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Die Schuld jenes Sommers

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.10.2019
Bath 1942: Im Chaos eines Bombenangriffs ist der kleine Davy plötzlich unauffindbar. Frances, die auf den Jungen aufpassen sollte, macht sich auf die Suche. Sie ist verzweifelt, denn schon einmal ist ein Kind verschwunden: Vierundzwanzig Jahre zuvor war ihre beste Freundin Wyn nach einem Streit nie wieder aufgetaucht. Ausgerechnet in dieser schicksalhaften Nacht fördert der Einschlag einer Bombe das Skelett eines Kindes zutage. Das tote Mädchen ist Wyn. Frances ist zutiefst erschüttert, und dunkle Erinnerungen aus der Vergangenheit werden lebendig. Was geschah in jenem Sommer vor über zwanzig Jahren? Wo ist Davy? Und hat er überlebt?

Katherine Webb, geboren 1977, wuchs im englischen Hampshire auf und studierte Geschichte an der Durham University. Später arbeitete sie mehrere Jahre als Wirtschafterin auf herrschaftlichen Anwesen. Auf ihr großes internationales Erfolgsdebüt »Das geheime Vermächtnis« folgten zahlreiche weitere SPIEGEL-Bestseller-Romane. Nach längeren Aufenthalten in London und Venedig lebt und schreibt sie heute in der Nähe von Bath, England.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextBath 1942: Im Chaos eines Bombenangriffs ist der kleine Davy plötzlich unauffindbar. Frances, die auf den Jungen aufpassen sollte, macht sich auf die Suche. Sie ist verzweifelt, denn schon einmal ist ein Kind verschwunden: Vierundzwanzig Jahre zuvor war ihre beste Freundin Wyn nach einem Streit nie wieder aufgetaucht. Ausgerechnet in dieser schicksalhaften Nacht fördert der Einschlag einer Bombe das Skelett eines Kindes zutage. Das tote Mädchen ist Wyn. Frances ist zutiefst erschüttert, und dunkle Erinnerungen aus der Vergangenheit werden lebendig. Was geschah in jenem Sommer vor über zwanzig Jahren? Wo ist Davy? Und hat er überlebt?

Katherine Webb, geboren 1977, wuchs im englischen Hampshire auf und studierte Geschichte an der Durham University. Später arbeitete sie mehrere Jahre als Wirtschafterin auf herrschaftlichen Anwesen. Auf ihr großes internationales Erfolgsdebüt »Das geheime Vermächtnis« folgten zahlreiche weitere SPIEGEL-Bestseller-Romane. Nach längeren Aufenthalten in London und Venedig lebt und schreibt sie heute in der Nähe von Bath, England.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641215651
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum14.10.2019
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1852 Kbytes
Artikel-Nr.4310217
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Samstag

1942 - Erster Tag der Bombardierung

An jenem Samstag, dem fünfundzwanzigsten April, hätte Wyn Geburtstag gehabt. Schon den ganzen Tag war Frances immer wieder von Erinnerungen an sie heimgesucht worden, und als sie nach dem Abendessen mit ihrer Mutter im Wohnzimmer saß, wuchs ihre Unruhe. Davy döste auf ihrem Schoß. Carys, seine Mutter, hätte ihn schon längst abholen müssen, doch wie schon so oft würde sie ihn wohl einfach bei Frances lassen. Für seine sechs Jahre war Davy recht klein, dennoch lastete sein Gewicht schwer auf Frances. Sie begann zu schwitzen und bekam nur schwer Luft. Dazu das Gemurmel aus dem Radio und das Seufzen ihrer Mutter, die sich abmühte, im trüben Licht einer einzigen Lampe ein Hemd zu flicken - so konnte Frances unmöglich einen klaren Gedanken fassen. Obwohl Frances´ Vater alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte, weigerte sich ihre Mutter, während der Verdunkelung die Deckenbeleuchtung einzuschalten. Frances fühlte sich in dem Raum gefangen. Es war zu warm, zu eng, zu voll.

Sie blickte zu Davy hinunter, dessen Glieder im Schlaf langsam erschlafften. Seine Augenlider schimmerten blassviolett und hatten einen wächsernen Glanz, und an Frances zerrte ein bereits vertrautes Gefühl von Betroffenheit: So erschöpft wirkte er ständig.

»Ich muss ein bisschen an die frische Luft«, sagte Frances, veränderte ihre Haltung und versuchte, Schenkel und Rippen ein wenig von Davy zu entlasten. Susan, ihre Mutter, maß sie mit strengem Blick.

»Was, jetzt?«, fragte sie besorgt. »Aber es ist doch bald Schlafenszeit.«

»Ich bin nicht müde.«

»Nun, ich schon. Und du weißt, dass Davy trotz des Medikaments aufwacht, sobald du dich bewegst. Du kannst nicht einfach gehen und ihn bei mir lassen. Und Carys´ Zustand ist um diese Zeit mit Sicherheit auch nicht mehr der beste«, fügte sie hinzu. Frances unterdrückte einen Anflug von Verzweiflung, das dringende Bedürfnis zu entfliehen. Sie kämpfte sich aus dem Stuhl hoch. Davy regte sich und rieb sein Gesicht an ihrer Schulter.

»Alles ist gut, schlaf weiter«, flüsterte sie ihm zu. »Ja, ich denke, mit Carys hast du recht«, sagte sie an ihre Mutter gewandt. »Nach Hause kann er nicht. Ich bringe ihn zu den Landys. Die sind noch lange wach.« Susan sah sie missbilligend an.

»Es ist nicht richtig, ihn ständig von einem zum anderen zu schieben.«

»Ich ... ich bekomme einfach keine Luft mehr. Ich muss hier raus.«

Als sie den Hügel zu den Landys erklommen hatte, wand Davy sich in ihren Armen und rieb sich mit den Fäusten die Augen. Er gähnte, und Frances spürte seine Rippen an ihren, keine von ihnen dicker als ein Bleistift. »Schhh, schhh«, machte sie. »Du bleibst ein bisschen bei Mr. und Mrs. Landy. Ist das nicht schön? Mrs. Landy macht dir ganz bestimmt einen Becher Kakao.« Davy schüttelte den Kopf.

»Bei dir bleiben«, sagte er sehr leise, als Mrs. Landy die Tür öffnete. Sie trug ein Hauskleid und hatte das weiße Haar auf Lockenwickler gedreht, doch beim Anblick der beiden lächelte sie. Sie und ihr Mann hatten keine eigenen Kinder oder Enkelkinder.

»Ist das in Ordnung? Nur für ein paar Stunden?«, fragte Frances.

»Aber natürlich«, antwortete Mrs. Landy. »Komm rein, mein kleines Lämmchen. Wenn es sehr spät wird, können Sie ihn gern bei uns lassen, Frances. Das stört uns nicht.«

»Danke. Er hat schon gegessen und seine Medizin bekommen.«

»Frances«, sagte Davy noch immer verschlafen. Mehr nicht, doch Frances wusste, dass es seine Form des Protests war.

»Sei ein braver Junge«, erwiderte sie schuldbewusst. Kurz bevor die Tür geschlossen wurde, sah sie ein letztes Mal in sein blasses Gesicht, nahm den entgeisterten Ausdruck darin wahr. Unter den Augen, die ihren Blick suchten, lagen dunkle Schatten. Später würde sie dieses letzte Bild quälen. Wie leicht hatte sie die Schuldgefühle beiseitegeschoben und ihn einfach dort zurückgelassen.

Doch es war Wyns Geburtstag, und Frances brauchte Luft. Sie stieg zum Beechen Cliff hinauf, das hoch über Bath lag, und blickte auf die dunkle Stadt hinunter. Inzwischen mochte sie die friedliche Stille und die Einsamkeit während der Verdunkelung. Wenn man wartete, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und keine Fackel bei sich trug, ahnte niemand, dass man überhaupt da war. Man konnte völlig unsichtbar sein. Sie war nicht die Einzige, die sich das zunutze machte - häufig vernahm sie aus dem Park gedämpfte Stimmen, die flüchtigen Bewegungen und das schwere Atmen der Liebespaare. Frances mochte die schemenhaften Umrisse der Dinge, die sich vor dem helleren Himmel abzeichneten. Es gefiel ihr, dass man Geräusche und Gerüche deutlicher wahrnahm. Im Tageslicht bemerkte sie weder den Duft der blühenden Rosskastanien noch die intensive Süße des Flieders. Dann entging ihr auch der feuchte Geruch von Gras und Erde im Park, der so ganz anders war als der von Stein, Ruß und Menschen in den Straßen dort unten. Sie fühlte sich nicht bedroht, empfand nur ein leichtes Schaudern, das auch alle anderen Nacht für Nacht heimsuchte. Die Ahnung einer Gefahr, die weit entfernt schien. Als Frances auf die Stadt hinunterblickte, stellte sie sich vor, wie andere Menschen ihren Samstagabend verbrachten. Wie sie lebten, liebten, stritten. All die endlosen Gespräche. Es war befreiend, sich von ihnen zu entfernen.

Sie dachte an Kinder und daran, dass in Davys Augen manchmal schon der Ausdruck eines sehr alten Mannes lag - eine Erschöpfung, als würde er sich in das Unausweichliche fügen. Es war, als sei er bereits vor seiner Zeit gealtert. Ein bisschen, wie Wyn es gewesen war.

Seit zwei Jahren passte Frances auf Davy auf, seit sie wieder bei ihren Eltern wohnte. Als seine Mutter, Carys Noyle, ihn Frances zum ersten Mal in den Arm geschoben hatte, war er sehr schwach und klein gewesen - ein winziger Junge in dreckigen, viel zu weiten Shorts, der an einem entzündeten Flohstich auf seinem Arm herumkratzte und nach altem Schmutz stank. Frances hatte nicht auf ihn aufpassen wollen - sie wollte auf gar kein Kind aufpassen -, doch es war schwer, Carys etwas abzuschlagen. Und für Frances war es noch schwieriger als für jeden anderen. So entwickelte sich aus dem einmaligen Gefallen eine Routine, die drei-, viermal in der Woche in Anspruch genommen wurde, ohne dass
Carys jemals vorher Bescheid sagte. Sie ging selbstverständlich davon aus, dass Frances nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wusste.

Es war eine ruhige, klare Nacht, die Luft so mild, dass Frances´ Atem nicht zu sehen war. Heute wäre Wyn zweiunddreißig geworden, genauso alt wie Frances. Jedes Jahr versuchte Frances, sie sich als erwachsene Frau vorzustellen - verheiratet, mit Kindern. Wie sie aussähe, was sie alles täte. Wären sie Freundinnen geblieben? Frances hoffte es, doch sie waren sehr verschieden gewesen, und Freundschaften unter Erwachsenen schienen komplizierter zu sein als unter Kindern. Sie würde es niemals erfahren. Wyn war an einem Augusttag vor vierundzwanzig Jahren verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Sie war ein achtjähriges Kind geblieben. An ihrem Geburtstag suchte Wyn Frances Jahr für Jahr gnadenlos heim, bestürmte sie mit halb vergessenen Erinnerungen und ließ sie den Verlust wie einen körperlichen Schmerz spüren.

Ein einsames Flugzeug flog in der Nähe von Sham Castle ostwärts und hinterließ eine leuchtende Spur aus Brandbomben, die beinahe anmutig langsam vom Himmel fielen. Frances wartete, und natürlich begannen unten die Sirenen zu heulen, die vor einem Bombenangriff warnten. Für gewöhnlich trafen die ersten Flugzeuge zwischen elf Uhr und Mitternacht ein. Plötzlich wurde Frances bewusst, dass bereits mehrere Stunden verstrichen sein mussten, ohne dass sie es bemerkt hatte. Sie musste dringend nach Hause und mit ihrer Mutter in den Keller gehen, wo ihr der Liegestuhl regelmäßig Rückenschmerzen bereitete und die Luft im Laufe der Stunden immer stickiger wurde. Es war unmöglich, dort unten zu schlafen, und im Dunkeln »Ich sehe was, was du nicht siehst« zu spielen war schon seit Monaten nicht mehr lustig. Die Aussicht auf eine weitere Nacht im Keller war so erfreulich wie ein verregnetes Wochenende. In letzter Zeit hatte Frances sich nicht mehr gerührt, wenn die Sirenen losjaulten, und da war sie nicht die Einzige. Viel zu oft schon waren sie losgegangen, ohne dass Bomben gefallen waren.

Das Mondlicht glitt über den Holloway, die alte Straße am Fuße des Hügels, und fiel auf das Dach der St. Mary Magdalen Chapel. Es schien auch auf das Dach des alten Leprakrankenhauses daneben - ein schmales Häuschen, das völlig dunkel dalag, wie alle anderen Gebäude auch. Während der Verdunkelung wies nichts darauf hin, dass es leer stand. Es hatte ein grobes Dach aus Steinziegeln und kleine gotische Fenster, und an der Seite ragte ein Schornstein auf. Frances musste sich erst wappnen, ehe sie es wagte, genauer hinzuschauen; fast als würde sie sich einer Mutprobe stellen. Aber nachdem sie es einmal getan hatte, war es schwer, den Blick wieder zu lösen. Der Anblick katapultierte sie unerwartet und brutal in ihre Kindheit zurück. Sie starrte den Schornstein an und bemerkte die Geräusche der nach und nach eintreffenden Flugzeuge nicht gleich - sie übertönten kaum das leise Rascheln der Bäume. Irgendwo unten in Lyncombe Hill bellte ein Hund. Als sich das Geräusch verstärkte, hörte Frances das unverkennbare zweistimmige Schmettern deutscher Propeller, das so anders klang als das...

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Autor

Katherine Webb, geboren 1977, wuchs im englischen Hampshire auf und studierte Geschichte an der Durham University. Später arbeitete sie mehrere Jahre als Wirtschafterin auf herrschaftlichen Anwesen. Auf ihr großes internationales Erfolgsdebüt »Das geheime Vermächtnis« folgten zahlreiche weitere SPIEGEL-Bestseller-Romane. Nach längeren Aufenthalten in London und Venedig lebt und schreibt sie heute in der Nähe von Bath, England.