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'Ein Proll mit Klasse'

Mode, Popkultur und soziale Ungleichheiten unter jungen Männern in Berlin. Dissertationsschrift - Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
BuchKartoniert, Paperback
532 Seiten
Deutsch
Campus Verlagerschienen am10.09.2013
Die umgangssprachliche Rede vom "Prolligen" verdeutlicht, wie im alltäglichen Kommentieren von Kleidung, Körperhaltung oder Frisur die wechselseitige Antipathie von sozialen Gruppen mitverhandelt wird. Wie hängen die eigenmächtige Stilisierung als "Proll" und die feindselige oder spöttische Etikettierung von außen zusammen? Was bedeutet zum Beispiel die Aussage, man sei "auch nur ein Proll, aber ein Proll mit Klasse"? Auf der Grundlage ethnografischer Forschung bietet Moritz Ege Einblicke in solche "Klassifikationskämpfe" und in die Lebenswirklichkeit junger Männer, deren proletenhafte Stilpraxis als Bedrohung und Provokation wahrgenommen wird. Dadurch kommen erstmals junge Erwachsene selbst zu Wort, die sonst nur Gegenstand von Debatten um gesellschaftliche Entwicklungen sind.mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR35,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR31,99

Produkt

KlappentextDie umgangssprachliche Rede vom "Prolligen" verdeutlicht, wie im alltäglichen Kommentieren von Kleidung, Körperhaltung oder Frisur die wechselseitige Antipathie von sozialen Gruppen mitverhandelt wird. Wie hängen die eigenmächtige Stilisierung als "Proll" und die feindselige oder spöttische Etikettierung von außen zusammen? Was bedeutet zum Beispiel die Aussage, man sei "auch nur ein Proll, aber ein Proll mit Klasse"? Auf der Grundlage ethnografischer Forschung bietet Moritz Ege Einblicke in solche "Klassifikationskämpfe" und in die Lebenswirklichkeit junger Männer, deren proletenhafte Stilpraxis als Bedrohung und Provokation wahrgenommen wird. Dadurch kommen erstmals junge Erwachsene selbst zu Wort, die sonst nur Gegenstand von Debatten um gesellschaftliche Entwicklungen sind.
Details
ISBN/GTIN978-3-593-39947-8
ProduktartBuch
EinbandartKartoniert, Paperback
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum10.09.2013
Seiten532 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht656 g
Illustrationen17 Abb. s/w und in Farbe
Artikel-Nr.29005427

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
InhaltI. Teil: Figuren ästhetischer Differenz und sozialer Ungleichheit: Ein Problemaufriss1. "Prolls" überall: Alltägliche Semantiken einer FigurDas Vorhaben: Eine Kulturanalyse von Figurierungsprozessen auf mehreren Ebenen2. Kulturanalyse von Figurierungsprozessen: Zur MethodologieKulturanalyse: ein kritisch-realistischer Ansatz Figuren, Figurierungen, Figurationen Figuren in der kulturwissenschaftlichen Forschung Thesen zur Theorie der kulturellen Figur Zwischenfazit 3. Schlaglichter: Stationen einer FigurierungsgeschichteAnfänge: Figuren-Benennungen in Deutschland Der Hooligan Eckensteher, Straßenjungen, Halbstarke Das Proletariat Zur sozialwissenschaftlichen Figurierung: die "focal concerns" der Unterschichtsjugendkultur Die Realschullinie: Teenager und Halbstarke Populäre Kultur und Figuren des Vulgären Soziale, politische und symbolische Entproletarisierung Zwischenfazit Punk und die Schwelle zur Postmoderne4. Forschungsstand: Jugend/sub/kulturenJugendsubkulturen heute Stil: Kohärenz und Fragmentarität "Double Articulation" Sozialität/Vergemeinschaftung "Techno-Tracys" und die Hipness-Ökonomie "Chavs" als konsumgesellschaftliche Figur der PrekaritätII. Teil: Berliner Figuren: Ein jugendsubkulturelles Figurierungsfeld1. Eine post-proletarische StadtProll-Sein: Eine Stilfrage? 2. Methoden: Eine ethnografische KulturanalyseBei/mit Picaldi Eiertanz und Einverständnis Informelle Gruppen: Tempelhof und Pankow Stadt-, medien- und kleidungsethnografische Methoden Gender-Fokus: junge Männer und Männlichkeiten3. Picaldi-Style: kontroverse Hosen & Figuren"Von Kreuzberg in die Charts: Die Picaldi-Story" Karottenjeans und Männer-Körper Picaldi und Prestige Relationen/Relationalität Picaldi-Hass "Authentische Kommodifizierung" Von Zuckerfest bis Jugendweihe Territoriale Wahrnehmungsästhetiken Sozialstruktur der Picaldi-Kundschaft "Früher eher baggy, jetzt normal Gangster" Gangsters und Gangstas Kanaken-Style Player und Playboys Styler Atzen-Style "Prollig" und "Prolls" Berliner Figuren (Zwischenfazit) Einschub: Methodenfragen Transversale Diffusion und gespenstische AffinitätIII. Teil: Proll-Figuren in gesellschaftlichen Diskursen1. What is being made of some people2. Figurierungs-Komplexe: Zeitungen und PopkulturZeitungen: Inhalts- und Diskursanalyse Assoziationen/Sympathien Einstellungen Antonyme Typologien "Metaerzählungen" Performativität und Antagonismen3. "Der weite Kosmos des Proll-TV": Die Knowingness der populären KulturFiguren, Formate und Personen Figurierungs-Reflexivität Von den Proll-Figuren der "Unterschichtfernsehen"-Debatte zur Sozialdisziplinierung? Der Deutsch-Rap-Komplex Bushido und die "Proll-Schiene" Sido: Der Straßenjunge als "asozialer Proll und Prolet" Fazit: Deutsch-Rap-KomplexIV. Teil: Stil und Selbst-Figurierung zwischen Eskalation und Reflexivität1. Individuelle Stil-Praktiken und gemeinsame kulturelle ThemenKleidung und Stil: Forschungsperspektiven2. De-/Eskalation durch Stil: Figurierungsgeschichten und KontexteMesut Robbie Territoriale Gesten und Ästhetiken Tarek Ein Recht auf Ambivalenz? Zwischenfazit Drei Arten von "Möchtegerns"3. Reflexivität, Reflektiertheit und die Stilisierung des "Prolligen"Yusuf - Jörg - Reflexive Prolls und reflektierte Proleten- Tim -Repertoirisierung und Distanzierung des "Prolligen" - Repertoirisierung: Formen, Funktionen, Politiken - Yusuf: Switching als Selbstbehauptung -Performative Repertoirisierung: Diskurs-Figuren - Repertoirisierung und Reflexivität: ethnografisch-kulturanalytisches FazitResümee und Schlussbetrachtungen - Verkörperungen: Figuren von Prekarität, Gefährdung und Stärke - Die Proll-Figur: Benennungen und Figurierungen - Benennungen: Eine unabgeschlossene ResignifizierungAnhangEinige Macht- und RepräsentationsfragenNähe und Distanz: akzeptable Inkompetenz und das "Auto-Ethno-Kontinuum"LiteraturDanksagungmehr
Leseprobe
1. "Prolls" überall: Alltägliche Semantiken einer Figur In einer Gesellschaft, die sich als demokratisch-egalitär orientiert versteht, sich aber auch als heterogen und sozial polarisiert beschreiben lässt, sind Unterschiede in der Stilisierung der alltäglichen Lebensführung, der Kleidung, den Körperhaltungen oder Frisuren in unübersichtlicher Art und Weise mit sozialen Ungleichheiten und ihren politisch-moralischen Überformungen verwoben. In der Figur des "Prolls" und in der Rede über "das Prollige" werden die Ambivalenzen des alltäglichen Umgangs mit sozialen Ungleichheiten und ästhetischen Differenzen in besonderer Weise sichtbar. Die Funktionsweisen solcher kultureller Verdichtungen, vor allem unter Jugendlichen, sind Gegenstand dieser Studie und werden an exemplarischen Fällen untersucht. Die folgenden Schlaglichter auf vier kurze Szenen und Sachverhalte führen in die Thematik ein, indem sie verschiedene Verwendungen dieser Figur und mit ihnen verbundene Ambivalenzen illustrieren. Die erste Szene spielt bei Casa, einem kleinen Jugendmode-Geschäft in der Heinz-Galinski-Straße in Berlin-Wedding. "Wir wollen mehr so das Prollige", sagt Cengiz, der Verkäufer, beim Erklären dessen, was die Eigenmarke ausmacht, und zeigt auf ein T-Shirt, auf dem "Casa" steht. "Casa, italienisch für Villa", erklärt der Mittdreißiger, der ein fein rasiertes O-Bärtchen trägt, einen glitzernden Ohrring und auf dem Kopf eine Base-Cap, die über und über mit dem Logo von Dolce & Gabbana bedruckt ist. 23 Euro kosten die Jeans hier. Nächste Woche, erzählt der Verkäufer, tritt der Weddinger Gangsta-Rapper "Massiv" mit Casa-Sachen bei einer Livesendung auf MTV auf. Davon erhofft man sich einiges. Was Cengiz mit "prollig" meint? Er zuckt mit den Schultern und zeigt auf den T-Shirt-Druck, "Na, hier, so halt". Er zeigt auf die großen, silbernen Lettern. "Bei Hugo Boss oder so ist das Logo nur klein; hier ist es sehr groß. Das ist der Unterschied, das Prollige". Sein eigener Look mit der Dolce & Gabbana-Cap (also von einer Marke, deren kulturelle Wertigkeit mir ein Modejournalist später als "edel-prollig" erklärt) verkörpert selbstbewusst, was er verkauft. Mit dieser Kennzeichnung evoziert er eine kulturelle Figur. Konkret verweist er zunächst auf einen ästhetischen Gestus, der mit einem demonstrativen Ausstellen zu tun hat. In diesem Sinn geht es beim "Prolligen" um eine Stilisierung, die bewusst mit der Verkörperung eines kulturellen Typus (des "Prolls") spielt. "Prollig" bezeichnet dann einen der Figur entsprechenden kulturellen Code beziehungsweise das Stereotyp eines solchen Codes oder Registers. Zugleich stehen die Casa-Produkte nicht nur für eine Geste, sondern für einen ganz speziellen subkulturellen Stil, den Jugendliche "Picaldi-Style" (nach einer lokalen Jeansmarke), "Kanaken-Style", "Ghetto-Style", "Proll-Style" oder "Gangsta-Style" nennen und der zu einer spezifisch Berliner jugendkulturellen Figuration gehört, die ich in dieser Arbeit beleuchten und auf verschiedenen Ebenen kontextualisieren werde. Bushido, der erfolgreichste deutsche Rapper und Inbegriff jenes Stils, nannte seine Ästhetik jedenfalls ganz in diesem Sinn die "Proll-Schiene". Während Cengiz mit dem "Prolligen" primär einen ästhetischen Gestus bezeichnet, eine Stilisierungsabsicht, spielt das Wort "Proll-Style" - die Bezeichnung "Ghetto-Style" macht es noch deutlicher - mehr oder weniger indirekt auch auf eine soziale Position an, auf "Unterschichten" im weiteren Sinn. Ihnen gehören auch die meisten von Cengiz' Kunden an, die im Berliner Bezirk Wedding leben, einem ehemaligen Arbeiterviertel in einer deindustrialisierten, multiethnischen Stadt. Die soziale Verortung des "Prolligen" bleibt in Wortverwendungen wie der bei Cengiz jedoch in charakteristischer Weise vage und mehrdeutig, da die großen Logos und das in einem positiven Sinn als "prollig" verstandene "Protzen" mit der Marke auch unter wohlhabenden Berühmtheiten verbreitet ist, die gewiss keine "Unterschicht" repräsentieren. Ohnehin macht Letzteres eine hochgradig problematische, von Wertungen überformte Kategorie aus. Trotzdem stellt sich angesichts solcher Ambivalenzen die Frage, ob "das Prollige", wie es Cengiz präsentiert und verkauft, nur ein stilisierter Gestus ist, oder ob darunter nicht auch ein Habitus verstanden wird, der von den Akteuren selbst nur sehr schwer bewusst gesteuert werden, anderen aber als Anhaltspunkt für soziale Klassifikationen dienen kann. Die zweite Szene findet im Internet unter Jugendlichen statt, die ihren eigenen Stil gerade nicht als "prollig" bezeichnen. Hier geht es weniger um Stilisierung als um eine Etikettierung von außen. "Ein Phänomen der aktuellen Jugendgeneration ist aber sicherlich die Verprollung , die man imo (in my opinion, Anm.) durchaus besorgt betrachten muss", schreibt ein Jugendlicher auf der Diskussionsseite einer Tanzschule in Berlin-Reinickendorf, einem eher kleinbürgerlich geprägten Bezirk (30.8. 2006). "Was bedeutet Kindheit heute?", hatte ein anderer Teilnehmer, ein Mittänzer und Student, für ein Uni-Referat ins Forum hinein gefragt. Darauf kamen vor allem kulturpessimistische Antworten, wie auch der Fragesteller bald bemerkt. "In der schule kommen kleine prolls mit dem messer an und wollen dich abziehen", schreibt ein junger Mann in seiner Stichwortliste (Kleinschreibung aus dem Forum übernommen). Die Klage steht zwischen "bei der schwester von nem freund rauchen welche in der dritten klasse" und dem Eintrag "zerbrochene Familien" (31.8. 2006). Ein weiterer Jugendlicher stimmt zu, auch er konnte in seiner Schule "eine ständig steigende Verprollung feststellen", die er unter anderem mit einem "Trend zum Ausschalten des Gehirns" verbindet. Eine Forumsteilnehmerin beschreibt die "Verprollung" unter sich exzessiv schminkenden Schülerinnen und setzt diesem neuen, nunmehr offenbar dominanten Typus den früheren "alternativen" Charakter der Schule entgegen: früher war die Schule (links-)alternativ, heute ist sie "verprollt". Die sogenannten "Prolls" geben hier also Anlass zu zeitdiagnostischen Klagen über bedrohliche oder doch zumindest bedauerliche Entwicklungen. Viele Beschwerden speisen sich aus wiederkehrenden städtischen Interaktionssituationen, vor allem im öffentlichen und halböffentlichen Raum, und häufig aus dem Hörensagen (was der "Schwester von nem Freund" widerfuhr etc.): Die "Prolls" belästigen nicht nur durch Anpöbeln und Abziehen, sondern auch durch lautes Musikhören auf dem Handy, bevorzugt Deutsch-Rap oder Hip-Hop: Im Bus "kamen dann zwei Prolls (ca. 18 Jahre alt) an" und setzten sich neben ein älteres Ehepaar, das sie mit lauter Musik mit vulgären Texten provozierten, so zumindest der Autor, der beobachtete, dass die "Prolls" "mit den Händen quasi Trichter formten", um den Schall in Richtung des Ehepaars zu leiten. Als "pervers", "gehässig" und "respektlos" und "traurig" bezeichnete der Tänzer die Jugendlichen. Hier sind die "Prolls" eine kategorial andere, als sozial und moralisch unterlegen gekennzeichnete Gruppe, die zugleich offenkundig als bedrohlich empfunden wird. Wer die jugendkulturelle Szenerie ein wenig kennt, vermutet, dass hier vornehmlich von (post)migrantischen Jugendlichen die Rede ist, für die "Prolls" nicht selten als gewissermaßen euphemistisches Codewort dient, auch wenn sich die Bedeutung darin nicht erschöpft. Das Wort verweist also nicht nur, wie in der ersten Szene, auf einen stilistischen Modus, sondern zugleich auf einen sozialen Typus, der mit absichtlicher "Verblödung" und Bildungsabstinenz, aber auch mit Dominanz und Aggression verbunden wird. Gerade diese Konstellation verkörpert demnach das "Prollige". Bedrohlich ist dieser Typus nicht nur in konkreten Interaktionssituationen, sondern auch deshalb, weil er die Gegenwartskultur zunehmend zu prägen scheint. Die Proll-Figur, von der hier die Rede ist, wird nicht nur in der Schule beobachtet, man kennt Ähnliches auch aus Reality-Sendungen im Fernsehen, aus Rap-Texten, aus der Satire und vielen anderen Quellen. Das dritte Schlaglicht liegt nicht auf einer einzelnen Szene, sondern richtet den Blick auf Wörterbücher, die den Anspruch haben, den dominanten gesellschaftlichen Sprachgebrauch abzubilden. In den Wörterbüchern - beispielhaft im Duden (2000) - werden (vorgeblich) klare Definitionen der fraglichen Vokabeln angeboten, die vorwiegend auf schlechtes Verhalten abheben. Proll, der; -s, -s [zu Prolo] (salopp, bes. Jugendspr., abwertend): ungehobelter, ungebildeter, ordinärer Mensch; Prolet (2): So muss der P. von Welt heute aussehen: lange Haare [...], blonde Strähnen, Goldkettchen und stets die Kippe in der Pranke (Hörzu 8, 1996, 29). prol|lig (salopp, bes. Jugendspr., abwertend): proletenhaft. prolo [indirekt Adj.] [zu Prolet] (salopp, bes. Jugendspr., abwertend): proletenhaft, unfein, ungehobelt, ordinär [Bsp. aus Spiegel, 1993] Die Semantik ist an dieser Stelle eine behaviorale: Es geht vor allem um schlechtes Benehmen. Definitionen wie dieser Eintrag im Duden erwecken den Eindruck, als sei die soziale Zuordnung - die Herleitung vom "Proletariat" - gänzlich verschwunden, als ginge es hier ausschließlich um Benehmensfragen. Stärker präsent sind die sozialen Resonanzen in solchen Quellen noch beim ebenfalls umgangssprachlich geprägten Wort "Prolet". Ihm weisen die Duden-Lexikographen zwei klar voneinander unterschiedene Bedeutungen zu, eine deskriptive, die sie als umgangssprachlich und veraltend kennzeichnen, und eine "abwertende": den Menschen ohne Manieren. Pro|let, der; -en, -en [rückgeb. aus Proletarier]: 1. (ugs. veraltend) Proletarier (1): Die alten Genossen hatten also Recht: Man kann etwas erreichen, auch wenn man nur ein kleiner P. war (Kühn, Zeit 158). 2. (abwertend) jmd., der keine Umgangsformen hat: er ist ein richtiger P.; wenn ich irgendjemand nett finde, wenn es nicht gerade ein P. ist, tanze ich gerne mit ihm (Fichte, Wolli 238); jmdn. als -en beschimpfen. (2000) Mit den Adjektiven "proletarisch" und "proletenhaft" scheint eine säuberliche Trennung dieser Bedeutungen auf zwei unterschiedliche Worte gegeben: "proletarisch" wird ohne abwertende Beispiele aufgeführt; zu "proletenhaft" findet sich folgende Zuordnung: "pro|le|ten|haft (abwertend): sich wie ein Prolet (2) verhaltend; ungebildet u. ungehobelt: ein -es Benehmen; sich p. aufführen". Sich proletenhaft zu verhalten, erinnert demnach nur an den Menschen ohne Manieren, nicht aber an den Proletarier. Im Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (Berlin: Akademie, 1984), dem größten lexikalischen Werk der DDR, findet sich dagegen folgender Eintrag, der den "abwertenden" Aspekt unmittelbar nicht nur an das soziale Substrat - die Arbeiter - rückbindet, sondern auch eine weitere Einheit einführt, nämlich einen sozial charakterisierten typischen Sprecher: "Prolet, der: Kurzw. f. Proletarier; in der Klassengesellschaft von der Bourgeoisie diskriminierend gebraucht".mehr
Kritik
"Eine Referenzstudie, die mit der Komplexität, Feinheit und Sensibilität ihrer dichten Beschreibung postproletarischer Stile Maßstäbe setzt.", H-Soz-u-Kult, 17.01.2014mehr

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