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Zusammenkunft

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
113 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am14.02.20221. Auflage
Nach oben kommen. Das war immer der Plan. Seit Jahrhunderten. Dafür hat sie, dafür haben alle vor ihr gekämpft. Und als Schwarze Frau stand ihr letztlich nur ein Weg offen: Völlige Verausgabung, Oxbridge, Londoner Hochfinanz, ein Freund mit Geld so alt und dreckig wie das Empire. Doch als sie endlich eingeladen wird, Mitglied einer Familie, Angehörige einer Klasse, Teil eines Landes zu werden, muss sie am eigenen Körper erfahren, dass die erlittenen Ungerechtigkeiten tiefere Wurzeln geschlagen haben. Wie kann sie sich retten? Wie mit dem Erbe der Geschichte leben?

Mit Zusammenkunft ist Natasha Brown die literarische Sensation gelungen: ein virtuoser, verdichteter Roman über die Anstrengungen der Gegenwart und die toxische Wirkung der Vergangenheit in unseren Worten, Werten, Besitztümern. Natasha Brown stürzt Schuld und Schönheit und Menschlichkeit ununterscheidbar ineinander, mit elektrisierenden Folgen.


Natasha Brown arbeitete nach ihrem Mathematikstudium an der Universität Cambridge für zehn Jahre im Londoner Finanzsektor. 2019 gewann sie den London Writers Award und konzentriert sich fortan auf das Schreiben. Zusammenkunft gilt in England als das erfolgreichste literarische Debüt 2021. Zum Erscheinen zierte Natasha Brown das Cover des Vogue Magazine, hymnische Besprechungen folgten in allen namhaften Zeitungen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextNach oben kommen. Das war immer der Plan. Seit Jahrhunderten. Dafür hat sie, dafür haben alle vor ihr gekämpft. Und als Schwarze Frau stand ihr letztlich nur ein Weg offen: Völlige Verausgabung, Oxbridge, Londoner Hochfinanz, ein Freund mit Geld so alt und dreckig wie das Empire. Doch als sie endlich eingeladen wird, Mitglied einer Familie, Angehörige einer Klasse, Teil eines Landes zu werden, muss sie am eigenen Körper erfahren, dass die erlittenen Ungerechtigkeiten tiefere Wurzeln geschlagen haben. Wie kann sie sich retten? Wie mit dem Erbe der Geschichte leben?

Mit Zusammenkunft ist Natasha Brown die literarische Sensation gelungen: ein virtuoser, verdichteter Roman über die Anstrengungen der Gegenwart und die toxische Wirkung der Vergangenheit in unseren Worten, Werten, Besitztümern. Natasha Brown stürzt Schuld und Schönheit und Menschlichkeit ununterscheidbar ineinander, mit elektrisierenden Folgen.


Natasha Brown arbeitete nach ihrem Mathematikstudium an der Universität Cambridge für zehn Jahre im Londoner Finanzsektor. 2019 gewann sie den London Writers Award und konzentriert sich fortan auf das Schreiben. Zusammenkunft gilt in England als das erfolgreichste literarische Debüt 2021. Zum Erscheinen zierte Natasha Brown das Cover des Vogue Magazine, hymnische Besprechungen folgten in allen namhaften Zeitungen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518772188
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum14.02.2022
Auflage1. Auflage
Seiten113 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8184117
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe




Gespräche


Gestern, als ich im hellen Empfangsbereich der onkologischen Privatpraxis in der Harley Street saß, in der ich nun schon zum dritten Mal war, erlebte ich eine Abspaltung - ich habe sie mir nicht vorgestellt; nein, es war ein konkretes, körperliches Phänomen. Ein innerliches Zupfen. Eine Loslösung des Selbst vom Erleben.

Eigentlich ging ich ganz gern dorthin. Die Sprechstundenhilfen - jung, hübsch, austauschbar - waren immer höflich. Und begrüßten mich, als wären wir im Spa. Die Blumen an diesem Tag waren riesige Lilien mit klaffenden Blüten und dicken Stielen. Ihre Stempel, fein säuberlich abgeknipst, hatten roten Pollenstaub auf den weißen Blütenblättern hinterlassen. Unmöglich, bei ihrem Anblick nicht an O´Keeffe zu denken. Wir waren zu zweit im Wartezimmer. Ohne Hektik, in der Sicherheit eines Zeitfensters, in Outlook geblockt und umgesetzt, wie vorgesehen. Von einer gepolsterten Bank neben dem Fenster schaute ich runter auf die Straße.

Meine Mutter erzählte mir am Telefon immer von Leuten, die kürzlich verstorben waren. Erinnerte mich an Soundso. Oh, natürlich kannte ich sie - erinnerst du dich, sie kam immer mit ihrer Nichte vorbei (süßes Mädchen, ihr beiden wart Freundinnen). Ja, genau, die. Tja, sie ist letzte Woche gestorben. Ja, nicht wahr? Furchtbar. Ich war mir nicht sicher, warum mich diese Angewohnheit so sehr nervte. Es war kein Klatsch, es hatte nichts Bösartiges. Tatsächlich schienen diese regelmäßigen Mitteilungen von einem unausgesprochenen Verlust angestoßen. Gründliche Beweise dafür, dass wir (was auch immer es war, das uns da in der ersten Person Plural verband) nicht überleben würden. Ich entschied, dass das, was mich daran so störte, in erster Linie formale Gründe hatte, dass es am pointierten Aufbau und der Reihenfolge lag, die sie gebrauchte; erst erinnerte sie mich an jemanden, rief Bilder einer Person hervor, eines Lebens - um dann den Tod zu enthüllen. Das erzeugte jedes Mal einen Achterbahnruck im Solarplexus. Durchsetzt von schuldiger Benommenheit in Anbetracht der absurden Luxusästhetik meiner privaten Krankenversicherung. Der Screenings, Vorsorgeuntersuchungen und zügigen Anschlussbehandlungen, die das Leben erhalten. Ich wusste, dass wir, die Kinder, die übrig blieben, es mit geschwächten Bindungen tun würden. Uns verband keine gemeinsame Heimat oder Kultur mehr, außer der britischen (die nur mit Bindestrich oder Einschüben über die Herkunft derer beansprucht werden konnte, von deren Tod unsere Mütter am Telefon ausführlich berichteten). Es ging nur ums Überleben, so wie ein Meme im Internet überlebt. Generationenübergreifendes Durchhalten, ohne Bedeutung oder Erinnerung.

Meinem Freund habe ich erzählt, dass alles in Ordnung war. Dass mit mir alles in Ordnung war. Dass er mich nicht begleiten musste. Er bestand trotzdem darauf, dass wir uns wenigstens auf einen Drink nach der Arbeit trafen. Dass wir ausgehen sollten, um gut drauf zu kommen. Okay. Der Abend bot sich an, es war ungewöhnlich warm für September. Wir saßen vor dem alten Pub bei der U-Bahn-Station Blackfriars im Gras und tranken Bier. Alles gut, sagte ich zu ihm. Falscher Alarm. Falsche Worte konnten sich wahr anfühlen. Er war leicht zu überzeugen, war an Happy Ends und schmerzfreie Lösungen gewöhnt. Kein Grund zur Sorge, wir stießen mit unseren Bierflaschen an.

»Ich weiß, dass ich abwesend war«, sagte er, »ich war nicht ich selbst.«

Ich schaute auf meine Beine, glänzendes Braun in der Abendsonne. Von Biopsien, Arztgesprächen und dem Beteuern von Erleichterung wechselten wir zu seiner Arbeit in Whitehall; große, wichtige Dinge im Regierungsviertel, in die er am Rande involviert war.

»Ich glaube, ich war keine gute Gesellschaft in letzter Zeit«, sagte er.

Am Wochenende zuvor hatte er mit seinem Kopf gegen meine Brust gepresst geschlafen, zusammengerollt wie ein Fötus. Am Montagmorgen schlang er seine Arme so fest um mich, dass ich länger liegen blieb und ihm über die Haare strich. Bis ich zur Arbeit musste.

»Manchmal bin ich einfach-«, er hielt inne und knibbelte am Etikett seiner Bierflasche herum, das vom Kondenswasser aufgeweicht und feucht war. Er zog kleine Stückchen davon ab, rollte sie zwischen Zeigefinger und Daumen und schnippte die klebrigen Kügelchen ins Gras. Bei unseren ersten Dates hatte er dem Restaurantpersonal mit viel Verve seinen Nachnamen entgegengeschmettert. Ich fragte mich, ob ihm dieses Selbstbewusstsein abhandengekommen war oder ob sein Selbst nur ein Dinnerjacket war, dass er an- und dann wieder auszog. Den Kopf im Nacken gluckerte er aus der Flasche. Sein Adamsapfel hüpfte, wenn er schluckte, und ich stellte mir vor, wie das kühle Bier seine Kehle hinunterfloss, der Wölbung seines Brustkorbs entlang, und in seinen Bauch schwappte.

Wir haben uns an der Uni kennengelernt, sagte er gern. Obwohl ich ihn damals kaum kannte. Als ich anfing, war er schon im dritten Jahr. Ich erinnerte mich nicht, jemals mit ihm gesprochen zu haben, obwohl ich sein Gesicht und seinen Namen von der Studierendenvertretung kannte. Nein, er nahm mich erst in den Jahren darauf zur Kenntnis, auf gelegentlichen Events sich überschneidender Bekanntenkreise. Mein eigenes soziales Kapital war seit meiner Studienzeit - minimal, kaum messbar - angestiegen. Das Geld, selbst der relativ bescheidene Betrag, den ich angehäuft hatte, hatte mich verändert. Mein Stil, mein Auftreten, mein leicht affektierter City-Akzent, all das hat ihn angezogen. Er konnte die Person sehen, die ich da erschuf. Und er witterte eine Gelegenheit. Er hatte über Warren Wilhelm Juniors Verwandlung in Bill de Blasio gelesen.

Absichtlich-zufällig stieß er auf einem Dachterrassen-Barbecue in einem umgebauten Lagerhaus in Stepney mit mir zusammen. Dann kam die ganz dick aufgetragene Hugh-Grant-Charmeoffensive, während wir warmen, fruchtigen Pimm´s aus Einweckgläsern nippten. Hinter ihm erhob sich glitzernd und seufzend Canary Wharf, wunderschön. Damals wirkte er irgendwie übertrieben, so, als würde er sich zu einer Karikatur seiner selbst machen wollen. Doch über die Monate und Jahre hinweg fing ich an, die Biegsamkeit seines Charakters zu schätzen. Ich habe gesehen, wie er mit seinen besten Freunden herumalberte, wie sie sich schubsten und blödelten. Große Gedanken wurden mit noch größeren Worten und einem brutalen Gruppenhumor debattiert. Gnadenlos machten sie sich übereinander lustig, dann glucksten sie vor Lachen: beugten sich nach vorn und schlugen sich auf die Knie, in einer nahezu parodistischen Show von Frohsinn. Später dann, auf der Rückbank des Minicabs, grüßte er den Fahrer mit Namen und wechselte gekonnt von oberflächlichem Geplänkel zum Aufrollen einer Lebensgeschichte. Er fragte aufmerksam nach und unterbrach niemals. Er war höflich, ja, aber nicht förmlich. Er passte seinen Akzent an. Sagte ernst und mit einem umschlungenen doppelten Händedruck: »Gute Nacht, Mann«, bevor er aus dem Auto stieg.

»Es ist nett hier«, sagte er schließlich, fast lächelnd. Und das war es auch. Morgen schien weiter in die Ferne gerückt zu sein. Doch das kommende Wochenende mit seinen Eltern zeichnete sich nach wie vor deutlich am Horizont ab; ihr Hochzeitstag, den sie auf dem Landsitz der Familie feiern würden. Was sich, wenn schon nicht locker, dann wenigstens angenehm aufregend anfühlen sollte, wurde bald harte Realität. Ich nickte, und er drehte sich zu den Autos, die hintereinander an der Kreuzung warteten.

»Ich habe - ich meine, meine Ex.« Er unterbrach sich und begann von vorn. »Meine Ex hat mir geschrieben. Sie hat sich einen Welpen geholt.«

Einen Welpen?, wiederholte ich und wälzte die Silben. Seine Exfreundin würde auch zu dem Hochzeitstag kommen, das wusste ich bereits. Sie war seine Sandkastenfreundin gewesen, sozusagen ein Teil der Familie, wie seine Mutter es ausdrückte. Sie sind zusammen aufgewachsen, fröhlich durch die englische Landschaft getobt wie Colin und Mary Lennox aus Der Geheime Garten. Als ich ihn so ansah, wie er da im Gras hockte, die Wangen und die wässrigen Augen zu einem fast stoischen Gesichtsausdruck verzogen,...


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Autor

Natasha Brown arbeitete nach ihrem Mathematikstudium an der Universität Cambridge für zehn Jahre im Londoner Finanzsektor. 2019 gewann sie den London Writers Award und konzentriert sich fortan auf das Schreiben. Zusammenkunft gilt in England als das erfolgreichste literarische Debüt 2021. Zum Erscheinen zierte Natasha Brown das Cover des Vogue Magazine, hymnische Besprechungen folgten in allen namhaften Zeitungen.
Zusammenkunft