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Rosenroman

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
441 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am11.09.20231. Auflage
»Ich stand am Fenster und wartete, dass die Sonne unterging, denn das war die Regel, und wenn ich nicht wollte, dass etwas Schlimmes geschah, musste ich warten, bis sie untergegangen war.«

Mit diesen Sätzen beginnt er, der Lebensbericht eines Erzählers, der nach einer existenziellen Krise in seine serbische Heimatstadt zurückgekehrt ist - von der belgischen Nordseeküste an die Theiß, aus Westflandern unter den hohen leeren Himmel der Vojvodina. Die Handlung umfasst drei Jahrzehnte, vom Beginn der Jugoslawienkriege bis in die Gegenwart.

Dem Kriegsdienst entgangen, arbeitet er auf der Rosenfarm seines Vaters. Trotz eines Handelsembargos transportiert er die Pflanzen ins europäische Ausland, die Angst mit selbstgesetzten Regeln bekämpfend. Jahre später werfen ihn eine schwere Krankheit und eine Beziehungskrise aus der Bahn.
Mit bezwingender sprachlicher Schönheit, in seiner Ruhe und unerhörten Intensität einem Werk der Minimal Music vergleichbar, vollzieht Zoltán Danyis meisterhafter Roman die seelische und physische Selbsterforschung eines Menschen nach, der sich schreibend aus der Sackgasse seines Lebens herausarbeitet.


Zoltán Danyi, 1972 in Senta/Jugoslawien geboren, studierte Philosophie und Literatur in Novi Sad und Szeged. 2003 debütierte er als Lyriker und veröffentlichte Gedichte und Kurzgeschichten. Er promovierte 2008 über Béla Hamvas und war Lektor und Hochschullehrer. Für seinen ersten Roman Der Kadaverräumer wurde er mit dem Miklós-Mészöly-Preis ausgezeichnet. Danyi, ein Angehöriger der ungarischen Minderheit in Serbien, lebt als Rosenzüchter in Senta.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR21,99

Produkt

Klappentext»Ich stand am Fenster und wartete, dass die Sonne unterging, denn das war die Regel, und wenn ich nicht wollte, dass etwas Schlimmes geschah, musste ich warten, bis sie untergegangen war.«

Mit diesen Sätzen beginnt er, der Lebensbericht eines Erzählers, der nach einer existenziellen Krise in seine serbische Heimatstadt zurückgekehrt ist - von der belgischen Nordseeküste an die Theiß, aus Westflandern unter den hohen leeren Himmel der Vojvodina. Die Handlung umfasst drei Jahrzehnte, vom Beginn der Jugoslawienkriege bis in die Gegenwart.

Dem Kriegsdienst entgangen, arbeitet er auf der Rosenfarm seines Vaters. Trotz eines Handelsembargos transportiert er die Pflanzen ins europäische Ausland, die Angst mit selbstgesetzten Regeln bekämpfend. Jahre später werfen ihn eine schwere Krankheit und eine Beziehungskrise aus der Bahn.
Mit bezwingender sprachlicher Schönheit, in seiner Ruhe und unerhörten Intensität einem Werk der Minimal Music vergleichbar, vollzieht Zoltán Danyis meisterhafter Roman die seelische und physische Selbsterforschung eines Menschen nach, der sich schreibend aus der Sackgasse seines Lebens herausarbeitet.


Zoltán Danyi, 1972 in Senta/Jugoslawien geboren, studierte Philosophie und Literatur in Novi Sad und Szeged. 2003 debütierte er als Lyriker und veröffentlichte Gedichte und Kurzgeschichten. Er promovierte 2008 über Béla Hamvas und war Lektor und Hochschullehrer. Für seinen ersten Roman Der Kadaverräumer wurde er mit dem Miklós-Mészöly-Preis ausgezeichnet. Danyi, ein Angehöriger der ungarischen Minderheit in Serbien, lebt als Rosenzüchter in Senta.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518777329
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum11.09.2023
Auflage1. Auflage
Seiten441 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11379583
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


I.


Ich stand am Fenster und wartete, dass die Sonne unterging, denn das war die Regel, und wenn ich nicht wollte, dass etwas Schlimmes geschah, musste ich warten, bis sie untergegangen war.

Ursprünglich wollte ich die Kreuze zählen, ich plante schon seit Tagen loszugehen und die Kreuze zu zählen, aber dann schob ich den Aufbruch jeden Tag so lange auf, bis es dunkel geworden war und das Zählen immer auf den nächsten Tag verschoben werden musste.

Diesmal ging ich aber los, ich ging wirklich los, und wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich sogar schon die Schuhe angezogen, als mir einfiel, dass ich mir vorher noch einen Tee kochen könnte, also ging ich zurück in die Küche, kochte Wasser, goss es über die Minzblätter und trat dann ans Fenster, um mich, solange der Tee zog, etwas umzusehen, aber als ich aus dem Fenster schaute, erblickte ich die Sonne und in meinem Kopf erschien sofort die Regel, dass ich, wenn ich nicht wollte, dass etwas Schlimmes geschah, am Fenster stehen bleiben und warten musste, bis die Sonne untergegangen war.

Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, und wenn ja, ob es bei ihnen auch so ist wie bei mir, aber ich weiß, dass es bei mir schon früher so war, und manchmal kommt es immer noch vor.

Zum Beispiel sitze ich auf einer Bank, schau mich um oder bin draußen auf unserem Feld, beschneide die Rosen, oder ich bin auf der Straße irgendwohin unterwegs, denn irgendwohin muss man immer oder fast immer gehen, und dann erscheint in meinem Kopf auf einmal eine Regel, dass ich dieses oder jenes tun muss oder im Gegenteil, dass ich dieses oder jenes so lange nicht tun darf, bis gewisse Bedingungen nicht erfüllt sind, oder im Gegenteil, bis gewisse Umstände nicht mehr bestehen.

Genau das passierte auch, als ich ans Fenster trat und hinaussah, denn sobald ich die Sonne erblickte, erschien in meinem Kopf sofort die Regel, dass ich so lange am Fenster stehen bleiben musste, bis die Sonne untergegangen war, und das würde, wenn ich richtig rechnete, ungefähr eine halbe Stunde dauern, was nicht viel war, wirklich nicht, woanders hatte ich wegen anderer Regeln schon viel länger gewartet, das war also nicht das Problem, sondern die Sache mit den Kreuzen, denn wenn ich jetzt eine halbe Stunde am Fenster stehen bleibe, dachte ich, und warte, dass die Sonne untergeht, dann muss ich die Kreuze schon wieder verschieben, im Dunklen kann ich sie nicht mehr zählen.

Von Zeit zu Zeit überkommt mich ein Drang oder eher ein Zwang, und dann muss ich gewisse Dinge zählen.

Ich muss zählen, wie viele Treppenstufen es zwischen zwei Etagen sind, ich muss zählen, wie viele Vögel an meinem Fenster vorbeifliegen, oder ich muss zählen, aus wie vielen Latten die Bank besteht, auf der ich sitze, und noch vieles andere mehr, und deswegen habe ich von Zeit zu Zeit das Gefühl, dass ich immerzu nur zähle, manchmal zähle ich die Eisenstangen in einem Zaun, ein anderes Mal, wie viele Strommasten es zwischen zwei Straßenecken gibt, wieder ein anderes Mal, wie viele Autos an mir vorbeifahren, bis ich am Ende der Straße angekommen bin, und, was die Autos anbelangt, die zähle ich auf verschiedene Weise, manchmal muss ich zählen, wie viele rote oder blaue Autos auf einem Parkplatz stehen, ein anderes Mal, wie viele Autos ein Nummernschild haben, das auf eine bestimmte Zahl endet, und wieder ein anderes Mal, wie oft die Radkappe der Autos unterteilt ist.

Im Allgemeinen führe ich solche Aufgaben aus, solche oder so ähnliche Zählaufgaben, und diese haben immer eine Bedeutung, also, damit meine ich, dass das Ergebnis der Zählaufgabe, die Endsumme immer eine Bedeutung hat, aus der Endsumme kann man nämlich Schlüsse ziehen, aus der Endsumme kann man die unterschiedlichsten Schlüsse bezogen auf die unterschiedlichsten Dinge ziehen.

Die Kreuze wollte ich zählen, weil der Arzt gesagt hatte, ich müsse viel trinken, viel Wasser und Tee, und ich nahm mir seinen Ratschlag zu Herzen, ich trank viel, viel Wasser und Tee, und deswegen musste ich oft urinieren, und als ich zur nächsten Kontrolluntersuchung fuhr, musste ich sogar unterwegs anhalten, und während des Urinierens schaute ich mich um, ich schaute mir die Maisfelder rechts an, schaute, ob ein Auto kam oder nicht, schaute mir die Weizenfelder links an und wie hoch die Vögel im Himmel schwebten, denn sie schwebten in verschiedenen Höhen, als hätte der Himmel mehrere Schichten, und wie ich mich erinnere, schaute ich mir noch viele andere Dinge an, die Sträucher, die Gräser, den Akazienbaum zwischen den Gräsern, aber zum Schluss schaute ich mir nur noch das Kreuz an, das neben dem Akazienbaum stand, denn da erst bemerkte ich, dass ich ausgerechnet an einem Wegkreuz stehen geblieben war, um zu urinieren.

Erst schaute ich mir das kleine Blechschild mit den vier Buchstaben an, dann schaute ich mir die Dornenkrone an, deren Spitzen an mehreren Stellen abgebrochen waren, dann schaute ich mir die Nägel an, die man in den Betonbalken geschlagen hatte, die schon halb von Rost zerfressen waren, diese Nägel zählte ich sogar mehrmals, denn manche Dinge muss ich manchmal mehrmals zählen, dabei sah ich nur drei davon, einen in der Mitte des kleinen Blechschilds, einen in den grauen Füßen und einen in der rechten Handfläche, das waren alle Nägel, die ich sah, die linke Hand fehlte nämlich, genauer gesagt fehlte nicht nur die Hand, sondern der ganze Arm der Christusfigur, als hätte man ihn abgeschnitten oder abgesägt, zumindest schloss ich das aus den regelmäßigen Schnittspuren.

Nachdem ich fertig war, brach ich mir einen Weg durch die Sträucher und Gräser, um mir die Schnittstelle näher anzusehen, aber als ich sah, dass durch die Öffnung am hohlen Körper Wespen aus dem Inneren herausflogen, erschien in meinem Kopf sofort die Regel, dass ich, wenn ich nicht wollte, dass man auch mich verstümmelte, noch ein Wegkreuz finden musste, bevor ich nach Tornyos kam.

Ich drehte um, ging zum Wagen zurück und fuhr los, aber jetzt fuhr ich nur noch langsam, sehr langsam, und beobachtete dabei den Straßenrand, ob ich noch ein Wegkreuz erblickte, aber vergebens stierte ich, strengte meine Augen an, lange Zeit sah ich nichts als Sträucher, Gräser und verwilderte Akazien, immer das Gleiche, Sträucher, Gräser, verwilderte Akazien, und nach eine Weile dachte ich, das wird übel enden, denn es sah ganz danach aus, als würde kein weiteres Kreuz mehr an dieser Straße stehen, und da kam mir der Gedanke, ich sollte vielleicht aus dem Auto aussteigen und zu Fuß weitergehen, ich gehe zu Fuß und schaue und suche dabei so lange zwischen den Sträuchern und den Gräsern, bis ich irgendwas finde, ein Stück Holz, ein Stück Scholle, ein Stück getrockneten Hundedrecks, irgendetwas, das man ein Kreuz nennen könnte, aber dann hielt ich doch nicht an, sondern rollte weiter mit dem Auto und beobachtete dabei den Straßenrand, ob ich nicht vielleicht doch ein Kreuz sah, und als ich sogar schon die Tankstelle hinter mir gelassen hatte, als nur noch wenig fehlte, um in Tornyos anzukommen, und ich also wirklich in der Scheiße saß und das Gefühl hatte, als würden auf einmal sehr viele Käfer auf meinem Kopf hin und her laufen, bemerkte ich in der nächsten Kurve doch noch etwas zwischen den Akazien, und als ich näher kam, schlug ich vor lauter Freude mit beiden Händen kräftig aufs Lenkrad, denn dieses Etwas, das ich sah, war ein Kreuz, ich konnte also endlich aufatmen, die Suche konnte ich dennoch nicht aufgeben, denn es ist nicht immer einfach, mit diesen Dingen aufzuhören, also bog ich im Zentrum von Tornyos nach rechts ab und beobachtete weiter den Straßenrand, ob ich nicht noch ein Kreuz fand, und jetzt musste ich nicht lange suchen, kaum war ich aus dem Ort draußen, tauchte zwischen Mohnblumen und Holunderbüschen das dritte Kreuz auf.

Vom vielen Wasser und dem Tee, den ich getrunken hatte, oder, ich weiß nicht, vielleicht wegen der Aufregung, hatte ich schon wieder das Gefühl, urinieren zu müssen, also hielt ich am Straßenrand an und ging zwischen die Holunderbüsche, und während ich pisste, schaute ich...
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Autor

Zoltán Danyi, 1972 in Senta/Jugoslawien geboren, studierte Philosophie und Literatur in Novi Sad und Szeged. 2003 debütierte er als Lyriker und veröffentlichte Gedichte und Kurzgeschichten. Er promovierte 2008 über Béla Hamvas und war Lektor und Hochschullehrer. Für seinen ersten Roman Der Kadaverräumer wurde er mit dem Miklós-Mészöly-Preis ausgezeichnet. Danyi, ein Angehöriger der ungarischen Minderheit in Serbien, lebt als Rosenzüchter in Senta.
Rosenroman