal merkte man nicht einmal, dass es los ging, plötzlich waren sie einfach weg. Verschluckt vom Weltall. Ab und zu hörte man von ihnen. Viele Monate später wurde vielleicht eine rasselnde, verzweifelte Mitteilung vom Notsender aufgefangen: »Hilfe, Hill... Generator kaputt... irre umhl... Wasser bald zu Eni... helft mir, Hilfe, Hill...«Die Erde schickte ein Funksignal zu der Notstelle irgendwo im Sonnensystem und rechnete die Retourkoordinaten aus, damit der Betreffende zurückkehren konnte. Aber er ließ nie wieder von sich hören. Die Reserveenergie ging zu Ende. Armer Teufel.Anfangs waren die Risiken ungemein groß. Wir Roader schüttelten nur den Kopf, wenn wir an ihren schlecht erleuchteten Schrotthaufen im Dunkel des Alls vorbeisegelten, vernarbt vom Weltraumkies und verbrannt von kosmischer Strahlung. In den Führerkabinen konnten wir irgendwelche halb dahindösenden Gestalten erkennen, die Füße in den Cowboystiefeln auf dem Armaturenbrett, die Kopfhörer voll mit Bob Dylan, das Gesicht glänzend vom alten Körperfett. Wir hatten unseren eigenen Spitznamen für sie, nannten sie die Pissetrinker. Ihre Entsalzungsmaschinen waren von der billigen Sorte, und das Wasser, das immer von Neuem aus den Feuchtigkeitsabsorbern wiedergewonnen wurde, bekam bereits nach wenigen Wochen einen deutlichen Beigeschmack nach Urin. Das ganze Raumschiff verwandelte sich mit der Zeit mehr und mehr in eine qualmende Sardinenbüchse. Tatsache war, dass der Gestank in einem Raumschiff, das ein paar Jahre herumdüst, so entsetzlich ist, dass jedem, der sich ihm von außen nähert, übel wird. Die Besatzung selbst wird eins mit dem Geruch. Sie gewöhnt sich dran.In den ersten Jahren dieser Epoche gelang es nur wenigen zurückzukehren, ihre Karre wieder auf Mutter Erde zu stellen und herauszukrabbeln, schwindlig und mit zitternden Beinen. Ihr infernalischer Gestank führte dazu, dass man bald eine spezielle Baracke neben dem Haupthangar für sie einrichtete, mit Dusche und Desinfektion, wo sie sich den schlimmsten sauren Talg abschrubben konnten. Doch die allermeisten Abenteurer blieben verschwunden. Vermutlich starben sie. Ihre alten Kisten leckten und waren unzureichend ausgestattet, und sie selbst waren nur schlecht auf die Tristesse und Isolation vorbereitet. Die meisten fuhren in den sicheren Tod. Wahrscheinlich rechnete eine ganze Reihe von ihnen sogar damit. Entschlossen stellten sie den Navigator ab, sobald sie das Sonnensystem verließen, davon überzeugt, nie wieder zurückzukehren. Andere hatten sorgfältig ausgerechnet, wie sie nach einer zehnmonatigen Alleinfahrt zurückkehren wollten, erlitten dann aber dort, wo es keine Hilfe gab, Schiffbruch. Vergessen, ausradiert. Verwandelten sich in herumtreibenden Weltraumschrott.Mit der Zeit besserten sich die Zustände. Die gebrauchten Fahrzeuge waren von immer besserer Qualität, die Ausrüstung ebenso, und vor allem lernte man aus den Erfahrungen. Mehrere der Alleinsegler, denen es gelungen war, wieder zur Erde zurückzukommen, gaben Reiseberichte heraus mit Titeln wie: Hallo Kosmos! - Unter Asteroiden und Vakuumpilzen - Eine Blase im Glas des Alls - oder, ein richtiger Bestseller: Ich schaute bei Gott vorbei, doch es war niemand zu Hause, von Ruben Stanislawski. Letzteres eine Mischung aus zarter Weltraumpoesie, Reparaturhandbuch, Midlifecrisis und nicht zuletzt einer Schilderung der Psychose, von der Stanislawski in seiner Isolation überfallen wurde. Das Kapitel darüber, wie er wochenlang alle Nieten des Schiffs zählt und es anschließend mit einem Kunstledersofa treibt, ist bereits ein literarischer Klassiker.Dinge gehen kaputt. Diese Erfahrung war allen Reisenden gemein. Aber im Unterschied zur Erde konnte man nicht einfach in den nächsten Laden gehen und sich eine neue Lötlampe kaufen. Jeder lockere Kontakt, jede kleine Korrosion kann schicksalsentscheidend sein. Eine Luftschleuse, die nur ein klein wenig leckt, kann in einem halben Jahr das gesamte Schiff leeren. Ein einziger Kreis, der zusammenbricht, und die komplette Navigationsausrüstung wird unbrauchbar. Man musste also ein Reservesystem haben. Das war das A und O. Reserveteile und Reparaturwerkzeug. Funktionierte die Wasserklärung nicht, starb man. So einfach war das. Ohne Gewächshaus gab es keine Fotosynthese, und ohne Fotosynthese gab es keinen Sauerstoff. Das haben diverse Geisterschiffe dort draußen erfahren müssen.mehr
Kritik
"Intelligenter Unsinn, virtuos lakonisch aufgezeichnet, also brüllend komisch." Literarische Weltmehr

Autor

Mikael Niemi, Jahrgang 1959, wuchs im hohen Norden Schwedens in Pajala auf, wo er heute noch lebt. Im Jahr 2000 erschien sein erster Roman »Populärmusik aus Vittula«, für den er den renommiertesten Literaturpreis seines Landes, den Augustpreis, bekam. Es war das spektakulärste Debüt, das Schweden je erlebt hatte. Das Buch stand monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste, verkaufte sich über eine Million mal, wurde in 24 Sprachen übersetzt und ebenso erfolgreich verfilmt.