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Die rote Antilope

Roman
BuchGebunden
Deutsch
Zsolnay, Paulerschienen am30.07.20015. Aufl.
Die Geschichte eines kleinen schwarzen Jungen, der Ende des 19. Jahrhunderts von wohlmeinenden Weißen nach Schweden gebracht wurde und sich dort nach seiner warmen Heimat zu Tode sehnt. Ein menschliches Drama, ein politisches Gleichnis und ein ebenso spannender wie poetischer Roman.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR21,50
TaschenbuchKartoniert, Paperback
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie Geschichte eines kleinen schwarzen Jungen, der Ende des 19. Jahrhunderts von wohlmeinenden Weißen nach Schweden gebracht wurde und sich dort nach seiner warmen Heimat zu Tode sehnt. Ein menschliches Drama, ein politisches Gleichnis und ein ebenso spannender wie poetischer Roman.
Zusatztext"Es ist ein Buch, das einen mit abgrundtiefer Traurigkeit erfüllt und zugleich eines, das man nicht aus der Hand legen kann. ... Mankell erzählt diese Geschichte mit betörender Eindringlichkeit, in Bildern und Sequenzen von jener durchsichtigen Klarheit, wie Träume sie haben. Susanne Mayer, Die Zeit, 32/01"Das Buch ist eine Geschichte über das Heimweh. Über die Sehnsucht, zu seinen Wurzeln zurückzukehren, dort zu sein, wo man zu Hause ist. (...) Das Buch hat für mich eine ganz besondere Bedeutung (...) Ich erkannte plötzlich, dass die Geschichte dieses einsamen Buben meine eigene war. Ich hatte über mich selbst geschrieben, ohne es zu merken." Henning Mankell
Details
ISBN/GTIN978-3-552-05169-0
ProduktartBuch
EinbandartGebunden
FormatPappband
ErscheinungsortWien
ErscheinungslandÖsterreich
Erscheinungsjahr2001
Erscheinungsdatum30.07.2001
Auflage5. Aufl.
SpracheDeutsch
Gewicht548 g
Artikel-Nr.10511521
Rubriken

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Bengler schenkte sich ein Glas Portwein ein, um sich selber für die Zukunft Mut zu machen und um zu feiern, daß der Kohlenschlepper auf der Reise von Rouen nicht untergegangen war. Von draußen hörte man ein zischendes Geräusch und Kinder, die lachten. Er saß mit dem Glas in der Hand auf dem knarrenden Bett, als Daniel plötzlich aufstand und zum Fenster ging. Bengler war schon halb auf dem Sprung, weil er fürchtete, Daniel würde sich hinausstürzen. Aber der Junge ging ganz langsam, fast schleichend, als wäre er auf der Jagd und nähere sich vorsichtig einer Beute. Bengler sah, wie er am Fenster stehenblieb, halb hinter der Gardine versteckt, und beobachtete, was auf dem Hof geschah. Er stand da und rührte sich nicht. Behutsam erhob sich Bengler vom Bett und stellte sich neben ihn.
Unten auf dem Hof hüpften zwei Mädchen seil. Sie waren ungefähr im gleichen Alter wie Daniel. Eins von den Mädchen war dick, das andere sehr schmal. Sie hatten ein Seil, vielleicht eine Schot von einem Segelboot, die sie in der passenden Länge abgeschnitten hatten. Sie wechselten sich beim Hüpfen ab, lachten, wenn sie stolperten, und fingen dann wieder von vorn an. Lange stand Daniel ganz still, wie erstarrt. Bengler beobachtete ihn und versuchte sein aufmerksames Betrachten des Spiels auf dem Hof zu deuten.
Dann drehte sich Daniel zu ihm um, sah ihm direkt in die Augen, und in seinem Gesicht sprang ein Lächeln hervor.

Es war das erste Mal, daß Bengler seinen Adoptivsohn lächeln sah. Ein Lächeln, das kein Grinsen war, keine aufgesetzte Maske, sondern ein Lächeln, das von innen kam. Für Bengler war es, als wäre ein lange erwartetes Wunder endlich geschehen. Jetzt hatte Daniel endlich die unsichtbaren Trosse gekappt, die ihn an den Verschlag in Anderssons Handelsstation banden. Trosse, die ihn an Erinnerungen fesselten, von denen Bengler nichts wußte, außer daß Blut und Grauen darin vorkamen, tote Menschen, zerhackte Gliedmaßen, verzweifelte Schreie und danach die Stille, in der nur der Sand zu hören war, der in der Wüste rieselte.
Sie gingen hinunter auf den Hof. Die Mädchen hörten sofort mit dem Seilhüpfen auf, als sie Daniel erblickten. Bengler wurde klar, daß sie noch nie einen schwarzen Menschen gesehen hatten. Er wußte, daß es eine Schuhcreme gab, deren Deckel ein Mohr mit dicken Lippen und einem Grinsen im Gesicht schmückte. Aber jetzt entdeckten die kleinen Mädchen, daß es den schwarzen Menschen in Wirklichkeit gab. Auf diesem schmutzigen Hinterhof dämmerte es Bengler, daß er gerade Zeuge von etwas wurde, das vielleicht eine neue Aufgabe für ihn bereit hielt. Den unaufgeklärten Schweden zu zeigen, daß es tatsächlich Menschen gab, die schwarz waren. Lebende Menschen, keine Dosendeckel.
Sogleich fing er ein Gespräch mit den Mädchen an. Sie waren ärmlich gekleidet, und vom emsigen Hüpfen rochen sie stark nach Schweiß. Er fragte, wie sie hießen, und verstand nur mit Mühe, was sie sagten. Die eine, die Magere, hieß Anna, und die Dicke hieß vielleicht Elin oder möglicherweise Elina. Bengler erklärte, der Junge neben ihm heiße Daniel, komme aus einer fernen Wüste in Afrika und sei gerade erst in Simrishamn eingetroffen.
- Was macht er hier? fragte das Mädchen, das Anna hieß.
Bengler blieb ihr die Antwort schuldig. Auf diese simple Frage wußte er plötzlich nichts zu erwidern.
- Er ist vorübergehend in Schweden zu Besuch, sagte er schließlich.
Er war sich unsicher, ob die Mädchen überhaupt verstanden, was er sagte. Er sprach einen ausgeprägten småländischen Dialekt.
- Wieso hat er so krause Haare? Hat er sie gekräuselt? Es war immer noch das Mädchen namens Anna, das fragte.
- Sie sind von Natur aus kraus, erwiderte Bengler.
- Darf man sie anfassen?
Bengler betrachtete Daniel. Er lächelte immer noch. Dann nickte Bengler. Vorsichtig näherten sich die Mädchen und berührten Daniels Kopf. Bengler war ständig auf der Hut, als würde er auf einen Hund aufpassen, der ohne Vorwarnung aggressiv werden und beißen könnte. Aber Daniel lächelte. Als das dicke Mädchen, das vielleicht Elin hieß, ihm die Hand auf den Kopf legte, streckte er selber die Hand aus und zog vorsichtig an ihren mausfarbenen Haaren. Sie stieß einen spitzen Schrei aus und machte einen Satz zur Seite. Daniel lächelte weiter.
- Er möchte euch gern beim Seilhüpfen zusehen, sagte Bengler. Könnt ihr es ihm nicht zeigen?
Die Mädchen hüpften. Als die Dicke stolperte, fing Daniel an zu lachen. Es war ein heftiges Lachen, das tief aus dem Inneren aufstieg, ein aufgestauter Vulkan, der endlich zum Ausbruch kam.
- Kann er hüpfen?
Bengler nickte Daniel zu und deutete auf das Seil. Ohne zu zögern nahm Daniel es in die Hand. Er sprang federleicht, machte Doppelsprünge und schlug in raschem Tempo das Seil vorwärts und rückwärts. Bengler war völlig verblüfft. Er wäre nie darauf gekommen, daß Daniel seilhüpfen konnte. Dieses Erlebnis erfüllte ihn mit Scham. Hatte er sich eigentlich vorgestellt, daß Daniel etwas anderes beherrsch-te als Schweigen und Verschlossenheit? Hatte er ihn nicht selbst eher als Tier betrachtet denn als Menschen?
- Er schwitzt ja nicht mal, schrie die Dicke.
Daniel hüpfte weiter. Und er schien nicht müde zu werden. Bengler überkam ein Gefühl, als würde Daniel nicht wirklich auf und ab hüpfen, sondern als sei er irgendwohin auf dem Weg, als würde er in Wirklichkeit rennen.
Er ist zurück in der Wüste, dachte Bengler. Dort ist er. Nicht hier, auf einem verdreckten Hinterhof in Simrishamn.
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