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Aus dem Schatten des Vergessens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
640 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am05.11.2020
Der Krimi-Bestseller aus Kanada Montreal, heute: Am Tag vor Weihnachten wird Judith Harper, eine renommierte Psychologin, auf grausame Weise umgebracht. Zur gleichen Zeit verschwindet Nathan Lawson, ein angesehener Anwalt, nachdem er in Panik Dokumente auf einem Friedhof vergraben hat. Wenig später stürzt sich ein Obdachloser von einem Wolkenkratzer. Im Mantel des Obdachlosen: die Brieftaschen von Harper und Lawson. Als Sergent-Détective Victor Lessard, der selbst ein Getriebener ist, gemeinsam mit seiner Partnerin Jacinthe Taillon die Ermittlungen aufnimmt, wird den beiden eine verstörende Aufnahme zugespielt, auf der die Stimme von Lee Harvey Oswald zu hören ist, dem Mann, der einst J. F. Kennedy erschoss und der jetzt aus dem Grab zu ihnen spricht. Lessard und Taillon stehen vor einem Fall, der sie in die dunkelsten Abgründe sowohl der menschlichen Seele als auch der amerikanischen Geschichte führt.

Martin Michaud hat als Musiker und Anwalt gearbeitet, bevor er zu schreiben begann. Heute ist er einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren Kanadas. Seine Reihe Mord in Montreal wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Arthur Ellis Award und der Prix Saint-Pacôme für Kiriminallitertaur. Martin Michaud lebt in Montreal.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,90
HörbuchCompact Disc
EUR17,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer Krimi-Bestseller aus Kanada Montreal, heute: Am Tag vor Weihnachten wird Judith Harper, eine renommierte Psychologin, auf grausame Weise umgebracht. Zur gleichen Zeit verschwindet Nathan Lawson, ein angesehener Anwalt, nachdem er in Panik Dokumente auf einem Friedhof vergraben hat. Wenig später stürzt sich ein Obdachloser von einem Wolkenkratzer. Im Mantel des Obdachlosen: die Brieftaschen von Harper und Lawson. Als Sergent-Détective Victor Lessard, der selbst ein Getriebener ist, gemeinsam mit seiner Partnerin Jacinthe Taillon die Ermittlungen aufnimmt, wird den beiden eine verstörende Aufnahme zugespielt, auf der die Stimme von Lee Harvey Oswald zu hören ist, dem Mann, der einst J. F. Kennedy erschoss und der jetzt aus dem Grab zu ihnen spricht. Lessard und Taillon stehen vor einem Fall, der sie in die dunkelsten Abgründe sowohl der menschlichen Seele als auch der amerikanischen Geschichte führt.

Martin Michaud hat als Musiker und Anwalt gearbeitet, bevor er zu schreiben begann. Heute ist er einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren Kanadas. Seine Reihe Mord in Montreal wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Arthur Ellis Award und der Prix Saint-Pacôme für Kiriminallitertaur. Martin Michaud lebt in Montreal.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455010121
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum05.11.2020
Seiten640 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1888 Kbytes
Artikel-Nr.5308214
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteWidmungMotto20. Mai 1980 ReferendumDer Trichter der ZeitRead-Only Memory26. Oktober 1992 Lac Meech und CharlottetownDie GedächtnisdiebeWatermelon ManEvergreenDer Mann mit der Expos-MützeNachwortPlaylistMaterialienDanksagungÜber Martin MichaudImpressummehr
Leseprobe
3. Galgenmännchen


Freitag, 16. Dezember


Erstaunlich flink für einen über Siebzigjährigen erklomm der Mann die Treppe, die zum Tour de la Bourse führte. Ohne den mit einem roten Band geschmückten Kranz, der über dem Eingang hing, eines Blickes zu würdigen, zog er die Glastür auf und schlüpfte hinter dem heulenden Wind hinein.

Der Winter hatte Montreal nun doch noch am Wickel gekriegt.

Während Jesus an seinem Kreuz fröstelte, drängten sich Weihnachten und die Tempelhändler vor der Tür.

Schnee löste sich von seinen Überschuhen und schmolz auf dem spiegelglatten Marmor.

Im leeren Aufzug hörte der Mann mit halbem Ohr die samtige Stimme Bing Crosbys, der mit viel Schmalz eine Marshmallow-Welt besang. Im achtundvierzigsten Stock bedachte er die Empfangsdame mit einem verführerischen Halblächeln ähnlich dem, das Bernard Derome vom Téléjournal berühmt gemacht hatte.

»Guten Morgen, Maître Lawson.«

 

Im U-Boot begegnete er niemandem.

Tatsächlich weckten die Büros der Sekretärinnen und die Kartonstapel, die den Flur versperrten, in ihm jeden Morgen das beklemmende Gefühl, in das beengte Innere eines U-Boots zu marschieren.

Die Anwaltskanzlei Baker, Lawson, Watkins, zu deren Seniorpartnern er heute gehörte, hatte zahlreiche Wandlungen erfahren, seit er ihr Anfang der sechziger Jahre beigetreten war. Damals noch keine zwanzig Anwälte zählend, hatte die Firma ein exponentielles Wachstum hingelegt und sich dank einer Reihe kluger Fusionen bis zur Jahrtausendwende zu einer landesweit tätigen Gesellschaft gemausert. Heute beschäftigte sie über sechshundert Juristen, davon allein vierundsechzig in Montreal.

Im Lauf der Jahre waren die feudalen Büros schlichteren Räumlichkeiten gewichen. Die winzigen, durch vergilbte Trennwände abgeteilten Kabuffs, in denen die Teilhaber heute rackerten, standen im krassen Gegensatz zum Image der Kanzlei. Doch die Klienten, die ja auf Rosen gebettet werden wollten, hatten zum Bauch des U-Boots keinen Zutritt. Sie wurden in die luxuriösen Konferenzräume im neunundvierzigsten Stock ausgesperrt, wo sie den Panoramablick genießen und die Kunstsammlung bewundern konnten.

 

Schnaubend schälte sich Nathan Lawson vor dem Schreibtisch seiner Assistentin aus dem Mantel. Kopfhörer auf den Ohren, tippte sie gerade die Memos ab, die er am Vorabend diktiert hatte. Es gab viele Sekretärinnen, die bereit waren, auch abends und nachts zu arbeiten, doch er vertraute niemandem außer ihr.

»Gut geschlafen, Adèle?«

»Ganz leidlich.«

Seit sechsundzwanzig Jahren wiederholte sich dieses Spiel, beteiligten sie sich Tag für Tag freiwillig an dieser Farce. Seit sechsundzwanzig Jahren belogen sie sich jeden Morgen gegenseitig. Lawson war es völlig schnuppe, ob seine Assistentin gut geschlafen hatte, und Adèle hatte einmal mehr die Nacht damit zugebracht, die Risse in der Zimmerdecke zu zählen.

Getreu ihrer Gewohnheit tauschten sie den restlichen Tag über keine weiteren Höflichkeiten aus und beschränkten ihre Interaktion auf wenige einsilbige Bemerkungen, die der Arbeit galten.

In ein paar Sekunden würde er sich in sein Büro begeben, um seine Post durchzusehen, und in einer halben Stunde würde ihm Adèle eine Tasse dampfenden Kaffee mit zwei Stückchen Zucker bringen.

Von den Anwälten war Nathan Lawson häufig der Erste, der morgens den Fuß in die Etage setzte, aber er kam niemals vor Adèle. Von dieser Regel hatte es nur eine einzige Ausnahme gegeben: an jenem Tag vor acht Jahren, als sie ihre Mutter begraben hatte.

Im Lauf der Jahre hatte eine Art unfreiwillige Osmose dazu geführt, dass sie alles vom Leben des anderen wussten, ohne jemals darüber zu sprechen.

 

»Haben Sie das zu meiner Post gelegt?«

Sich am Türrahmen festhaltend, wedelte Lawson mit einem Blatt Papier.

Er hatte es zwischen dem Journal du Barreau und der Aufstellung der abrechenbaren Stunden für November gefunden. Während er auf Adèles Antwort wartete, schnipste er ein Staubkorn vom Revers seines Sakkos. In ihre Arbeit vertieft, die Augen auf den Bildschirm gerichtet, klapperte sie weiter auf ihrer Tastatur.

»Lucian kümmert sich um die Post, nicht ich.«

Verwirrt kehrte Lawson in sein Büro zurück. Er sank wieder in seinen Sessel, betrachtete einen Moment lang die Weihnachtskarten, die in der Schreibtischecke aufgereiht waren, und hing seinen Gedanken nach.

Plötzlich kam ihm eine Idee und fegte die Fragezeichen aus seinen Augen.

In der gesamten Firma gab es nur einen, der sich so einen Scherz ausdenken konnte.

Schmunzelnd rief er sich in Erinnerung, dass Louis-Charles Rivard erst vorige Woche wieder zugeschlagen hatte. Da hatte er sich den Jux erlaubt, die Familienfotos in den Büros zweier Prozessanwälte zu vertauschen.

Obwohl Rivard in fachlicher Hinsicht gewisse Defizite aufwies, hatte Lawson schon mehrfach eine Entlassung seines Schützlings abgebogen.

Amüsant und sexy wie er war, machte Rivard seine Unzulänglichkeiten durch soziale Kompetenz wett.

Das Telefon klingelte und riss Lawson aus seinen Gedanken.

»Ihre Klienten sind da«, meldete die Empfangsdame aus dem neunundvierzigsten Stock.

»Sehr gut.«

Er stand auf und blickte auf seine Uhr: zwei Minuten nach sieben. Als er seine Unterlagen ergriff, blieb sein Blick noch einmal an dem Blatt Papier auf dem Tisch hängen:


Guten Morgen, Nathan.

 

Lassen Sie uns Galgenmännchen spielen: _ V _ _ G _ _ _ N

 

Tipp: Firma voller Leichen.

 

Macht das nicht Spaß, Nathan?


Er steckte das Blatt ein.

Die Besprechung zog sich endlos hin, und der Mann auf dem Gemälde von Jean-Paul Lemieux, das an der Wand hing, schien sich entsetzlich zu langweilen. Lawson standen zwei weitere Teilhaber der Kanzlei zur Seite, beide in Armani gewandet und wie Lords parfümiert.

»Wir sollten vor dem Abschluss den Rückkaufswert der Vorzugsaktien festlegen«, schlug Lawson vor und blickte zu den Klienten.

»Wenn wir wiederkommen, nennen wir Ihnen einen Betrag«, erwiderte der Finanzchef eines großen Pharmaunternehmens verbindlich. »Wobei mir einfällt: Wir haben noch gar keinen Termin für den Abschluss erhalten.«

Lawson wandte sich an einen Mitarbeiter. Zuständig für den Zeitplan und die Dokumentation des Abschlusses war sein Protegé.

»Carlos, bitten Sie Rivard, zu uns zu kommen.«

»Er ist nicht im Haus, Maître Lawson. Tania vertritt ihn. Ich rufe sie an.«

Lawson schüttelte den Kopf: Er hatte ganz vergessen, dass Louis-Charles Rivard eine ganztägige Besprechung bei einem anderen Klienten hatte.

Das Gespräch wurde wieder aufgenommen, doch Lawson hing seinen Gedanken nach: Er dachte an die Zeichnung.

In einer Pause, in der sich die anderen Kaffee einschenkten, zog er heimlich das Papier aus der Tasche und betrachtete das Galgenmännchen genauer.

Gruselig, wie ihm die Zunge heraushing. Oder handelte es sich vielleicht um einen Schnurrbart?

Nathan R. Lawson hatte seit seiner Kindheit nicht mehr Galgenmännchen gespielt - selbst als junger Mensch hatte er nie viel Zeit zum Spielen gehabt -, aber er wusste noch, dass die Zeichnung jedes Mal um einen Strich erweitert wurde, wenn der andere Spieler einen falschen Buchstaben nannte.

In diesem Fall hier war sie offenbar schon vollständig. Was hatte das zu bedeuten?

Plötzlich kam ihm ein Geistesblitz, und die Härchen auf seinen Unterarmen stellten sich auf. Mit seinem Kugelschreiber setzte er Buchstaben auf die vakanten Striche.

Das gesuchte Wort war wie ein Schlag ins Gesicht.

»Maître Lawson?«

»Nathan?«

Vier Augenpaare waren auf ihn gerichtet.

Hatte er einen Schrei ausgestoßen?

Verwirrt stammelte er irgendwelche Entschuldigungen und stürzte aus dem Konferenzraum.

Mit verschwommenem Blick und zitternden Fingern tippte er in sein Handy.

»Adèle«, sagte er mit tonloser Stimme, »Sie müssen mir Unterlagen aus dem Archiv besorgen!«

 

Eine vierzig Jahre alte Akte zu finden sei kein Honigschlecken, hatte sie sich ihm gegenüber beklagt. Aber Lawson hatte kaum hingehört.

Denn er hatte zwar eine gewisse Zeit gebraucht, ehe er es bemerkte, doch jetzt schien das Gesicht der Angst in jeder Ecke zu lauern.

Als er den Deckel von einem der Kartons hob, stellte er mit Erleichterung fest, dass die Siegel mit dem aufgedruckten Vermerk »Niemals vernichten« noch unversehrt waren.

Er griff zum Telefon und rief Wu an. Er teilte ihm mit, dass er für ein paar Tage verreisen werde, und bat ihn, eine Tasche für ihn zu packen und seinen Pass mit hineinzulegen.

Dann verließ er das Büro und sprach kurz mit seiner Assistentin. Adèle konnte ihre Überraschung nur schlecht verbergen. Er gönnte sich nur selten Urlaub.

»Und die laufenden Fälle?«, hielt sie ihm entgegen.

»Rivard und die anderen werden sie übernehmen, dafür zahlen wir ihnen ja viel Geld.«

 

Stockwerk um Stockwerk entschwebte über ihnen, bis im zweiten Untergeschoss die Aufzugtür aufging. Lawson wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn ab, und der Bürobote wuchtete die Kartons auf die Sackkarre, wobei er die keltischen Armbandtattoos auf seinem rechten Bizeps entblößte.

»Mein Wagen steht dort, neben dem schwarzen Laster«, erklärte Lawson nervös.

Eine Reihe von Neonröhren warf ein fahles Licht auf die Betonwände der Tiefgarage. Er schritt eilig aus und warf besorgte Blicke über die Schulter, ohne aber die beiden...
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Martin Michaud hat als Musiker und Anwalt gearbeitet, bevor er zu schreiben begann. Heute ist er einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren Kanadas. Seine Reihe Mord in Montreal wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Arthur Ellis Award und der Prix Saint-Pacôme für Kiriminallitertaur. Martin Michaud lebt in Montreal.