Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Bakhita

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am07.10.2019
Sieben Jahre alt ist Bakhita, als sie aus ihrem Dorf im Sudan entführt wird. Damals heißt sie noch anders, doch die Erinnerung an ihren Namen verblasst mit jedem Jahr, in dem sie verschiedenen Herren dienen muss. Die Freundschaft mit Binah ist ihr in dieser Zeit der größte Halt, obwohl das Mädchen nicht Bakhitas Sprache spricht. Als ein italienischer Konsul Bakhita kauft, erkennt die junge Frau ihre Chance, das Schicksal zu wenden: Sie setzt alles daran, mit ihm nach Italien zu kommen. Hier hört sie erstmals von Jesus Christus und beschließt, dem 'gekreuzigten Sklaven' als einzigem Herrn zu dienen. Doch selbst als die Menschen sich an den Anblick der schwarzen Nonne gewöhnen, stehen die Spuren der Vergangenheit Bakhita ein Leben lang auf den Körper geschrieben und erinnern sie an die Familie, die sie hinter sich lassen musste. Josephine Bakhita (1869-1947) wurde von Johannes Paul II. heiliggesprochen. Véronique Olmi zeichnet das ergreifende und zugleich erhebende Porträt einer Frau, der es gelingt, allen Härten zum Trotz ihr eigenes und das Leben anderer zu retten.

Véronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren und lebt heute in Paris. Die ausgebildete Schauspielerin hat zahlreiche Theaterstücke verfasst und ist eine der bekanntesten Dramatikerinnen Frankreichs. Ihre Romane sind internationale Bestseller, so z. B. Das Glück, wie es hätte sein können. Bakhita wurde in Frankreich von der Presse hochgelobt und war ein großer Verkaufserfolg.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextSieben Jahre alt ist Bakhita, als sie aus ihrem Dorf im Sudan entführt wird. Damals heißt sie noch anders, doch die Erinnerung an ihren Namen verblasst mit jedem Jahr, in dem sie verschiedenen Herren dienen muss. Die Freundschaft mit Binah ist ihr in dieser Zeit der größte Halt, obwohl das Mädchen nicht Bakhitas Sprache spricht. Als ein italienischer Konsul Bakhita kauft, erkennt die junge Frau ihre Chance, das Schicksal zu wenden: Sie setzt alles daran, mit ihm nach Italien zu kommen. Hier hört sie erstmals von Jesus Christus und beschließt, dem 'gekreuzigten Sklaven' als einzigem Herrn zu dienen. Doch selbst als die Menschen sich an den Anblick der schwarzen Nonne gewöhnen, stehen die Spuren der Vergangenheit Bakhita ein Leben lang auf den Körper geschrieben und erinnern sie an die Familie, die sie hinter sich lassen musste. Josephine Bakhita (1869-1947) wurde von Johannes Paul II. heiliggesprochen. Véronique Olmi zeichnet das ergreifende und zugleich erhebende Porträt einer Frau, der es gelingt, allen Härten zum Trotz ihr eigenes und das Leben anderer zu retten.

Véronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren und lebt heute in Paris. Die ausgebildete Schauspielerin hat zahlreiche Theaterstücke verfasst und ist eine der bekanntesten Dramatikerinnen Frankreichs. Ihre Romane sind internationale Bestseller, so z. B. Das Glück, wie es hätte sein können. Bakhita wurde in Frankreich von der Presse hochgelobt und war ein großer Verkaufserfolg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455006025
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum07.10.2019
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4370310
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Das Gesicht ihrer Mutter muss schön gewesen sein, weil sie schön war. Weil sie immer dafür ausgewählt wurde, für ihre Schönheit. Ihre Mutter muss groß gewesen sein, mit hohen Wangenknochen, breiter Stirn und schwarzen Augen mit einem blauen Schimmer in der Mitte. Wie sie. Sie roch nach gerösteter Hirse, nach bitter-süßem Schweiß und nach Milch. Sie roch nach dem, was sie gab. Sie weiß, dass ihre Mutter danach roch, weil dieser Geruch mehrmals wiedergekommen ist und ihr den Atem geraubt hat. Es war entsetzlich, ihn nicht festhalten zu können, den Schock zu verspüren, ohne seine Süße genießen zu dürfen. Es war entsetzlich und es war auch gut, dieses Aufblitzen zu empfangen, ein paar Sekunden, die sie einfach annehmen musste, wie ein Geheimnis ohne Kummer. Von den elf Kindern, die ihre Mutter geboren hatte, waren vier gestorben. Zwei wurden geraubt.

 

Sie ist fünf, als es zum ersten Mal passiert. Fünf, sechs oder sieben, woher soll sie das wissen? Sie ist 1869 geboren. Vielleicht etwas früher. Oder etwas später, sie weiß es nicht. Für sie hat die Zeit keinen Namen, sie schreibt nicht gern Zahlen, sie liest die Zeit nicht von den Uhren, nur vom Schatten der Bäume. Die anderen, die sie gebeten haben, von Anfang an zu erzählen, haben ihr Alter berechnet, anhand der Kriege im Sudan und der Gewalt, die ihr später anderswo begegnet ist, denn die Welt ist überall dieselbe, geboren aus dem Chaos und der Explosion geht sie vorwärts, indem sie untergeht.

 

Sie ist ungefähr fünf, und es ist das Ende der Welt. Jener Nachmittag trägt ein Licht, das nie wiedergekehrt ist, eine ruhige Freude, die vibriert und die niemandem auffällt. Niemand weiß, dass sie da ist. Sie leben im Innern dieser Freude wie geschäftige Vögel; an diesem Nachmittag spielen in ihrem Dorf die Kleinen im Schatten des großen Baobab, und der Baum ist wie ein Vertrauter. Er ist das Zentrum und der Urahn, ist Schatten und Orientierung. Die Alten schlafen zu dieser Stunde. Die Männer ernten die Wassermelonen auf den Feldern. Am Dorfrand dreschen die Frauen Hirse, es ist die ruhige Musik eines friedlichen Dorfes, das seine Felder bestellt, das Bild eines verlorenen Paradieses, das sie bewahren wird, um sich zu überzeugen, dass es existiert hat. Von dort kommt sie, vom Ort der Unschuld, der Güte und der Ruhe. Das ist es, was sie will. Aus einem gerechten Leben kommen. Wie jedes Leben vor dem Wissen um das Böse.

 

Ihre große Schwester Kishmet ist aus dem Dorf ihres Mannes gekommen, um den Nachmittag bei ihnen zu verbringen. Sie ist ungefähr vierzehn. Ihr Baby hat sie nicht mitgebracht, die Schwiegermutter hütet das Kind, das etwas Fieber hat, und so wird sie für ein paar Stunden wieder zur Tochter ihrer Eltern, sie ist bei der Zwillingsschwester, die in der Frauenhütte Mittagsschlaf macht. Sie ist traurig, weil sie woanders lebt, zu ihrem Mann gehört und nicht mehr zu ihrem Vater, aber sie ist stolz, ein Kind zu haben, ihre Brüste sind voll, vor dem Einschlafen hat die Zwillingsschwester von ihrer Milch getrunken, das hat beide erleichtert.

 

Der Gesang der Frauen, die die Hirse dreschen, klingt wie das Summen von Insekten, sie ist fünf Jahre alt und spielt neben ihrer Mutter mit kleinen Steinen. Sie tut, was alle Kinder tun, sie erfindet, sie verleiht den Dingen, den Steinen, den Pflanzen Leben, sie erweckt und phantasiert. Die letzten Augenblicke der Unschuld. Mit einem Schlag wird das Wissen auf sie niedergehen und ihr Leben umdrehen wie einen Handschuh. Ihre Mutter singt etwas langsamer als die anderen Frauen, sie hört diese Verzögerung, die Gedanken ihrer Mutter sind woanders, weil ihre älteste Tochter zu Besuch gekommen ist. Bald wird die Tochter sein wie sie. Sie hat schon ein Baby. Sie wird noch eins bekommen. Und noch eins. Das Leben einer verheirateten Frau. Der langsamere Gesang der Mutter verrät den Stolz, die heimliche Sorge. Und die Zärtlichkeit.

 

Sie ist fünf Jahre alt und sie hat Angst vor Schlangen. Oft zeichnet ihr älterer Bruder mit der Spitze seines Stocks lange Bänder in den Sand, er lacht, wenn sie schreit, das ist ein Spiel, ein Scherz des großen Bruders, und in ihrem Geist werden der Bruder und die Schlange immer verbunden sein. Sie wird dem ungleichen Spiel nachtrauern und den Augen des Bruders, die auf ihren Schreck lauern und schon vorher lachen, diesem spöttischen Blick, den er auf sie richtet und der sie ein bisschen wichtiger macht. An jenem Nachmittag, in dem Moment, wo sie die Spur der Schlange sieht, die vielleicht nicht ihr Bruder gezeichnet hat, hört sie gewaltigen Lärm. Unbekannten Lärm. Sie versteht ihn nicht, aber im selben Augenblick halten die Frauen beim Dreschen der Hirse inne und heben die Köpfe, sie schreien, als hätten sie das Unglück bereits vor Augen, und rennen, um es einzuholen. Ihre Mutter packt sie, ohne sie anzusehen, wie ein Paket, reißt sie hoch wie einen Grashalm und rennt und brüllt. Und dann vergisst sie sie. Lässt sie plötzlich los, im fremd gewordenen Dorf, inmitten der Flammen, und stürzt in die Hütte, wo Kishmet und die Zwillingsschwester schlafen. Sie ist allein. Inmitten von Feuer und Toten. Da bohrt sich das Entsetzen des Verlassenseins in sie. Sie ruft ihre Mutter. Ruft ihren Namen, aber ihr Schrei verliert sich im wütenden Lärm des Feuers und der Schläge der Männer, die es mit Heugabeln und Mörsern bekämpfen, die Wassereimer leeren; der Rauch hüllt das Dorf ein und erstickt es. Das kleine Mädchen hustet und ruft seine Mutter, aber weder sein Schluchzen noch seine ausgestreckten Arme finden Zuflucht.

 

Als die Mutter in die Frauenhütte kommt, sucht sie Kishmet und findet nur die Zwillingsschwester. Allein und am Leben. Sie schüttelt sie. Küsst sie. Stößt sie zurück. Presst sie an sich. Panische Bewegungen ohne Sinn. Sie schreit die Kleine an: Sag mir, was du gesehen hast! Sie wiederholt mit schriller Stimme, sie befiehlt hysterisch schluchzend, Sag mir, was du gesehen hast! Die Kleine bleibt stumm. Die Mutter weiß, was sie gesehen hat. Sie weiß, was geschehen ist. Sie ist selbst im Krieg geboren, sie kennt die Organisation der Sklaverei und sie weiß, warum man ihre Tochter entführt hat und wozu sie dienen wird. Sie möchte im Bericht der Kleinen ein letztes Bild von ihr finden. Sag mir, was du gesehen hast! heißt Sag mir, dass du sie noch siehst. Aber die Kleine rührt sich nicht. Sie schweigt. Ihr Blick hat sich verändert, er trägt ein neues Wissen, und sie hat noch keine Worte, es auszudrücken.

 

An jenem Nachmittag waren die Entführer im Galopp gekommen, auf Pferden, mit Feuer, Gewehren, Ketten, Holzgabeln, und hatten mitgenommen, was sie konnten. Vor allem, was jung war. Die Jungen für die Armeen, die Mädchen für das Vergnügen und die Hausarbeit. Sie waren schnell, sie hatten Übung. Sie kannten das Dorf, informiert von Zuträgern, die ihnen den Weg gewiesen hatten und die vielleicht aus dem Nachbardorf stammten. Sie wussten, was sie finden würden.

 

Die Männer und Frauen von Olgossa sind zu spät gekommen. Ihre Söhne und Töchter haben versucht zu fliehen, sich zu verstecken, aber sie wurden gefangen, verwundet, getötet, und ihre Stimmen verloren sich im lauten Atem der Flammen. Sie sieht verstümmelte, verbrannte, sterbende und schreiende Körper in großen Blutlachen. Sie sieht herumrennende Ziegen, weinende Hunde und stumme Vögel. Sie sieht zerstörte Hütten und zerbrochene Holzgabeln, die den Weg der Entführer nachzeichnen. Das Feuer rast noch von Fleck zu Fleck. Es ist die Unterschrift der Sklavenhändler.

 

Mehrere Tage bleibt das Dorf so wüst, wie ein Feld nach dem Unwetter. Sie erkennt ihre Zwillingsschwester nicht wieder, erkennt den Ort nicht mehr, an dem sie lebt. Olgossa ist voll vom Klagen der Verletzten, es hört nicht auf, es ist eine Wiederholung des Leidens, das kreist wie ein langsamer, verzweifelter Ruf. Sie erkennt die Menschen nicht wieder, mit denen sie lebt. Die Bewohner haben die Toten eingesammelt und die Fehlenden gezählt. Sie haben die enthaupteten Alten und die amputierten Kinder entdeckt. Die Zerstörung und die Plünderung, die verwüsteten Felder, die sterbenden Kühe, das von aufgequollenen Leichen verseuchte Wasser des Flusses, jedes Lebenszeichen vernichtet. Da haben die Frauen ihre Körper bis aufs Blut zerkratzt und ihre Stirn gegen den Boden geschlagen, haben Schreie ausgestoßen, die sie noch nie gehört hat. Die Männer haben ihre Lanzen und ihre Tamtams ergriffen und sind in der Nacht verschwunden. Der Zaubermann ist gekommen und hat Opfer gebracht. Nach Tagen und Nächten sind die Männer zurückgekehrt. Ohne ihre Frauen anzusehen. Und auch vor ihren Söhnen haben sie den Blick gesenkt. Gegen die Gewehre und das Pulver waren ihre Pfeile und Bögen nur dazu gut, ihre ohnmächtige Anwesenheit zu bekunden. Was für ein Hohn.

 

Lange behielt das Dorf den Geruch der Körper und des verbrannten Strohs, tagelang wirbelte die Asche herum, bis sie im Wind verschwand, und erst als sie verschwunden war, war alles wirklich vorbei. Aber auf dem Sand, vor der Frauenhütte, hatte der Körper der großen Schwester die Spur einer Schlange hinterlassen, so dick wie der Ast eines Baobabs. Sie sieht die Spur. Auch, wenn die anderen drauftreten. Auch wenn der Regen die rote Erde in Schlammklumpen verwandelt. Sie sieht das Bild ihrer brutalen und stummen Abwesenheit. Diese Warnung. Und sie bewahrt die nackte Angst, die Angst ihrer eigenen Schreie, die ihre Mutter nicht hörte. Eine neue Gefahr: den Schutz ihrer Mutter zu verlieren. Ihrer Mutter, die sie nicht wiedererkennt. Einer unruhigen, nervösen und schlaflosen...
mehr

Autor

Véronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren und lebt heute in Paris. Die ausgebildete Schauspielerin hat zahlreiche Theaterstücke verfasst und ist eine der bekanntesten Dramatikerinnen Frankreichs. Ihre Romane sind internationale Bestseller, so z. B. Das Glück, wie es hätte sein können. Bakhita wurde in Frankreich von der Presse hochgelobt und war ein großer Verkaufserfolg.