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Vor der Zeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
189 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am01.04.20131. Auflage
Der Romancier Christoph Hein, der unbestechliche Chronist der Gegenwart, wendet sich in diesem Erzählungswerk den Mythen, den Göttern, den Erzählungen von den Taten und Untaten der Alten Welt zu. Dabei entdeckt er Hochspannendes: Kleine Korrekturen an den für unveränderlich geltenden Berichten über die Taten und Niederlagen der Götter und Titanen können deren Leistungen in ihr Gegenteil verkehren. Alles hätte auch ganz anders vonstattengehen können: Sieger würden zu Verlierern werden, gute Absichten sich in ihr Gegenteil verkehren, völlig neue Bedeutungen sich herauskristallisieren. Die neuen Erzählungen von Christoph Hein zielen also auch ins Herz der Gegenwart: Der Gang der Ereignisse lässt sich durch kleine Modifikationen in völlig andere Richtungen lenken. Und auch die Vergangenheit, als Fixpunkt der Gegenwart, verändert durch diese Neuerzählungen ihr Gesicht.


Christoph Hein wurde am 8. April 1944 in Heinzendorf/Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. Ab 1967 studierte er an der Universität Leipzig Philosophie und Logik und schloss sein Studium 1971 an der Humboldt Universität Berlin ab. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Hausautor an der Volksbühne Berlin. Der Durchbruch gelang ihm 1982/83 mit seiner Novelle Der fremde Freund / Drachenblut.
Hein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Uwe-Johnson-Preis und Stefan-Heym-Preis. Seine Romane sind Spiegel-Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR8,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextDer Romancier Christoph Hein, der unbestechliche Chronist der Gegenwart, wendet sich in diesem Erzählungswerk den Mythen, den Göttern, den Erzählungen von den Taten und Untaten der Alten Welt zu. Dabei entdeckt er Hochspannendes: Kleine Korrekturen an den für unveränderlich geltenden Berichten über die Taten und Niederlagen der Götter und Titanen können deren Leistungen in ihr Gegenteil verkehren. Alles hätte auch ganz anders vonstattengehen können: Sieger würden zu Verlierern werden, gute Absichten sich in ihr Gegenteil verkehren, völlig neue Bedeutungen sich herauskristallisieren. Die neuen Erzählungen von Christoph Hein zielen also auch ins Herz der Gegenwart: Der Gang der Ereignisse lässt sich durch kleine Modifikationen in völlig andere Richtungen lenken. Und auch die Vergangenheit, als Fixpunkt der Gegenwart, verändert durch diese Neuerzählungen ihr Gesicht.


Christoph Hein wurde am 8. April 1944 in Heinzendorf/Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. Ab 1967 studierte er an der Universität Leipzig Philosophie und Logik und schloss sein Studium 1971 an der Humboldt Universität Berlin ab. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Hausautor an der Volksbühne Berlin. Der Durchbruch gelang ihm 1982/83 mit seiner Novelle Der fremde Freund / Drachenblut.
Hein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Uwe-Johnson-Preis und Stefan-Heym-Preis. Seine Romane sind Spiegel-Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458730491
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum01.04.2013
Auflage1. Auflage
Seiten189 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1258439
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Das Paradies der Paradiese

Am 20. Dezember 1894 gegen neun Uhr morgens stand Frank Calvert auf dem Waffendeck einer kleinen rumänischen Militärfregatte und erblickte die ersehnte Insel. Als vor ihm der weiße Felsen von Leuke aus dem Meer stieg, er die überhängenden Klippen und die aufsteigenden Schwärme weißer Vögel sah, glaubte er den Gipfel seines Lebens und seiner Forschungen erreicht zu haben. In wenigen Minuten würde er Leuke betreten und bald darauf einer erstaunenden Welt mitteilen können, er habe jenen Ort gefunden, der schöner und glücklicher sei als das gepriesene Elysium.

Er wandte sich an die zwei Offiziere, die neben ihm standen. Er fragte sie, ob dies Serpilor sei, Insula Serpilor, die Schlangeninsel. Die beiden, die bislang kein Wort mit ihm gewechselt hatten, bestätigten es mit einem knappen Nicken des Kopfes.

Frank Calvert hatte wenige Monate zuvor seinen sechsundsechzigsten Geburtstag in Washington gefeiert, wo er als britischer Konsul residierte. Sein Leben lang waren er und seine Brüder Frederick und James neben ihren geschäftlichen Tätigkeiten im diplomatischen Dienst, doch ebenso lange hatte Frank Calvert als Archäologe gearbeitet, als Amateurarchäologe, wie seine Brüder anzumerken beliebten. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr war er davon überzeugt, dass die Bücher des Homer keine Dichtungen seien, sondern zwar ausgeschmückte, doch wahrheitsgemäße Berichte über die hellenische Frühzeit. Troja, so seine unumstößliche Ansicht, hat existiert und folglich müssen Reste der umkämpften, sagenhaften Stadt und ihrer Mauer aufzufinden sein.

Er war neunzehn Jahre alt, als er seinen Bruder Frederick überreden konnte, ein Gut bei Akca Köy zu erwerben, das Teile des Hügels Hisarlik einschloss, unter dem er die sagenhafte Stadt Troja vermutete. Aufmerksam verfolgte er die Bemühungen der anderen Amateurarchäologen bei ihrer Suche nach Troja und korrespondierte mit ihnen, mit Robert Wood und Jean Baptiste LeChevalier, mit Graf Choiseul-Gouffier und Charles Maclaren. Er bemühte sich vergeblich, den gesamten Hügel von der türkischen Regierung zu erwerben, und machte auf dem Besitz der Familie erste Probegrabungen. Das British Museum bat er, ihn dabei finanziell zu unterstützen, was man ihm, dem Dilettanten, jedoch abschlug.

Er war vierzig Jahre alt, als er in der Troas einen Deutschen namens Schliemann traf. Heinrich Schliemann war ein Kaufmann, der in St. Petersburg und in Sacramento im Goldhandel tätig war, mit Kolonialwaren und Munitionsrohstoffen sein Geld verdient hatte und zum vielfachen Millionär geworden war. Er interessierte sich ebenfalls für das antike Troja, war nach Ithaka und Korfu gereist und hatte auch in der Troas graben lassen. Da seine fünf Arbeiter nach einer Woche keinerlei Funde vorweisen konnten, brach er die Grabungen ab und wollte nach Europa zurückkehren. Seinem Bericht zufolge hatte er das Schiff verpasst und zufällig Frank Calvert getroffen, mit dem ihn eine gemeinsame Leidenschaft verband. Die Gespräche mit dem vom antiken Troja begeisterten Calvert erregten die Fantasie des Deutschen. Er entschloss sich, nicht abzureisen, sondern von der türkischen Regierung die Lizenz für Grabungen in jenem Teil des Hisarlikhügels zu erwerben, der nicht Calvert gehörte.

Schliemann begann umgehend mit der Arbeit. Er forderte weitere Hilfskräfte an, und das Glück begünstigte ihn. Er konnte das Skäische Stadttor von Troja ausheben lassen, den Triglyphenfries des Athenatempels und die breite Straße zum Königspalast. Er grub eine umfangreiche Sammlung von Artefakten aus und schließlich auch den Schatz des Priamos.

Schliemann galt seitdem als Wiederentdecker Trojas und wurde weltweit hoch geehrt. An Calverts Verdienste und Forschungen, ohne die seine Ausgrabungen undenkbar waren, erinnerte der Deutsche nur mit zwei schmallippigen Fußnoten.

Calvert verweifelte. Er gab seine Forschungen vorübergehend auf und wurde britischer Konsul und Botschafter in Nordamerika. Er fühlte sich von dem Deutschen um sein Lebenswerk betrogen.

Die alte Leidenschaft für die Archäologie war jedoch nicht für immer erloschen. Vier Jahre nach dem Tod von Schliemann machte sich Calvert daran, die mythische Insel Leuke zu entdecken, von der die Autoren der Antike berichten, sie sei noch schöner als die Elysischen Gefilde und die Glücklichen Inseln, sie sei voll wilder und zahmer Tiere und die Götter selbst und die Heroen wandeln des Nachts durch Leukes Wälder und erinnern sich der ruhmreichen Kämpfe, wobei sie die Gesänge des Homer zitieren.

Calvert war überzeugt, dass Leuke eine irdische Insel ist, zu genau waren die Beschreibungen der Landschaft, die Angaben zur Größe und zum Klima. Er studierte die alten Texte, entzifferte Pergamente und Buchrollen und schließlich glaubte er, die Insel entdeckt zu haben. Das kleine Eiland, 600 Meter im Durchmesser, gehörte mittlerweile zu Rumänien, lag zwölf Meilen vor der Küste und bestand nur aus einem weißen Felsen.

Er brach nach Rumänien auf, um Leuke zu sehen, die die Rumänen Insula Serpilor nennen, die Schlangeninsel. In Bukarest erfuhr er, dass kein Mensch die Insel betreten dürfe, da sie militärischer Sperrbezirk sei, und aus diesem Grund gab es auch keine Bilder und Karten von ihr. Ein ganzes Jahr hindurch bemühte er sich, eine Erlaubnis zu bekommen, die Insel zu betreten. Er reiste wiederholt nach Bukarest, nutzte die Sonderrechte, die ihm sein diplomatischer Status einräumte, um mit dem Großsekretär des rumänischen Königs zu sprechen, verhandelte mit vier Ministern und zahlte mehr als fünftausend Dollar an Bestechungsgeldern, damit man ihm Zutritt zur Schlangeninsel gewährt.

Belehrt von den bitteren Erfahrungen mit dem Deutschen Schliemann sprach er nicht über die von ihm vermutete Entdeckung und erwähnte niemals den Namen Leuke, vielmehr schützte er ein historisches Interesse vor, da diese Insel einst zur Walachei gehörte und in einer späteren Zeit zur Hohen Pforte in Istanbul.

In Bukarest lernte er einen Professor kennen, Vladimir Carol Karpati, der als Einziger in Bukarest den alten Namen Leuke in den Mund nahm, als er ihm von seinem geplanten Besuch der Schlangeninsel erzählte. Dieser alte Mann wusste, dass es das alte Paradies sein soll, dass nächtens die Götter auf Leuke weilen und Achill dort begraben liege.

Die Verständigung mit Professor Karpati, einem etwas skurrilen älteren Herrn, der in einem einzigen mit Büchern vollgestopften Zimmer hauste, war schwierig, da er zwar elf Sprachen perfekt beherrschte, von Aramäisch bis Kuschitisch, aber die geläufigen Verkehrssprachen verachtete, so dass sich die beiden in Latein oder Altgriechisch verständigen mussten.

Karpati war nie auf Leuke. Scheu habe ihn davor zurückgehalten, sagte er.

»Heilige Scheu?«, fragte Calvert. Er glaubte ihn zu verstehen und nickte. Er wusste aus den alten Manuskripten, dass die Sterblichen die Insel nicht betreten sollten und keinesfalls über Nacht auf ihr bleiben dürfen, da sie den Göttern gehört.

Der Professor verneinte heftig: »Nein, ängstliche Scheu. Wer auf Leuke lebt, wird seines Lebens nicht mehr froh, sagt man bei uns.«

»Die Sterblichen, ja«, stimmte Calvert ihm zu, »doch nicht die Götter.«

Der Professor lachte heftig, als Calvert das sagte, und nickte zustimmend. Über das moderne Leuke, die Schlangeninsel, konnte oder wollte er nichts erzählen, er sprach mit Calvert nur über das antike Leuke, das mythische Paradies.

Nach sechzehn Monaten erhielt Calvert die Genehmigung, die Schlangeninsel für acht Stunden zu betreten. Es gab Auflagen für die Reise. Er sollte mit einem Boot der Armee zur Insel gebracht werden und hatte eine ständige Begleitung zu akzeptieren. Er hatte sich an vorgegebene Routen bei dem Spaziergang über die Insel zu halten und durfte keinen der neuerdings beliebten Apparate mit sich führen, um Daguerreotypien oder Fotografien herzustellen. Die gesamten Kosten der Expedition hatte er aufzubringen. Calvert erklärte sich mit allen Bedingungen einverstanden.

Am Morgen des 20. Dezembers 1894 fand er sich an dem ihm genannten Metalltor des Marinestützpunkts ein. Zwei Offiziere begrüßten ihn schweigend und führten ihn zu der Fregatte, die ihn zur Schlangeninsel bringen sollte. Auf der ganzen Fahrt wechselten sie kein Wort mit ihm, ließen ihn nicht für einen Moment aus den Augen, und Calvert hatte den Eindruck, dass sie auch einander misstrauisch beobachteten.

Da die Schlangeninsel keine Hafenanlage besaß, musste er mit den beiden Offizieren in ein mitgeführtes kleines Boot umsteigen, das die drei Männer an Land brachte. An einem behelfsmäßigen Landeplatz wurden sie von einem weiteren Offizier erwartet, der sie in Begleitung zweier bewaffneter Soldaten mit militärischen Ehren empfing. Calvert reichte ihm die Hand, doch der Offizier übersah sie, trat mit den begleitenden Offizieren beiseite und sprach mit ihnen. Offenbar unterhielten sie sich über den Engländer, sie lachten viel und sahen sich gelegentlich höhnisch nach ihm um.

Mit den drei Offizieren und den beiden Bewaffneten umrundete Calvert zu Fuß die gesamte Insel, was weniger als eine Stunde beanspruchte, und querte sie dann auf den zwei ihm vorgegebenen Wegen.

Die Insel war ein einziger Felsen, so wie es die alten Textrollen berichteten. Auch entsprachen die Lage der Insel und ihre Ausmaße den antiken Angaben. Calvert konnte selbst die erwähnten bizarren Höhlungen über dem südlichen Strand entdecken, jedoch sah er auf der gesamten Insel keinen Baum und keinen Strauch. Die Vegetation war spärlich, der Boden hart, und nichts deutete auf...
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Kritik
»Dieses Buch verweist ein weiteres Mal auf die ungeheure Kraft der uralten Erzählungen. Dass sie uns mehr als zweieinhalb Jahrtausende nach ihrem Entstehen immer noch Stoff zum Nachdenken liefern, macht sie zu Urstoffen der Welterkenntnis. Schriftsteller wie Christoph Hein können das Versunkene an ihnen immer wieder heben und zum aktuellen Schillern bringen.«mehr

Autor

Christoph Hein wurde am 8. April 1944 in Heinzendorf/Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. Ab 1967 studierte er an der Universität Leipzig Philosophie und Logik und schloss sein Studium 1971 an der Humboldt Universität Berlin ab. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Hausautor an der Volksbühne Berlin. Der Durchbruch gelang ihm 1982/83 mit seiner Novelle Der fremde Freund / Drachenblut.Hein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Uwe-Johnson-Preis und Stefan-Heym-Preis. Seine Romane sind Spiegel-Bestseller.