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Zusammen ist man weniger allein

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
560 Seiten
Deutsch
Carl Hanser Verlagerschienen am19.11.20121. Auflage
Philibert, von verarmtem Adel, ist zwar ein historisches Genie, doch wenn er mit Menschen spricht, gerät er ins Stottern. Camille, magersüchtig und künstlerisch begabt, verdient sich ihren Lebensunterhalt in einer Putzkolonne, und Franck schuftet als Koch in einem Feinschmeckerlokal. Er liebt Frauen, Motorräder und seine Großmutter Paulette, die keine Lust aufs Altersheim hat. Vier grundverschiedene Menschen in einer verrückten Wohngemeinschaft in Paris, die sich lieben, streiten, bis die Fetzen fliegen, und versuchen, irgendwie zurecht zu kommen. Anna Gavalda erzählt vom wirklichen Leben: witzig, charmant und liebevoll.

Anna Gavalda, 1970 geboren, ist eine der erfolgreichsten französischen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Sie studierte Literatur in Paris und arbeitete als Lehrerin, bis sie mit ihrem ersten Buch schlagartig berühmt wurde. Bei Hanser erschienen Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet (Erzählungen, 2002), Ich habe sie geliebt (Roman, 2003), Zusammen ist man weniger allein (Roman, 2005), der auch als Verfilmung ein großes Publikum in ganz Europa erreichte, Alles Glück kommt nie (Roman, 2008), Ein geschenkter Tag (2010), Nur wer fällt, lernt fliegen (Roman, 2014) und Ab morgen wird alles anders (Erzählungen, 2017).
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextPhilibert, von verarmtem Adel, ist zwar ein historisches Genie, doch wenn er mit Menschen spricht, gerät er ins Stottern. Camille, magersüchtig und künstlerisch begabt, verdient sich ihren Lebensunterhalt in einer Putzkolonne, und Franck schuftet als Koch in einem Feinschmeckerlokal. Er liebt Frauen, Motorräder und seine Großmutter Paulette, die keine Lust aufs Altersheim hat. Vier grundverschiedene Menschen in einer verrückten Wohngemeinschaft in Paris, die sich lieben, streiten, bis die Fetzen fliegen, und versuchen, irgendwie zurecht zu kommen. Anna Gavalda erzählt vom wirklichen Leben: witzig, charmant und liebevoll.

Anna Gavalda, 1970 geboren, ist eine der erfolgreichsten französischen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Sie studierte Literatur in Paris und arbeitete als Lehrerin, bis sie mit ihrem ersten Buch schlagartig berühmt wurde. Bei Hanser erschienen Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet (Erzählungen, 2002), Ich habe sie geliebt (Roman, 2003), Zusammen ist man weniger allein (Roman, 2005), der auch als Verfilmung ein großes Publikum in ganz Europa erreichte, Alles Glück kommt nie (Roman, 2008), Ein geschenkter Tag (2010), Nur wer fällt, lernt fliegen (Roman, 2014) und Ab morgen wird alles anders (Erzählungen, 2017).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783446242562
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum19.11.2012
Auflage1. Auflage
Seiten560 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1698 Kbytes
Artikel-Nr.1225434
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

4

»Wann hatten Sie zuletzt Ihre Regel?«

 

Sie stand schon hinter dem Vorhang und kämpfte mit den Hosenbeinen ihrer Jeans. Sie seufzte. Sie hatte gewußt, daß er sie das fragen würde. Sie hatte es gewußt. Sie hatte es vorhergesehen. Sie hatte sich die Haare mit einer ziemlich schweren, silbernen Haarspange zusammengebunden, war mit geballten Fäusten auf die verfluchte Waage gestiegen und hatte versucht, sich so schwer wie möglich zu machen. Sie war sogar ein wenig gehüpft, um die Nadel etwas anzustoßen. Aber nein, es hatte nicht gereicht, und jetzt durfte sie seine Moralpredigt über sich ergehen lassen.

Sie hatte es vorhin schon seiner Augenbraue angesehen, als er ihr den Bauch abgetastet hat. Ihre Rippen, ihre vorstehenden Hüftknochen, ihre lächerlichen Brüste und ihre hohlen Oberschenkel, das alles mißfiel ihm.

Langsam zog sie die Schnalle ihres Ledergürtels zu. Dieses Mal hatte sie nichts zu befürchten. Das hier war der Amtsarzt, nicht der Schularzt. Ein paar schöne Worte, und sie war draußen.

 

»Na?«

 

Sie saß ihm jetzt gegenüber und lächelte ihn an.

 

Es war ihre Kriegslist, ihre Geheimwaffe, ihr letzter Trumpf. Ein Lächeln für den lästigen Gesprächspartner, etwas Besseres gab es nicht, um das Thema zu wechseln. Nur leider hatte der Typ dieselbe Schule durchlaufen. Er hatte die Ellbogen aufgestützt, die Hände verschränkt und seinerseits ein entwaffnendes Lächeln aufgesetzt. Jetzt war sie dran mit der Antwort. Sie hätte es sich im übrigen denken können, er war süß, und sie hatte nur noch die Augen schließen können, als er ihr die Hände auf den Bauch legte.

»Na? Und nicht lügen! Sonst antworten Sie lieber gar nicht.«

»Lange her.«

»Natürlich«, sagte er und verzog das Gesicht, »natürlich... Achtundvierzig Kilo bei eins dreiundsiebzig, wenn Sie so weitermachen, passen Sie bald zwischen Papier und Kleber.«

»Was für ein Papier?« fragte sie naiv.

»Hm... ein Plakat.«

»Ach so! Ein Plakat? Tut mir leid, den Ausdruck kannte ich nicht.«

 

Er wollte etwas erwidern, ließ es jedoch bleiben. Mit einem Seufzer bückte er sich und griff nach dem Rezeptblock, bevor er ihr erneut in die Augen sah:

»Sie essen nicht?«

»Und ob ich esse!«

Plötzlich überkam sie eine große Müdigkeit. Sie hatte diese Diskussionen über ihr Gewicht satt, sie hatte die Schnauze voll. Seit fast siebenundzwanzig Jahren gingen sie ihr damit schon auf den Keks. Konnten sie nicht über etwas anderes reden? Sie war doch da, verdammt! Sie war lebendig. Sehr lebendig. Ebenso aktiv wie die anderen. Ebenso fröhlich, ebenso traurig, ebenso mutig, ebenso sensibel und ebenso frustriert wie alle anderen Mädchen. Da drinnen gab es jemanden! Da war jemand.

 

Erbarmen, konnte man mit ihr heute nicht über was anderes reden?

 

»Sie geben mir recht, oder? Achtundvierzig Kilo ist nicht so rasend viel.«

»Ja«, sie gab sich geschlagen, »ja... Ich gebe Ihnen recht. Es ist schon lange nicht mehr so weit runtergegangen. Ich...«

»Sie?«

»Nein. Nichts.«

»Raus damit.«

»Ich... ich war schon mal glücklicher, glaube ich.«

Er reagierte nicht.

»Füllen Sie mir das aus, die Bescheinigung?«

»Ja, ja, die fülle ich Ihnen aus«, antwortete er und schüttelte sich, »hm... was ist das noch mal für ein Unternehmen?«

»Welches?«

»Das hier, bei dem wir gerade sind, also Ihrs.«

»Proclean.«

»Pardon?«

»Proclean.«

»Großes P, dann r-o-k-l-i-n«, buchstabierte er.

»Nein, c-l-e-a-n«, verbesserte sie ihn. »Ich weiß, es ist eigentlich nicht logisch, besser wäre Prorein gewesen, aber ich glaube, ihnen hat dieser Yankee-Touch gefallen, verstehen Sie? Das klingt sauberer. Mehr... wanderfull driem tiem.«

Er verstand nicht.

»Was ist das genau?«

»Pardon?«

»Das Unternehmen?«

 

Sie lehnte sich zurück, streckte die Arme, um sich zu dehnen, und deklamierte, so ernst sie konnte, mit Hostessen-Stimme, worin ihre neue Aufgabe bestand:

»Proclean, meine Damen und Herren, erfüllt all Ihre Wünsche in puncto Sauberkeit. Ob Villa, Dienstwohnung, Büroraum, Arztpraxis, Sprechzimmer, Agentur, Krankenhaus, Siedlung, Mietshaus oder Werkstatt, Proclean ist Ihnen stets zu Diensten. Proclean räumt auf, Proclean putzt, Proclean fegt, Proclean saugt, Proclean wachst, Proclean bohnert, Proclean desinfiziert, Proclean sorgt für Glanz, Proclean verschönert, Proclean saniert und Proclean schafft Duft in der Luft. Wann immer Sie wünschen. Flexibilität. Diskretion. Sorgfalt, knapp kalkulierte Preise. Proclean, die Profis für Sie im Einsatz!«

 

Sie hatte diesen beachtlichen Sermon in einem Atemzug hergebetet, ohne zwischendurch Luft zu holen. Ihr kleiner French-Doktor war völlig verdattert:

»Ist das ein Gag?«

»Keineswegs. Und außerdem werden Sie das Dream Team gleich kennenlernen, es wartet vor der Tür.«

»Was genau machen Sie?«

»Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt.«

»Nein, ich meine Sie... Sie!«

»Ich? Na ja, ich räume auf, ich putze, ich fege, ich sauge, ich wachse, das ganze Programm.«

»Sind Sie Putzfr...?«

»Rrr...raumpflegerin, bitte.«

Er wußte nicht, was er glauben sollte.

»Warum machen Sie das?«

Sie riß die Augen auf.

»Nein, ich meine, warum das ? Warum nicht etwas anderes?«

»Warum nicht?«

»Würden Sie nicht lieber einer Beschäftigung nachgehen, die... hm...«

»Erfüllender ist?«

»Ja.«

»Nein.«

 

Er verharrte einen Augenblick, den Stift in der Luft, den Mund halb offen, sah dann auf seine Uhr, um das Datum abzulesen, und fragte sie, ohne aufzusehen:

»Name?«

»Fauque.«

»Vorname?«

»Camille.«

»Geburtsdatum?«

»17. Februar 1977.«

 

»Bitte schön, Mademoiselle Fauque, ich erkläre Sie für arbeitstauglich.«

»Wunderbar. Was schulde ich Ihnen?«

»Nichts, es wird... Proclean zahlt für Sie.«

»Aaah Proclean!« wiederholte sie, stand auf und fügte theatralisch hinzu, »ich bin kloputztauglich, herrlich ist das!«

Er begleitete sie zur Tür.

Er lächelte nicht mehr und hatte wieder die Maske des Gewissensgurus aufgesetzt.

 

Während er die Klinke drückte, hielt er ihr die Hand hin:

»Ein paar Kilos wenigstens? Für mich.«

Sie schüttelte den Kopf. Das zog nicht mehr bei ihr. Emotionale Erpressungen, davon hatte sie ihre Dosis gehabt.

»Mal sehen, was sich machen läßt«, antwortete sie. »Mal sehen.«

Nach ihr trat Samia ein.

 

Sie stieg die Stufen des Wagens hinunter und tastete ihre Jacke nach einer Zigarette ab. Die dicke Mamadou und Carine saßen auf einer Bank, lästerten über die Passanten und schimpften, weil sie nach Hause wollten.

»Na?« Mamadou lachte, »was hast du denn da drin getrrieben? Ich muß meine Bahn krriegen! Hat er dich verhext oder was?«

 

Camille hatte sich auf den Boden gesetzt und sie angelächelt. Nicht das Lächeln von eben. Ein reines Lächeln diesmal. Ihre Mamadou, der konnte sie nichts vormachen, dafür war sie viel zu schlau.

 

»Is er nett?« fragte Carine und spuckte einen Fetzen von ihrem Fingernagel aus.

»Ganz toll.«

»Ah, ich hab´s genau gewußt!« frohlockte Mamadou, »hab ich´s mir doch gedacht! Hab ich´s dir und der Sylvie nicht gesagt, daß sie da drrin ganz nackt war!«

»Er stellt dich auf die Waage.«

»Wen? Mich?« schrie Mamadou. »Mich? Wenn der glaubt, daß ich auf seine Waage steige!«

Mamadou dürfte um die hundert Kilo wiegen, vorsichtig geschätzt. Sie schlug sich auf die Oberschenkel:

»Niemals! Wenn ich da drraufsteige, zermalme ich sie und ihn gleich mit! Und was noch?«

»Er verpaßt dir ein paar Spritzen«, warf Carine ein.

»Was für Sprritzen denn?«

»Nein, nein«, Camille beruhigte sie, »nein, nein, er hört nur dein Herz und deine Lunge ab.«

»Das ist okay.«

»Er faßt auch deinen Bauch an.«

»Das wollen wir mal sehen«, sie zog ein Gesicht, »das wollen wir doch mal sehen, viel Spaß wünsch ich ihm. Wenn der meinen Bauch anfaßt, frreß ich ihn roh. Mm, lecker, so ein kleines weißes Medizinmännchen.«

Sie machte einen auf Afrikanerin und rieb sich über ihr Gewand.

»Oh ja, das ist gutes Ham-ham. Das weiß ich von meinen Ahnen. Mit Maniok und Hahnenkämmen. Mmm...«

»Und die Bredart, was er mit der wohl macht?«

 

Die Bredart, Josy mit Vornamen, war ihr Drachen, ihre Furie, ihre Anscheißerin vom Dienst und ihrer aller Lieblingsfeindin. Nebenbei war sie auch noch ihre Vorgesetzte. Die »Vorarbeiterin der Kolonne«, wie ihr Anstecker unmißverständlich verkündete. Die Bredart machte ihnen das Leben schwer, im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Mittel zwar nur, aber immerhin, ermüdend war es schon.

»Mit der, nichts. Wenn er die riecht, bittet er sie auf der Stelle, sich wieder anzuziehen.«

Carine hatte nicht unrecht. Zu den bereits erwähnten Qualitäten der Josy Bredart kam hinzu, daß sie ziemlich stark schwitzte.

 

Dann war Carine an der Reihe, und Mamadou holte aus ihrem Bastkorb ein Bündel Papiere, das sie Camille auf die Knie legte. Diese hatte ihr versprochen, einen Blick darauf zu werfen, und versuchte nun, das ganze Durcheinander zu entziffern.

»Was ist das?«

»Fürs Kindergeld!«

»Nein, ich meine hier die ganzen Namen?«

»Wie, das ist meine Familie!«

»Welche Familie?«

»Welche Familie, welche Familie? Na, meine! Strreng mal deinen Kopf ein bißchen an, Camille!«

»All die Namen,...

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Anna Gavalda, 1970 geboren, ist eine der erfolgreichsten französischen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Sie studierte Literatur in Paris und arbeitete als Lehrerin, bis sie mit ihrem ersten Buch schlagartig berühmt wurde. Bei Hanser erschienen Ich wünsche mir, daß irgendwo jemand auf mich wartet (Erzählungen, 2002), Ich habe sie geliebt (Roman, 2003), Zusammen ist man weniger allein (Roman, 2005), der auch als Verfilmung ein großes Publikum in ganz Europa erreichte, Alles Glück kommt nie (Roman, 2008), Ein geschenkter Tag (2010), Nur wer fällt, lernt fliegen (Roman, 2014) und Ab morgen wird alles anders (Erzählungen, 2017).