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Frau Shibatas geniale Idee

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Atlantik Verlagerschienen am05.10.2021
Frau Shibatas geniale Idee ist eine kluge, moderne und feministische Antwort auf tief verankerte patriarchalische Strukturen in der japanischen Gesellschaft - und zugleich ein fulminantes Lesevergnügen!   Frau Shibata ist vierunddreißig und arbeitet als Angestellte in einer Firma in Tokyo, in der Männer das Sagen haben. Ständig wird sie herumgeschubst, schlecht behandelt und soll Kaffee kochen. Doch dann hat sie eine geniale Idee: Sie behauptet, schwanger zu sein - und plötzlich wird sie rücksichtsvoll behandelt. Doch wie weit lässt sich dieses Spiel treiben? Frau Shibata geht aufs Ganze, stopft sich die Kleidung aus und 'erlebt' die gesamte Schwangerschaft. Bis schließlich unausweichlich der Moment der Wahrheit naht - und die sieht anders aus, als gedacht . 

Emi Yagi wurde 1988 geboren und Frau Shibates geniale Idee ist ihr erster Roman. Sie hat bereits vor der Veröffentlichung in Japan den wichtigen Dazai Osamu Prize mit dem Titel gewonnen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR21,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextFrau Shibatas geniale Idee ist eine kluge, moderne und feministische Antwort auf tief verankerte patriarchalische Strukturen in der japanischen Gesellschaft - und zugleich ein fulminantes Lesevergnügen!   Frau Shibata ist vierunddreißig und arbeitet als Angestellte in einer Firma in Tokyo, in der Männer das Sagen haben. Ständig wird sie herumgeschubst, schlecht behandelt und soll Kaffee kochen. Doch dann hat sie eine geniale Idee: Sie behauptet, schwanger zu sein - und plötzlich wird sie rücksichtsvoll behandelt. Doch wie weit lässt sich dieses Spiel treiben? Frau Shibata geht aufs Ganze, stopft sich die Kleidung aus und 'erlebt' die gesamte Schwangerschaft. Bis schließlich unausweichlich der Moment der Wahrheit naht - und die sieht anders aus, als gedacht . 

Emi Yagi wurde 1988 geboren und Frau Shibates geniale Idee ist ihr erster Roman. Sie hat bereits vor der Veröffentlichung in Japan den wichtigen Dazai Osamu Prize mit dem Titel gewonnen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455012606
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum05.10.2021
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1119 Kbytes
Artikel-Nr.5703736
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverVerlagslogoTitelseiteFünfte WocheSiebte WocheAchte WocheZehnte WocheElfte WocheDreizehnte WocheVierzehnte WocheFünfzehnte WocheSechzehnte WocheSiebzehnte WocheAchtzehnte WocheNeunzehnte WocheZwanzigste WocheEinundzwanzigste WocheDreiundzwanzigste WocheVierundzwanzigste WocheSechsundzwanzigste WocheSiebenundzwanzigste WocheAchtundzwanzigste WocheNeunundzwanzigste WocheDreißigste WocheZweiunddreißigste WocheVierunddreißigste WocheSechsunddreißigste WocheSiebenunddreißigste WocheAchtunddreißigste WocheNeununddreißigste WocheVierzigste WocheIch stieg aus dem [...]Zwölf Monate nach der GeburtDankAnmerkungÜber Emi YagiImpressummehr
Leseprobe

Sechzehnte Woche

Der erste Arbeitstag nach einem Konzertbesuch war immer eine Qual. Die Veranstaltung gestern hatte in einem Vorort stattgefunden und der überfüllte Bus zurück zur Bahnstation hatte ewig gebraucht, sodass ich erst spät zu Hause angekommen war. Mein eigentliches Problem war aber ein anderes: Ich spürte in meinen Augen, Ohren und meiner Brust noch immer die Hitze des letzten Abends. Sobald ich die Lider schloss, wand sich grünes Licht in der Dunkelheit, Tonfragmente regten sich und ich konnte mich unmöglich auf die Arbeit konzentrieren. Ich hatte das Gefühl, wenn ich den Mund öffnete, würde meinen Lippen eine überirdische Melodie entweichen. Das graue Sweatshirt-Kleid, das ich online gekauft hatte, verwandelte sich in einen silbernen Fummel, der unter den Scheinwerfern hell funkelte, als ein großer Stapel Papierrollen auf meinem Tisch landete und mich aus meiner Phantasie riss. Ich war zurück in meinem zu stark beheizten und nach Kaffee riechenden Büro im vierten Stock.

Während ich dem Vertriebsmitarbeiter, der die Rollen gebracht hatte, einige Fragen beantwortete, nahm ich eines der Muster in die Hand und betrachtete es. Es war das Innenstück einer Tapetenrolle, das wir einem Hersteller für Wandverkleidung liefern sollten - einem Neukunden, was in unserer Firma eine Seltenheit war.

Papierrollen hatten mich eigentlich nie interessiert. Direkt nach der Universität hatte ich bei der Zeitarbeitsfirma angefangen, bei der ich Yukino und Momoi kennengelernt hatte. Zwischen Menschen, die Jobs suchten oder kündigen wollten, und Firmen, die Arbeitskräfte brauchten, aber keine festen Gehälter zu zahlen bereit waren, befand ich mich. Ich war dagewesen. Was ich sonst geleistet hatte, wusste ich selbst nicht genau. Man hatte mir eine Visitenkarte mit dem Titel »Mitarbeiterin im Vertrieb« ausgehändigt. Ich hatte Anrufe getätigt, Jobsuchende zu mir bestellt, Unterlagen über Unterlagen über Unterlagen angefertigt, gefragt, warum die Arbeitskraft nicht gepasst oder der Arbeitgeber nicht gefallen habe, und noch mehr Dokumente verfasst, die sich nur im Namen der Firmen und der Beschäftigten unterschieden.

Kurz vor unserem dritten Jahr hatte Yukino gekündigt und wenig später hatte mir Momoi anvertraut, sie überlege ebenfalls, die Arbeit zu wechseln. »Mach das auf jeden Fall«, riet ich ihr damals. »Es gibt so viele bessere Firmen.« Obwohl ich es ehrlich gemeint hatte, konnte ich mich selbst lange nicht aufraffen, nach etwas Neuem zu suchen.

Mit Mitte zwanzig nannte man mich »Chefin«. Von den Kollegen, die zusammen mit mir angefangen hatten, war nur noch die Hälfte übriggeblieben, und auch sonst hatten uns viele verlassen. Mir waren nun einige Mitarbeiterinnen unterstellt, deren Alter sich kaum von meinem unterschied. Sie mochten mich und es machte Spaß, sich mit ihnen zu unterhalten, doch in der Managerinnenposition bekam ich meine Überstunden nicht mehr bezahlt. Ohne dass sich die Anzahl der Firmen, die ich betreute, merklich verringerte, nahmen die Besprechungen und Berichte zu. Ich wurde bis spät in die Nacht von Vorgesetzten und Kunden auf meinem privaten Handy angerufen. Wochenenden verschwanden. Zeit zu essen verschwand. Meine Menstruation verschwand.

Eines Tages beschwerte man sich bei mir, ein von uns entsandter Mitarbeiter würde stinken. Ich solle doch bitte einmal mit ihm sprechen. Der Mann war Ende vierzig, hager und roch bei unserem Treffen tatsächlich streng. Nicht nach Schweiß, sondern so, als dusche er nicht. Ich bat ihn, sich regelmäßig zu waschen.

Kurze Zeit später meldete sich sein Chef erneut: »Er stinkt immer noch, tun Sie bitte schnell etwas dagegen.« Also traf ich mich noch einmal mit dem Mann und wiederholte meine Bitte, woraufhin er mich unvermittelt am Arm packte. »Dann geh doch mit mir ins Hotel und wasch mich! Spiel dich mal nicht so auf, Tussi.« Es war nur ein kurzer Augenblick, aber das Bild seiner runden, dunkel verfärbten Nägel, die sich in meinen Arm bohrten, fraß sich in meine Seele. Keine Stunde später bekam ich von seinem Vorgesetzten die Nachricht: »Baden sie doch mit ihm zusammen, Frau Shibata. Ich würde dann auch mit in die Wanne springen.« Der Chef des stinkenden Mitarbeiters war ein Mann in den Fünfzigern, der schon zuvor häufig spät abends oder nachts unter fadenscheinigen Vorwänden Besprechungen mit mir hatte abhalten wollen. Statt zu antworten, meldete ich mich direkt online bei einer Jobvermittlung an.

Dem mir zugewiesenen Betreuer erzählte ich, ich wolle nicht mehr im Vertrieb arbeiten und suche nach einem ruhigen Arbeitsplatz. Er schlug mir meine jetzige Firma vor. Anfangs wusste ich nicht einmal, dass es Firmen gab, die sich auf die Herstellung von Papierrollen spezialisiert hatten. Unter der Arbeit in der Produktionskontrolle konnte ich mir nichts vorstellen, also ging ich vor meinem Interview die Homepage des Unternehmens durch, die offensichtlich veraltet war. Hier und da war der Text falsch kodiert, sodass ich nur einen langen Buchstabensalat vor mir sah. Auf einer Seite mit dem Titel »Die Nummer eins der Branche! Herstellungsprozess einer nahtlosen Papierrolle« wurde dargestellt, wie unheimlich kompliziert es war, Papierrollen ohne jegliche störende Übergänge zu produzieren. Ich verstand nur Bahnhof.

Nach kurzem Überlegen kam ich aber zu dem Schluss, dass eine Papierrolle ohne Naht bestimmt besser wäre als eine mit und dass ich lieber darüber nachdachte als über stinkende Zeitarbeiter. Am Tag meines Interviews lernte ich den Abteilungsleiter und den Sektionschef kennen. »Es ist uns eine Ehre, eine Dame mit Universitätsabschluss in unserem Team begrüßen zu dürfen«, hatte einer der beiden gesagt. »Bis vor Kurzem hatten wir zwei weibliche Kolleginnen in der Abteilung, allerdings nur in Teilzeit. Leider haben beide aufgehört.« Mit diesen Worten wurde ich direkt eingestellt.

An meinem ersten Arbeitstag wurden mir meine Aufgaben im Detail erklärt. Ich sollte die Aufträge, die der Vertrieb uns schickte, überprüfen, für die Herstellung ein Dokument mit den Spezifikationen des jeweiligen Produktes erstellen und einen Fertigungsplan entwerfen. In meinem ersten Monat kam es mir noch so vor, als wäre ich im Himmel. Mir wurden weder unerreichbare Vertriebsquoten aufgedrückt, noch bekam ich mitten in der Nacht Anrufe. An Tagen im Büro durfte ich in Sneakers und mit Rucksack kommen. Die Blutblasen an meinen Füßen, die durch das ständige Tragen von Pumps entstanden waren, bildeten sich zurück. Ich konnte sogar an Arbeitstagen abends noch zu den Konzerten meiner Lieblingsbands gehen.

Wie mir die Jobvermittlung mitgeteilt hatte, waren die meisten Kollegen schon lange in dieser Firma. Im Durchschnitt waren sie sehr viel älter als ich. Kaum einer wurde je laut. Das Büro erinnerte mich an ein Moor, zu dem ich als Kind mit meiner Familie einen Ausflug gemacht hatte. Es war friedlich, ruhig und die Zeit dort verging langsam.

Doch als ich nach anderthalb Monaten wie gewohnt in den Fahrstuhl mit der flackernden Glühbirne stieg, fiel mir wieder auf, was ich schon bei meiner allerersten Vormittagsversammlung bemerkt hatte. Alle Gesichter in diesem Büro waren fahl und glanzlos. Es ging nicht um fehlende Bräune, der schlechte Teint schien von innen heraus zu kommen, auf ungesunde Organe hinzudeuten. Vielleicht wirkte es auf mich nur so, weil die Büroräume älter und dunkler waren als die meiner vorherigen Firma im zweiundzwanzigsten Stock. Das versuchte ich mir einzureden, doch hatte man einen Gedanken erst einmal gefasst, war es schwer, ihn wieder loszuwerden.

Nach einer Weile verstand ich endlich, woran die schlechten Gesichtsfarben lagen. Meine Kollegen verbrachten unheimlich viel Zeit in der Firma. Mehrmals täglich wurde ein Pulk Mitarbeiter in einem Raum versammelt, um sich einen Monolog, einen spontanen Einfall oder das Gejammer eines Managers anzuhören, was als »Besprechung« betitelt wurde. Um einen einzigen Budgetposten bewilligt zu bekommen, mussten Unterlagen für den Abteilungsleiter erstellt, nach dessen Stempel für den Sektionschef umgeschrieben und am Ende in einem dicken Stapel Papiere dem Firmenchef ausgehändigt werden. Dann wurde alles, weiß Gott warum, noch in Farbe kopiert und an alle in der Abteilung verteilt. Dieser langwierige Prozess raubte einem jegliche Zeit und Muße, über den Sinn der einzelnen Handlungen nachzudenken, geschweige denn Zweifel daran zu äußern. Man hielt den Mund und machte es einfach. Wenn man erschöpft war, konnte man sich wie alle anderen eine Schachtel Zigaretten in die Hemdtasche stecken und im Besprechungsraum oder unten vor dem Gebäude rauchen.

Zusätzlich zu alldem hatte ich noch andere namenlose Tätigkeiten, die mir nie direkt übertragen wurden, für die ich aber automatisch zuständig zu sein schien.

Am Anfang dachte ich, es wäre nur vorübergehend, bis ich eigene Projekte bekäme oder ein neuer Kollege zu uns stieße, an den ich die Aufgaben abgeben könnte. Konkret ging es um: Telefonate annehmen, kopieren, Besorgungen machen, die Briefe an die Abteilung sortieren und verteilen, Kopierpapier nachlegen, Patronen wechseln, täglich das Datum aufs Whiteboard schreiben, Müll einsammeln, den verstopften Shredder reparieren, verfaultes Essen aus dem Kühlschrank entsorgen, die Mikrowelle mit Alkoholreiniger von den Überresten eines explodierten Fertiggerichtes befreien. Mir wurde nie explizit gesagt, all das sei Teil meiner Arbeit, aber wenn ich es nicht tat, wurde ich mit einem »Mikrowelle!« darauf hingewiesen. »Frau Shibata, Mikrowelle!« Ich hieß nicht Mikrowelle.

Kaffee zu servieren gehörte auch zu meinem Bereich. Immer wenn Gäste kamen, war ich gefragt. Da wir nur Instantkaffee hatten, hätte es jeder...
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