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Die Wälder

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am23.12.2019
Als Nina die Nachricht erhält, dass Tim, ihr bester Freund aus Kindertagen, unerwartet gestorben ist, bricht eine Welt für sie zusammen. Vor allem, als sie erfährt, dass er sie noch kurz vor seinem Tod fast manisch versucht hat, zu erreichen. Und sie ist nicht die Einzige, bei der er sich gemeldet hat. Tim hat ihr nicht nur eine geheimnisvolle letzte Nachricht hinterlassen, sondern auch einen Auftrag: Sie soll seine Schwester finden, die in den schier endlosen Wäldern verschwunden ist, die das Dorf, in dem sie alle aufgewachsen sind, umgeben. Doch will Nina das wirklich? In das Dorf und die Wälder zurückkehren, die sie nie wieder betreten wollte ...

MELANIE RAABE wurde 1981 in Jena geboren. Nach dem Studium arbeitete sie tagsüber als Journalistin - und schrieb nachts heimlich Bücher. 2015 erschien DIE FALLE, 2016 folgte DIE WAHRHEIT, 2018 dann DER SCHATTEN und 2019 DIE WÄLDER. Ihre Romane wurden in 22 Sprachen übersetzt, mehrere Verfilmungen sind in Arbeit. Melanie Raabe betreibt zudem gemeinsam mit der Künstlerin Laura Kampf einen erfolgreichen wöchentlichen Podcast rund um das Thema Kreativität, 'Raabe & Kampf'. Melanie Raabe lebt und arbeitet in Köln. Mit »Die Kunst des Verschwindens« verließ sie erstmals das Gebiet des traditionellen Thrillers und entführt uns in eine Welt, in der alles möglich und nichts selbstverständlich ist.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAls Nina die Nachricht erhält, dass Tim, ihr bester Freund aus Kindertagen, unerwartet gestorben ist, bricht eine Welt für sie zusammen. Vor allem, als sie erfährt, dass er sie noch kurz vor seinem Tod fast manisch versucht hat, zu erreichen. Und sie ist nicht die Einzige, bei der er sich gemeldet hat. Tim hat ihr nicht nur eine geheimnisvolle letzte Nachricht hinterlassen, sondern auch einen Auftrag: Sie soll seine Schwester finden, die in den schier endlosen Wäldern verschwunden ist, die das Dorf, in dem sie alle aufgewachsen sind, umgeben. Doch will Nina das wirklich? In das Dorf und die Wälder zurückkehren, die sie nie wieder betreten wollte ...

MELANIE RAABE wurde 1981 in Jena geboren. Nach dem Studium arbeitete sie tagsüber als Journalistin - und schrieb nachts heimlich Bücher. 2015 erschien DIE FALLE, 2016 folgte DIE WAHRHEIT, 2018 dann DER SCHATTEN und 2019 DIE WÄLDER. Ihre Romane wurden in 22 Sprachen übersetzt, mehrere Verfilmungen sind in Arbeit. Melanie Raabe betreibt zudem gemeinsam mit der Künstlerin Laura Kampf einen erfolgreichen wöchentlichen Podcast rund um das Thema Kreativität, 'Raabe & Kampf'. Melanie Raabe lebt und arbeitet in Köln. Mit »Die Kunst des Verschwindens« verließ sie erstmals das Gebiet des traditionellen Thrillers und entführt uns in eine Welt, in der alles möglich und nichts selbstverständlich ist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641213039
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum23.12.2019
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2710 Kbytes
Artikel-Nr.4739547
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3

Nina spürte, wie die alte Obsession nach ihr greifen wollte. Versuchte sie abzuschütteln. Das war nur der Schock, redete sie sich ein. Der Schock nach seinem Tod. Jahrelang hatte sie gemeinsam mit ihren Freunden nach der Lösung dieses Rätsels gesucht. Sie hatten immer wieder darüber gesprochen, immer wieder die spärlichen Fakten gewälzt. Nina war fast wahnsinnig geworden darüber. Bis sie endlich beschlossen hatte, dass sie nicht zulassen durfte, dass diese eine Sache ihr ganzes Leben überschattete. Sie hatte es aufgegeben, darüber nachzudenken. Sie hatte akzeptiert, dass sie das letzte Puzzleteil niemals finden würden. Sie hatte das Dorf nicht wieder betreten. Sie war erwachsen geworden. Sie hatte gelernt und Prüfungen abgelegt, sie hatte sich an der Uni eingeschrieben, sie hatte noch mehr gelernt und noch mehr Prüfungen abgelegt, sie war mit ein paar sehr netten, sehr harmlosen Männern zusammen gewesen, von denen keiner in der Lage gewesen war, sie im Kern zu berühren. Arbeit und Abende vor dem Fernseher. Normalität. Über so viele Jahre hinweg hatte sie nach Stabilität gestrebt. Und dann glaubte Tim, das mit einem einzigen Anruf davonfegen zu dürfen?

Nina stand auf und goss sich noch ein Glas Wasser ein, trank im Stehen. Ihre Gedanken irrlichterten. Wo sie wohl gewesen war, was sie wohl gerade getan hatte, als Tim gestorben war?

Wieder brach sie in Tränen aus. Sie griff nach ihrem Handy, gab den Namen ihres besten Freundes bei Google ein und klickte auf die Rubrik News. Das hatte sie in den letzten Jahren häufig so gemacht, wenn sie Tim nicht erreichen konnte, weil er in der Weltgeschichte herumreiste. Seit er so erfolgreich geworden war, war das Internet oft der schnellste Weg, um herauszufinden, was Tim gerade trieb. Als sich sein schönes, lächelndes Gesicht nun auf dem Display aufbaute, stockte ihr der Atem. Nicht nur, weil sie Stück für Stück zu begreifen begann, dass sie ihn niemals wiedersehen würde. Sondern auch wegen der Bildunterschrift: Tims voller Name, sein Alter - und daneben ein kleines Kreuz.

Ninas bester Freund war tot. Sie hatte die Nachricht noch nicht annähernd verdaut, und das Internet wusste es schon. Hastig klickte sie die Nachrichtenseite weg.

Wann genau war Tim überhaupt gestorben? Das wusste das Internet ebenso wenig wie sie, doch urplötzlich kam ihr diese Frage unfassbar wichtig vor.

Sie musste noch einmal mit Tims Mutter sprechen. Die Küchenuhr zeigte kurz vor halb sieben. Es war gerade mal anderthalb Stunden her, dass Nina die Todesnachricht erhalten hatte, und doch fühlte es sich so an, als wären seitdem ganze Tage vergangen. Sie stellte das leere Glas weg, nahm ihr Handy und tippte eine SMS.

Rita, sind Sie wach?

Die Antwort kam fast augenblicklich.

Bin ich.

Nina atmete tief durch, dann wählte sie Ritas Nummer.

Tims Mutter hob sofort ab.

»Nina.«

Dieses Mal klang sie anders als zuvor. Klarer. Stabiler.

»Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe«, sagte Nina.

»Ach, du störst mich doch nicht, Liebes. Was möchtest du denn?«

Nina runzelte die Stirn. Damit, dass Rita so aufgeräumt klingen würde, hatte sie nicht gerechnet. Sie suchte nach den richtigen Worten. Hatte sie Tims Mutter, als die ihr vorhin die Todesnachricht überbracht hatte, eigentlich schon ihr Beileid ausgesprochen?

»Möchtest du Tim sprechen?«, fragte Rita.

Nina blinzelte.

»Wie bitte?«

»Ob du Tim sprechen willst«, wiederholte Rita, plötzlich heiter. »Der ist nämlich gerade nicht da.«

»Ich verstehe nicht.«

»Seid ihr verabredet oder so was?«

Nina hielt sich an der Tischkante fest.

»Rita«, sagte sie langsam. »Ich...«

Sie brach ab, denn sie hatte keine Ahnung, wie dieser Satz enden sollte. Schon oft in ihrem Leben hatte sie von Menschen gehört, die über den Kummer, den der Verlust eines Kindes auslöste, wahnsinnig geworden waren. Aber nie hatte sie angenommen, dass das wortwörtlich gemeint war.

»Rita«, sagte sie sanft. »Tim ist tot. Sie selbst haben mich vorhin angerufen, um mir das zu sagen, erinnern Sie sich?«

Kurz kroch nur Stille durch den Hörer, dann atmete Rita mit einem Geräusch, das schmerzhafter klang als jedes Schluchzen, laut ein.

»Natürlich«, sagte sie. »Natürlich.«

Plötzlich klang sie fahrig, und Nina sah vor ihrem inneren Auge, wie die Mutter ihres besten Freundes in ihrem Wohnzimmer auf und ab ging, wie sie sich, das Telefon am Ohr, mit der freien Hand zittrig über das tränennasse Gesicht wischte.

»Mein herzliches Beileid«, sagte Nina. »Es tut mir so unendlich leid. Ich weiß gar nicht, ob ich das vorhin schon gesagt habe. Ich stand völlig neben mir. Ich stehe immer noch völlig neben mir.«

Rita schluchzte.

»Da bist du nicht die Einzige«, sagte sie und ließ ein kleines, trauriges Lachen vernehmen, das auch Nina wieder die Tränen in die Augen trieb.

»Danke, dass Sie sich vorhin extra die Mühe gemacht haben, mich anzurufen«, sagte sie leise.

»Natürlich«, antwortete Rita. »Das ist doch selbstverständlich. Du bist seine beste Freundin.« Sie korrigierte sich. »Du warst seine beste Freundin.«

Schweigen trat ein, und Nina atmete tief durch.

»Ich habe eine Frage«, sagte sie. »Ich hoffe, es ist okay, dass ich das frage.«

Sie zögerte.

»Du möchtest wissen, wie Tim gestorben ist«, sagte Rita.

Nina schwieg. Von Wollen konnte keine Rede sein.

»Es war ein Unfall«, sagte Tims Mutter.

»Ein ... Autounfall?«

»Nein«, antwortete Rita. »Es ...«

Sie sprach nicht weiter, und Nina beschloss, sie keinesfalls zu drängen.

»Wann ist er denn passiert?«, fragte Nina sanft. »Der Unfall?«

»Ach, Nina«, sagte Rita. »Welche Rolle spielt das jetzt noch?«

»Wahrscheinlich keine«, sagte Nina. »Ich weiß auch nicht, warum das so wichtig für mich ist, aber irgendwie muss ich es wissen. Ich muss wissen, wo ich in diesem Moment war. Was ich in diesem Moment getan habe.«

Und ich muss wissen, wie viel Zeit zwischen Tims vergeblichem Anruf bei mir und seinem Tod lag.

Kurz wurde es still in der Leitung.

»Vorgestern. Vorgestern Abend. Auf dem Totenschein steht zweiundzwanzig Uhr elf.«

»Es tut mir so furchtbar leid«, wiederholte Nina. »Ehrlich gesagt fehlen mir die Worte.«

»Ich weiß schon, Liebes. Weißt du, es ...«

Die ältere Frau stockte, und einen Augenblick lang sagte keiner etwas. Nina hörte einfach stumm zu, wie Tims Mutter leise weinte. Schließlich sammelte sie sich.

»Weißt du, es ist einfach gerade ein bisschen viel.«

»Ja. Das ist es.«

Erneut trat Schweigen ein.

»Konnten Sie denn heute Nacht wenigstens ein bisschen schlafen?«, fragte Nina schließlich.

»Ich werde erst wieder ein Auge zutun können, wenn wir sie gefunden haben.«

Kurz war Nina verwirrt.

»Wen meinen Sie?«

»Oh, Nina«, sagte Rita. »Du weißt es gar nicht?«

»Ich weiß was nicht?«, fragte Nina alarmiert.

»Gloria«, sagte die ältere Frau. »Sie ist weg.«

Nina, die die Luft angehalten hatte, atmete aus.

»Ach so. Doch. Natürlich weiß ich das«, sagte sie sanft. »Ich stand gerade auf dem Schlauch. Entschuldigung.«

Jeder, der irgendeine Verbindung zum Dorf hatte, wusste, dass Gloria, Tims siebzehnjährige Schwester, verschwunden war. Niemand konnte so recht sagen, ob sie einfach nur abgehauen oder ob ihr etwas zugestoßen war.

»Weißt du«, sagte Rita. »Zwischen mir und Gloria hat es nie besonders gut gestanden. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als das wieder geradebiegen zu können.«

Nina wusste nicht, was sie sagen sollte.

»Tim hat Gloria gesucht«, fuhr Rita fort. »Er hat gesagt, er würde sie finden.«

Deswegen ist er also ins Dorf zurückgekehrt.

Das Gespräch mit Rita war kurz gewesen, doch es hatte etwas ausgelöst in Nina. Ein ungutes Gefühl, das über die Katastrophe von Tims Tod hinausging. Alles vermischt sich, dachte sie. Das Dorf und mein jetziges Leben, Gegenwart und Vergangenheit.

Tim war tot, Gloria war verschwunden, und draußen auf den Straßen tobten die letzten Dämonen der Nacht.

Nina betrat ihr spartanisch eingerichtetes Zimmer und hielt inne, als sie sah, wie der schlafende Billy im Traum mit den Pfoten zuckte. Kurz musste sie lächeln, trotz allem. Nina hatte die kleine, zottelige Mischung, in der angeblich ein Anteil Jagdhund enthalten war, was Bill Murrays freundliches, durch und durch harmloses Gemüt bisher allerdings ganz gut kaschiert hatte, vor einigen Jahren aus dem Tierheim geholt, und er hatte ihr nicht nur durch einige Trennungen, sondern auch durch die stressigsten Phasen des Studiums geholfen.

Dann fiel ihr Blick auf den schweren Bildband neben ihrem Bett, der den Titel Travels in Search of Home trug und in dem einige von Tims schönsten Arbeiten versammelt waren. Sie widerstand dem Drang, ihn aufzuschlagen, wischte eine einzelne Träne fort, die sich nun doch wieder auf ihr Gesicht verirrt hatte.

Legte sich hin. Konnte nicht einschlafen. Es war einfach alles zu viel. Und kaum, dass sie das gedacht hatte, schlief sie doch noch ein.

Als sie erwachte, zeigte der Radiowecker neben ihrem Bett 14:08 Uhr an. Sie hatte fast sieben Stunden lang tief geschlafen und fühlte sich erholt. Dann kam die Erkenntnis zurück. Eine Welt ohne Tim,...

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Autor

MELANIE RAABE wurde 1981 in Jena geboren. Nach dem Studium arbeitete sie tagsüber als Journalistin - und schrieb nachts heimlich Bücher. 2015 erschien DIE FALLE, 2016 folgte DIE WAHRHEIT, 2018 dann DER SCHATTEN und 2019 DIE WÄLDER. Ihre Romane wurden in 22 Sprachen übersetzt, mehrere Verfilmungen sind in Arbeit. Melanie Raabe betreibt zudem gemeinsam mit der Künstlerin Laura Kampf einen erfolgreichen wöchentlichen Podcast rund um das Thema Kreativität, "Raabe & Kampf". Melanie Raabe lebt und arbeitet in Köln. Mit »Die Kunst des Verschwindens« verließ sie erstmals das Gebiet des traditionellen Thrillers und entführt uns in eine Welt, in der alles möglich und nichts selbstverständlich ist.