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Onkel Toms Hütte, Berlin

Roman
TaschenbuchKartoniert, Paperback
544 Seiten
Deutsch
Heyneerschienen am03.06.2005Erstmals im TB
Im Berlin der frühen Nachkriegszeit treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Ihm fallen vier Frauen aus unterschiedlichen Milieus zum Opfer: eine UfA-Schauspielerin, eine Psychiatrie- Krankenschwester, eine Prostituierte und eine Adelige im Auswärtigen Amt. Sie sind alle jung, blond und werden brutal zugerichtet und erwürgt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIm Berlin der frühen Nachkriegszeit treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Ihm fallen vier Frauen aus unterschiedlichen Milieus zum Opfer: eine UfA-Schauspielerin, eine Psychiatrie- Krankenschwester, eine Prostituierte und eine Adelige im Auswärtigen Amt. Sie sind alle jung, blond und werden brutal zugerichtet und erwürgt.
Details
ISBN/GTIN978-3-453-43113-3
ProduktartTaschenbuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Verlag
Erscheinungsjahr2005
Erscheinungsdatum03.06.2005
AuflageErstmals im TB
Seiten544 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht438 g
Artikel-Nr.10596385
Rubriken

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Erstes Kapitel Der Junge ließ den Soldaten nicht aus den Augen. Der Amerikaner zog die letzte Lucky Strike aus der Packung und warf die leere Hülle achtlos auf die Gleise. Er zündete sich die Zigarette an und wartete,dass die von Krumme Lanke einlaufende U-Bahn hielt. Der Junge überlegte. Wenn der Ami nur die eine Station bis Oskar-Helene-Heim fuhr, würde er die halb gerauchte Zigarette dort nach dem Aussteigen in hohem Bogen wegschnipsen, und er konnte sie aufsammeln. Ein Dutzend Kippen dieser Länge, das Aschenende mit einer Rasierklinge sauber abgeschnitten, brachte vierzig Mark. Fuhr der Ami jedoch weiter, war die Aussicht auf Ernte trübe, weil er den begehrten Stummel am Boden des Waggons zertreten oder aus dem sommerlich offenen Fenster katapultieren würde. Die Amerikaner waren in solchen Dingen völlig unbekümmert. Ebenso unbekümmert hatte der Quartiermeister der US Army eine Quadratmeile um den U-Bahnhof Onkel Toms Hütte mit Stacheldraht eingezäunt und für die deutschen Fahrgäste nur einen schmalen Zugang gelassen. Auch die Ladenstraßen an den beiden Längsseiten des Bahnhofs wurden »Off Limits« erklärt und zum Einkaufszentrum der ringsum in den beschlagnahmten Wohnhäusern einquartierten Soldaten. Jahrzehnte zuvor hatte ein Gastwirt sein Ausflugslokal im nahen Grunewald nach Harriet Beecher-Stowes Rührgeschichte »Onkel Toms Hütte« benannt, ein Name, den die Berliner Verkehrsgesellschaft Ende 1929 für ihre neue U-Bahn-Station übernahm. Den amerikanischen Besatzern des Jahres 1945 wurde »Aankel Taam« schnell ein fester Begriff. Die U-Bahn hielt. Der Ami stieg ein, die Zigarette im Mundwinkel, und lehnte sich lässig gegen eine Haltestange. Ein nachfolgender Fahrgast schloss die Tür. Der Beamte in der Bahnsteigmitte hob die Kelle. Der Zugbegleiter ganz vorn gab mit einem Klopfen gegen die Scheibe das Zeichen an den Fahrer weiter und schwang sich in den anrollenden Wagen. Der Junge sah dem Zug nach. Er hatte sich gegen den Stummel entschieden. Sobald der mit der Kelle ihm den Rücken zukehrte, sprang er auf die Schienen und steckte die leere Zigarettenpackung ein. Über ihm erschien der Kopf des Kellenmannes.»Was machst du da unten?«, fragte er unwirsch. »Kippen suchen.« »Und? Welche gefunden?« Der Mann dachte an seine leere Pfeife. »Keine Kippen. Nur ?ne tote Frau.« Der Junge deutete gleichgültig neben die Gleise. Der Fahrdienstleiter setzte sich auf die Bahnsteigkante, legte die Kelle hin und ließ sich ächzend herab. Aus einem der seitlichen Einstiege, durch die man gebückt zu den Kabeln unter dem Bahnsteig gelangte, ragten zwei schlanke Beine in zerrissenen hellen Nylonstrümpfen, an den Füßen braune Pumps mit weißen Blenden und hohen Absätzen, wie sie zur Zeit in den USA Mode waren. Auf dem weißen Leder waren dunkelrote Blutflecken. »Das is ?ne Amerikanerin. Lauf und hol die Amis.« Der Mann kletterte wieder auf den Bahnsteig und eilte in sein Kabuff. Er riss den Hörer des Streckentelefons von der Gabel und kurbelte durch. »Krumme Lanke? Hier Fahrdienstleiter Onkel Tom. Wir haben eine Tote auf Gleis eins. Stoppen Sie die Züge aus Ihrer Richtung. Ende.« Der Junge hieß Benjamin, aber alle riefen ihn Ben. Er war ein dunkelblonder Bursche von fünfzehn, an dem die Ereignisse der letzten Monate scheinbar spurlos vorübergegangen waren: die Bomben der Engländer und Amerikaner, das Chaos der letzten Kriegstage, das Wüten der Roten Armee. Er hatte das Erlebte einfach in einer Schublade im Kopf abgelegt, um neuen Eindrücken Platz zu schaffen. Neu waren Glenn Miller, Chewing Gum, Hershey?s Chocolate und meilenlange Autos, wobei der Buick Eight ganz vorne lag, gefolgt von De Soto, Dodge und Chevrolet. Neu waren grellbunte Schlipse und knöchelkurze enge Hosenbeine, Old Spice und Pepsi Cola. Das alles kam über Nacht: als die Russen vereinbarungsgemäß halb Berlin räumten und nun auch die westlichen Alliierten Einzug in die zerstörte Hauptstadt hielten. Ben stieg die breite Treppe zu den Schaltern hinauf und trollte durch die Stacheldrahtpassage hinaus in die staubige Sommerhitze, die einen sofort durstig machte. Er entschied sich im Geiste für eine kalte Waldmeisterbrause. Wenn man den Bügelverschluss öffnete, knallte es verheißungsvoll, und die Kohlensäure stieg rauchend wie ein Dschinn aus der Flasche. Aber es gab keine Waldmeisterbrause, nur staubige Hitze,in der ein Geruch von DDT-Insektenpulver und Spearmint-Kaugummi hing. Seit dem Einzug der Amis roch alles anders. Langsam schlenderte Ben zum Posten an der Einfahrt des Sperrgebietes. Eile wäre ein Zeichen von Betroffenheit gewesen. »Dead woman on the U-Bahn«, sagte er lässig. »Okay, buddy. It better be true.« Der Posten griff zum Telefon. Der Anruf kam von der Military Police. Inspektor Klaus Dietrich nahm ihn entgegen.»Ja,danke,wir kommen.« Er legte auf und rief: »Franke, den Wagen!« »Wird gerade angeheizt. Das dauert ?ne gute halbe Stunde.« Kriminalmeister Franke wies aus dem Fenster auf den alten Opel am Bordstein,aus dessen Heck eine Art abgesägter Badeofen ragte, den ein Polizist mit Holzresten fütterte. Erst wenn diese ausreichend schwelten, würde sich das zum Antrieb des Motors nötige Holzgas entwickeln. Benzin gab es für die Kriminalinspektion Berlin-Zehlendorf nicht. »Wir nehmen die Fahrräder«, entschied Dietrich. Er war ein großer Mann von fünfundvierzig mit früh ergrautem Haar und infolge der Hungerrationen markanten Wangenknochen. Er trug einen grauen, zu weit gewordenen Zweireiher, den einzigen Anzug, den Inge aus der zerstörten Wohnung am Kaiserdamm hatte retten können. Das linke Bein zog er ein wenig nach. Die Prothese scheuerte bei warmem Wetter. Man hatte sie ihm im Hilfslazarett in der Zinnowaldschule angepasst, wo er das Kriegsende überdauerte. Eine Gefangenschaft blieb ihm wegen seiner Verletzung erspart. Schon im Mai durfte er nach Hause. Inge und die Jungs waren ganz in der Nähe bei den Eltern in der Riemeister Straße untergekommen. Inges Vater, Dr. Bruno Hellbich, hatte die Hitlerjahre zwangspensioniert, ansonsten aber unbehelligt überstanden. Danach kehrte er auf seinen Posten als sozialdemokratischer Bezirksrat ins Zehlendorfer Rathaus zurück und konnte dem Schwiegersohn eine Stellung als Inspektor bei der Kripo besorgen. Die Kriminalinspektion Zehlendorf brauchte einen kommissarischen Leiter. Dass Klaus Dietrich vor dem Krieg zweiter Mann in der Direktion der Wach- und Schließgesellschaft und politisch nicht vorbelastet war, machte das Fehlen des linken Unterschenkels und einer kriminalistischen Ausbildung wett. Im Übrigen fand er schnell heraus, dass sein gesunder Menschenverstand völlig ausreichte, um mit Schwarzhändlern, Dieben und Einbrechern fertig zu werden. Sie erreichten den U-Bahnhof in einer Viertelstunde. Ihre Dienstausweise bahnten ihnen einen Weg durch die anwachsende Menschenmenge. »Ach du Scheiße, mein Alter«, murmelte Ben und verdrückte sich. Ein amerikanischer Offizier stand mit einem Militärpolizisten und dem Fahrdienstleiter auf den Gleisen. Sie hatten die Tote neben die Schienen gebettet. Sie war blond und hatte ein schönes, ebenmäßiges Gesicht. Ihre blauen Augen starrten ins Nichts. Blutunterlaufene Strangulierungsmale kerbten sich in den zierlichen Hals. Klaus Dietrich deutete auf ihre Nylonstrümpfe, die kaum getragenen Pumps und das helle, modische Sommerkleid. »Eine Amerikanerin«, meinte er besorgt. »Wenn das ein Deutscher getan hat, gibt?s Ärger.« Kriminalmeister Franke kratzte sich am Kopf.»Irgendwie kommt mir ihr Gesicht bekannt vor.« Der Offizier richtete sich auf. »Which of you guys is in charge here?« »Inspektor Dietrich und Kriminalmeister Franke von der Kriminalinspektion Zehlendorf«, stellte Klaus Dietrich vor. »Captain Ashburner, Military Police.« Der Amerikaner war groß und schlank, mit glattem blondem Haar. Ein hellwacher, intelligenter Blick traf den Deutschen. Er wies auf seinen Begleiter: »Das ist Sergeant Donovan.« Der Sergeant war untersetzt, mit kräftigen breiten Schultern und einem Bürstenhaarschnitt. mehr
Kritik
"Ein pralles Geschichtsbuch von hohem Unterhaltungswert." Abendzeitungmehr

Autor

Pierre Frei, Jahrgang 1930, wuchs auf im Viertel um den Berliner U-Bahnhof "Onkel Toms Hütte", den er als Hintergrund für diesen Roman wählte. Seine ersten Kurzgeschichten veröffentlichte er als 16-jähriger Gymnasiast. Das folgende Studium der Publizistik verdiente er sich mit Zeitungs- und Rundfunkreportagen. Der erste Roman des 23-Jährigen, Pernod wächst nicht auf Bäumen, erschien mit beachtlichem Erfolg in der Münchner Illustrierten. Als freier Auslandskorrespondent berichtete der Autor später aus Rom, Kairo, New York und London, ehe er sich auf seine Farm in Wales zurückzog. Seit 1990 lebt der passionierte Reiter auf seinem Château im Südwesten Frankreichs.
Weitere Artikel von
Frei, Pierre