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Liebe ist die beste Köchin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am02.09.20191. Auflage
Die wilden Weiber vom Gasthaus »Lamm« - so nennen die schrulligen Dorfbewohner die Frauen der Familie Lehner. Johanna, die achtunddreißigjährige Köchin, hat es nicht leicht mit ihren vier durchgeknallten Tanten und ihrer Mutter, die an Demenz leidet, aber trotzdem in der Küche mithelfen will. Und als dann auch noch der Buchhändler Jerome auftaucht und Johanna den Kopf verdreht, ist das Chaos komplett. Johanna flüchtet sich in die Welt der Bücher und schreibt heimlich an ihrem Manuskript. Ohne zu ahnen, dass dieser Roman ihr Leben radikal verändern wird ...

Irmgard Kramer, geboren 1969 in Vorarlberg und aufgewachsen, lebt als freie Autorin im Bregenzerwald in Österreich. 2011 hängte sie ihre Arbeit als Volksschullehrerin an den Beamtennagel und schreibt seither Kinder- und Jugendbücher, sowie Artikel und Porträts für Magazine. 2014 erschien mit »Sunny Valentine« ihr vielbeachteter erster Kinderroman, der schnell ein größeres Publikum erreichte. Viele weitere Bücher folgten. Im Jahr 2016 wurde sie mit ihrem Jugendroman »Am Ende der Welt traf ich Noah« für den DeLiA nominiert. Kramer schreibt sowohl für Kinder, Jugendliche als auch für Erwachsene.
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Produkt

KlappentextDie wilden Weiber vom Gasthaus »Lamm« - so nennen die schrulligen Dorfbewohner die Frauen der Familie Lehner. Johanna, die achtunddreißigjährige Köchin, hat es nicht leicht mit ihren vier durchgeknallten Tanten und ihrer Mutter, die an Demenz leidet, aber trotzdem in der Küche mithelfen will. Und als dann auch noch der Buchhändler Jerome auftaucht und Johanna den Kopf verdreht, ist das Chaos komplett. Johanna flüchtet sich in die Welt der Bücher und schreibt heimlich an ihrem Manuskript. Ohne zu ahnen, dass dieser Roman ihr Leben radikal verändern wird ...

Irmgard Kramer, geboren 1969 in Vorarlberg und aufgewachsen, lebt als freie Autorin im Bregenzerwald in Österreich. 2011 hängte sie ihre Arbeit als Volksschullehrerin an den Beamtennagel und schreibt seither Kinder- und Jugendbücher, sowie Artikel und Porträts für Magazine. 2014 erschien mit »Sunny Valentine« ihr vielbeachteter erster Kinderroman, der schnell ein größeres Publikum erreichte. Viele weitere Bücher folgten. Im Jahr 2016 wurde sie mit ihrem Jugendroman »Am Ende der Welt traf ich Noah« für den DeLiA nominiert. Kramer schreibt sowohl für Kinder, Jugendliche als auch für Erwachsene.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492992893
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum02.09.2019
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse6876 Kbytes
Artikel-Nr.4213115
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
EINS

 

Die Sonne ging gerade auf, als ich sechs Kilo Rinderknochen vom Keller in die Küche schleppte, um sie in der Spüle zu waschen. Die alten Elektroplatten auf der Kochinsel glühten bereits, und Zwiebelhälften schmurgelten im Suppentopf. Auf nüchternen Magen fand ich den Geruch unangenehm - vielleicht sollte ich doch frühstücken. Ich schaltete den Dunstabzug auf die höchste Stufe. Das alte Ding machte einen Höllenlärm. Im Vorbeigehen schnappte ich mir eine Scheibe Brot vom Vortag aus einem Korb, kaute daran herum, gab die Knochen zu den Zwiebeln und goss vierzig Liter kaltes Wasser darüber. Aus der Kühlkammer holte ich Sellerie, Liebstöckel, Petersilienwurzeln und zwei Kilo Karotten für die Rindssuppe, die ich dann mit Backerbsen und anderen Einlagen anbieten konnte. Wo waren die Lauchstangen? Ich zog jede Kiste aus dem untersten Regal: Äpfel, Rote Beete, Kürbis. Geschälte Kartoffeln schwammen im Wassereimer. Auf dem Weg in den Keller überholte ich Tante Elisabeth, die einen Korb Tischwäsche zu den Waschmaschinen schleppte.

»Du meiner Seel , kann ich dir helfen?«

»Haben wir noch Lauch?«, fragte ich und eilte an ihr vorbei, ohne eine Antwort abzuwarten.

Im Trockenraum fand ich Schalotten, Mehl und Kürbiskernöl, aber keinen Lauch. Ich öffnete die Tür zur Schleuse, in die unsere Lieferanten, die alle einen Schlüssel besaßen, frühmorgens ihre Waren stellten. Dort standen zwar vierhundert Eier, mehrere Kisten Lollo Rosso, Feldsalat und Gurken, aber den Lauch hatte Toni vom Foodexpress schon wieder vergessen. Langsam hatte ich den Verdacht, dass er sich für Tante Germanas grausame Verhandlungstaktik rächte, indem er immer wieder Teile unserer Bestellung »vergaß«. Tante Germana war unnachgiebig, wenn es darum ging, die Preise zu drücken.

Ich nahm einen Stapel Eier mit hinauf in die Küche - kein Weg umsonst, das hatte ich mir längst zum Grundsatz gemacht. Tante Elisabeth folgte mir, band sich eine Schürze um und fing mit den Vorbereitungen für das Mittagessen an: Salat in Eiswasser waschen, Kräuter hacken, Karotten schälen und hobeln, Salatdressing anmachen. Dabei sang sie mit hoher Stimme und ihrem Altfrauenvibrato Du bist das Licht der Welt. Man musste dankbar sein, dass es zu so früher Stunde nicht das Ave Maria war.

Während ich Schaum von der inzwischen köchelnden Suppe schöpfte, rief ich Germana an, die in aller Herrgottsfrüh mit meiner Mutter in die Stadt zum Friseur gefahren war, der extra für sie zeitig öffnete.

»Kannst du Lauch mitbringen?«, brüllte ich gegen den Lärm des Dunstabzuges an und riss eine Kühlschublade nach der anderen auf, um zu kontrollieren, ob sonst alles da war, was ich brauchte.

»Sag bloß, der Trottel hat schon wieder falsch geliefert!«, keifte Tante Germana. »Es muss doch möglich sein, einen Lieferanten zu kriegen, der einen höheren IQ hat als sein Gemüse?«

»Bring einfach den Lauch mit, ja? Bitte.« Ich würgte das Gespräch ab und warf das Telefon neben die Fritteuse.

Bis Germana mit meiner Mutter vom Friseur zurückkam, musste ich möglichst viel geschafft haben. Ich erhitzte Rapsöl, verquirlte Wasser, Salz, Mehl und Eier zu einem Teig und ließ ihn durch ein grobes Sieb in das heiße Öl tropfen. Die goldgelben Backerbsen verteilte ich auf Küchenkrepp. Kühl gelagert in einer Plastikschüssel, müssten sie für wenigstens vier Tage reichen.

Schon zehn. Die Zeit rann mir davon. Ich verarbeitete eine große Masse Hackfleisch zu einem Falschen Hasen - sobald er fertig war, würde ich ihn kalt stellen, dann brauchte man ihn nur noch scheibenweise in einer Soße aufzuwärmen. In Gedanken hakte ich die Speisekarte ab: Kürbiscremesuppe fertig. Backerbsensuppe so gut wie. Das Kalbsragout hatte gestern sieben Stunden geköchelt und würde bis Mitte nächster Woche reichen. Vom Schweinebraten waren noch fünf Portionen übrig - ich musste mich morgen um Nachschub kümmern. Spätzle, Kartoffelstampf, Knödel und Sauerkraut waren fertig in der Kühlkammer. Für die Birne Helene war auch alles vorbereitet. Und gestern hatte meine Mutter vier Apfelstrudel gebacken, die würden für heute genügen. Blieb der Linseneintopf. Ich seufzte. Das einzige vegetarische Gericht auf der Karte durfte nicht fehlen, und ich hatte es gestern nicht mehr geschafft, es anzusetzen.

Elisabeth verschwand wieder in die Waschküche. Ich holte Zwiebeln und Knoblauch aus der Kühlkammer und rutschte beinah auf dem glitschigen Boden aus, als das Wirtshaustelefon klingelte. Germana war es zuzutrauen, dass sie mich erbost zurechtweisen wollte, weil ich zu schnell aufgelegt hatte. Aber es war nicht die Nummer meiner Tante, die auf dem Display blinkte, sondern eine Festnetznummer mit unbekannter Vorwahl. Das konnte nur eines bedeuten.

»Nicht schon wieder ein Verbandswechsel!«, stöhnte ich und nahm den Anruf entgegen. Unsere Telefonnummer entsprach fast der einer sechshundert Kilometer entfernten karitativen Einrichtung, nur die beiden letzten Ziffern waren vertauscht. Dauernd riefen verzweifelte Kranke an, die mit offenen Beinen in einer Hauseinfahrt saßen und auf einen Transport oder eine Krankenschwester warteten.

»Ich habe eine sehr erfreuliche Nachricht â¦ « Eine Männerstimme drang aus dem Hörer.

»Wie bitte?« Ich klemmte mir das Telefon zwischen Schulter und Ohr, griff nach meinem Messer und wetzte es am Rubin-Schleifer.

»Es geht um die Haube«, sagte der Mann.

Ich spielte mit dem Gedanken, das Telefon in der brodelnden Rindersuppe zu versenken. »Verzweifeln Sie mir jetzt nicht«, sagte ich und versuchte, beruhigend auf den Anrufer einzuwirken, »alles wird gut. Wenn Sie eine Haube oder einen Verbandswechsel brauchen, müssen Sie noch einmal wählen und die letzten beiden Ziffern vertauschen. Wir können Ihnen beim besten Willen keine Krankenschwester schicken. Höchstens einen Falschen Hasen mit Knödel. Hier ist das Wirtshaus Lamm in Moos am Buckel.«

»Genau dort wollte ich auch anrufen. Sind Sie Frau Lehner?«

»Welche Frau Lehner wollen Sie denn sprechen? Ich bin Johanna Lehner. Hier gibt es außerdem eine Germana, eine Antonia, eine Elisabeth und eine Francis - also Franziska - Lehner. Und die Töchter von Francis: Annabell, Fabienne, Pamela und Jessica.« Ich ersparte ihm, auch noch meine beiden Tanten Theresia und Hildegund zu erwähnen, die nicht mehr bei uns wohnten.

Erfahrungsgemäß waren die Leute schnell überfordert mit all den Namen. Dabei war es ganz einfach: Meine Großeltern Franz Xaver und Josefine hatten sechs Töchter und einen Sohn. Der Sohn, Gerhard, verunglückte mit einundzwanzig Jahren tödlich im Mooser Tobel. Ein Schicksal, das er mit vielen anderen jungen Männern aus Moos teilte.

Der Mann am anderen Ende sagte etwas, doch ich verstand kein Wort.

»Einen Moment bitte, hier ist es sehr laut«, sagte ich und versuchte den Dunstabzug zurückzuschalten, aber das Monster war kaum noch zu regulieren.

Der Mann überschüttete mich mit einem Wortschwall. Ich spitzte die Ohren, wetzte das Messer und verstand immer nur »Haube« und »Gault & Millau«.

»Sie haben dreizehn Punkte von uns bekommen. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich.«

Hatte Tante Germana etwa einen Antrag auf eine Haube, den renommierten Gastronomiepreis, gestellt? Niemals.

»Eine Haube, sagten Sie?« War jemals ein Gastronomietester hier gewesen? Wann und warum? Ich war so gut wie Tag und Nacht im Lamm. Ich kannte meine Gäste. Zumindest wusste ich, in welche Schublade ich sie stecken musste - einen Gastronomietester hätte ich sofort entlarvt. Oder? Vielleicht gingen diese Leute raffinierter vor, als ich dachte.

Das Lamm war ein dreihundert Jahre altes Wirtshaus mit zwei kleinen Wirtsstuben, einer niedrigen Holzdecke, einem ehemaligen Tanzsaal im ersten Stock, dem Agatha-Saal, einem Pub im Keller und sieben Gästebetten in drei Zimmern, die wir Morgentau, Bergblick und Sonnenaufgang nannten. Es gab außerdem einen kleinen Garten mit einem Kastanienbaum, drei grünen Blechtischen, die immer wackelten, und einem verblichenen Sonnenschirm, auf dem »Sinalco« stand.

Bis Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hatte ein Saumweg am Lamm vorbeigeführt. Später war der Pfad ausgebaut worden, sodass Käseleiber von hier bis in die entferntesten Teile der Monarchie transportiert werden konnten. Auf dem Rückweg brachten die Fuhrwerke dann Fässer und Kisten voller Oliven, Trauben, südländischer Gewürze, Liebesäpfel und Kastanien aus Venetien mit. Außerdem war das Lamm eine Poststation gewesen. Hier wurden Pferde umgespannt und gewechselt, hier wurde getrunken und Karten gespielt, und wenn die Wirtin gut aufgelegt war, bekam man etwas zu essen. Das hatte sich bis heute kaum geändert.

Meine Urgroßeltern hatten den Stall neben dem Wirtshaus zu Wohnungen umgebaut. Dort lebten Tante Francis mit ihren vier fast erwachsenen Kindern Annabell, Fabienne, Pamela und Jessica, und Tante Elisabeth mit Jesus, ihren Altären und Herrgottswinkeln. Das Wirtshaus und der ehemalige Stall waren auf Höhe des ersten Stocks durch einen hölzernen Trakt, eine Art Brücke mit Dach, verbunden. Dort residierte Tante Germana.

Die letzte Renovierung des Lamms war genauso lange her wie meine Geburt, nämlich achtunddreißig Jahre. Das Datum merkten sich deswegen alle, weil meine Mutter bei jeder Gelegenheit erzählte, dass ihr bei dem Versuch, einen Bauernschrank voller Tischwäsche in ein anderes Zimmer zu schieben, die Fruchtblase geplatzt sei. Seither konnte ich keine Servietten mehr aus dem Bauernschrank holen, ohne daran zu denken.

Das Lamm war schon so in die Jahre gekommen, dass mancher Gast...
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Autor

Irmgard Kramer, geboren 1969 in Vorarlberg und aufgewachsen, lebt als freie Autorin im Bregenzerwald in Österreich. 2011 hängte sie ihre Arbeit als Volksschullehrerin an den Beamtennagel und schreibt seither Kinder- und Jugendbücher, sowie Artikel und Porträts für Magazine. 2014 erschien mit "Sunny Valentine" ihr vielbeachteter erster Kinderroman, der schnell ein größeres Publikum erreichte. Viele weitere Bücher folgten. Im Jahr 2016 wurde sie mit ihrem Jugendroman "Am Ende der Welt traf ich Noah" für den DeLiA nominiert. Kramer schreibt sowohl für Kinder, Jugendliche als auch für Erwachsene.