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Das neue Herz

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am03.08.2021
'Ein hochkomischer und tiefgründiger, wilder und wichtiger Roman.' Dagens Nyheter Ein verlassener Mann, der für das gebrochene Herz seiner Frau sein eigenes Herz opfern soll. Eine eigensinnige Nonne, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, alle verratenen Frauen zu rächen. Und eine Schriftstellerin mit Schreibblockade auf der Suche nach Sinn  - und einer guten Geschichte. In 'Das neue Herz', in Schweden als 'Post-metoo-Roman' gefeiert, nimmt Lina Wolff das Patriarchat und den Feminismus gleichermaßen aufs Korn und stellt unsere Vorstellungen von Liebe und Macht, Schuld und Vergebung auf den Kopf.

Lina Wolff, geboren 1973, hat lange in Italien und Spanien gelebt. Für ihren Debütroman Bret Easton Ellis und die anderen Hunde wurde sie mit dem renommierten Literaturpreis der Zeitschrift Vi ausgezeichnet. Für ihren zweiten Roman Die polyglotten Liebhaber, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wird, erhielt sie den Augustpris, den wichtigsten schwedischen Literaturpreis. Lina Wolff lebt in Schonen in Südschweden.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

Klappentext'Ein hochkomischer und tiefgründiger, wilder und wichtiger Roman.' Dagens Nyheter Ein verlassener Mann, der für das gebrochene Herz seiner Frau sein eigenes Herz opfern soll. Eine eigensinnige Nonne, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, alle verratenen Frauen zu rächen. Und eine Schriftstellerin mit Schreibblockade auf der Suche nach Sinn  - und einer guten Geschichte. In 'Das neue Herz', in Schweden als 'Post-metoo-Roman' gefeiert, nimmt Lina Wolff das Patriarchat und den Feminismus gleichermaßen aufs Korn und stellt unsere Vorstellungen von Liebe und Macht, Schuld und Vergebung auf den Kopf.

Lina Wolff, geboren 1973, hat lange in Italien und Spanien gelebt. Für ihren Debütroman Bret Easton Ellis und die anderen Hunde wurde sie mit dem renommierten Literaturpreis der Zeitschrift Vi ausgezeichnet. Für ihren zweiten Roman Die polyglotten Liebhaber, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wird, erhielt sie den Augustpris, den wichtigsten schwedischen Literaturpreis. Lina Wolff lebt in Schonen in Südschweden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455010480
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum03.08.2021
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1294 Kbytes
Artikel-Nr.5705321
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverVerlagslogoTitelseiteMottoMercuroLuciaBiographienImpressummehr
Leseprobe

Mercuro


Die Maschine geht in den Sinkflug über, und sie blickt hinaus über sandfarbene Hochhäuser und das hügelige Hinterland, das staubtrocken ist, karg wie eine Mondlandschaft. Sie kommt nicht zum ersten Mal her. Vor vielen Jahren hat sie lang genug in der Stadt gelebt, um etwas über deren Seele zu lernen. Die Stadt ist wie ein gezähmtes Raubtier, wie eine vor sich hin schwelende Glut. Man sollte stets auf der Hut sein und beim Schlafen ein Auge offen halten. Für das Geld hätte man ihr genauso gut ein Aufenthaltsstipendium für Barcelona, San Sebastián oder Valencia geben können, am Meer wären die Sommermonate erträglicher. Aber wie heißt es so schön? Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Außerdem ist man selbst ja gewissermaßen auch ein geschenkter Gaul.

Über den Lautsprecher verkündet der Flugbegleiter den Landeanflug auf Madrid, die Temperaturen lägen bei neunundzwanzig Grad. Sie zurrt den Sicherheitsgurt fest, lehnt sich zurück und schließt die Augen, bis die Maschine endlich auf dem Boden aufsetzt.

 

Das Apartment, in dem sie wohnen wird, liegt im Barrio de Goya. Fünf Räume, an einer Seite eines schlauchförmigen Flurs aufgereiht, das Zimmer gleich am Eingang könnte sie für Gäste benutzen, dahinter folgen Küche, Bad, Wohn- und zuletzt das Schlafzimmer. Sie trägt ihren Koffer hinein und inspiziert alles, während die Eigentümerin wartet und ungeduldig mit den Fingern auf den Türrahmen trommelt.

»Die Nachbarn sind sehr empfindlich, ich wäre Ihnen dankbar, wenn es nicht allzu wild zugeht. Manche Stipendiaten haben hier Partys bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.«

»Keine Sorge. Ich bin fünfundvierzig, solche Partys feiere ich schon lange nicht mehr.«

Nachdem die Formalitäten erledigt sind, geht sie zum nächsten großen Kaufhaus, El Corte Inglés, um eine Flasche Wein zu kaufen. Auf diese Weise läutet sie jeden Spanienaufenthalt ein. Die meisten Touristen zieht es als Allererstes an den Strand oder - wenn sie in Madrid sind - in ein Restaurant oder eine Bar, wo sie sich bei einem Mojito entspannen, die Atmosphäre genießen und irgendwas in ein Moleskine-Notizbuch schreiben - aber sie trinkt lieber Wein und sieht fern. Mit einem Glas in der Hand versinkt sie zwischen den weichen Kissen auf dem Sofa. So verbringt sie den Rest des Abends. Leicht dösig zurückgelehnt, während aus dem Fernseher ein Strom von Stimmen auf sie einrieselt, Nachrichten, venezolanische Telenovelas, kunterbunte Klatschprogramme.

Kurz nach Mitternacht weckt sie ein kühler Luftzug, der durchs offene Fenster hereinweht. Sie hält immer noch das Weinglas in der Hand, und im Mund hat sie einen Geschmack von alten Rohren, vermutlich vom Leitungswasser, das sie getrunken hat. Das Stimmengewirr, das aus den umliegenden Bars heraufdringt, ist jetzt lauter als zuvor. Sie steht auf, geht zum Fenster und lässt den Blick über die Plaza schweifen. Da unten ist es, denkt sie. Das Leben. Sie beschließt auszugehen, und als sie auf die Straße tritt, schlägt ihr das Pulsieren der Madrider Nacht entgegen.

Sie weiß noch gut, wie es damals war, vor fast zwanzig Jahren, als sie hier studiert hat und an einem Tagesrhythmus teilhatte, der vorsah, nie vor zehn zu Abend zu essen und anschließend unbedingt auszugehen. Wann schlief sie eigentlich? Sie kann sich nicht daran erinnern, in Madrid je geschlafen zu haben, aber müde war sie trotzdem nie.

 

Sie betritt ein Lokal mit Buntglasfenstern und dunklem Holzmobiliar, setzt sich an die Bar und bestellt ein Glas Cava. Nach einer Weile bemerkt sie einen Mann am anderen Ende der Theke. Er fällt ihr aus mehrerlei Gründen auf. Zum einen ist er allein und schielt nervös zu den anderen Gästen hinüber, und zum anderen scheint er trotz voll aufgedrehter Klimaanlage übermäßig zu schwitzen. Sie muss ihn einen Moment zu lang angesehen haben, denn plötzlich bleibt sein Blick an ihr hängen. Unwillkürlich senkt sie den Kopf. Sie ist keine, die in eine Bar geht, um Kerle aufzureißen, und wenn sie es doch tun würde, dann sicher nicht einen Typen wie ihn. Aber der Stein ist längst ins Rollen gebracht, der Mann steht auf, nimmt sein Glas und kommt auf sie zu. Ihr ist klar, dass sie sich nicht mehr unauffällig davonstehlen kann. Als er bei ihr ankommt, fragt er, ob er sich setzen dürfe, seine Stimme klingt halb erstickt, wie bei jemandem, der nur selten spricht. Sie antwortet nicht, aber er zieht bereits einen Hocker zurück und nimmt darauf Platz. Dann dreht er sich zu ihr und streckt ihr seine Hand entgegen.

»Mercuro Cano«, stellt er sich vor.

Sie sagt ihren Namen. Dann sitzen sie erst einmal schweigend da. Nach einer Weile beschließt sie, sich doch lieber eine andere Bar zu suchen. Aber als sie aufstehen will, fragt der Mann:

»Sie gehen schon? Wir haben uns doch noch gar nicht richtig unterhalten.«

In seinem Tonfall schwingt aufrichtige Verwunderung mit, zutiefst menschliche Fassungslosigkeit, sodass sie auf den Hocker zurücksinkt. Aus dem Augenwinkel registriert sie, wie er ein Taschentuch hervorangelt und sich die Stirn abtupft.

»Ist alles in Ordnung?«, fragt sie.

»Nein. Ehrlich gesagt ist gar nichts in Ordnung.«

Er reibt sich mit dem Finger unter der Nase, als wollte er eingetrockneten Rasierschaum entfernen oder Pulverreste, die sich dort verfangen haben.

»Ich müsste mich einfach mal ein bisschen mit jemandem unterhalten«, sagt er. »So tun, als wäre in meinem Leben noch irgendwas normal. Und wenn s nur ein paar Minuten sind.«

Na schön, denkt sie. Schließlich hat sie sich vorgenommen, den Aufenthalt auch dafür zu nutzen, ein paar Leute kennenzulernen. Sie darf sich nicht verschließen, sobald jemand auf sie zugeht.

»Okay«, sagt sie.

Der Mann nickt erleichtert.

»Was machen Sie beruflich?«, fragt er.

»Ich schreibe.«

»Ah, Sie schreiben. Und was?«

»Artikel und Kolumnen, für eine Lokalzeitung.«

»Wohnen Sie hier in Madrid?«

»Ich bin mit einem Aufenthaltsstipendium hier«, antwortet sie. »Drei Monate mit allem Drum und Dran, nur für die Verpflegung muss ich selber sorgen.«

»Meine Gratulation.«

Es gebe nichts zu gratulieren, erklärt sie. Hätte man sie gefragt, hätte sie sich für eine andere Stadt entschieden. Sie habe mal eine Weile in Madrid gelebt und wisse, welch Irrsinn es sei, zwischen Mai und August herzukommen. Irgendwo im Landesinnern - in Granada? - seien die Temperaturen schon auf zweiundvierzig Grad geklettert. Die Hölle auf Erden. Sie spricht schnell, so wie damals, und freut sich, dass ihr Spanisch nicht eingerostet ist.

»Also, wo kommen Sie her?«, fragt der Mann.

»Aus Schweden.«

Er nimmt einen Schluck von seinem Drink.

»Schweden«, sagt er. »Das Männerhasserinnenland.«

»Wie meinen Sie das?«

»Na, Ihre Heimat scheint voller Männerhasserinnen zu sein.«

»Ich verstehe nicht.«

»Ich hab gelesen, dass -«

Sie bringt ihn mit einer abwehrenden Handbewegung zum Schweigen.

»Also, ich wollte hier eigentlich nur ein Glas Wein trinken und ein bisschen abschalten«, sagt sie. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen.«

Sie leert ihr Glas in einem Zug.

»Sind Sie Feministin?«, fragt er.

»Haben Sie mir nicht zugehört?«

»Ehrlich, es interessiert mich.«

»Warum?«

»Weil ich verstehen will, warum ihr da oben eure Männer hasst.«

»Also wirklich -«

»Dieser Hass, diese Erbitterung«, sagt er, »diese Fluten des Zorns ⦠Warum?«

Er funkelt sie grimmig an, aber sie hält seinem Blick stand. Nach kurzer Zeit beginnt seine Hand zu zittern, ein seltsamer Kontrast zu seinem trotzigen Gesichtsausdruck. In der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in seinem Glas klirren die Eiswürfel.

»Was ist los?«, fragt sie. »Warum zittern Sie?«

Er senkt den Blick und umklammert das Glas so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortreten. Als die Eiswürfel nach einer Weile ruhig an der Oberfläche schwimmen, starrt er so leer vor sich hin, als hätte er das Gespräch schon vergessen. Doch gerade als sie aufstehen und sich davonstehlen will, blickt er auf, packt sie am Arm und sagt:

»Tut mir leid.«

»Was?«

»Was ich eben gesagt hab.«

Sie zuckt mit den Schultern, löst ihren Arm aus seinem Griff.

»Verzeihen Sie mir?«, fragt er.

»Was meinen Sie?«, fragt sie. »Ist mir doch egal, was Sie denken. Sie gehen gleich zu sich nach Hause, ich gehe zu mir nach Hause, und dann sehen wir uns nie wieder. So einfach ist das.«

»Aber das ist ja das Problem«, sagt er. »Ich wünschte, es wäre anders.«

»Jetzt komme ich nicht mehr mit«, sagt sie. »Erst beleidigen Sie mich, und jetzt habe ich den Eindruck, Sie kommen gleich mit einer Liebeserklärung um die Ecke.«

»Eine Liebeserklärung?« Er lacht. »Nein, keine Angst. Ich hab in meinem Leben nur eine Frau geliebt - nämlich meine Frau. Soledad Ocampo und keine andere. Ich würde alles dafür tun, sie wieder an meiner Seite zu haben.«

»Aha. Und warum sitzen Sie dann hier und quatschen eine Wildfremde an?«

»Das ist eine lange Geschichte. Es fing mit dem Üblichen an. Ein bisschen Langeweile, ein bisschen Untreue. Same old. Aber als ihre Krankheit schlimmer wurde, haben wir dann diese Therapie angefangen.«

»Was für eine Krankheit?«

»Ein angeborener Herzfehler.«

»Und hat sie geholfen?«

»Wer?«

»Die Therapie?«

»Ob die Therapie geholfen hat?«, sagt er und blickt sie resigniert an. »Nein. Im...

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Autor

Lina Wolff, geboren 1973, hat lange in Italien und Spanien gelebt. Für ihren Debütroman Bret Easton Ellis und die anderen Hunde wurde sie mit dem renommierten Literaturpreis der Zeitschrift Vi ausgezeichnet. Für ihren zweiten Roman Die polyglotten Liebhaber, der in zahlreiche Sprachen übersetzt wird, erhielt sie den Augustpris, den wichtigsten schwedischen Literaturpreis. Lina Wolff lebt in Schonen in Südschweden.