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Der medizinische Blick in die Zukunft

Gesellschaftliche Implikationen prädiktiver Gentests - Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
BuchKartoniert, Paperback
372 Seiten
Deutsch
Campus Verlagerschienen am06.10.2008
Genetische Tests gehören heute zum medizinischen Alltag. Einer ihrer brisanten Einsatzbereiche ist die prädiktive Diagnostik, die das Risiko zukünftiger Erkrankungen bei bislang gesunden Menschen ermittelt. Dieses Buch beleuchtet die entscheidenden Veränderungen, die der genetische Blick in die Zukunft bringt: Neben besseren Heilungschancen für viele Krankheiten gehört hierzu auch ein anderer kollektiver Umgang mit Behinderung, Krankheit und Tod.mehr

Produkt

KlappentextGenetische Tests gehören heute zum medizinischen Alltag. Einer ihrer brisanten Einsatzbereiche ist die prädiktive Diagnostik, die das Risiko zukünftiger Erkrankungen bei bislang gesunden Menschen ermittelt. Dieses Buch beleuchtet die entscheidenden Veränderungen, die der genetische Blick in die Zukunft bringt: Neben besseren Heilungschancen für viele Krankheiten gehört hierzu auch ein anderer kollektiver Umgang mit Behinderung, Krankheit und Tod.
Details
ISBN/GTIN978-3-593-38776-5
ProduktartBuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Erscheinungsjahr2008
Erscheinungsdatum06.10.2008
Seiten372 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht466 g
Artikel-Nr.10922354
Rubriken
GenreMedizin

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
InhaltVorwortGeleitwort1.Einleitung1.1.Ausgangslage und Ziel der Studie1.2.Theoretische Grundlagen und methodisches Vorgehen1.3.Aufbau der Studie2.Voraussetzungen, Möglichkeiten und Grenzen der Vorhersage gesundheitlicher Risiken2.1.Historische Aspekte: Krankheitsursachen und Krankheitsstatistik2.1.1.Krankheitsursachen: Von der Zellularpathologie zum molekularen "Defekt"2.1.2.Krankheit: Vom unkontrollierbaren Schicksalsschlag zum kalkulierbaren Risiko2.2.Prognose und Prädiktion2.2.1.Prognose2.2.2.Prädiktion2.3.Prädiktion und Prävention2.3.1.Prädiktive Gentests und primäre Prävention2.3.2Gentests als Mittel der sekundären und tertiären Prävention2.4.Der Status genetischer Informationen: Debatten und Positionen2.4.1.Exzeptionalismus: Die Sonderrolle genetischer Informationen2.4.2.Generalismus: Die Normalisierung genetischer Informationen2.4.3.Kontextualismus: Kontextabhängige Bewertung genetischer Informationen3.Psychosoziale Implikationen und gesundheitsbezogene Handlungsrelevanz prädiktiver Tests3.1.Prädiktive genetische Informationen und Selbstwahrnehmung3.2.Psychosoziale Implikationen prädiktiver Tests: Empirische Befunde3.2.1.Implikationen prädiktiv-deterministischer Tests3.2.2.Implikationen prädiktiv-probabilistischer Tests3.3.Prädiktive genetische Informationen als motivationale Grundlage zur Änderung des Gesundheitsverhaltens3.4.Drei Fallbeispiele: Familiäre Hypercholesterinämie, Thrombophilie und Alzheimer-Demenz3.4.1.Familiäre Hypercholesterinämie3.4.2.Thrombophilie3.4.3.Alzheimer-Demenz3.4.4.Gesundheitsverhalten nach prädiktiven Gentests: Ein Klassifikationsversuch3.4.5.Vielfalt und Kontextabhängigkeit: Hypothesen zu den psychosozialen Implikationen prädiktiver genetischer Tests4.Prädiktive Genetik und das Verständnis von Gesundheit und Krankheit4.1.Gesundheit und Krankheit im postgenomischen Zeitalter4.1.1.Vorsorgen und Voraussagen: Von der präventiven zur prädiktiven Medizin4.1.2.Von Patienten zu Kunden: Gesundheit als moralische Kompetenz und ökonomisches Gut4.2.Die Genetifizierung der Medizin4.2.1.Die Expansion und Transformation des Begriffs der genetischen Krankheit4.2.2.Entwicklungstendenzen und Paradoxien einer prädiktiven Medizin4.2.3.Die steigende Bedeutung genetischer Faktoren in Gesundheitsaufklärung und -politik4.3.Individualisierung als Vision und Vehikel einer prädiktiven Medizin4.3.1.Von der sozialtechnokratischen zur selbstregulatorischen Prävention: Die Geburt der "genetischen Risikoperson"4.3.2.Individualisierung als Leitbild und Legitimationsressource4.3.3.Dezentrierung und Rezentrierung liberaler Subjektivität4.4.Biologisierung von Familie und Verwandtschaft4.4.1.Genetische Biographien: Stammbäume und Abstammungslinien als Identitätsmarker4.4.2.Medikalisierungstendenzen: Die Familie als Patientin4.4.3.Zwischen Fürsorgepflicht und Autonomiepostulat: Prädiktive Tests bei Minderjährigen4.4.4.Vom Kinderwunsch zum Wunschkind? Dilemmata bei Reproduktionsentscheidungen4.4.5.Liebe in Zeiten prädiktiver Gentests5.Konturen einer Biosozialität5.1."Genetic citizenship": Die Entstehung neuer Formen sozialer Vergemeinschaftung und politischen Aktivismus5.1.1."Making up biological subjects": Expertendiskurse, epistemische Unsicherheiten und ethische Konflikte5.1.2.Neue Vergemeinschaftungsformen und kollektive Identitäten: Die wachsende Bedeutung von Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen5.1.3.Politischer Aktivismus auf der Basis genetischer Differenz5.2.Genetische Diskriminierung und Stigmatisierung5.2.1.Ergebnisse empirischer Studien5.2.2.Dimensionen genetischer Diskriminierung5.2.3.Gefahren genetischer Diskriminierung - ein Fazit5.3.Kommerzialisierungstendenzen und Konsumorientierung5.3.1.Gentests als Modeartikel und Lifestyle-Phänomen5.3.2.Marktpotenzial und Probleme der Direktvermarktung von Gentests5.3.3.Kommerzialisierung und Datenschutz5.3.4.Der Schutz geistigen Eimehr
Leseprobe
4.4.3.Zwischen Fürsorgepflicht und Autonomiepostulat: Prädiktive Tests bei MinderjährigenBesonders heikel ist die Frage, ob und unter welchen Umständen prädiktive Gentests bei Kindern vorgenommen werden können oder gar sollten. Dies wirft insbesondere dann Probleme auf, wenn die betreffenden Krankheiten erst im Erwachsenenalter auftreten. Während es im medizinischen Kontext gängige Praxis ist, dass Eltern Entscheidungen für ihre Kinder treffen, wird eine solche Stellvertreterregelung bei prädiktiven Gentests zumindest dann als nicht zulässig angesehen, wenn keine wirksamen präventiven Optionen zur Verfügung stehen. So sehen etwa die "Internationalen Richtlinien" zur Anwendung des molekulargenetischen Tests für die Huntington-Krankheit als Grundvoraussetzung die Volljährigkeit der Untersuchungsperson vor (Guidelines 1994; Engel/Lohkamp 2003). Die Maßgabe der Volljährigkeit bei Gentests auf Krankheiten, die erst im Erwachsenenalter auftreten und durch präventive Maßnahmen nicht verhindert werden können, ist auch innerhalb von humangenetischen Fachgesellschaften und medizinischen Berufsverbänden unbestritten (American Society of Human Genetics/American College of Medical Genetics 1995; Gesellschaft für Humangenetik 1995; Bundesärztekammer 1998).Offenbar weicht jedoch die medizinische Praxis regelmäßig von dem offiziell geforderten Kriterium der Volljährigkeit ab. Bei einer Befragung von Assistenzärzten in New York waren 39 Prozent der Auffassung, dass die Durchführung eines prädiktiven Tests für die Huntington-Krankheit bei einem 10jährigen Jungen angemessen sei (Rosen et al. 2002). In eine ähnliche Richtung deuten Daten aus einer älteren Untersuchung von Dorothy C. Wertz und Philip R. Reilly. Nach einer Erhebung der Autoren führten 23 Prozent aller molekulargenetischen Labore, die im wichtigsten US-amerikanischen Verband Helix zusammengeschlossen sind, Gentests für die Huntington-Krankheit an Kindern unter 12 Jahren durch - ein großer Teil davon ohne die Einbeziehung eines Arztes (Beardsley 1996). In den vergangenen Jahren hat sich die Debatte über die Zulässigkeit prädiktiver Gentests bei Minderjährigen intensiviert. Immer häufiger sprechen sich betroffene Eltern und eine Reihe von Medizinern und Bioethikern gegen eine Beschränkung prädiktiver Gentests auf das Erwachsenenalter aus, selbst wenn für die betreffenden Krankheiten keine therapeutischen Optionen oder präventiven Maßnahmen bereitstehen (vgl. etwa Michie et al. 2001; Robertson/Savulescu 2001; Rhodes 2006). Das Thema wird in der Regel als Konflikt zwischen Fürsorgepflichten und Autonomieprinzipien diskutiert. Was die elterliche Fürsorgepflicht für das Wohlbefinden des Kindes angeht, finden sich sowohl Argumente für als auch gegen die Durchführung prädiktiver Tests. Die Befürworter argumentieren, dass die Offenbarung ihres genetischen Status Personen im Kindesalter weniger negativ beeinflusse, als wenn sie das Ergebnis erst in späteren Lebensjahren erführen. Prädiktive Tests in dieser Lebensphase ermöglichten - so das Argument - eine bessere psychosoziale Anpassung an diagnostizierte Krankheitsrisiken, da Lebensstil und Familienplanung noch weniger konkretisiert seien als im Erwachsenenalter (Robertson/ Savulescu 2001). Gegner der Nutzung prädiktiver Tests zu einem so frühen Zeitpunkt wenden ein, dass ein positives Untersuchungsergebnis den Betroffenen die Hoffnung auf ein "normales" Leben nehme und das Wissen um die (hohe) Wahrscheinlichkeit, später an einer schweren Krankheit zu leiden, zu einer schweren Hypothek für ihr weiteres Leben werden könne. Zudem sei anzunehmen, dass die emotionale Belastung für Kinder größer sei als für Erwachsene. Schließlich stehe auch zu befürchten, dass die Familiendynamik unter einem Testergebnis leidet, so dass die Entwicklungschancen der Kinder beeinträchtigt sein könnten (Freundlich 1998: 668 f.; für einen Überblick über die Argumente vgl. Hildt 2003: 239-242; Duncan/Delatycki 2006: 10 f.). Die Hauptargumente für oder gegen prädiktive Gentests im Kindesalter fokussieren jedoch nicht auf die Fürsorgepflichten der Eltern, sondern auf autonomiebezogene Aspekte. Zugunsten prädiktiver Tests wird angeführt, dass das Wissen über genetische Risiken bzw. Krankheitswahrscheinlichkeiten zu einer autonomeren Lebensplanung führe. Eltern und Kinder könnten sich auf erwartbare Krankheiten besser einstellen und wichtige Entscheidungen im Hinblick auf Schul- und Berufswahl, finanzielle Vorsorgepläne etc. treffen (Clayton 1997; Robertson/Savulescu 2001). Das Gegenargument lautet, dass die Autonomie von Kindern, Jugendlichen und zukünftigen Erwachsenen eher durch den Verzicht auf prädiktive Gentests gestärkt werde, da nur das Nichtwissen einen unbeeinträchtigten Selbstentwurf im Sinne einer "offenen Zukunft" ermögliche (Davis 1997; Hildt 2003). Kritisiert wird auch, dass letztlich nicht das Kind, sondern die Eltern die Entscheidung für einen Test fällen (Dickenson 1999). Welche Motive dabei eine Rolle spielen können, illustriert ein Beispiel, das Nancy Wexler anführt, eine der bekanntesten Forscherinnen auf dem Gebiet der psychosozialen Aspekte der Huntington-Krankheit: "Da gibt es die Frau, die ihre beiden Kinder testen lassen wollte: Ich habe nur Geld, um eines davon auf die Universität zu schicken. Ich will wissen, in welches ich investieren soll. " (Wexler, zit. nach Schneider 2000: 42; vgl. auch Andrews 1997: 263) Werden prädiktive Tests vor der Volljährigkeit schon bei leiblichen Kindern sehr kontrovers diskutiert, werfen sie im Kontext von Adoptionsentscheidungen noch größere Probleme auf. Hier besteht die Gefahr, dass sie zum Zweck einer "Evaluation" möglicher Adoptivkinder vorgenommen werden. Zwar sollten adoptionswillige Eltern alle Auskünfte erhalten, die ihnen eine informierte und gut begründete Entscheidung in dem Adoptionsverfahren ermöglichen. Dazu gehören auch Daten zur Familiengeschichte, die über den gesundheitlichen und sozialen Hintergrund der Kinder und ihrer Ursprungsfamilien aufklären. Diese Art von Informationen gibt jedoch lediglich den allgemeinen Kenntnisstand wieder, den Familien traditionellerweise über sich und ihre Verwandten haben. Prädiktive Gentests, die vor der Adoption vorgenommen werden, gehören nicht in diese Kategorie: Die daraus gewonnenen Daten individualisieren vielmehr die vorhandenen Informationen zum familiären Hintergrund, und sie können schwerwiegende Konsequenzen für das Kind und dessen weitere Lebensplanung und Selbstbild haben (Freundlich 1998).Trotz der grundsätzlichen und schwerwiegenden Bedenken sind auch in Deutschland Fälle bekannt geworden, in denen diese Problematik eine Rolle spielte. Im Jahr 2004 wandten sich eine Adoptionsstelle aus Brandenburg und ein Kinderarzt aus Sachsen mit der Frage an die Deutsche Huntington-Hilfe, ob zur Adoption freigegebene Kinder aus Familien, in denen Menschen an der Huntington-Krankheit litten, genetisch untersucht werden dürfen. Diese Anfrage wurde mit dem Argument begründet, dass sich bei einem negativen Befund ihre Chance auf Vermittlung erhöhen könnte. Die Bedeutung von genetischen Informationen für Adoptionsverfahren hatte 1997 bereits das "Konsortium zur molekulargenetischen Diagnostik bei der Huntington-Krankheit" beschäftigt. Das Gremium diskutierte die Frage der prädiktiven genetischen Diagnostik bei Kindern, mit der sich auch eine Stellungnahme des Berufsverbands Medizinische Genetik auseinander setzte. Im konkreten, dem Konsortium vorgetragenen Fall handelte es sich um ein Geschwisterpaar, das zur Adoption freigegeben war und aus einer Familie stammte, in der bereits Fälle der Huntington-Krankheit aufgetreten waren. Es hatten sich adoptionswillige Eltern gefunden, die allerdings ihre Entscheidung davon abhängig machen wollten, ob die Kinder von der Huntington-Krankheit betroffen seien. Das Konsortium lehnte die Untersuchung der Kinder zwar mehrheitlich ab, allerdings sprachen sich einige Mitglieder dafür aus, dass es in besonders kritischen und nicht vorhersehbaren Situationen möglich sein sollte, von der allgemein anerkannten Regelung eines Untersuchungsverbots abzuweichen, wenn dies zum Wohl des zu adoptierenden Kindes sei. Fraglich ist jedoch, ob es Fälle gibt, die einen solchen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Kindes rechtfertigen und dessen Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" faktisch beseitigten. Eine besondere Härte könnte sich bei Geschwisterpaaren ergeben, wenn eines der Kinder kein "Mutationsträger" ist und adoptionswillige Eltern fände, das andere mit ungünstigem Befund jedoch nicht. Zu dem belastenden Wissen über das hohe Erkrankungsrisiko käme dann noch die ernüchternde Erkenntnis, kaum Chancen zu haben, in eine Adoptivfamilie vermittelt zu werden (vgl. Wexler 1995: 254 f.).mehr
Kritik
"Jedermann zu empfehlen, der sich einen Einblick in das Spannungsfeld zwischen moderner Biomedizin und ihrer theoretischen Rezeption verschaffen will." (Imago Hominis, 15.12.2009)mehr

Autor

Regine Kollek ist Professorin für Technikfolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin an der Universität Hamburg. Thomas Lemke ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Biotechnologie, Natur und Gesellschaft am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seine Arbeitsgebiete und Forschungsschwerpunkte sind: Gesellschaftstheorie, soziologische Theorie, Biopolitik, politische Soziologie, Wissenschafts- und Techniksoziologie.