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Kriegsspuren

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
298 Seiten
Deutsch
Klett-Cotta Verlagerschienen am19.03.20161. Auflage 2016
»Die Kölner Journalistin hat sich umgehört unter ihren Landsleuten. Entstanden ist dabei eine Art Collage kurzer Psychogramme der deutschen Seelenlage, gespeist aus Interviews mit Politikern, Managern, Journalisten, Schriftstellern und Wissenschaftlern.« Thomas Speckmann, Die Welt Unter German Angst verstehen wir eine Mischung aus Mutlosigkeit und Zögerlichkeit, gepaart mit Zukunftsängsten und einem extremen Sicherheitsbedürfnis. Sie ist eine Altlast des Zweiten Weltkrieges und das Resultat einer nicht aufgearbeiteten Trauer über die Leiden, die der Krieg und seine Folgen verursacht haben. Dabei könnten wir eine Menge tun, um die German Angst zu überwinden. Und das wäre nicht einmal teuer. »Ein Gespenst geht um in Deutschland, die German Angst. Die Kölner Autorin Sabine Bode hat diese spezielle Mischung diffuser Gefühle des Bedrohtseins, der Angst vor dem Rückfall in die Barbarei und der Verelendung sehr eingehend untersucht.« Peer Steinbrück

Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann als Redakteurin beim »Kölner Stadt-Anzeiger«. Seit 1978 arbeitet sie freiberuflich als Journalistin und Buchautorin und lebt in Köln. Sie ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet seelischer Kriegsfolgen. Ihre Sachbücher »Die vergessene Generation«, »Kriegsenkel«, »Nachkriegskinder« und »Kriegsspuren« sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

Klappentext»Die Kölner Journalistin hat sich umgehört unter ihren Landsleuten. Entstanden ist dabei eine Art Collage kurzer Psychogramme der deutschen Seelenlage, gespeist aus Interviews mit Politikern, Managern, Journalisten, Schriftstellern und Wissenschaftlern.« Thomas Speckmann, Die Welt Unter German Angst verstehen wir eine Mischung aus Mutlosigkeit und Zögerlichkeit, gepaart mit Zukunftsängsten und einem extremen Sicherheitsbedürfnis. Sie ist eine Altlast des Zweiten Weltkrieges und das Resultat einer nicht aufgearbeiteten Trauer über die Leiden, die der Krieg und seine Folgen verursacht haben. Dabei könnten wir eine Menge tun, um die German Angst zu überwinden. Und das wäre nicht einmal teuer. »Ein Gespenst geht um in Deutschland, die German Angst. Die Kölner Autorin Sabine Bode hat diese spezielle Mischung diffuser Gefühle des Bedrohtseins, der Angst vor dem Rückfall in die Barbarei und der Verelendung sehr eingehend untersucht.« Peer Steinbrück

Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann als Redakteurin beim »Kölner Stadt-Anzeiger«. Seit 1978 arbeitet sie freiberuflich als Journalistin und Buchautorin und lebt in Köln. Sie ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet seelischer Kriegsfolgen. Ihre Sachbücher »Die vergessene Generation«, »Kriegsenkel«, »Nachkriegskinder« und »Kriegsspuren« sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783608109535
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum19.03.2016
Auflage1. Auflage 2016
Seiten298 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1862184
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Vorwort zur Neuausgabe

German Angst ist Teil der langen Schatten unserer Vergangenheit, ein Erbe kollektiver Erfahrungen durch Nationalsozialismus, Holocaust, Krieg und Vertreibung. Dem Erbe entwuchsen drei Bekenntnisse, die mit »nie wieder« anfangen: Nie wieder Krieg. Nie wieder Auschwitz. Nie wieder Rassist sein. Es sind Halbsätze, die reflexhaft eine ideologische Rhetorik entfachen können. Meiner Ansicht nach liegt der German Angst vor allem die Angst vor Verelendung und einem Rückfall in die Barbarei zu Grunde. Sie ist nicht immer leicht zu erkennen. Ihr augenfälligstes Merkmal ist Zukunftsangst. Wäre ich Anfang 2015 gefragt worden, wie es denn um die German Angst bestellt sei, ich hätte geantwortet: Die Gesellschaft zeigt sich angstfreier als von mir erwartet, und sie wird kaum noch von Schwarz-Weiß-Denken gesteuert. Die vergangenen zehn Jahre haben viel verändert.

Wahrscheinlich wirkt sich kollektiv aus, dass in vielen Familien offener über die Vergangenheit gesprochen wird - eine Gegenbewegung zu dem großen Schweigen, das seit Kriegsende Verstrickungen in das NS-Regime zudeckte, weil der gute Familienname nicht durch einen Makel Schaden nehmen sollte. Ein Schweigen, das eine Auseinandersetzung mit persönlicher Schuld nicht aufkommen ließ, aber auch die Erinnerungen an schwere Verletzungen, Entwürdigungen und Verluste auf Abstand hielt.

Der Nebel lichtet sich, und daran haben vor allem jene 40- bis 60jährigen Deutsche einen großen Anteil, die sich »Kriegsenkel« nennen. Sie stellen ihren Eltern unbequeme Fragen, forschen in Archiven nach, sie tauschen sich in Selbsthilfegruppen und in Netzwerken aus. Sie tun es, weil sich herumgesprochen hat, wie befreiend es sein kann, wenn Familiengeheimnisse und Ungereimtheiten keine Verwirrung mehr stiften. Tiefgehende Ängste, die man sich nicht erklären konnte, lösen sich auf - auch Gefühle der Heimatlosigkeit, mangelnde Empathie oder vielleicht die Scheu, eine eigene Familie zu gründen. Eine Entblockierung hat stattgefunden.

Wer sein Verhältnis zu seiner Familienvergangenheit geklärt hat, kann unbefangener in die Zukunft schauen. Die Erwartung, von dort könne nur Übles kommen, klingt nach und nach ab. Das gibt Kraft, auch Kraft für gesellschaftliches Engagement.

Wenn Angehörige der Kriegskinderjahrgänge sich dagegen zu gravierenden sozialen Missständen äußern, dann überwiegend im Sinne von: Man muss eben warten, bis alles zusammenbricht. Erst dann wird sich in diesem Land etwas ändern. Sie glauben, dass alle Menschen so denken. Der »Totalzusammenbruch«, wie sie es nennen, ist Teil ihrer prägendsten Kindheitserfahrungen, und in der Tat, erst danach ging es wieder bergauf. Solchen Menschen fehlt es an Vertrauen in gesellschaftliche Entschlossenheit, die eine Katastrophe rechtzeitig abwendet und zum Guten führt. Ihnen mangelt es an Vertrauen ins Leben schlechthin.

Im Rückblick auf die vergangene Dekade macht sich ein Generationenwechsel bemerkbar. Den Jüngeren fällt es leichter, mit Stress umzugehen, und sie argumentieren weit weniger ideologisch, als Menschen der Kriegskindergenerationen, deren aktive Zeit als Politiker in etwa mit der Abwahl von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Ende ging. So ungefähr war meine Einschätzung noch vor zwölf Monaten: Die Bevölkerung hat die Finanzkrise und die damit einhergehenden Verluste verblüffend gelassen aufgenommen. Sie hält die Probleme, die Griechenland aufwirft, im Grunde für unlösbar, aber ein Auseinanderbrechen der EU für kaum denkbar. Sie schaut mit Sorgen hinüber zum Krisengebiet Ukraine, aber von Kriegsangst, die früher bizarre Formen annehmen konnte, keine Spur. (Ich erinnere mich noch gut daran, dass 1991 in meiner Heimatstadt Köln wegen des ersten Irakkrieges der Rosenmontagszug abgesagt wurde).

Als dieses Buch 2006 erschien, hatten die Deutschen gerade wochenlang das Sommermärchen der Fußballweltmeisterschaft gefeiert. Zur großen Überraschung aller herrschte nach vielen Jahren der Griesgrämigkeit zum ersten Mal wieder gute Stimmung im Land. Schlechtes Timing für einen Titel über »German Angst«. Seit der Wiedervereinigung hätte ich eigentlich wissen müssen, dass sich in Deutschland von einem Tag auf den anderen alles ändern kann. Aber, mit schwarz-rot-goldenen Fähnchen an den Autos, mit Dauerparty und Sonnenschein, mit einem derartigen Stimmungsumschwung hatte ich natürlich nicht gerechnet. Schon gar nicht, dass etwas Triviales wie Fußball einen Dammbruch auszulösen vermag und nicht derart Umwälzendes wie 1989 der Sieg über die Betonköpfe einer Einheitspartei.

Tatsächlich hat der unaufgeregte Regierungsstil von Angela Merkel ein Wunder vollbracht. Es ist ihr gelungen, große Teile der Bevölkerung, die sich über eine lange Periode ständig durch Katastrophen bedroht sahen, was alle - auch die seriösen Medien befeuerten, in kurzer Zeit zu beruhigen. Hierfür bediente sie sich bewusst einer nebulösen, einlullenden Sprache. Es hat funktioniert. Das, was sie erbte, war ein schwerwiegendes Problem. Sie musste lernen, mit einem Kollektiv umzugehen, in dem vagabundierende Ängste nicht als solche entlarvt, sondern für berechtigt gehalten wurden. Die Antwort der Kanzlerin auf German Angst war eine Mischung aus Nüchternheit, Beschwichtigung und Verschwiegenheit. Stets wurde gerätselt, was sie vorhatte.

Als sie 2002 zum ersten Mal mit Gerhard Schröder um die Kanzlerschaft rang und verlor, hatte sie noch Klartext geredet. Als sie beim nächsten Anlauf vier Jahre später als Siegerin hervorging, kamen pointierte Ansagen in der Innenpolitik für sie nicht mehr in Frage. Ihre Sprache wurde ungenau, unschön, einschläfernd.

Ein typischer Merkel-Satz klang so: »Viele Menschen werden heute an ihrem Einsatz, am Einbringen ihrer Möglichkeiten gehindert«. Auch ging sie gern mit Sprachwolken an die Öffentlichkeit. Da heißt es in ihrer Regierungserklärung 2010: »Die meisten Menschen haben nicht den Eindruck, dass wir heute über die Möglichkeiten verfügen, weltweit das zu vertreten, was uns an sozialem Ausgleich der freien Wirtschaft - in Form der sozialen Marktwirtschaft - wichtig ist, sondern sie haben Angst, dass davon für sie nichts mehr übrig bleibt.« Normalerweise würde man denken, da habe sich jemand im Eifer des Gefechts verstiegen, aber bei Angela Merkel war die verschleiernde Sprache Strategie. Hauptsache, das was sie sagte, war nicht zitierfähig. Sie wollte verhindern, mit Merksätzen Schlagzeilen zu machen. Sie wollte eben auf keinen Fall Aufregung auslösen.

Noch etwas anderes unterschied sie von Basta-Politiker Schröder. Anders als ihr Vorgänger wusste sie, wie leicht man bei den Deutschen allein mit der Ankündigung tiefgreifender sozialer Veränderungen Angst und Panik auslösen konnte, also verschonte sie ihre Mitbürger damit. Sie behielt recht und sie behielt die Macht. Schröder dagegen, dem die Medien jahrelang »Reformstau« vorgeworfen hatten, brachte die Hartz IV-Gesetze auf den Weg, mit der allseits bekannten Folge seiner Abwahl. Es war ein politischer Schnitt, der dazu beitrug, dass nach und nach die hohen Arbeitslosenzahlen zurückgingen. Schröder hatte nichts mehr davon. Auch hier war Angela Merkel die Gewinnerin.

Ihre Beliebtheitswerte stiegen, weil eine Mehrheit in der Bevölkerung ihr glaubte, es gebe keine Politik der gravierenden Versäumnisse, im Gegenteil, das Land sei gut in Form. Ihre Art zu regieren, ohne allzu viel von den Bürgern zu fordern, versprach Kontinuität. Die Bundeskanzlerin hatte sich zur Bundesmutter entwickelt, mit der Kernbotschaft: Macht euch keine Sorgen. Ich kümmere mich darum, dass alles so bleibt wie es ist - dass es uns in Deutschland weiterhin gut geht und wir uns sicher fühlen. Gemeinsinn und Selbstverantwortung werden auf diese Weise nicht gefördert. Doch die harten Fakten gaben Angela Merkel schließlich Recht. Deutschland hatte sich wirtschaftlich weit schneller von der Finanzkrise erholt als andere EU-Länder.

Der nächste, der im Wahlkampf gegen sie antrat, ihr Finanzminister Peer Steinbrück, sah Deutschland hingegen in einer Schieflage, er sah Krisen auf die Gesellschaft zukommen, die den sozialen Frieden und letztlich auch die Demokratie massiv gefährden könnten. Er machte sich große Sorgen um die wachsende Gruppe der »Bildungsfernen«, ein Begriff, der erst in jenen Jahren in den Sprachgebrauch kam. Steinbrück verwies darauf, dass eine immer größer werdende Minderheit mit prekären Arbeitsverhältnissen zurecht kommen müsse, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffne. Doch er verhielt sich ungeschickt, Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit wurden laut. Sein Thema war soziale Gerechtigkeit, doch sein Appell an die Wähler, hierfür Verantwortung zu übernehmen, drang nicht durch. Ein Prophet des Unheils hat keine Chance, wenn die Mehrheit findet, dass die Dinge rund laufen.

Angela Merkel hat immer wieder gesagt, sie nehme die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung ernst. Dass dies nicht nur daher gesagt war, zeigte sich, als sie den Atomausstieg durchsetzte. Noch so eine Überraschung.

Und dann 2015, im Herbst, WIR SCHAFFEN DAS. Ein Appell der Kanzlerin an Gemeinsinn, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl. Er hat umgehend gezündet. Ein neues Wort für etwas bisher nicht Dagewesenes tauchte auf »Willkommenskultur.« Als erstmals die Flüchtlinge zu Tausenden in München eintrafen, waren die freiwilligen Helferscharen aus der Mitte der Gesellschaft schon vor Ort. Sie zeigten Empathie, unübersehbar, es war ihnen ein Herzensanliegen. Anders, als in den 1990er Jahren, als die Flüchtlinge aus dem Balkankrieg bei uns ankamen. Zwar war auch damals die Hilfsbereitschaft groß, doch sie wurde weitgehend durch Mitarbeiter und...
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Sabine Bode, Jahrgang 1947, begann als Redakteurin beim »Kölner Stadt-Anzeiger«. Seit 1978 arbeitet sie freiberuflich als Journalistin und Buchautorin und lebt in Köln.Sie ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet seelischer Kriegsfolgen.Ihre Sachbücher »Die vergessene Generation«, »Kriegsenkel«, »Nachkriegskinder« und »Kriegsspuren« sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.