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Der ewige Krieg

Vorw. v. Ben Bova
TaschenbuchKartoniert, Paperback
330 Seiten
Deutsch
Heyneerschienen am01.03.2000
Krieg. In gigantischen Raumschiffen werden die Soldaten mit Lichtgeschwindigkeit von einem Gefecht zu anderen befördert. Doch während es für sie immer nur einige Monate dauert, vergehen auf der Erde Jahrhunderte. Einer der bedeutendsten Antikriegsromane, die je geschrieben wurden - neu übersetzt nach der vom Autor überarbeiteten und erweiterten Fassung. Mit einem Vorwort von Ben Bova.mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextKrieg. In gigantischen Raumschiffen werden die Soldaten mit Lichtgeschwindigkeit von einem Gefecht zu anderen befördert. Doch während es für sie immer nur einige Monate dauert, vergehen auf der Erde Jahrhunderte. Einer der bedeutendsten Antikriegsromane, die je geschrieben wurden - neu übersetzt nach der vom Autor überarbeiteten und erweiterten Fassung. Mit einem Vorwort von Ben Bova.
Details
ISBN/GTIN978-3-453-16414-7
ProduktartTaschenbuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Verlag
Erscheinungsjahr2000
Erscheinungsdatum01.03.2000
Seiten330 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht220 g
Artikel-Nr.10478159
Rubriken

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1»Heute abend zeigen wir Ihnen acht Methoden des lautlosen Tötens.« Der Typ, der das sagte, war ein Unteroffizier, der aussah, als sei er keine fünf Jahre älter als ich. Mit anderen Worten, wenn er jemals einen Gegner im Kampf getötet hatte, lautlos oder nicht, dann mußte er das als Kleinkind getan haben.Ich kannte bereits achtzig Methoden des Tötens, aber die meisten davon waren ziemlich geräuschvoll. Also setzte ich mich aufrecht hin, gab mir den Anschein höflicher Aufmerksamkeit und schlief mit offenen Augen. Die meisten anderen taten das gleiche. Wir hatten die Erfahrung gemacht, daß für den Unterricht nach dem Abendessen selten etwas Wichtiges eingeplant war.Der Projektor weckte mich, und ich ließ einen kurzen Streifen über mich ergehen, der die ?acht lautlosen Methoden? zeigte. Einige Schauspieler mußten Hirntote gewesen sein, denn sie wurden tatsächlich umgebracht.Nach der Filmvorführung hob ein Mädchen in der ersten Reihe die Hand. Der Unteroffizier nickte ihr zu, und sie stand auf, ohne Haltung anzunehmen. Ganz passabel, wenn auch etwas wuchtig um Nacken und Schultern. Jeder wird so, wenn er ein paar Monate lang das schwere Marschgepäck herumgeschleppt hat.»Sir ?« ? wir mußten alle Unteroffiziere mit ?Sir? anreden, solange wir in der Ausbildung waren ?, »die meisten dieser Methoden sahen doch irgendwie ? schwachsinnig aus.«»Könnten Sie das näher erläutern?«»Zum Beispiel, wenn Sie jemanden durch einen Nierenhieb mit dem Feldspaten töten sollen. Ich meine, wann kommt man echt in die Lage, daß man keine Knarre und kein Messer, aber einen Feldspaten zur Hand hat? Und warum schlägt man dann dem Gegner das Ding nicht einfach über den Schädel?«»Er könnte einen Helm aufhaben.« Eine logische Antwort.»Außerdem wissen wir überhaupt nicht, ob Taurier Nieren besitzen!«Er zuckte die Achseln. »Das nicht.« Wir schrieben das Jahr 2297, und bis jetzt hatte kein Mensch je einen Taurier ? oder auch nur ein Fitzelchen von einem Taurier, das größer als ein versengtes Chromosom gewesen wäre ? zu Gesicht bekommen. »Aber ihr biochemischer Aufbau ist dem des Menschen ähnlich, und wir müssen davon ausgehen, daß sie ähnlich komplexe Geschöpfe wie wir sind. Sie haben garantiert irgendwelche Schwachstellen. Es liegt an Ihnen, diese Stellen zu finden. Darauf kommt es an.« Sein Zeigefinger stach in Richtung Bildschirm. »Diese acht Sträflinge wurden Ihretwegen eingeschläfert! Sie sollen lernen, wie man einem Taurier zu Leibe rückt, egal, ob Sie nun einen Megawatt-Laser oder eine Nagelfeile zur Hand haben.«Das Mädchen setzte sich wieder; es sah nicht sonderlich überzeugt aus.»Noch irgendwelche Fragen?«Niemand meldete sich.»Na schön. Haaabt acht!«Wir taumelten auf die Beine, und er blickte uns erwartungsvoll an.»Sie uns auch, Sir«, erklang es müde im Chor.»Lauter!«»SIE UNS AUCH, SIR!« Eine der weniger geistreichen Methoden zur Hebung der Truppenmoral.»Das klingt schon besser. Und denkt daran, morgen haben wir FRÜHMANÖVER. Essen fassen drei Uhr dreißig, Abmarsch vier Uhr. Wer nach drei Uhr vierzig noch im Bett angetroffen wird, kommt zur Meldung. Wegtreten.«Ich zog den Reißverschluß meines Coveralls zu und stapfte durch den Schnee zur Mannschaftsmesse, um mir eine Tasse Soja und einen Joint zu besorgen. Ich war immer mit fünf bis sechs Stunden Schlaf ausgekommen, und abends war für mich die einzige Gelegenheit, eine Weile allein zu sein. Ein paar Minuten sah ich mir die Kurznachrichten an. Draußen im Sektor Aldebaran war wieder ein Schiff hopsgegangen. Das lag jetzt vier Jahre zurück. Wir stellten gerade eine Vergeltungsflotte zusammen, aber bis die dort draußen ankam, würden weitere vier Jahre vergehen. Bis dahin hatten die Taurier aller Voraussicht nach jeden unserer Stützpunkt-Planeten eingesackt.Als ich ins Quartier zurückkehrte, lag alles in den Betten, und die Hauptbeleuchtung war ausgeschaltet. Unsere Kompanie hatte sich immer noch nicht richtig von dem zweiwöchigen Training auf dem Mond erholt. Ich hängte meine Sachen in den Spind, sah auf dem Dienstplan nach und fand, daß ich Koje 31 hatte. Verdammt, genau unter der Heizung.Ich schlüpfte so leise wie möglich durch den Vorhang und an der Nachbarkoje vorbei. Ich konnte nicht sehen, wer neben mir schlief, aber es war mir auch ziemlich egal. Müde zog ich die Decke bis ans Kinn.»Du kommst spät, Mandella«, murmelte Rogers und gähnte.»Tut mir leid, daß ich dich geweckt habe«, flüsterte ich.»Schon gut.« Sie kroch zu mir unter die Decke und schmiegte sich an meinen Rücken. Ihr Körper war warm und einigermaßen weich.Ich tätschelte ihr kameradschaftlich die Hüfte. »Nacht, Rogers.«Sie erwiderte die Geste etwas deutlicher. »Gute Nacht, Hengst.«Warum kriegt man immer die Müden, wenn man gut drauf ist, und die Scharfen, wenn man müde ist? Ich beugte mich dem Unvermeidlichen.2»Aalsogut, nun legt euch mal ins Zeug, Herrschaften! Wo bleiben die Träger? Beeilung, ihr Lahmärsche!«Gegen Mitternacht war eine Warmfront gekommen, und der Schneefall hatte sich in Graupelregen verwandelt. Der Permaplast-Träger wog zweihundertfünfundzwanzig Kilo und war ein sperriges Aas, selbst wenn ihn keine Eisschicht überzog. Wir waren zu viert, zwei an jedem Ende, und umklammerten das Ding mit halb erfrorenen Fingern. Rogers war meine Partnerin.»Vorsicht!« schrie einer hinter mir, was nur bedeuten konnte, daß ihm der Träger aus den Händen rutschte. Das gute Teil war zwar nicht aus Stahl, aber schwer genug, um einem den Fuß zu brechen. Alle ließen los und sprangen zur Seite. Gleich darauf hüllte uns eine Fontäne aus Schneematsch und Schlamm ein.»Herrgott noch mal, Petrow!« fluchte Rogers los. »Warum hast du dich nicht zum Roten Kreuz gemeldet? So schwer ist dieses Scheißding nun auch wieder nicht!« Die meisten Mädchen drückten sich nicht ganz so salopp aus. Aber Rogers hatte nun mal eine betont männliche Art.»Aalsogut, nun macht schon mit dem blöden Träger! Wo ist das Kleber-Team? Dranbleiben, Leute, dranbleiben!«Die Kleber-Crew rückte uns mit ihren Kunstharz-Eimern auf die Pelle. »Auf geht?s, Mandella! Ich friere mir hier die Eier ab.«»Ich auch«, sagte seine Partnerin mit mehr Gefühl als Logik.»Eins ? zwei ? und hopp!« Wir hievten den Träger wieder auf die Schultern und wankten auf die Brücke zu. Wir hatten ungefähr drei Viertel von dem Bau geschafft. Sah ganz so aus, als sollte uns der zweite Zug zuvorkommen. Im Normalfall wäre mir das scheißegal gewesen, aber der Trupp, der seine Brücke zuerst fertig hatte, durfte mit den Lastwagen zurückfahren. Die anderen mußten sechs Kilometer durch den Matsch marschieren und konnten sich vor dem Essen nicht mehr ausruhen.Wir brachten den Träger an die vorgesehene Stelle, setzten ihn ab und befestigten ihn mit Klammern an den Querverstrebungen. Die weibliche Hälfte des Kleber-Teams begann Kunstharz auf die Enden zu klatschen, noch ehe wir mit unserer Arbeit fertig waren. Ihr Partner erwartete auf der anderen Seite den zweiten Längsträger. Die Bodenverleger standen unterdessen am Fuß der Brücke, jeder eine leichte, vorgespannte Permaplast-Platte wie einen Schirm über dem Kopf. Sie waren trocken und sauber. Ich dachte laut darüber nach, womit sie das verdient hätten, und Rogers wartete mit ein paar drastischen, aber eher unwahrscheinlichen Vermutungen auf.Wir gingen zurück und wollten gerade neben dem nächsten Träger Aufstellung nehmen, als der diensthabende Unteroffizier (der Mann hieß Dougelstein, aber wir nannten ihn ?Aalsogut?) auf seiner Trillerpfeife blies und brüllte: »Aalsogut, Leute, zehn Minuten Pause. Ihr könnt meinetwegen eine rauchen.« Er griff in die Tasche und schaltete per Fernsteuerung die Heizung unserer Coveralls ein.Rogers und ich nahmen auf unserem Trägerende Platz, und ich kramte meine Schachtel mit Gras hervor. Ich hatte zwar jede Menge Joints, aber die waren vor dem Abendessen verboten. Der einzige normale Tabak, den ich noch besaß, war ein etwa sieben Zentimeter langer Zigarrenstummel. Ich zündete ihn an, und nach den ersten paar Zügen fand ich ihn gar nicht mehr so schlecht. Rogers probierte kurz, schnitt eine Grimasse und verzichtete.»Warst du noch in der Ausbildung, als Sie dich zum Militär holten?« fragte sie.»Ja. Ich hatte eben die erste Physikprüfung hinter mir. Wollte Lehrer werden.«Sie nickte kurz. »Ich habe Biologie studiert ?«»Das erklärt manches.« Ich wich einer Handvoll Schneematsch aus. »Wie weit?«»Sechs Jahre. Vor- und Hauptdiplom.« Sie fuhr mit dem Stiefel im Dreck hin und her, bis ein kleiner Wall aus Schlamm und Schneematsch entstand, der die Konsistenz von halb zerlaufenem Milcheis hatte. »Warum, zum Teufel, mußte das passieren?«Ich zuckte die Achseln. Die Frage erforderte keine Antwort, und schon gar nicht die Antwort, welche die UNAS für uns bereithielt: Die geistige und körperliche Elite der Erde hat die Pflicht, die Menschheit vor der taurischen Bedrohung zu schützen. Sojaschleimscheiße. Es war alles nur ein großes Experiment. Mal sehen, ob es uns gelang, die Taurier in einen Landkrieg zu verwickeln.Wie gewohnt setzte Aalsogut die Trillerpfeife zwei Minuten zu früh an die Lippen, aber Rogers und ich sowie die beiden anderen Träger mußten noch eine Weile warten, während die Kleber und Bodenverleger ihre Arbeit taten. Es wurde rasch kalt, wenn man mit abgeschalteter Heizung herumsaß, aber wir rührten uns aus Prinzip nicht von der Stelle.Es hatte wirklich keinen Sinn, uns in der Kälte zu trainieren. Typische Halblogik der Armee. Sicher, an unserem Einsatzort würde es kalt sein, aber weder eiskalt noch schneekalt. Die Planeten eines Schwarzen Lochs oder Kollapsars, die als Stützpunkte in Frage kamen, hatten ? da ein Kollapsar kein wärmendes Licht verbreitet ? in der Regel eine Oberflächentemperatur, die nur knapp über dem absoluten Nullpunkt lag, und das erste Frösteln, das man dort verspürte, hieß, daß man ein toter Mann war.Vor zwölf Jahren, als ich gerade mal zehn war, hatte man das Phänomen des Kollapsar-Sprungs entdeckt. Wenn sich ein Gegenstand mit hinlänglicher Geschwindigkeit einem Schwarzen Loch näherte, so kam er in einem anderen Teil der Galaxis wieder zum Vorschein. Es dauerte nicht lang, bis die Formel entwickelt war, mit der sich vorherberechnen ließ, wo genau das geschehen würde: Er bewegt sich entlang der gleichen ?Linie? (eigentlich eine Einsteinsche Geodätische) die er beschrieben hätte, wenn der Kollapsar nicht im Weg gewesen wäre ? bis er das Schwerefeld eines weiteren Kollapsars erreicht, worauf er wieder auftaucht, abgestoßen mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der er sich dem ersten Kollapsar genähert hatte. Reisedauer zwischen den zwei Kollapsaren ? exakt Null.Es gab viel Arbeit für die theoretischen Physiker, die den Begriff der Gleichzeitigkeit neu definieren und die allgemeine Relativitätstheorie auseinandernehmen mußten, um sie dann wieder zusammenzubauen. Die Politiker aber waren selig, denn nun konnten sie für weniger Geld, als es bisher gekostet hatte, ein paar Leute zum Mond zu befördern, eine ganze Schiffsladung Kolonisten nach Fomalhaut schicken. Und es gab viele Menschen, welche die Politiker liebend gern auf Fomalhaut gesehen hätten, wo sie glorreiche Abenteuer bestehen konnten, anstatt zu Hause Unruhe zu stiften.Die Schiffe wurden immer von automatischen Sonden begleitet, die ihnen im Abstand von einigen Millionen Kilometern folgten. Wir wußten von diesen Planeten, die wie Treibgut-Trümmer im Strudel der Kollapsare kreisten. Der Zweck der Sonden war es, zurückzukehren und Meldung zu machen, falls eines der Schiffe mit 99,9 Prozent der Lichtgeschwindigkeit gegen den Stützpunkt-Planeten eines Kollapsars krachen und dabei zerschellen sollte.Zu einer solchen Katastrophe kam es nie, doch eines Tages kehrte eine angeschlagene Begleitsonde tatsächlich alleine zurück. Ihre Daten wurden analysiert, und es stellte sich heraus, daß das Schiff der Kolonisten von einem anderen Raumfahrzeug verfolgt und schließlich zerstört worden war. Dies geschah in der Nähe von Aldebaran im Sternbild Taurus, des Stiers, aber da ?Aldebaranier? ein ziemliches Stolperwort ist, nannte man den Feind der Einfachheit halber ?Taurier?.Kolonistenschiffe erhielten hinfort bewaffneten Begleitschutz. Außerdem führte man bewaffnete Erkundungsflüge durch, deren Häufigkeit im Laufe der Zeit zunahm, und daraus entwickelte sich schließlich eine militärische Organisation mit der offiziellen Bezeichnung UNAS für ?UN-AufklärungsStreitmacht? ? wobei die Betonung auf Streitmacht lag.Dann kam irgendein heller Kopf in der Vollversammlung auf die Idee, daß wir eine ständige Infanterie-Schutztruppe für die Stützpunkt-Planeten der näheren Kollapsare einrichten sollten. Dieser Vorschlag führte zur Neufassung des Wehrpflichtgesetzes von 2296 und der Entstehung des elitärsten Pflichtheers in der Geschichte der Kriegführung.Und da waren wir nun, hundert Männer und Frauen mit Intelligenzquotienten über 130 und ausnehmend gesunden und kräftigen Körpern, die elitär durch den Dreck und Schneematsch im Herzen von Missouri schlurften und darüber nachdachten, was uns unsere Kenntnisse im Brückenbau auf Welten nutzten, die bestenfalls über ein paar stehende Pfützen flüssiges Helium verfügten.3 Ungefähr einen Monat später verließen wir die Erde, um als Krönung unserer Ausbildung ein paar Manöver auf dem Planeten Charon durchzuführen. Obgleich er sich seinem Perihel näherte, war er von der Sonne noch immer doppelt so weit entfernt wie Pluto selbst.Der Transporter war ein umgebauter ?Viehwaggon?, wie sie zur Beförderung von zweihundert Kolonisten samt einem Sortiment von Tieren und Pflanzen verwendet wurden. Das hieß noch lange nicht, daß wir es bequem hatten, weil wir nur halb so viele waren. Der größte Teil des Platzes wurde für zusätzliche Reaktionsmasse und Geschütze benötigt.Die ganze Reise dauerte drei Wochen. Während der ersten Hälfte dieser Zeit beschleunigte das Schiff mit zwei Ge, während der zweiten verlangsamte es. Als wir am Pluto-Orbit vorbeidüsten, hatten wir mit etwa einem Zwanzigstel der Lichtgeschwindigkeit unser Spitzentempo erreicht ? etwas zu wenig, als daß die Relativität ihre Kapriolen schlagen konnte.Drei Wochen lang das Doppelte des normalen Gewichts mit sich herumzuschleppen ? das ist kein Honiglecken. Dreimal täglich machten wir vorsichtige Leibesübungen nach Programm, den Rest der Zeit verbrachten wir vorwiegend in der Horizontalen. Dennoch gab es mehrere Knochenbrüche und schmerzhafte Verrenkungen. Die Männer mußten Suspensorien tragen, damit diverse Teile nicht am Boden schleiften. An Schlaf war kaum zu denken. Alle litten unter Alpträumen, in denen sie zu ersticken glaubten oder plattgewalzt wurden. Und man mußte sich in regelmäßigen Abständen umdrehen, um Wundliegen und Blutansammlungen zu verhindern. Ein Mädchen war schließlich so erschöpft, daß sie es verschlief und nicht mitbekam, wie sich eine Rippe durch die Haut bohrte.Ich war zuvor schon mehrmals im Raum gewesen, und so empfand ich pure Erleichterung, als der Bremsvorgang endlich stoppte und wir in den freien Fall übergingen. Aber manche der Leute befanden sich zum ersten Mal draußen ? wenn man das Mondtraining nicht mitzählte ? und litten unter Schwindel und Gleichgewichtsstörungen. Wir anderen schwebten mit Schwämmen und Flüssigkeitssaugern durch die Quartiere, um die teilverdauten Brocken ?Konzentrat, proteinreich, Rindfleischgeschmack auf Sojabasis? einzufangen.Wir hatten einen guten Blick auf Charon, als wir den Orbit verließen und tiefergingen, doch gab es nicht allzuviel zu sehen, nur eine düstere, trübweiße Scheibe mit ein paar dunklen Streifen und Flecken. Wir landeten etwa zweihundert Meter neben der Basis. Ein Raupenfahrzeug mit Druckkabine kam auf die Fähre zugekrochen und koppelte an die Schleuse, so daß wir keine Schutzanzüge brauchten. Scheppernd und quietschend rollte es zum Hauptgebäude, einem phantasielosen Kasten aus grauem Kunststoff.Die Wände im Innern hatten die gleiche triste Farbe. Der Rest der Kompanie lungerte an Schreibtischen herum und unterhielt sich. Ich sah, daß neben Freeland ein Platz frei war.»Na, Jeff ? geht?s wieder?« Er wirkte immer noch ein wenig käsig.»Wäre den Göttern dran gelegen gewesen, daß der Mensch den freien Fall überlebt, dann hätten sie ihm einen Schlund aus Gußeisen verpaßt.« Er seufzte schwer.»Das Schlimmste ist vorbei. Aber ich sehne mich nach einer Zigarette.«»Kann ich verstehen.«»Dir scheint es wenig ausgemacht zu haben. Warst wohl schon mal draußen, wie?«»Ja. Für meine Examensarbeit über das Vakuumschweißen. Drei Wochen in der Erdumlaufbahn.« Ich lehnte mich zurück und griff zum tausendsten Mal nach meiner Schachtel mit den Joints. Sie war immer noch nicht da. Das Lebenserhaltungssystem sollte nicht mit Nikotin, Haschisch und dergleichen belastet werden.»Die Ausbildung war schlimm genug«, nörgelte Jeff, »aber der Scheiß hier ?«»Haaabt acht!« Wir standen ziemlich lahm auf, in Zweier- oder Dreiergruppen. Die Tür ging auf, und ein echter Major kam herein. Meine Haltung straffte sich unwillkürlich. Er war der höchste Offizier, den ich bisher zu Gesicht bekommen hatte. In seinen Coverall waren eine Reihe von Ordensbändern eingestickt, darunter ein purpurrotes Verwundeten-Abzeichen. Das hieß, daß er noch in der alten amerikanischen Armee gekämpft hatte, wahrscheinlich in einer dieser Kriege, die schon vor meiner Geburt schiefgelaufen waren. So alt sah er eigentlich nicht aus.»Rühren, rühren.« Er gab uns mit einer lässigen Geste zu verstehen, daß wir uns setzen sollten. Dann stemmte er die Hände in die Hüften und musterte die Kompanie mit einem schwachen Lächeln. »Willkommen auf Charon. Ihr habt euch einen schönen Tag zur Landung ausgesucht. Die Außentemperatur liegt bei sommerlichen 8,15 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Für die nächsten zweihundert Jahre oder so erwarten wir wenig Veränderung.« Einige von uns lachten halbherzig.»Genießt das tropische Klima auf dem Stützpunkt Miami, so lange ihr Gelegenheit dazu habt.mehr

Autor

Joe Haldeman, 1943 in Oklahoma City geboren, studierte Physik, Astronomie, Mathematik und Informatik an den Universitäten von Maryland und Iowa. 1967 wurde er zum Militär eingezogen und nach Vietnam geschickt. Die schrecklichen Erlebnisse in diesem Krieg, aus dem er schwer verwundet zurückkehrte, haben ihn zutiefst geprägt und sein Schreiben maßgeblich beeinflusst. Mit zahlreichen preisgekrönten Romanen und Erzählungen hat er sich als einer der bekanntesten SF-Autoren unserer Zeit etabliert, der wesentlich an der Renaissance der naturwissenschaftlich-technisch orientierten Science Fiction mitwirkte. Darüber hinaus hat er sich als Bühnenautor einen Namen gemacht. Joe Haldeman lebt mit seiner Frau Gay in Ormond Beach, Florida.

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