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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
560 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am01.04.2019
Im Jahr 1827 wird Peter von Scholten als Günstling des Königs mit klarem Auftrag nach Westindien geschickt: Fülle die königlichen Schatzkammern mit Reichtümern aus der Kolonie - ohne Rücksicht auf Menschenleben. Doch für Peter von Scholten sind auch Sklaven Menschen, eine Einstellung, für die ihn die Plantagenbesitzer hassen. Auf seiner Seite stehen die Humanisten Maria Eide und ihr Mann Mikkel, die den Sklaven Gehör verschaffen wollen, und vor allem die freie, wohlhabende Einheimische Anna Heegaard, in die Peter sich verliebt. Und die Zeiten ändern sich: Die Sklaven erheben sich gegen ihre Unterdrücker, und Peter von Scholten erklärt sie gegen den Willen seines Königs für frei. In Nacht und Nebel muss er die Insel verlassen - und wird Anna nie wiedersehen. Ein fesselnder historischer Roman über Freundschaft und Leidenschaft, Macht und Machtverlust und die Frage, was uns eher antreibt: die Sucht nach Vergnügen oder die Liebe?

Mich Vraa, geboren 1954, lebt als Journalist, Schriftsteller und Übersetzer mit seiner Familie in Odense, Dänemark. Er übertrug u.a. Jonathan Franzen, Ernest Hemingway und Don DeLillo ins Dänische. Sein Roman Die Hoffnung (Hoffmann und Campe 2017) wurde von der Kritik hochgelobt und war für zahlreiche Preise nominiert.
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Produkt

KlappentextIm Jahr 1827 wird Peter von Scholten als Günstling des Königs mit klarem Auftrag nach Westindien geschickt: Fülle die königlichen Schatzkammern mit Reichtümern aus der Kolonie - ohne Rücksicht auf Menschenleben. Doch für Peter von Scholten sind auch Sklaven Menschen, eine Einstellung, für die ihn die Plantagenbesitzer hassen. Auf seiner Seite stehen die Humanisten Maria Eide und ihr Mann Mikkel, die den Sklaven Gehör verschaffen wollen, und vor allem die freie, wohlhabende Einheimische Anna Heegaard, in die Peter sich verliebt. Und die Zeiten ändern sich: Die Sklaven erheben sich gegen ihre Unterdrücker, und Peter von Scholten erklärt sie gegen den Willen seines Königs für frei. In Nacht und Nebel muss er die Insel verlassen - und wird Anna nie wiedersehen. Ein fesselnder historischer Roman über Freundschaft und Leidenschaft, Macht und Machtverlust und die Frage, was uns eher antreibt: die Sucht nach Vergnügen oder die Liebe?

Mich Vraa, geboren 1954, lebt als Journalist, Schriftsteller und Übersetzer mit seiner Familie in Odense, Dänemark. Er übertrug u.a. Jonathan Franzen, Ernest Hemingway und Don DeLillo ins Dänische. Sein Roman Die Hoffnung (Hoffmann und Campe 2017) wurde von der Kritik hochgelobt und war für zahlreiche Preise nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455003871
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum01.04.2019
Seiten560 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4033381
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteMottoMottoCharlotte Amalie Sankt ThomasChristanssted Sankt CroixFrederiksted Sankt CroixNachwortBiographieImpressummehr
Leseprobe

Brief: Peter von Scholten an Maria Eide,
Kopenhagen, August 1852



Mittwoch, der 18. August


Liebste Maria, ich habe bisweilen mit dem Gedanken gespielt, meine Erinnerungen zu schreiben. Ich habe mir sagen lassen, dass der brave Admiral Birch Dahlerup, den ich den größten Teil meines Lebens kenne und wohl meinen Freund nennen darf, sehr umfangreiche Memoiren verfasst, die er abzuschließen hofft, bevor er diese Welt verlässt. Nun ist Dahlerup ein Mann mit so vielen Orden und Auszeichnungen, dass man sich wundern muss, wie seine Hemdbrust all dieses Metall tragen kann; außerdem hat er ein sehr abenteuerliches und ereignisreiches Leben geführt, im Vergleich dazu verblasst meines geradezu. Ich habe mich überwiegend in Westindien aufgehalten, während Dahlerup sämtliche Weltmeere befahren hat und seine abwechslungsreiche Karriere als Oberbefehlshaber der österreichisch-ungarischen Marine beendete.

Während ich lediglich drei kleinen Inseln die Freiheit brachte!

Allerdings geht mir auch durch den Kopf, dass die Eile, die Dahlerups Arbeit angeblich prägt, möglicherweise durchaus sinnvoll ist. Er ist sechs Jahre jünger und vermutlich weitaus gesünder als ich, also ist das Risiko, dass ich sterbe, bevor ich auch nur mit dem dritten Kapitel beginne, einigermaßen real. Und doch verspüre ich durchaus ein gewisses Bedürfnis, von meinem Leben zu erzählen und meine Dummheiten zu bekennen.

 

Irgendwann heute Nacht gerieten einige ausländische Seeleute, die sich in Nyhavn um den Verstand gesoffen hatten, vor der Hauptwache in ein Handgemenge mit ein paar Schauerleuten. Angeblich mussten sie die Flucht vom Schlachtfeld antreten, und als sie dann auf dem Kongens Nytorv landeten, wurde ich durch ihr Geschrei und ihren Krach aus meinem im Übrigen nicht sonderlich erquickenden Schlaf geweckt. Einige Wächter und Polizisten tauchten auf, als meine Laternenuhr gerade zur vierten Stunde schlug, ich stand am Fenster und blickte im Schein der Straßenlaterne hinunter. Drei Seeleute erhielten einen Schlag an die Stirn und fielen blutend auf die vom Regen nassen Pflastersteine. Einer von ihnen sah aus, als würde er nicht mehr leben, als sie ihn davonschleppten.

Jetzt ist es natürlich unmöglich, noch einmal einzuschlafen; ich werde es nicht einmal versuchen. Daher habe ich mich an meinen neuen Schreibtisch gesetzt - eine beinahe getreue Kopie des schönen Möbelstücks, an dem ich im Amtssitz des Gouverneurs in Christianssted gearbeitet habe -, das Tintenfass geöffnet und den Stift hineingetaucht, um weiter an dem Brief an meine liebe Freundin zu schreiben, an Dich, Maria.

 

Die Dummheiten der Jugend. Nun ja, sind sie nicht großartig? Da steht man als junger, kaum zwanzig Jahre alter Nichtsnutz am Kai von Charlotte Amalie mitten in der heißen Sonne, die manche Farben zu stehlen und andere zu verstärken scheint, und ist umgeben von den sonderbarsten Eindrücken. Alle möglichen Schiffe mit hohen Masten schaukelten am Kai: Briggs und Schoner, Fregatten, Schaluppen und Galeassen, ein aufgebrachtes Piratenschiff, groß wie ein Linienschiff, aber eine ganze Bordseite war abgesprengt, sodass man bis auf das verkohlte Zwischendeck sehen konnte. Klebrige Fässer mit Muskovado-Zucker und Rum wurden von schwitzenden Negern polternd über die Pflastersteine und ausgelegten Planken gerollt. Die eigenartig gekräuselten Haare über den weißen, starrenden Augen ihrer glänzenden Gesichter sahen aus wie wollene Helme.

Sie wirken erschreckend fremdartig auf einen jungen Mann, der vorher nur ganz selten einmal einen Neger gesehen hat. Und ich muss gestehen, dass ich mir an jenem Tag keine Gedanken darüber gemacht habe, dass sie unfrei waren und für die weißen Kaufleute Sklavenarbeit verrichteten. In meinen Augen waren sie nur eigenartig und ein wenig unheimlich.

Der junge Mann sieht jetzt, dass Charlotte Amalie eine große Stadt ist. Eigentlich weiß er es ja: Es ist die zweitgrößte Stadt des dänischen Reiches, obwohl sie so weit von Dänemark entfernt liegt. Charlotte Amalie ist durch den Freihandel und den Transport von allen möglichen Waren über den Atlantik reich und fett geworden. Während die Großmächte sich bekriegten, haben dänische Politiker und Kaufleute erfolgreich die Neutralität des Landes bewahrt und damit ein Vermögen verdient.

Schiffe anderer Länder - französische, schwedische, niederländische, amerikanische - haben in den Kriegsjahren mit dem Dannebrog am Achtersteven und dänischen Kriegsschiffen als Eskorte den Ozean überquert. Jede Dünung auf dem Meer war ein dänischer Reichstaler, jeder Stern am Nachthimmel eine westindische Kurantmünze. Und wenn die Schiffe in Charlotte Amalie anlegen und ihre Waren verzollen, strömt noch mehr Geld in die dänische Kolonialgesellschaft. Sankt Thomas ist ein Schlachtschwein, dessen Speck aus purem Gold besteht.

All dies weiß der junge Nichtsnutz durchaus; nach zwei Monaten auf dem Meer in Gesellschaft seines Vaters, des Kommandanten, und mit Seeleuten, die Westindien besser kennen als Vestervig, ist er mit dem politischen und ökonomischen Spiel, das die Geldmühle auf den Westindischen Inseln antreibt, einigermaßen vertraut. Doch als er hier am Kai von Charlotte Amalie steht, fesseln andere Dinge seinen Blick: die Geschäftigkeit des Hafens; einige farbige Frauenzimmer, vermutlich freie Mulattinnen, in vornehmen, aber dünnen und ziemlich lose sitzenden Kleidern, die unter einem Baldachin aus blaugestreiftem Stoff in einem kompletten Kauderwelsch plaudern und lachen; drei Sklavenmädchen mit nacktem Oberkörper, alles reizende Wesen, die einem älteren Mann in Reithosen, weißem Hemd und gestreifter Weste gehorsam zu einem Etablissement namens Emily s Hotel folgen.

Der junge Mann ist fasziniert von allem, was er sieht, und er spürt kaum, wie sein Vater ihn am Arm zieht â¦

 

Wir wurden am Kai von einem Hauptmann und sechs Soldaten in Tropenuniformen empfangen. Sie standen in der glühenden Sonne, der Hauptmann trat vor und salutierte, mein Vater erwiderte den Gruß.

»Herr Kommandant«, sagte der Hauptmann und senkte den Arm eine Sekunde nach meinem Vater.

»Hauptmann Molberg«, sagte mein Vater. »Ich habe meinen Sohn Peter mitgebracht. Gerade von der Landkadettenakademie entlassen, um hier auf Sankt Thomas als Fähnrich bei den westindischen Streitkräften zu dienen.«

Der Kapitän salutierte erneut, und ich erwiderte seinen Gruß, vielleicht mit etwas weniger militärischem Anstand, als es sich gehörte.

»Fähnrich von Scholten«, bellte der Offizier.

»Herr Hauptmann«, sagte ich. Einen Moment sahen wir uns in die Augen. Ich lächelte ihm zu, er erwiderte mein Lächeln nicht.

Die kleine Abteilung Soldaten eskortierte uns durch die Stadt zum Amtssitz des Gouverneurs in der Dronningensgade, wo ich herzlich von meinen Geschwistern und meiner Mutter empfangen wurde, die ein halbes Jahr zuvor vierzig Jahre alt geworden, aber noch immer eine hübsche und elegante Frau war. Ich habe meine älteste Tochter, die schon immer mein Liebling gewesen ist, nach ihr benannt.

Anschließend bat mein Vater mich, und niemanden sonst, ihn in sein study zu begleiten, wie er das geräumige Arbeitszimmer mit den hübschen Fensterläden und den vornehmen westindischen Möbeln bezeichnete. Ein schwarzer Diener in Livree servierte uns eine Kanne kühles Wasser und zwei ordentliche Rum Punch mit Zitrone - ein Getränk, das ich bereits an Bord des Packschiffes zu schätzen gelernt hatte. Der Diener verließ den Raum und kehrte mit einer Schale aufgeschnittener Früchte zurück, von denen ich die meisten nicht hätte beim Namen nennen können. Die Spitze einer Ananas verriet jedoch, dass einige der saftigen Stücke von dieser Frucht stammten; ich hatte eine Ananas bisher nur auf Gemälden gesehen - in Europa hielt man sie für eine so vornehme Speise, dass einige Adelsfamilien ihr charakteristisches Profil in ihre Wappen aufgenommen hatten. Der Diener ging, und ich blickte ihm nach - einigermaßen überrascht über diese förmliche Bewirtung.

»Wie viele Bedienstete hast du hier im Haus, Vater?«, fragte ich ihn.

Mein Vater trank einen Schluck. Er schloss die Augen und behielt den Rum einen Augenblick im Mund. Dann schluckte er und sah mich an.

»So viele wie nötig«, antwortete er. »Den, den du eben gesehen hast. Einen Koch und ein Küchenmädchen, eine Frau für die Wäsche und das Putzen, ein Stubenmädchen.«

»Das sind fünf. Sind sie alle â¦«

Vater nickte. Er wusste offenbar, was ich ihn fragen wollte.

»Ja«, erwiderte er. »Natürlich ist es billiger, Neger nur anzumieten, auf lange Sicht ist es jedoch besser, sie selbst zu besitzen. Das erleichtert die Zusammenarbeit ungemein.« Auf seinem Gesicht zeigte sich sein freundliches, aber hintergründiges Lächeln.

Ich probierte den Rum. Plötzlich musste ich lachen. »Was kostet ein Koch?«, erkundigte ich mich, allerdings eher aus Spaß.

Meinen Vater schien die Frage nicht zu verwundern.

»Ungefähr vierhundert Reichstaler«, antwortete er.

Ich erinnere mich, dass wir eine Weile kein Wort sprachen. Ich glaube, meinem Vater war klar, dass ich das Bedürfnis hatte, eine Weile einfach nur dazusitzen und mich daran zu gewöhnen, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Er nippte an seinem Punch und aß ein paar Früchte. Ich nahm mir ein Stück Ananas. Als sich unsere Blicke über dem niedrigen, blankpolierten Tisch mit der Obstschale trafen, lächelte er mir zu und nickte auffordernd. Als wollte er sagen: Greif nur zu, mein Sohn....

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Mich Vraa, geboren 1954, lebt als Journalist, Schriftsteller und Übersetzer mit seiner Familie in Odense, Dänemark. Er übertrug u.a. Jonathan Franzen, Ernest Hemingway und Don DeLillo ins Dänische. Sein Roman Die Hoffnung (Hoffmann und Campe 2017) wurde von der Kritik hochgelobt und war für zahlreiche Preise nominiert.