Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
624 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am01.10.2012
Vom ganz gewöhnlichen Wahnsinn eines genialen Verlierers
»Ich war nicht der Verrückteste. Ich war nur der Zweitverrückteste. Mein Name ist Bernhard Hval. Und ich habe mehr Unheil angerichtet, als du dir auch nur annähernd vorstellen kannst.« Und dieser Herr Hval bleibt sich treu bis zum Schluss. Die Festrede zum 80. Geburtstag hält er sich lieber gleich selbst. Sie ist sein Vermächtnis. Und da soll ausnahmsweise mal alles sitzen. Dass seine Lebensgeschichte die Länge eines Romans annimmt, ist nur folgerichtig. Im Jahr 1900 geboren wächst er auf Besserud in Kristiania als Einzelkind auf. Er macht eine Ausbildung als Arzt und wird der Beste seines Jahrgangs. Doch Zwangsvorstellungen und bestimmte Unarten, Ticks, erschweren ihm die Ausübung des Arztberufs. Er war am besten bei den Toten, wie es hieß, heuerte deshalb bei den Pathologen an. Nun sitzt er in seiner Wohnung im Skovveien in Oslo und schaut auf ein ganzes Jahrhundert zurück. Er erzählt von einer außergewöhnlichen Dreiecksbeziehung, zwischen ihm selbst, seiner robusten Frau Sigrid und Notto Fipp - einem Sonderling wie er, einem äußerst sonderbaren Geher aus der Telemark, der nach dem Motto lebt: »Wenn ich gehe, denke ich weniger.« Bernhard Hval wird sein Leibarzt. Solcherart sind die Grundfesten gelegt für Freundschaft, Leidenschaft, Wahnsinn und Skandale ...
Lars Saabye Christensen ist der geborene Geschichtenerzähler, warmherzig und witzig, ernsthaft und aufrichtig, mit untrüglichem Gespür für menschliche Marotten und lebensnotwenige Macken - seine Helden sind kleine Leute mit großen Schicksalen, denen der Wind gerne ins Gesicht bläst, die sich aber ihre Sehnsucht nach dem ganz großen Glück nie nehmen lassen.

Lars Saabye Christensen, 1953 in Oslo geboren, ist einer der bedeutendsten norwegischen Autoren der Gegenwart. Seine Bücher sind in 36 Sprachen übersetzt und wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Nordischen Literaturpreis, mehrmals mit dem Norwegischen Kritikerpreis, dem Preis des Norwegischen Buchhandels sowie dem Preis des Norwegischen Verlegerverbandes.
mehr

Produkt

KlappentextVom ganz gewöhnlichen Wahnsinn eines genialen Verlierers
»Ich war nicht der Verrückteste. Ich war nur der Zweitverrückteste. Mein Name ist Bernhard Hval. Und ich habe mehr Unheil angerichtet, als du dir auch nur annähernd vorstellen kannst.« Und dieser Herr Hval bleibt sich treu bis zum Schluss. Die Festrede zum 80. Geburtstag hält er sich lieber gleich selbst. Sie ist sein Vermächtnis. Und da soll ausnahmsweise mal alles sitzen. Dass seine Lebensgeschichte die Länge eines Romans annimmt, ist nur folgerichtig. Im Jahr 1900 geboren wächst er auf Besserud in Kristiania als Einzelkind auf. Er macht eine Ausbildung als Arzt und wird der Beste seines Jahrgangs. Doch Zwangsvorstellungen und bestimmte Unarten, Ticks, erschweren ihm die Ausübung des Arztberufs. Er war am besten bei den Toten, wie es hieß, heuerte deshalb bei den Pathologen an. Nun sitzt er in seiner Wohnung im Skovveien in Oslo und schaut auf ein ganzes Jahrhundert zurück. Er erzählt von einer außergewöhnlichen Dreiecksbeziehung, zwischen ihm selbst, seiner robusten Frau Sigrid und Notto Fipp - einem Sonderling wie er, einem äußerst sonderbaren Geher aus der Telemark, der nach dem Motto lebt: »Wenn ich gehe, denke ich weniger.« Bernhard Hval wird sein Leibarzt. Solcherart sind die Grundfesten gelegt für Freundschaft, Leidenschaft, Wahnsinn und Skandale ...
Lars Saabye Christensen ist der geborene Geschichtenerzähler, warmherzig und witzig, ernsthaft und aufrichtig, mit untrüglichem Gespür für menschliche Marotten und lebensnotwenige Macken - seine Helden sind kleine Leute mit großen Schicksalen, denen der Wind gerne ins Gesicht bläst, die sich aber ihre Sehnsucht nach dem ganz großen Glück nie nehmen lassen.

Lars Saabye Christensen, 1953 in Oslo geboren, ist einer der bedeutendsten norwegischen Autoren der Gegenwart. Seine Bücher sind in 36 Sprachen übersetzt und wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Nordischen Literaturpreis, mehrmals mit dem Norwegischen Kritikerpreis, dem Preis des Norwegischen Buchhandels sowie dem Preis des Norwegischen Verlegerverbandes.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641081553
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum01.10.2012
Seiten624 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3556 Kbytes
Artikel-Nr.1205691
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



SCHWANZ IM RIESENRAD

Ich möchte mich erst einmal in aller Deutlichkeit vorstellen, dann sind wir damit durch: Ich war nicht der Verrückteste. Ich war nur der Zweitverrückteste. Mein Name ist Bernhard Hval. Ich habe mehr Unheil angerichtet, als Sie sich vorstellen können. Ich habe in Anwesenheit des Königs Stutenprinz und Dudelsack gesagt. Und zwar damals, als ich im Dezember 1973 leider in der Holmenkollenbahn hinter ihm zu sitzen kam, nicht direkt hinter ihm, aber in der übernächsten Reihe, zumindest saß ich im selben Wagen. Ob das eine Rolle spielt? Aber auf jeden Fall. So kann ich zumindest hoffen, dass er nicht alles hörte, was ich sagte, bevor ich bei der nächsten Station resolut hinausgeworfen wurde, und zwar ausgerechnet in Besserud. Besserud! Oh, alle Anoraks und Glückskleeblätter des Teufels! Ich war gegen meinen Willen in alten Revieren gelandet. Ich war der Teufel in der Hölle! Und das war König Olavs Schuld. Außerdem hatte ich keine Skier mehr, denn die fuhren mit der Bahn weiter. Ich stand auf dem Bahnsteig meiner Kindheit, spuckte in die Hände und stützte mich auf die Skistöcke. Das Leben hatte reichlich Könige, Gelegenheiten und Stinknasen zu bieten. Ozäna in der Höhe! So ging ich den ganzen Weg hinunter in die stille, schneebedeckte Stadt, warf die Stöcke in einen Mülleimer, meine Zeit als Skiläufer war sowieso vorbei, schloss mich in die Wohnung am Skovveien ein, setzte mich ins Arbeitszimmer, drehte einen bereits vergilbten Bogen Papier um die Walze und begann auf die Tasten einzuschlagen. Ah! Oh! Hört, hört! Ich schlage Löcher ins Papier. Jeder Buchstabe, den ich schreibe, ist ein Loch. Hier sitze ich immer noch. Ich möchte sicherheitshalber darauf hinweisen, dass einzelne Begriffe, Wendungen und Obduktionen in diesen Aufzeichnungen von einigen als anstößig empfunden werden können. Ich habe vom Rednerpult in der Aula der Universität aus »Schwanz im Riesenrad« gesagt. Das haben zumindest die meisten gehört, die an diesem Abend, an dem die Absolventen der medizinischen Fakultät gefeiert wurden, anwesend waren. In gewissen akademischen und freigeistigen Kreisen war ich verrufen, wenn nicht bewundert, als wäre das etwas Erstrebenswertes. Ich strebte nach dem reinen Gegensatz. Wünschte nur, unbemerkt zu bleiben, was mir nur selten gelang. Du Dudelsack! Ich kann Purzelbäume und Salti rückwärts schlagen, wenn ich nur an diese Vorfälle denke. Und ich bin ein alter Mann, fast achtzig bin ich. Ich habe mich sogar versprochen, als ich der Braut eine Rede hielt, und das auf meiner eigenen Hochzeit. Ich konnte gerade noch mein Gesicht wahren. Mein Klosterlatein, das ich immer im entscheidenden Moment einstreue, wenn die Welt mir zu nahe tritt, rettete mich. Mein Zeugnis ist auch nicht zu verachten. Ich war trotz allem der Beste meines Jahrgangs. Ich war bei weitem nicht geschützt oder unangreifbar. Du zerreißendes Jungfernhäutchen! Der Urin einer Jungfrau muss dünn und zart sein und mit Saus und Braus gelassen werden. Oh, singe mit! Ohrwatsche! Woher habe ich das? Noch einmal, ihr alle! Vulnera puncta! Sticht man nur fest genug zu, kann alles als Waffe benutzt werden. Ich habe die meisten verärgert, viele schockiert und jene zerstört, die ich am meisten geschätzt habe. Und diejenigen, die ich verachtete, die habe ich gerettet und reingewaschen. Ich habe Nacht für Nacht wach gelegen und zu ihm da oben im Himmel gebetet, den meine Mutter in guten Momenten, als ich noch ein Kind auf Besserud war, das Antlitz nannte. Besserud! Doch niemand hat sein Antlitz zu mir erhoben, bis auf einen. Das sollte meine Mutter wissen, die tot und begraben in fremder Erde ruht, den Kopf zuunterst, und auch ich werde kein Antlitz zu ihr erheben. Ansonsten bin ich ein vorsichtiger und gebildeter Mann. Das will ich gar nicht leugnen. Alles andere habe ich versucht zu verbergen, all das, was in mir überflüssig ist und das ich am liebsten ganz allein in der Wohnung vorführen würde. Deshalb war ich seit dem Gespräch mit König Olav auch nicht wieder draußen. Das Essen wird mir auf die Schwelle gestellt, das Geld geht durch den Briefschlitz hinaus, die Waren kommen durch den Türspalt herein, so einfach ist das. Wasser hole ich aus dem Wasserhahn. Hoppla! Habe ich das Wort sich versprechen irgendwo benutzt? Ich verspreche mich nie. Das, was über meine Zunge kommt, muss dort auch wieder hinaus. Meine fehlplatzierten Worte sind wie Brennnesseln in einem Rosenbeet. Und kein Gärtner der Welt kann sie ausrupfen. Oh, du mein Dornenarsch! Lasst mich nicht bei diesen Widerwärtigkeiten verweilen. Sie sind nur als zweitklassig anzusehen. Außerdem habe ich nicht mehr lange zu leben, nur noch einen Sommer und den Anfang des Herbstes. Der Tag ist festgelegt. Das Mittel liegt in einem kleinen Etui auf dem Boden der Standuhr direkt hinter mir bereit: fünf schwarze Drops, ovale Opiumpillen, äußerst effektiv. Ich habe sie seit meiner Zeit in der Mäusehalle im Rikshospital aufbewahrt. Doch nicht einen Tag vorher, nicht einen Tag vor dem festgelegten Tag soll es geschehen! Disziplin ist unser Fach. Ich bezeichne uns als die Kantigen. Wir möchten gerne weich und umgänglich sein und sind stattdessen starrsinnig und nicht zur Vernunft zu bringen, wohl gemerkt, zur Vernunft der anderen. Wir möchten am liebsten in Ruhe gelassen werden, ziehen aber unablässig die Aufmerksamkeit auf uns. Wir wetzen uns an der Welt. Manches Mal wetzt sie sich auch an uns. Trotz allem gelingt es der Welt und uns nicht, ein dauerhaftes Verhältnis einzugehen. Wir können einen Abend lang tanzen. Doch dann ist Schluss. Wir sind ein zu ungleiches Paar. Wir halten uns am liebsten im Hintergrund. Doch wir sind dort, wo man uns am wenigsten vermutet. Und einer von uns stand ganz vorn, in all seiner Majestät und Größe: Sein Name war Notto Fipp. Er war der Verrückteste. Ich war nur der Zweitverrückteste. Ich war sein Arzt. Ich begegnete Notto Fipp, gesegnet sei er, zum ersten Mal im Monat August des Jahres 1929. Ursprünglich hieß er Notto Senum und stammte aus Evje im Setesdalen, wie ich später erfuhr. Dieser Spitzname oder Künstlername, als den ich ihn lieber bezeichne, hatte er aufgrund seines Spitzbarts gewählt, der nicht gerade eine Zier war, wie er da am spitzen Vorsprung seines Gesichts hing, nur ein paar lange, zottelige Strähnen, allerhöchstens vier Fransen, ein Spitzbart oder Fippsbart, wie er auch genannt wurde, daher der Name, Notto Fipp, und so wollte er es haben, sowohl den Bart als auch den Namen. Oh, wer würde es wagen, den Bart von Notto Fipp zu kritisieren! Sein Bart war eine Zier, eine Zier für uns alle! Da gibt es nichts daran zu deuteln! War ich etwa nicht neidisch, weil ich ohne Erfolg versuchte, einen ähnlichen Bart hervorzubringen? Ich hatte schließlich meine Medizinstudien, lasst mich in Klammern anmerken, dass ich der Beste meines Jahrgangs war, an der Universität in Oslo beendet. Mit anderen Worten war es nicht gerade wenig, was da von mir erwartet wurde, und nur ich wusste, dass ich keine dieser Erwartungen würde erfüllen können, eine Tatsache, auf die ich noch zurückkommen werde. Und noch einmal: du Dudelsack! Es gibt so viel, auf das ich zurückkommen werde, und so wenig, was vor mir liegt, dass ich fast aus den Augen verliere, wohin ich eigentlich will. Doch genau damals, an diesem strahlenden Sonntag im August 1929, da schob ich alle derartigen Gedanken beiseite, da war ich nämlich auf dem Weg zu meiner Verlobten in Drammen, ich und mein alter Fahrer, Alfred, in seiner abgewetzten, aber immer noch stattlichen Uniform, mit dazugehöriger Mütze, oder Kaskette, Handschuhen, Sonnenbrille und dem Ganzen und nicht zuletzt den Schuhen, einem großen und einem kleinen, sonst gab es nur ein Durcheinander mit den Pedalen, denn er hinkte nämlich. Alfred Melingen und der Roadster, wie Vater ihn nannte, den Wagen meine ich, er war das Einzige, was ich von meinem Vater geerbt hatte, abgesehen von einer Standuhr, die immer noch reibungslos läuft. Die Sonne hielt Hof über dem Land, und es war überhaupt ein besonderer Tag, eine besondere Zeit, sorglos und ewig erschien sie mir damals, und ich ließ sie mehr als gern so scheinen. War es mir jemals besser ergangen? Wohl kaum. Börsenkrach oder nicht, auf dieser oder der anderen Seite des Atlantiks, das war nicht meine Sache. Meine Familie hatte ihren Konkurs erlebt, und jetzt gab es nichts mehr zu verlieren. Hipp hipp! Ich saß auf dem Rücksitz, das Verdeck war heruntergelassen, ich rauchte eine milde türkische Zigarette im warmen Wind und genoss das Leben oder den Augenblick, ich genoss sowohl das Leben als auch den Augenblick, und das ließ sich nicht so oft behaupten, im Gegenteil, es war äußerst selten, dass das Leben auf diese Art und Weise aufging. Alfred unterbrach diese angenehmen Gedankensprünge.

»Es wird dir gut tun, eine Ehefrau an deiner Seite zu haben«, sagte er.

Ich wollte ihn necken. Nichts war unterhaltsamer, als Alfred zu verwirren.

»Tatsächlich? Bist du dir sicher? Ganz sicher?«

Alfred stutzte.

»Natürlich.«

»Aber du hast es doch nie versucht, Alfred.«

»Entschuldigung, was denn?«

»Verheiratet zu sein. Du bist ein alter, unverbesserlicher Junggeselle. Wie kannst du dann behaupten, dass es mir gut tun wird?«

»Nun, ich habe schließlich schon einiges gesehen, auch wenn ich keine Ehefrau habe. Und so viel weiß ich: Es sollten in einem Auto wie diesem zwei auf der Rückbank sitzen.«

»Denkst du vielleicht an meine Eltern? Du hast doch gesehen, wie das gelaufen ist.«

»So habe ich es nicht gemeint.«

Alfred sank über dem Lenkrad zusammen. Zum Schluss musste ich ihm lächelnd meine Hand auf die Schulter legen. Dass er es nie lernte.

»Ich habe doch nur Spaß gemacht, Alfred.«

»Ach...


mehr

Autor

Lars Saabye Christensen, 1953 in Oslo geboren, ist einer der bedeutendsten norwegischen Autoren der Gegenwart. Seine Bücher sind in 36 Sprachen übersetzt und wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Nordischen Literaturpreis, mehrmals mit dem Norwegischen Kritikerpreis, dem Preis des Norwegischen Buchhandels sowie dem Preis des Norwegischen Verlegerverbandes.