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Der Blinde von Sevilla

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
640 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.10.2013
Der erste Fall für Che finspektor Javier Falcón als Neuveröffentlichung
Während man in Sevilla die Semana Santa feiert, ist Inspektor Javier Falcón mit einem äußerst grausamen Mordfall beschäftigt. Ein Restaurantbesitzer wird tot aufgefunden - an einen Stuhl gefesselt und gestorben an den Verletzungen, die er sich zufügte, als sein Mörder ihn zwang, ein Video anzuschauen. Was so unvorstellbar Schreckliches hat das Opfer gesehen? Bei den Nachforschungen entdeckt Falcón nicht nur, dass sein verstorbener Vater in den Fall verwickelt ist, sondern dass er selbst bald das nächste Mordopfer werden könnte. Kann ihm da noch der Blinde helfen, der ihm mit angeblich prophetischer Gabe zur Seite steht ...?

Robert Wilson, 1957 in England geboren, lebt abwechselnd in England, Spanien und Portugal. Spätestens seit dem Roman »Tod in Lissabon«, für den er den Gold Dagger Award und den Deutschen Krimi-Preis erhielt, wird er als »einer der besten Thrillerautoren der Welt« (The New York Times) gefeiert.
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Produkt

KlappentextDer erste Fall für Che finspektor Javier Falcón als Neuveröffentlichung
Während man in Sevilla die Semana Santa feiert, ist Inspektor Javier Falcón mit einem äußerst grausamen Mordfall beschäftigt. Ein Restaurantbesitzer wird tot aufgefunden - an einen Stuhl gefesselt und gestorben an den Verletzungen, die er sich zufügte, als sein Mörder ihn zwang, ein Video anzuschauen. Was so unvorstellbar Schreckliches hat das Opfer gesehen? Bei den Nachforschungen entdeckt Falcón nicht nur, dass sein verstorbener Vater in den Fall verwickelt ist, sondern dass er selbst bald das nächste Mordopfer werden könnte. Kann ihm da noch der Blinde helfen, der ihm mit angeblich prophetischer Gabe zur Seite steht ...?

Robert Wilson, 1957 in England geboren, lebt abwechselnd in England, Spanien und Portugal. Spätestens seit dem Roman »Tod in Lissabon«, für den er den Gold Dagger Award und den Deutschen Krimi-Preis erhielt, wird er als »einer der besten Thrillerautoren der Welt« (The New York Times) gefeiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641134679
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum21.10.2013
Seiten640 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2430 Kbytes
Artikel-Nr.1304863
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Donnerstag, 12. April 2001, Edificio Presidente,
Los Remedios, Sevilla

Begonnen hatte es in dem Moment, als er das Zimmer betreten und das Gesicht gesehen hatte.

Der Anruf war um 8.15 Uhr gekommen, als er das Haus gerade verlassen wollte - eine Leiche, vermutlich Mord, und die Adresse.

Semana Santa. Es war nur gerecht, dass in der Karwoche zumindest ein Mord geschah, auch wenn das natürlich keinerlei Wirkung auf die Menschenmengen haben würde, die das tägliche Zusammentreffen bebender heiliger Jungfrauen auf ihren Sänften verfolgten, die alle auf dem Weg zur Kathedrale waren.

Langsam fuhr er aus der Einfahrt des riesigen Hauses in der Calle Bailén. Die Reifen ratterten über das Kopfsteinpflaster der leeren, engen Straßen. Während der Semana Santa war die Stadt, die zu jeder Jahreszeit nur widerwillig erwachte, um diese Stunde besonders still. Er fuhr auf den Platz vor dem Museo de Bellas Artes. Die ocker gerahmten, weiß getünchten Fassaden thronten schweigsam hinter hohen Palmen, den beiden riesigen Gummibäumen und den noch nicht erblühten Palisanderbäumen. Er öffnete das Fenster, um die vom Tau noch frische Morgenluft hereinzulassen, fuhr zum Guadalquivir hinunter und folgte der von Bäumen gesäumten Paseo de Cristóbal Colón. Als er an den roten Toren der Puerta del Príncipe in der barocken Fassade der Plaza de Toros, La Maestranza, vorbeifuhr - die in der Woche vor der Feria de Abril die ersten Stierkämpfe sehen würde -, empfand er beinahe so etwas wie Zufriedenheit.

Mehr Glück erlebte er dieser Tage nie, und so versuchte er, es festzuhalten, als er hinter dem Torre del Oro rechts abbog, die Altstadt hinter sich ließ und den Fluss überquerte, den die frühe Morgensonne in zarten Dunst hüllte. An der Plaza de Cuba wich er von seiner gewohnten Route zur Arbeit ab und folgte der Calle Asunción. Später würde er versuchen, sich an diese Momente zu erinnern, weil es die letzten eines Lebens waren, das er bis dahin für einigermaßen befriedigend gehalten hatte.

Er erinnerte sich, dass der neue und sehr junge Juez de Guardia, der zuständige Staatsanwalt, der in dem blitzsauberen, in weißem Marmor gehaltenen Flur von Raúl Jiménez´ Wohnung im sechsten Stock des Edificio Presidente auf ihn wartete, versucht hatte, ihn zu warnen.

»Machen Sie sich auf etwas gefasst«, hatte er gesagt.

»Worauf?«, hatte Falcón gefragt.

In dem nachfolgenden verlegenen Schweigen hatte Javier Falcón den Anzug des Juez de Guardia einer gründlichen Musterung unterzogen und entschieden, dass er entweder italienisch oder von einem führenden spanischen Designer sein musste, Adolfo Dominguez vielleicht. Jedenfalls ziemlich teuer für einen jungen Staatsanwalt wie Esteban Calderón, der 36 und kaum ein Jahr im Amt war.

Dieser wollte angesichts Falcóns augenscheinlichem Desinteresse vor dem 45-jährigen Chefinspektor der Mordkommission - oder, besser gesagt, dem Inspector Jefe del Grupo de Homicidios de Sevilla - nicht naiv erscheinen. Immerhin begutachtete Javier Falcón seit mehr als 20 Jahren Mordopfer in Barcelona, Saragossa, Madrid und jetzt in Sevilla.

»Sie werden schon sehen«, erwiderte er Calderón also mit einem nervösen Schulterzucken.

»Kann ich dann an die Arbeit gehen?«

Calderón nickte und erklärte, dass die Policía Científica gerade erst ins Haus gelassen worden sei, sodass man vorerst nur eine erste Begutachtung des Tatorts vornehmen könne.

Falcón ging den Korridor zu Raúl Jiménez´ Arbeitszimmer hinunter und überlegte, wie man sich wohl auf etwas gefasst machte. An der Wohnzimmertür blieb er stirnrunzelnd stehen. Der Raum war leer. Er drehte sich zu Calderón um, der ihm den Rücken zugewandt hatte und der secretaria etwas diktierte. Falcón warf einen Blick in das ebenfalls leere Speisezimmer.

»Wollten die ausziehen?«, fragte er.

»Claro, Inspector Jefe«, sagte Calderón, »die einzigen Möbel in der ganzen Wohnung sind ein Bett in einem der Kinderzimmer und Senhor Jiménez´ komplettes Arbeitszimmer.«

»Heißt das, die Señora Jiménez ist mit den Kindern bereits in der neuen Wohnung?«

»Wir wissen es nicht genau.«

»Meine Nummer zwei, Inspector Ramírez, sollte in ein paar Minuten eintreffen. Schicken Sie ihn umgehend zu mir.«

Während Falcón bis zum Ende des Korridors weiterging, war er sich jedes seiner Schritte auf dem polierten Parkett bewusst. Sein Blick war auf einen Haken an der nackten Wand am Ende des Flures gerichtet; die quadratische Fläche darunter war heller als ihre Umgebung. Dort musste ein Bild oder ein Spiegel gehangen haben.

Er streifte ein Paar Chirurgenhandschuhe über, betrat das Arbeitszimmer, sah von seinen latexbedeckten Handflächen auf und blickte in Raúl Jiménez´ Grauen erregendes Gesicht, das ihn anstarrte.

Da hatte es angefangen.

Es war keineswegs so, dass er erst später in der Rückschau erkannt hatte, dass dies der Wendepunkt gewesen war. Es war nichts Subtiles daran gewesen. Eine Veränderung der Körperchemie macht sich sofort bemerkbar. In seinen Handschuhen und direkt unter dem Haaransatz auf seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Heftiges Herzklopfen ließ ihn innehalten, weil er auf einmal das Gefühl hatte, die Luft enthielte nicht genug Sauerstoff. Er hyperventilierte ein paar Sekunden und zupfte an seinem Hals, um besser Luft zu bekommen. Sein Körper signalisierte ihm, dass da etwas war, wovor man Angst haben musste, während sein Verstand ihn vom Gegenteil zu überzeugen versuchte.

Er stellte die üblichen leidenschaftslosen Beobachtungen an. Raúl Jiménez´ Füße waren nackt, die Knöchel an die Stuhlbeine gefesselt. Einige Möbelstücke standen quer zum übrigen Mobiliar und waren offenbar verrückt worden. Abdrücke in dem teuren Perserteppich markierten die Stelle, wo der Stuhl normalerweise gestanden hatte. Die Kabel von Fernseher und Videorekorder waren straff gespannt, weil der Wagen, auf dem sie standen, meterweit von seiner normalen Position weggerollt worden war. Auf dem Fußboden neben dem Schreibtisch lag ein Ball aus Stoff, der aussah wie ein Paar zusammengeknüllter Socken mit Spuren von Speichel und Blut. Die Doppelfenster waren geschlossen, die Vorhänge offen. Auf dem Schreibtisch stand ein großer Specksteinaschenbecher voller ausgedrückter Kippen und abgebrochener Filter, daneben eine Schachtel Celtas. Billige Zigaretten, die billigsten. Nur die billigsten für Raúl Jiménez, Besitzer von vier der beliebtesten Restaurants in Sevilla sowie zweier weiterer in Sanlúcar de Barrameda und Puerto Santa Maria an der Küste. Nur die billigsten für Raúl Jiménez mit seiner 90-Millionen-Peseten-Wohnung in Los Remedios mit Blick auf das Feria-Gelände und den Prominentenfotos an der Wand hinter dem mit Leder bespannten Schreibtisch. Raúl mit dem Torero El Cordobés. Raúl mit der TV-Moderatorin Ana Rosa Quintana. Raúl mit einem Schlachtermesser hinter einem jamón, bei dem es sich um einen erstklassigen Pata Negra handeln musste, denn Raúl stand zwischen Antonio Banderas und Melanie Griffith, die völlig entsetzt auf den Huf starrte, der auf ihre rechte Brust zeigte.

Der Schweiß versiegte nicht, sondern brach auch an anderen Stellen aus. Auf seiner Oberlippe, im Kreuz, in seinen Achselhöhlen, von wo er bis zu seinen Hüften hinuntersickerte. Er wollte sich vormachen, dass es heiß in dem Zimmer war, dass der Kaffee, den er eben getrunken hatte ... Er hatte keinen Kaffee getrunken.

Das Gesicht.

Für einen Toten war es ein Gesicht von enormer Präsenz. Wie El Grecos Heilige, deren Augen einen überallhin verfolgten.

Folgten diese Augen ihm auch?

Falcón ging erst auf die eine, dann auf die andere Seite des Zimmers. Tatsächlich. Absurd. Streiche, die einem die eigene Wahrnehmung spielt. Er riss sich zusammen, ballte eine Latexfaust.

Er stieg über die straff gespannten Kabel von Fernseher und Videorekorder, trat hinter den Stuhl des Toten und blickte zur Decke, bevor er auf Raúl Jiménez´ stahlwolleartiges Haar hinuntersah, das am Hinterkopf, den der Tote wiederholt gegen das geschnitzte Wappen in der Rückenlehne geschlagen hatte, schwarz-rot verklebt war. Der Kopf war immer noch mit einem Kabel an den Stuhl gefesselt, das ursprünglich sehr stramm gewesen sein musste. Jiménez hatte sich offenbar ein wenig Spielraum erkämpft. Dabei hatte das Kabel sich tief in das knorpelige Gewebe der Nasenscheidewand geschnitten, stellenweise sogar bis direkt ans Nasenbein, sodass die Nase lose im Gesicht hing. Auch die Haut über den Wangenknochen war zerfetzt worden, als er den Kopf hin und her geworfen hatte.

Falcón wandte sich vom Profil des Toten ab und starrte frontal auf den leeren Bildschirm des Fernsehers. Er blinzelte und wollte die starren Augen schließen, die ihn selbst als Spiegelbild noch mit ihren Blicken durchbohrten. Sein Magen wurde flau bei dem Gedanken, was für Schreckensbilder diesen Menschen dazu gebracht hatten, sich selbst so etwas anzutun. Waren sie immer noch da, auf die Netzhaut oder in einer Art digitalisiertem Zustand tief ins Gehirn gebrannt?

Er schüttelte den Kopf, weil er es nicht gewohnt war, dass ihn derart wilde Gedanken in seinen nüchternen Ermittlungen störten. Dann ging...


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Kritik
"Anzuzeigen ist einer der besten Kriminalromane des Jahres. ... >Der Blinde von Sevillamehr

Autor

Robert Wilson, 1957 in England geboren, lebt abwechselnd in England, Spanien und Portugal. Spätestens seit dem Roman »Tod in Lissabon«, für den er den Gold Dagger Award und den Deutschen Krimi-Preis erhielt, wird er als »einer der besten Thrillerautoren der Welt« (The New York Times) gefeiert.