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Transdisziplinäre Forschung

Integrative Forschungsprozesse verstehen und bewerten - Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
BuchKartoniert, Paperback
321 Seiten
Deutsch
Campus Verlagerschienen am10.11.2008
Transdisziplinäre Forschung erarbeitet Handlungsstrategien für gesellschaftliche Probleme und stößt durch die fachübergreifende Kooperation wissenschaftliche Neuerungen an. Dabei ist es Aufgabe der Forschenden dieses neuen Wissenschaftstyps, unterschiedliche Wissensfelder zu integrieren. Die Autorinnen und Autoren stellen Methoden und Theorien dieser Forschungsrichtung vor und informieren über Kriterien und Verfahren zur Bewertung transdisziplinärer Forschungsprogramme und -ergebnisse.mehr

Produkt

KlappentextTransdisziplinäre Forschung erarbeitet Handlungsstrategien für gesellschaftliche Probleme und stößt durch die fachübergreifende Kooperation wissenschaftliche Neuerungen an. Dabei ist es Aufgabe der Forschenden dieses neuen Wissenschaftstyps, unterschiedliche Wissensfelder zu integrieren. Die Autorinnen und Autoren stellen Methoden und Theorien dieser Forschungsrichtung vor und informieren über Kriterien und Verfahren zur Bewertung transdisziplinärer Forschungsprogramme und -ergebnisse.
Details
ISBN/GTIN978-3-593-38846-5
ProduktartBuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Erscheinungsjahr2008
Erscheinungsdatum10.11.2008
Seiten321 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht402 g
Illustrationen7 Abbildungen
Artikel-Nr.10971510

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
InhaltInnovation durch Integration - Eine Einleitung Matthias Bergmann und Engelbert SchrammTransdisziplinarität - Definition, Epistemologie, MethodenTransdisziplinarität in der Forschungspraxis Thomas Jahn Epistemische Qualitäten transdisziplinärer ForschungWolfgang KrohnMethodenentwicklung in der transdisziplinären ForschungChristian Pohl und Gertrude Hirsch HadornIntegration in der inter- und transdisziplinären Forschung Julie Thompson KleinQualitätskriterien und ErfolgsfaktorenAnforderungen an eine integrative und transdisziplinäre Umweltforschung Ortwin Renn Grenzüberschreitung und Integration: Die formative Evaluation transdisziplinärer Forschung und ihre Kriterien Matthias Bergmann und Engelbert Schramm Transdisziplinäre Integration in der UniversitätJasmin Godemann und Gerd MichelsenInstitutionelle Aspekte integrativer ForschungFormative Evaluation in reflexiver Forschungspolitik Jakob Edler und Stefan KuhlmannDie Gender-Dimension im Exzellenz- und Qualitätsverständnis: EU-Forschung und sozial-ökologische Forschung im Vergleich Irmgard Schultz Die Praxis der Qualitätssicherung in der NachhaltigkeitsforschungBettina BrohmannQualitätsaspekte der Administration und Begleitung transdisziplinärer Forschungsvorhaben Ingrid Balzer und Monika WächterForschungsförderung unter dem Aspekt transdisziplinärer Integrationsaufgaben Matthias Bergmann Autorinnen und Autorenmehr
Leseprobe
Innovation durch Integration - Eine EinleitungMatthias Bergmann und Engelbert SchrammTransdisziplinäre Forschung wird gesellschaftlich zunehmend anerkannt: Dies wird zunächst in der (zu euphorischen) Beschreibung einiger Wissenschaftsforscher deutlich, wonach an die Stelle einer akademisch orientierten und disziplinär verfassten Wissenserzeugung ein neuer, zweiter Modus wissenschaftlichen Arbeitens getreten sei, der sich an gesellschaftlichen Fragestellungen orientiere und durch die enge Zusammenarbeit von Forschern unterschiedlicher Disziplinen und Praktikern gekennzeichnet sei (vgl. Gibbons et al. 1994). Hier sei geradezu eine "kognitive Revolution" (Nowotny 1999) zu erkennen. Die wachsende Bedeutung des transdisziplinären Forschungsansatzes ist auch daran abzulesen, dass in Deutschland, aber auch in Österreich und zum Teil auch in der Schweiz auf der Ebene des Bundes vorrangig Forschung gefördert wird, die nicht alleine fächerübergreifende Aspekte der Wissenschaft berücksichtigt, sondern sich an gesellschaftlichen Problemstellungen orientiert und in enger Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wirtschaft, aus Kommunen, Verbänden und anderen Bereichen der Gesellschaft durchgeführt wird. Allerdings besteht auf der Seite der akademischen Wissenschaft erhebliche Skepsis nicht nur gegenüber dem in ihren Augen arroganten Anspruch des sogenannten Mode 2, sondern ganz allgemein gegenüber dem Praktizieren von transdisziplinären Forschungsansätzen. Häufig wird befürchtet, dass eine fächerübergreifende Zusammenarbeit nicht lohnend sei: Transdisziplinäre Vorhaben würden keine wirklich neuen Erkenntnisse produzieren (z. B. Weingart 2001: 341ff.), und der erforderliche Aufwand sei zudem sehr hoch. Damit korrespondiert, dass die Mehrheit der insbesondere an Hochschulen durchgeführten Forschung disziplinär ausgerichtet ist. Nur sehr vereinzelt werden, beispielsweise im Bereich der Wasserforschung, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft inter- und transdisziplinäre Forschungsprojekte beantragt. Die meisten dieser Forschungsanträge haben zudem keine Erfolgschancen. Dafür werden von den Fachleuten in der Forschungsförderung im Wesentlichen zwei verschiedene Gründe benannt. Vielen Anträgen mangelt es einerseits an einer gemeinsamen Ziel- und Fragestellung und damit auch an klar formulierten gemeinsamen Hypothesen; vielmehr werden unverbunden verschiedene Teilsysteme untersucht und unterschiedliche disziplinäre Aspekte einfach additiv aneinandergefügt, ohne dass ein gemeinsames konzeptionelles Dach zu erkennen ist (Weber 2008). Andererseits gibt es für die Gutachter, die in den sogenannten Kollegien der DFG für die Bewertung von Anträgen herangezogen werden und die - für disziplingebundene wie für inter- und transdisziplinäre Forschungsanträge - nach ihrer disziplinbezogenen Fachkompetenz ausgewählt werden, keine Vorgaben für die Begutachtung. Daher wenden die Gutachter häufig die (unterschiedlichen) Güte- und Erfolgskriterien ihrer Herkunftsdisziplinen an, sodass die Anträge einerseits keinem der angelegten disziplinären Maßstäbe genügen und andererseits in ihrer Besonderheit überhaupt nicht erfasst werden (Hornbostel/Olbrecht 2007).Angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung transdisziplinärer Forschung ist es erstaunlich, dass bisher eine Debatte über ihre Qualität und die dabei zu berücksichtigenden Kriterien kaum stattgefunden hat. Eine verhältnismäßig große Menge an deskriptivem, das Phänomen Transdisziplinarität in vielen Facetten und Meinungen darstellendem Material steht einer verschwindend geringen Zahl von Publikationen gegenüber, die sich analytisch mit dem Konzept und seinen Qualitätsanforderungen und -kriterien sowie mit spezifischen methodischen Anforderungen auseinandersetzen. Transdisziplinäre Forschungsaufgaben sind in der Regel eng auf den untersuchten, lebensweltlichen Problemkontext bezogen und werden daher oft in Form zeitlich begrenzter Projekte bearbeitet. Die daraus entstehende zeitliche Befristung von transdisziplinären Forschungskooperationen führt zu der Schwierigkeit, dass es bisher zu keiner feststellbaren Traditionsbildung gekommen ist. Es fällt schwer, sich auf bereits erprobte Herangehensweisen zu beziehen, im transdisziplinären Forschungsprozess erarbeitete wissenschaftliche Standards zu sichern und den "State of the Art" zu erkennen und aufzunehmen, weil inhaltliche und zeitliche Diskontinuität das Schaffen von Tradition und Standards behindern. Während es innerhalb von Fachgrenzen möglich ist, Qualitäts- und Bewertungskriterien quasi nebenbei zu identifizieren und weiterzugeben, erweist sich dies für eine transdisziplinäre Forschung wegen der konzeptionellen und personellen Diskontinuitäten als schwierig. Auch eine eigene Kultur dieser Forschungsform stellt sich nur schwer ein, da beispielsweise Publikationen zu Forschungsergebnissen, die transdisziplinär erarbeitet wurden, nur selten und dann meist nur ausschnitthaft in disziplinär geprägten Publikationsorganen untergebracht werden können - eigene, auf Transdisziplinarität spezialisierte und einem anerkannten Review-Prozess unterworfene Zeitschriften existieren kaum (Kueffer et al. 2007).Dennoch gibt es eine lebendige Praxis der transdisziplinären Forschung; für einzelne Forschungsfelder sind auch Good Practices benannt worden (vgl. etwa für eine regional ausgerichtete Nachhaltigkeitsforschung Luley/Schramm 2003). Aus unserer Sicht bleibt eine wissenschaftlich angeleitete Auseinandersetzung darüber, was gute transdisziplinäre Forschung ausmacht, dringend erforderlich. Das betrifft nicht nur die Bewertungskriterien für Forschungsvorhaben und für deren Ergebnisse. Wesentlich scheint uns vielmehr auch, diese Debatte so zu führen, dass die Durchführung von Forschungsvorhaben verbessert wird - von der Antragsstellung über die Instrumente und Methoden der Wissensintegration und das Projektmanagement bis hin zur Dissemination der erzielten Ergebnisse in die Wissenschaft und die gesellschaftliche Praxis. Derzeit sind zwar einige Handreichungen erhältlich, die "Rezepte" und Gestaltungsprinzipien für die Durchführung von transdisziplinären Forschungsprojekten enthalten (vgl. Defila et al. 2006, Pohl/Hirsch Hadorn 2006); das dort vermittelte "Gewusst-wie" ist jedoch nicht explizit mit dem Ringen um die transdisziplinären Gütekriterien verknüpft und nur zum Teil mit der Frage des "Gewusst-warum". Mit unserem Buch versuchen wir, Anstöße für einen solchen dringend notwendigen Diskurs und Hinweise auf dessen zentrale Themen zu geben sowie Startpunkte für die Bildung von Traditions- und Qualitätsbewusstsein aufzuzeigen. Daher betonen wir einerseits die vielschichtigen Evaluationsprozesse, andererseits den Aspekt der Integration, der nicht nur nach unserer Ansicht zentral für die Verbesserung transdisziplinärer Forschungsvorhaben und für die Qualität transdisziplinärer Forschung ist (Pohl et al. 2008: 411). Integration bezieht sich dabei nicht nur auf die soziale Integration unterschiedlicher (aus Wissenschaft und Praxis stammender) Forschungsakteure, sondern ebenso auch auf die kognitive Integration von Wissen aus verschiedenen Disziplinen und Praxisbezügen. Da in transdisziplinären Vorhaben das Wissen neu aufeinander bezogen und geordnet werden muss, ist die Frage der Integration zentral - auch für die Qualität transdisziplinärer Forschung. Erst Integration auf einer kognitiven, aber auch auf einer sozialen, einer kommunikativen, einer organisatorischen und möglicherweise auch auf einer technischen Ebene führt dazu, dass die transdisziplinäre Forschung gute Ergebnisse zu erzielen vermag. Bezogen auf diese unterschiedlichen Integrationsebenen ist eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen, zu planen und aufeinander abzustimmen, die die Integration befördern beziehungsweise behindern können. Die Beiträge dieses Bandes betrachten solche Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven und Interessen. Wissenschaftshistorische und soziologische, methodische und begriffliche Aspekte spielen dabei ebenso eine Rolle wie die an die Praxis transdisziplinärer Forschung und Lehre gebundenen Fragen nach Qualitätskriterien, ihrer Anwendung im Projektalltag und nach der Gestaltung von entsprechenden Förderprogrammen. Teilweise - wie in den Beiträgen von Christian Pohl/Gertrude Hirsch Hadorn und Julie Thompson Klein - wird sogar auf dieselben Forschungsvorhaben Bezug genommen, wobei die verschiedenen Facetten der Fragestellung nach den Erfolgsfaktoren solcher Forschung besonders deutlich werden.Ausgangspunkte für dieses Buch bilden einerseits das mehrjährige BMBF-Vorhaben "Evaluationsnetzwerk für transdisziplinäre Forschung (Evalunet)", in dem methodisch ausgewiesen und empirisch fundiert Qualitätskriterien für transdisziplinäre Forschung erarbeitet wurden, andererseits das Vorhaben "Stärkung der transdisziplinären Forschungspraxis - Synopse und Anleitung für Konzepte, Methoden und Qualitätsmanagement". In diesem Vorhaben werden derzeit auf unterschiedlichen Ebenen Methoden und Instrumente für eine zielgerichtete Planung und Durchführung integrativer transdisziplinärer Forschungsarbeit aus transdisziplinären Vorhaben gesammelt.[...]Transdisziplinarität in der ForschungspraxisThomas Jahn"Wenn uns die Probleme, wissenschaftliche wie außerwissenschaftliche, nicht den Gefallen tun, sich selbst disziplinär oder gar fachlich zu definieren, dann bedarf es eben besonderer Anstrengungen, die in der Regel aus den Fächern oder Disziplinen herausführen." Mittelstraß 2005: 19EinleitungIn einem Sinne, wie wir ihn auch heute noch verstehen können, ist der Begriff Transdisziplinarität erstmals 1970 auf der OECD-Konferenz in Nizza von Erich Jantsch (1972), einem Physiker und frühen Komplexitätsforscher, eingeführt worden. Er verstand darunter die auf gemeinsame Zwecke - common purpose - gerichtete Koordination sämtlicher Disziplinen und Interdisziplinen eines komplexen Wissenschaftssystems auf der Basis einer generalisierten Axiomatik als verbindendem Prinzip. Welche Axiomatik die theoretische Basis einer derartigen Koordination bilden soll, wurde von Jantsch nicht erörtert. Trotz dieser begrifflichen Unklarheit machte der Begriff Karriere, begleitet von wissenschaftstheoretischen und wissenschaftssoziologischen Diskussionen und Kontroversen über die unterschiedlichen Formen einer disziplinübergreifenden Wissenschaftspraxis. Eine Zwischenstation der deutschen Debatte markiert ein Symposion im Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung (Kocka 1987). Dort wurde versucht, Inter- und Transdisziplinarität auf "Disziplinarität" zu beziehen und dadurch die begrifflichen Unklarheiten zu reduzieren. Dafür schlug der Psychologe Heinz Heckhausen vor, zwischen "Fach" und "Disziplin" zu unterscheiden. Er versteht unter einem "Fach" eine Organisationseinheit von Lehre und Forschung (z. B. den "Lehrstuhl"); "Disziplinarität" definiert er demgegenüber durch deren "theoretisches Integrationsniveau" (Heckhausen 1987). Der Philosoph Jürgen Mittelstraß gibt dann der Diskussion eine neue Wendung: Er bezieht Transdisziplinarität einerseits auf Disziplinarität, andererseits auf "Probleme, die technische Kulturen, d. h. die modernen Industriegesellschaften, heute im überreichen Maße haben" (Mittelstraß 1987: 154). Einige Jahre später wird er Transdisziplinarität als eine Forschungspraxis definieren, die sich "aus ihren disziplinären Grenzen löst, die ihre Probleme disziplinunabhängig definiert und disziplinunabhängig löst" (Mittelstraß 1998: 44). Mitte der 1990er Jahre bekam diese Bestimmung einer transdisziplinären Forschungspraxis durch eine Veröffentlichung von Michael Gibbons et al. (1994) eine spezifische Anschärfung, die heftige Kontroversen auslöste: Dort wurden bestimmte Aspekte von Transdisziplinarität (Heterogenität, soziale Verantwortlichkeit und Kontextualität) zu einer neuen Weise wissenschaftlicher Wissensproduktion - Modus 2 - generalisiert und einer alten, traditionell akademischen Weise - Modus 1 - gegenübergestellt. Der Modus 2 kennzeichnet hierbei die Produktion von Wissen im Anwendungskontext, wobei die Interessen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Akteure konstitutiv in den Forschungsprozess eingehen. Die Kontroverse über diese Unterscheidung ist inzwischen weitgehend abgeklungen, sie hat aber für die Klärung des Verständnisses von Inter- und Transdisziplinarität - gerade durch ihre Übertreibungen - viel beigetragen.Parallel dazu entwickelte sich zunächst im außeruniversitären Bereich, dann in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung, der Gesundheits- und der Entwicklungsforschung eine heterogene Forschungspraxis, die sich selbst als transdisziplinär bezeichnet. Beides, die wissenschaftstheoretische beziehungsweise wissenschaftssoziologische Diskussion über neue Formen der gesellschaftlichen Produktion wissenschaftlichen Wissens und die forschungspraktische Diskussion über Ziele, Kriterien und Methoden einer als transdisziplinär bezeichneten Forschung sind dann erstmals in der vom Schweizerischen Nationalfonds, der Schweizer DFG, veranstalteten Tagung in Zürich im Februar 2000 aufeinander getroffen (vgl. Thompson-Klein et al. 2001). Von den Kontroversen dieser Tagung gingen wesentliche Impulse für die vor allem im deutschsprachigen Raum verstärkt einsetzende Diskussion über Transdisziplinarität aus, die bis heute andauert. Diese Diskussion führte allerdings nicht zu einem allgemein geteilten Verständnis von Transdisziplinarität und schon gar nicht zu einer kanonischen Definition, und vermutlich wird es eine solche, allgemein anerkannte Festschreibung auf absehbare Zeit auch nicht geben (können). Keineswegs kann eine Kanonisierung des Verständnisses von Transdisziplinarität dezisionistisch durch eine scientific community (z. B. die eines wissenschaftlichen Faches) oder durch eine Interessensgemeinschaft realisiert werden. Vielmehr wird dies nur als Ergebnis eines längeren Verständigungsprozesses möglich sein, dessen Voraussetzungen eine eigene Traditionsbildung in der transdisziplinären Forschung ebenso wie deren verbesserte Institutionalisierung sind (z. B. mit Fachzeitschriften und dem Einzug in die universitäre Lehre). Dieser Prozess ist nicht bewusst steuerbar, verläuft evolutionär und benötigt Zeit. Ebenso wenig lässt sich aber auch davon ausgehen, dass es alleine darum geht, praktische Erfahrungen abzuwarten und dann auszutauschen. Transdisziplinäre Forschung ist in unterschiedlichen Projekten auszuprobieren, zu bewerten und zu verbessern. Allerdings stehen wir damit nicht am Anfang. Wichtige empirische Erfahrungen sind bereits gemacht und reflektiert, was sich in einer zunehmenden Anzahl von Publikationen niederschlägt.Das auf der oben erwähnten Züricher Tagung ausgebreitete Spektrum an Konzepten transdisziplinärer Forschung hat in seiner Vielfalt und Widersprüchlichkeit erstmals die zentralen Fragen der Kontroverse sichtbar werden lassen:-Ist Transdisziplinarität wirklich etwas anderes als Interdisziplinarität? Wieweit ist es sinnvoll, die Unterschiede zwischen beiden Konzepten zu betonen und mit welchen Kategorien?-Ist Transdisziplinarität mehr, als den Bezug zur gesellschaftlichen Praxis in der Forschung herzustellen? Geht es dabei tatsächlich um eine Kooperationsforschung, in der Praxispartner zu gleichberechtigten Forschungsakteuren werden? -Ist es nötig und ist es ausreichend, gesellschaftliches Wissen in den Forschungsprozess einzubeziehen und welche Rückwirkungen hat dies für die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Wissenschaften?Erst im Anschluss an die Tagung in Zürich brachen diese Kontroversen auf, was die Chance eröffnet, zu einem Verständnis transdisziplinärer Forschungskonzepte zu kommen, das sowohl der Forschungspraxis angemessen ist als auch wissenschaftstheoretischen Kriterien genügt. Der sich in den Kontroversen ergebende Richtungsstreit ist auch und vor allem darauf zurückzuführen, dass Transdisziplinarität zu einem ausdrücklichen Bezugspunkt in der Forschungsförderung geworden ist, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Nicht nur in der Nachhaltigkeits- und Umweltforschung, sondern in immer weiteren Bereichen von der Klimafolgenforschung über die Gesundheitsforschung und die Bio- und Gentechnologie bis hin zur Nanotechnologie und zur Entwicklungspolitik wird deutlich, dass eine disziplinär beziehungsweise akademisch verengte Forschung die auftretenden Probleme nicht adäquat bearbeiten kann beziehungsweise dass eine vorrangig disziplinär und akademisch orientierte Bearbeitung von zahlreichen gesellschaftlichen Akteuren (einschließlich der Forschungspolitik) für nicht mehr ausreichend gehalten wird, um zu gesellschaftlich tragfähigen Problemlösungen zu kommen. Zugleich beginnt die Idee der Transdisziplinarität zunehmend auch bei der Profilbildung einzelner Hochschulen (z. B. in Lüneburg und in Oldenburg) und von etablierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine Rolle zu spielen. Auch das hat selbstverständlich Rückwirkungen auf den Diskurs über Transdisziplinarität.Die Besonderheiten der transdisziplinären Forschung, aber auch die Frage nach ihrem wissenschaftlichen Status und ihrer Qualität gewinnen mit dieser verstärkten transdisziplinären Orientierung großer Institutionen an praktischer Bedeutung. Was hier grob für eine breitere Forschungslandschaft von der Klimafolgenforschung bis zur Entwicklungspolitik skizziert ist, lässt sich wie in einem Brennspiegel in der Entwicklung und der Ausbildung der sozial-ökologischen Forschung finden (vgl. Jahn et al. 2000). Diese bündelt Reflexivität der Forschungspraxis, besondere Problemzugänge und fachübergreifende Problembearbeitung (vgl. Becker/Jahn 2006). Aus diesen Erfahrungen heraus wurde die im Folgenden dargestellte Konzeption entwickelt, die einerseits den realen Zustand der transdisziplinären Forschung widerspiegelt, andererseits die Möglichkeit eröffnet, sich auf ein geteiltes Grundverständnis zu einigen.mehr

Autor

Matthias Bergmann, Dr. Ing., arbeitet am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Er und Engelbert Schramm, Dr. rer. nat., sind Mitarbeiter am ISOE in Frankfurt.
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