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Wolfsburg!

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am10.03.2014
Keiner will in die Provinz - und schon gar nicht nach Wolfsburg!
Jan liebt Line. Und er will mit ihr zusammenleben. Sie wohnt in Wolfsburg und kann dort nicht weg. Hilft ja nix, da muss Jan also aus Berlin weg, weil er seinen Job von überall aus machen kann. Tom Grote erzählt in seinem Romandebüt von einem Metropolenbewohner, den es in das Paralleluniversum der VW-Stadt verschlägt und der lange braucht, bis er erkennt, wie lebenswert dort das Leben ist, und dass man nicht nur in Mitte existieren kann.
Mit sehr genauem Blick und mit überaus skurril-liebenswertem Personal ist Grotes Roman eine Hommage an die Un-Stadt Wolfsburg, eine Hymne auf das Leben jenseits der Metropolen.


Tom Grote, Jahrgang 1967, hat schon viel gewohnt. Auch in Niedersachsen. Außerdem quetscht er jeden Rentner oder jede Rentnerin, derer er habhaft wird, über neue Haushaltstipps aus. Er arbeitet als Hörfunkjournalist beim Nordwestradio.
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Produkt

KlappentextKeiner will in die Provinz - und schon gar nicht nach Wolfsburg!
Jan liebt Line. Und er will mit ihr zusammenleben. Sie wohnt in Wolfsburg und kann dort nicht weg. Hilft ja nix, da muss Jan also aus Berlin weg, weil er seinen Job von überall aus machen kann. Tom Grote erzählt in seinem Romandebüt von einem Metropolenbewohner, den es in das Paralleluniversum der VW-Stadt verschlägt und der lange braucht, bis er erkennt, wie lebenswert dort das Leben ist, und dass man nicht nur in Mitte existieren kann.
Mit sehr genauem Blick und mit überaus skurril-liebenswertem Personal ist Grotes Roman eine Hommage an die Un-Stadt Wolfsburg, eine Hymne auf das Leben jenseits der Metropolen.


Tom Grote, Jahrgang 1967, hat schon viel gewohnt. Auch in Niedersachsen. Außerdem quetscht er jeden Rentner oder jede Rentnerin, derer er habhaft wird, über neue Haushaltstipps aus. Er arbeitet als Hörfunkjournalist beim Nordwestradio.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641124045
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum10.03.2014
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse802 Kbytes
Artikel-Nr.1381732
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1. Kapitel

»Wohin?!!!«

Katharina kann tatsächlich mit drei Ausrufezeichen fragen. Sie ist atmende Orthografie.

»Nach Wolf Burg?!!!«

Wieder drei Ausrufezeichen und in der Mitte eine Pause, die da nicht hingehört, als wären es zwei Wörter, Wolf und Burg, das »s« unterschlägt sie.

»Warum?« Sie wiegt ihren Kopf. »Es ist wegen ihr, oder?«

»Ja, wegen ihr«, antworte ich, und dann schweigen wir.

In die Stille hinein stelle ich eine Theorie auf, nämlich dass es drei Arten von Städten gibt. Erstens Städte wie Berlin, Köln oder Hamburg. Zieht man dorthin, dann bringt das als Reaktion ein klares: »Aaah!«

Dann gibt es Städte wie Rostock, oder Heidelberg oder Oldenburg. Teilt man mit, man ziehe dahin, dann heißt es: »Ach, aber ist ja schön da.«

Und dann gibt es Wolfsburg. Nichts ist wie Wolfsburg. Höchstens Sindelfingen. Wolfsburg ist VW, aber VW ist nicht Wolfsburg.

VW ist mehr, Wolfsburg ist, nun ja, Wolfsburg.

In Wolfsburg gibt es ein VW-Werk, nicht das VW-Werk, nur eins von vielen, und als Wahrzeichen hat es vier Schornsteine. Seit meinen Besuchen bei der Line weiß ich: Wolfsburg hat außerdem ein Schloss, was ich bislang aber noch nicht entdeckt habe, ein Automuseum, auch noch nicht gefunden, und ein Einkaufszentrum, das ein Schiff sein soll. Das hab ich gefunden. Wenn Schiffe aus grauem Beton sind, dann ist es auch fabelhaft getroffen. Weshalb aber ausgerechnet in Wolfsburg ein Einkaufszentrum ein Schiff sein muss, das hat mir noch niemand erklären können.

Ich weiß also nicht viel über Wolfsburg, aber das soll sich ja nun ändern. Katharina hat ihre Ausrufezeichen wieder ein- und den Mund wieder zugeklappt. Jetzt hilft sie Kisten packen, ohne Fragen und hörbare Orthografie. Katharina ist erst gestern nach einem Jahr Südamerika nach Berlin zurückgekommen, und ich habe ihr vorher nicht zu beichten gewagt, dass ich umziehe.

Also umziehen hatte ich ihr schon geschrieben, aber Wolfsburg eben nicht. Auch so ein Indiz für meine Theorie mit den Städtearten.

»Du kannst mich ja mal besuchen«, schlage ich leichtsinnig vor.

»In Wolfsburg?!«

»Ja«, sage ich, ein bisschen unsicher.

»Ich? In Wolfsburg?! Ha.«

»Was soll das denn heißen?«, frage ich empört.

»Was?«

»Na, ha?«

»Ha ist Wolfsburg!«

»Warst du schon mal da?«

»Natürlich nicht!«

»Aha! Du warst noch nie da und sagst >ha»Hast du alles vorbereitet?«, fragt er. »Ich hab nämlich keinen Bock bei einem Umzug, also wenn nicht alles vorbereitet ist, und so.«

Na, das sagt der Richtige, denk ich mir. Christoph und ich, wir haben eine lange Tradition von Umzügen. Also, genauer gesagt hat Christoph eine lange Tradition von Umzügen und ich meine Erfahrungen als Träger, Schlepper und Möbelspeditionenmitarbeiterberuhiger. Bei seinem ersten Umzug und meinem ersten Helfen sollte ich gegen acht da sein. Um zehn nach acht war ich auch da. Allein. Niemand sonst, kein anderer zum Schleppen, keine bezahlten Studenten, keine Möbelfirma, kein Christoph. Ich klingelte mir die Finger wund, erst Minuten später antwortete der Türsummer. Acht Treppen hoch, Christoph mit zerwühlten Haaren, verpennt an der Tür.

»Wassen los?«

»Wie wassen los? Einer von uns beiden hat heute Umzug.«

»Heute?« Er schaute lange und weit weg. »Ach ja.«

In der Wohnung sah es aus wie immer.

»Äh«, machte ich. »Hast du nix …?«

»Geht doch erst um zehn los. Ich mach jetzt erst mal Kaffee, und dann besorg ich Kartons. Ihr könnt dann schon mal anfangen, die großen Sachen runterzutragen, und ich pack währenddessen dann die kleinen. Kommen ja genug Leute.«

Genug Leute waren übrigens zwei. Also insgesamt. Seine Freundin Silke und ich. Vier Zimmer voll Zeug, das natürlich alles mitmusste. Aus dem vierten in den vierten Stock. Zwei Straßen weiter. Siebzehn Stunden hatte es gedauert, und nach vier Monaten war er wieder ausgezogen. Das ist Christoph.

»Sind die Kartons auch richtig gepackt?«, fragt er jetzt.

»Wie, richtig?«, frage ich. »Sie sind gepackt.«

»Na, nicht so voll. Und überhaupt, wieso helfen wir nur beim Auszug?«

In Christophs Welt ist es schwer vorstellbar, aus Berlin wegzuziehen.

»Ach, äh«, druckse ich, »dachte, reicht doch, wenn ihr schon beim Runtertragen helft … hoch ist ja auch schwerer.«

Christoph ist faul und langsam und schnell beleidigt, aber nicht doof.

»Soso«, macht er und kratzt sich mit den Fingern über seinen Bauch. Der ist verborgen unter einem fast weißen Shirt, auf das er mit Marker »makeloz« gekritzelt hat.

Katharina ist auch da und wirft mir im Vorbeigehen einen Blick zu, der »Oh, oh, du hast es nicht gesagt« bedeutet.

Ich schüttele ganz leicht den Kopf, sie verdreht die Augen, ich lege den Finger an die Lippen, und Katharina nickt.

Dann sagt sie sofort laut: »Wolfsburg.«

Christoph macht so was wie: »Wää?«

»Wolfsburg«, sage ich. »Ich ziehe nach Wolfsburg.«

»Oh, nee.« Christoph setzt sich auf einen Karton, irgendwas darin knirscht verdächtig. Ungerührt lehnt er sich zurück.

»Und wann wollte der Herr uns aufklären?«

Oh, er ist in der dritten Person, denke ich.

Katharina steht in der Tür. »Das ist mal eine wirklich gute Frage«, sagt sie und verschränkt die Arme.

»Ich weiß gar nicht, was du hast, du wusstest es doch«, gebe ich zurück.

»Wieso wusste die das?« Christoph scheint sich nicht ganz sicher, was ihn mehr empört, dass er es nicht wusste oder Katharina vor ihm.

»Meine Güte, jetzt stellt euch mal nicht so an, Wolfsburg ist zwei Stunden weg von Berlin, mit dem Zug sogar nur eine«, sage ich.

»Jaa«, entgegnet Christoph, geht zum offenen Fenster, zieht geräuschvoll die Nase hoch und spuckt nach unten. Proteste schallen hoch. Ungerührt fährt er fort: »Das mag ja stimmen, aber als dein Freund frage ich dich: Hast du dir das gut überlegt? Wolfsburg?«

Katharina kuckt triumphierend von der Tür, ich verziehe den Mund. »Herrgottnochmal, so schlimm ist es da auch nicht«, entgegne ich. Dieses wissende Wolfsburg-aha-Gerede geht mir allmählich auf den Geist. Ich bemerke, dass ich die Stadt schon aus Trotz verteidige, obwohl ich wirklich nicht weiß, worauf ich mich da einlasse.

»Nicht schlimm?«, tönt Katharina. »Im Gegensatz zu was nicht schlimm? Pest und Cholera?«

Christoph setzt sich zurück auf den Karton, es knirscht erneut.

»Schlimm«, sagt er dann verträumt. Er schaut zur Tür mit Katharina und weist dann mit dem Daumen auf mich. »Ach«, sagt er dann, »dauert nicht lange, dann haben wir wieder einen Einzug. Und so lange wollen wir ihm doch was gönnen.«

»Not und Elend?«, schlägt Katharina gehässig vor.

»Nein, nein«, antwortet Christoph, »soll der gute Junge doch mal ein bisschen sparen.«

»Was soll ich denn sparen?«, frage ich.

»Kfz-Steuer«, sagt Christoph.

»Kfz-Steuer?« Wieso wiederhole ich eigentlich dauernd seine Sätze?

»Ja, ist doch da alles Betriebsgelände.«

»Betriebsgelände?« Schon wieder.

»Ja, auf Betriebsgelände muss man keine Kfz-Steuer zahlen. Oder haben die in Wolfsburg noch 'ne Stadt außerhalb vom VW-Gelände? Hehe.«

»Sehr lustig«, sage ich.

»Ja, ne?«, antwortet er.

Am Mittag ist alles verladen, und ich bin auf dem Weg. Wir hatten uns umarmt, voneinander verabschiedet und uns angelogen, uns nämlich gegenseitige Besuche versprochen. Bald.

Jetzt sind die Fenster runtergekurbelt, und meine Haare peitschen mir immer wieder in die Stirn. Ich rauche und höre Jonie Mitchell, »Prisoner of the White Lights on the Freeway«. Passt. Obwohl der ja eher für die Nacht geschrieben ist und nicht für Sonne und die A Zwo. Passt trotzdem.

Radio hören geht jetzt nämlich nicht mehr. Mein Berliner Sender war immer schwächer geworden, erst schwankend, dann immer mehr knisternd und rauschend. Wie an einer letzten unsichtbaren Verbindung hatte ich trotzdem daran festgehalten. Erst als die Musik auch mit bestem Willen kaum noch zu erkennen und letztlich mehr eine Ahnung war, gemischt mit einem infernalischen Schnarren, hatte ich aufgegeben. Jetzt ist also auch das letzte Band in mein altes Leben...


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Autor

Tom Grote, Jahrgang 1967, hat schon viel gewohnt. Auch in Niedersachsen. Außerdem quetscht er jeden Rentner oder jede Rentnerin, derer er habhaft wird, über neue Haushaltstipps aus. Er arbeitet als Hörfunkjournalist beim Nordwestradio.
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Grote, Tom