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Drei starke Frauen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
342 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am16.11.20101. Auflage
Den neuen Roman der »ungewöhnlichsten Schriftstellerin Frankreichs« beschrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in den knappen und präzisen Worten: Er handle »von drei vollkommen unterschiedlichen Frauen, die sich von den Schwierigkeiten des Lebens nicht unterkriegen und von ihren Mitmenschen nicht demütigen lassen«. Die vierzigjährige Norah gibt dem Drängen ihres Vaters nach und besucht ihn in Dakar: Die Juristin soll ihren Bruder aus dem Gefängnis holen. Das schwierige Treffen mit dem Vater führt die Frau an den Rand des Wahnsinns. Fanta hat im Unterschied zu Norah Dakar verlassen, um ihrem Ehemann Rudy in die französische Provinz zu folgen. Sie gibt sich dort vor Langeweile auf, so meint Rudy, durch dessen Perspektive wir von Fanta erfahren - doch ihm entgeht Entscheidendes. Von Afrika aus betrachtet erscheint ihre Existenz geradezu luxuriös und begehrenswert, weshalb Khady, die junge Afrikanerin, illegal nach Frankreich einzuwandern sich bemüht - doch sie endet, tot, an Grenzen. Drei Lebensläufe, drei starke Frauen, die ihre Würde verteidigen, indem sie sich im entscheidenden Moment weigern, so zu handeln, wie es die Umgebung verlangt: drei Frauen, die selbst in extremster Situation ihre Würde verteidigen.

Marie NDiaye, 1967 in Pithiviers bei Orléans geboren, veröffentlichte mit 17 Jahren ihren ersten Roman; weitere Romane und Theaterstücke folgten. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise, u. a. den Prix Goncourt für Drei starke Frauen. NDiaye lebt in Paris.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDen neuen Roman der »ungewöhnlichsten Schriftstellerin Frankreichs« beschrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in den knappen und präzisen Worten: Er handle »von drei vollkommen unterschiedlichen Frauen, die sich von den Schwierigkeiten des Lebens nicht unterkriegen und von ihren Mitmenschen nicht demütigen lassen«. Die vierzigjährige Norah gibt dem Drängen ihres Vaters nach und besucht ihn in Dakar: Die Juristin soll ihren Bruder aus dem Gefängnis holen. Das schwierige Treffen mit dem Vater führt die Frau an den Rand des Wahnsinns. Fanta hat im Unterschied zu Norah Dakar verlassen, um ihrem Ehemann Rudy in die französische Provinz zu folgen. Sie gibt sich dort vor Langeweile auf, so meint Rudy, durch dessen Perspektive wir von Fanta erfahren - doch ihm entgeht Entscheidendes. Von Afrika aus betrachtet erscheint ihre Existenz geradezu luxuriös und begehrenswert, weshalb Khady, die junge Afrikanerin, illegal nach Frankreich einzuwandern sich bemüht - doch sie endet, tot, an Grenzen. Drei Lebensläufe, drei starke Frauen, die ihre Würde verteidigen, indem sie sich im entscheidenden Moment weigern, so zu handeln, wie es die Umgebung verlangt: drei Frauen, die selbst in extremster Situation ihre Würde verteidigen.

Marie NDiaye, 1967 in Pithiviers bei Orléans geboren, veröffentlichte mit 17 Jahren ihren ersten Roman; weitere Romane und Theaterstücke folgten. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise, u. a. den Prix Goncourt für Drei starke Frauen. NDiaye lebt in Paris.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518738702
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum16.11.2010
Auflage1. Auflage
Seiten342 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2249 Kbytes
Artikel-Nr.1003539
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Den ganzen Vormittag über ging ihm, vergleichbar den Resten eines schmerzlichen und irgendwie erniedrigenden Traumes, der Gedanke durch den Kopf, er hätte im eigenen Interesse besser nicht so mit ihr geredet, und er wälzte diesen Gedanken in seinem unruhigen Geist so lange hin und her, bis er ihm zur Gewißheit wurde, obwohl er sich gar nicht mehr an den Grund der Auseinandersetzung erinnern konnte - diesen schmerzlichen und erniedrigenden Traum, von dem nur ein bitterer Nachgeschmack übrigblieb.

Er hätte niemals, niemals so mit ihr reden sollen - das war alles, was er jetzt noch wußte von diesem Streit, das war es, was ihn daran hinderte, sich zu konzentrieren, ohne im übrigen hoffen zu können, dies später zu seinem Vorteil verwenden zu können, wenn er nach Hause käme und sie dort wieder träfe.

Denn, so dachte er verworren, wie sollte er sein Gewissen beschwichtigen, wenn seine Erinnerungen an ihre Auseinandersetzungen bruchstückhaft waren und nur seine eigene Schuld verdeutlichten, immer und immer wieder, wie in jenen schmerzlichen und erniedrigenden Träumen, in denen man, egal was man sagt, egal wie man sich entscheidet, unwiderruflich im Unrecht ist?

Und wie, dachte er weiter, sollte er sich beruhigen und ein ordentlicher Familienvater werden, wenn es ihm nicht gelang, sein Gewissen zu besänftigen, wie könnte er je wieder geliebt werden?

Er durfte jedenfalls nicht auf diese Weise mit ihr sprechen, kein Mann hat dazu das Recht.

Aber was ihn so weit gebracht hatte, daß bestimmte Worte aus seinem Mund kamen, die kein Mann, dessen heftigster Wunsch es ist, wieder so wie früher geliebt zu werden, jemals aussprechen darf, das war ihm unklar, so als wären diese schrecklichen Sätze (aber wie lauteten sie genau?) in seinem Kopf explodiert und hätten alles andere zerstört.

War er vielleicht im Recht, obwohl er sich selbst verurteilte?

Wenn er nur vor dem eigenen inneren Gericht beweisen könnte, dachte er, daß sein Zornausbruch aus triftigem Grund derart heftig geworden war, dann bestünde die Möglichkeit, sein Verhalten maßvoller zu bedauern und insgesamt weniger aufgewühlt zu sein.

Während die momentane Scham, überspannt, wirbelnd und chaotisch, ihn nur aufs äußerte reizte.

Oh, wie er sich nach Frieden sehnte, nach Klarheit!

Warum hatte er, mit der vergehenden Zeit, der sich entfernenden schönen Jugend, den Eindruck, nur die anderen, fast alle anderen um ihn, seien ganz selbstverständlich auf einem Weg zu größerer Freiheit, den das endgültige Licht bereits mit warmen, zarten Strahlen erhellt, was es ihnen, all diesen Männern in seiner Umgebung, ermögliche, sicherer aufzutreten und dem Leben gegenüber eine entspanntere Haltung einzunehmen, leicht ironisch, doch in dem klaren Bewußtsein, daß sie, um den Preis ihres nicht mehr straffen, flachen Bauchs, ihrer nicht mehr gleichmäßigen Haarfarbe, ihrer nicht mehr makellosen Gesundheit über ein essentielles Wissen verfügten? Und ich versinke in tiefer Trauer, denn groß ist meine Bedrängnis.

Er, Rudy, ahnte, um welches Wissen es sich handelte, auch wenn er, wie ihm schien, nur mühsam auf einem Pfad vorankam, dessen Dickicht kein höchstes Licht zu durchdringen vermochte.

Auf dem Grund seiner Verwirrung, seiner Schwäche glaubte er die Bedeutungslosigkeit dessen, woran er litt, zu erkennen, doch er war unfähig, sich diese Intuition zunutze zu machen, so verloren stand er am Rande des echten Lebens, desjenigen, das jeder beeinflussen kann.

Und deshalb, so sagte er sich, verfügte er, Rudy Descas, trotz seiner dreiundvierzig Jahre noch nicht über diese lässige, schicke Besonnenheit, diese friedliche Ironie, welche die einfachsten und gewöhnlichsten Handlungen der anderen Männer auszeichnete, die, wie ihm schien, alle ruhig und ungezwungen mit ihren Kindern sprachen, die spöttisch-interessiert Zeitungen und Zeitschriften lasen, die freudig an das nächste sonntägliche Mittagessen unter Freunden dachten, für dessen Gelingen sie keine Kosten scheuen würden, großzügig, heiter, ohne je mühsam verbergen zu müssen, daß sie gerade erst aus einer x-ten Streiterei auftauchten, einem schmerzlichen und erniedrigenden Traum. Denn groß ist meine Bedrängnis.

Nichts von alldem war ihm gegeben, niemals.

Aber warum, fragte er sich, warum?

Daß er sich irgendwann falsch verhalten hatte, in irgendeiner Situation, in der man auf der Höhe des Dramas oder der Freude zu sein hatte, das räumte er gern ein, aber worin bestand dieses Drama, wo war diese Freude in seinem engen Familienleben, und in welchen besonderen Situationen war er nicht als vollendeter Mann aufgetreten?

Er kam ihm so vor, als ob seine unendliche Müdigkeit (seine Wut war auch nicht unbeträchtlich, würde Fanta höhnisch lachend sagen, das sah ihm ähnlich, Erschöpfung vorzutäuschen, während der ständige dumpfe Zorn gegenüber seinen Angehörigen vor allem diese erschöpfte, nicht wahr, Rudy?) genau daher rührte, daß er sich abmühte, ihren armseligen Karren in die richtige Richtung zu lenken, mitsamt seiner Ladung schmerzlicher, erniedrigender Träume.

Hatte man ihn jemals dafür belohnt, alles so gut wie möglich machen zu wollen?

Nein, nicht einmal das, kein Glückwunsch, keine Ehrung oder Anerkennung.

Zu Fantas Entlastung, die ihm wortlos immer alle Mißerfolge, alles Pech zuzuschreiben schien, mußte er zugeben, daß er eiligst jedes Urteil dieser Art vorwegnahm, indem er sich für alles, was ihnen an Unglück zustieß, in dunkeler Weise verantwortlich fühlte.

Was die seltenen Glücksfälle anging, so hatte er es sich angewöhnt, ihnen mit Skepsis zu begegnen, mit einem mißtrauischen Gesicht, das beredt davon zeugte, daß er für diesen flüchtigen Besuch des Glücks in ihrem Haus nichts konnte, weshalb niemand auf die Idee gekommen wäre, ihm dafür dankbar zu sein.

Oh, das wußte Rudy durchaus.

Er spürte, wie sich jener fast angewiderte Argwohn auf seinem Gesicht ausbreitete, sobald er Fanta oder Djibril zum Beispiel ein Essen im Restaurant, einen Ausflug zum Kanu-Club vorschlug, und als Antwort darauf erkennen konnte, wie Besorgnis oder leichte Verstörung (bei dem Kind, das den Blick abwandte und den seiner Mutter suchte, da es selbst nicht in der Lage war, die geheimen Absichten seines Vaters zu durchschauen) die beiden schönen, einander so ähnlichen Gesichter seiner Frau und seines Sohnes überzogen, und das nahm er ihnen unweigerlich übel, er wurde fuchsteufelswild und rief: Was, seid ihr denn nie zufrieden?, woraufhin die beiden schönen Gesichter der einzigen Menschen, die er auf dieser Welt liebte, sich verschlossen und nichts anderes mehr ausdrückten als eine trostlose Gleichgültigkeit gegenüber ihm und allem, was er vorschlagen konnte, um ihnen eine Freude zu machen, wodurch sie ihn schweigend aus ihrem Leben, aus ihren Gedanken und Gefühlen verbannten, diesen mürrischen, unberechenbaren Mann, den ein übles Geschick sie momentan zwang, in ihrer Nähe zu dulden, wie den Rest eines schmerzlichen, eines erniedrigenden Traumes. Alles, was mir geschehen sollte, ist mir geschehen.

Er hielt das Auto jäh auf dem Seitenstreifen der kleinen Straße an, die ihn jeden Tag schnurstracks zu Manille führte, nachdem er den großen Kreisel hinter sich gelassen hatte, in dessen Mitte jetzt jene merkwürdige Statue aus weißem Stein stand, ein nackter Mann mit gebeugtem Rücken, gesenktem Kopf, vorgestreckten Armen, der erschrocken und ergeben die Wasserfontänen zu erwarten schien, die sich mit Beginn des Sommers auf ihn richten würden.

Rudy hatte jede Etappe des Brunnenbaus verfolgt, morgens, wenn er in seinem alten Nevada langsam in den Kreisverkehr fuhr, bevor er zur Firma Manille abbog, und seine zerstreute Neugier hatte sich unterschwellig erst in Verlegenheit, dann in Unbehagen verwandelt, als er eine deutliche Ähnlichkeit zwischen dem Gesicht der Statue und dem eigenen zu bemerken glaubte (die gleiche flache, eckige Stirn, die gerade, aber etwas kurze Nase, der vorspringende Kiefer, der breite Mund, das kantige Kinn stolzer Männer, die genau wissen, in welche Richtung sie jeden ihrer Schritte lenken sollen - wobei letzteres eher komisch als traurig war, wenn man bloß bei Manille schuften zu gehen hatte, nicht wahr, Rudy Descas?), und seine Verwirrung war noch größer geworden, als er den ungeheueren Geschlechtsapparat gesehen hatte, den der Künstler, ein gewisser R. Gauquelan, der in der Gegend wohnte, seinem Helden zwischen die Beine gemeißelt hatte, was Rudy zur Vorstellung zwang, er sei Opfer eines grausamen Hohns, so erbarmungswürdig war der Gegensatz zwischen der weichlichen, hilflosen Haltung und dem riesigen Hodensack.

Er vermied nunmehr den gewohnten Blick auf die Statue, wenn er in seinem klapprigen Nevada um den Kreisverkehr fuhr.

Doch manchmal lenkte ein bösartiger Reflex seinen Blick doch auf das steinerne Gesicht, das sein eigenes war, dieses klare, breite, so männlich wirkende Gesicht, das ängstlich gesenkt war, und dann auf die übergroßen Hoden, und mit der Zeit hatte er einen Groll und beinahe Haß auf Gauquelan entwickelt, dem es zudem gelungen war, wie Rudy in der Lokalzeitung...
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Kritik
»Drei Geschichten, die ins Herz der Gegenwart und Afrikas treffen, wie es sie selten gibt. Getragen von kraftvoller Poesie und starken Frauen«mehr

Autor

Marie NDiaye, 1967 in Pithiviers bei Orléans geboren, veröffentlichte mit 17 Jahren ihren ersten Roman; weitere Romane und Theaterstücke folgten. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise, u. a. den Prix Goncourt für Drei starke Frauen. NDiaye lebt in Paris.
Drei starke Frauen