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Die Frauen am Fluss

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.05.2018
England 1922: Zuerst stellt die Ankunft der Londonerin Irene die Ordnung des idyllischen Dorfes Slaughterford auf eine harte Probe. Kurz darauf geschieht ein brutaler Mord. Der Tote ist ein angesehener Gutsherr - und Irenes Mann. Gemeinsam mit dem Stallmädchen Pudding begibt sich Irene auf die Suche nach der Wahrheit. Die Spuren führen das ungleiche Paar tief in die angrenzenden Wälder und zu einer Liebe, die nicht sein durfte und ein ganzes Dorf voller Schuld zurückließ.

Katherine Webb, geboren 1977, wuchs im englischen Hampshire auf und studierte Geschichte an der Durham University. Später arbeitete sie mehrere Jahre als Wirtschafterin auf herrschaftlichen Anwesen. Auf ihr großes internationales Erfolgsdebüt »Das geheime Vermächtnis« folgten zahlreiche weitere SPIEGEL-Bestseller-Romane. Nach längeren Aufenthalten in London und Venedig lebt und schreibt sie heute in der Nähe von Bath, England.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
HörbuchCompact Disc
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEngland 1922: Zuerst stellt die Ankunft der Londonerin Irene die Ordnung des idyllischen Dorfes Slaughterford auf eine harte Probe. Kurz darauf geschieht ein brutaler Mord. Der Tote ist ein angesehener Gutsherr - und Irenes Mann. Gemeinsam mit dem Stallmädchen Pudding begibt sich Irene auf die Suche nach der Wahrheit. Die Spuren führen das ungleiche Paar tief in die angrenzenden Wälder und zu einer Liebe, die nicht sein durfte und ein ganzes Dorf voller Schuld zurückließ.

Katherine Webb, geboren 1977, wuchs im englischen Hampshire auf und studierte Geschichte an der Durham University. Später arbeitete sie mehrere Jahre als Wirtschafterin auf herrschaftlichen Anwesen. Auf ihr großes internationales Erfolgsdebüt »Das geheime Vermächtnis« folgten zahlreiche weitere SPIEGEL-Bestseller-Romane. Nach längeren Aufenthalten in London und Venedig lebt und schreibt sie heute in der Nähe von Bath, England.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641222055
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum14.05.2018
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4252 Kbytes
Artikel-Nr.2514867
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

DREI MÄDCHEN

Am Morgen des Tages, mit dem alles begann, hielt Pudding kurz am oberen Treppenabsatz inne und erblickte durch das kleine Fenster ihre Mutter. Louise Cartwright stand hinter dem Haus auf dem Rasen, schaute auf die durchweichte Koppel, die zum Tal hin abfiel, und nestelte mit den Händen an etwas, das Pudding nicht sehen konnte. Es war früh am Morgen, die Sonne noch nicht ganz über den Horizont gestiegen und der Himmel von wolkenloser, blasser Klarheit. Es versprach ein weiterer heißer Tag zu werden. Pudding spürte dieses leise, unheilvolle Gefühl in sich aufsteigen, das sie mittlerweile schon so gut kannte. Sie verharrte einen Moment, doch als sich ihre Mutter weder umdrehte noch von der Stelle rührte, setzte Pudding ihren Weg die Stufen hinab fort, langsamer jetzt. Aus dem dunklen Elternschlafzimmer drang das leise Schnarchen ihres Vaters. Früher war er jeden Morgen als Erster aufgestanden. Er hatte den Ofen in Gang gebracht, den Kessel aufgesetzt, sich rasiert und seine Weste zugeknöpft, bevor Pudding und Donald in die Küche hinuntertapsten und sich den Schlaf aus den Augen wischten. Jetzt musste Pudding für gewöhnlich ins Schlafzimmer gehen und ihn wecken, wobei sie jedes Mal ein schlechtes Gewissen hatte. Er schlief wie ein Stein.

Die Küche im Spring Cottage hatte schon bessere Tage gesehen und war auch nicht mehr so aufgeräumt wie früher - die Schüsseln im Regal standen nicht mehr der Größe nach geordnet. Der Hopfenkranz machte einen verstaubten Eindruck. Vollgekrümelte Ritzen und Fettspritzer verbreiteten einen abgestandenen Essensgeruch. Donald wartete bereits am Küchentisch. Weder las er, noch reparierte er etwas, noch schrieb er eine Liste. Er saß einfach nur da und wartete. Wenn ihn niemand aufscheuchte und losschickte, würde er den ganzen Tag dort sitzen. Pudding drückte im Vorübergehen seine Schulter und sah, wie er langsam aus den unergründlichen Tiefen seines Inneren auftauchte und sie anlächelte. Sie liebte dieses Lächeln - es war noch genauso wie früher. Im Geiste führte sie zwei Listen: über das, was an Donald gleich geblieben war, und über das, was sich für immer verändert hatte. Mit diesem für immer haderte sie. Insgeheim wartete sie darauf, dass er irgendwann einfach alles abschüttelte, wie früher plötzlich voller Tatendrang vom Tisch aufsprang und etwas fragte wie: »Willst du nicht einen Toast zu deiner Marmelade, Pudding?« Die ersten zwei Jahre nach seiner Rückkehr hatten sie ihn einfach nur beobachtet und darauf gewartet, dass er wieder der Alte wurde. Im ersten Jahr kehrte auch einiges zurück: seine Liebe zur Musik, die Liebe zu Aoife Moore, die Faszination für Maschinen und der Appetit - obwohl ihm das Schlucken manchmal Schwierigkeiten bereitete und es dann in einem Hustenanfall endete. Doch im letzten Jahr war sein Zustand unverändert geblieben. Sein dunkles Haar war noch dasselbe - weich, glänzend und schwer zu bändigen. Ganz und gar liebenswert. Ebenso wie der leicht spöttische Zug um seinen Mund, obwohl auch die Ironie zu den Dingen gehörte, die er verloren hatte.

»Morgen, Donny«, sagte Pudding. »Ich schaue nur kurz, was Mum vorhat, dann frühstücken wir, ja?« Sie klopfte ihm auf die Schulter und war bereits an der Hintertür, als er endlich eine Antwort zustande brachte.

»Guten Morgen, Puddy.« Er klang so normal, so ganz nach großem Bruder, dass Pudding sehr tief, bis in den Bauch hinein, einatmen musste, um nicht die Fassung zu verlieren.

Sie zog die Tür hinter sich zu und hielt voller Zuversicht nach Louise Ausschau. Ihr Optimismus war von einer derartigen Hartnäckigkeit, dass sie ihn einfach nicht abstellen konnte. So hoffte sie, dass ihre Mutter inzwischen ihren Standort verlassen und einfach nur Petersilie fürs Rührei gepflückt hatte. Oder dass sie auf dem Rückweg vom Abort für einen kurzen Moment stehen geblieben war, um den Hasen zuzusehen, die sich auf den Feldern boxten. Doch ihre Mutter hatte sich nicht vom Fleck bewegt, weshalb Pudding zur Ablenkung ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge richtete. Zum Beispiel darauf, dass ihre Reithosen schon wieder zu klein wurden; der Hosenbund zog beim Bücken nach unten, sodass ihr die Hosenträger in die Schultern schnitten. Darauf, dass eine Socke verrutscht war und jetzt unangenehm unter ihrer Fußsohle drückte. Dass ihre Bluse unter den Armen kniff, weil ihre Brüste mit jedem Tag größer zu werden schienen, egal wie sehr sie sich innerlich dagegen sträubte. Pudding kam es vor, als hätte sich ihre Kleidung gegen sie verschworen, um sie überflüssigerweise ständig daran zu erinnern, dass sie sich gegen ihren Willen ausdehnte - in die Länge und in die Breite.

Die Luft war klar, kühl und frisch. Louises Füße hatten dunkelgrüne Abdrücke im silbrigen Tau hinterlassen, und Pudding verkürzte ihre Schritte, um mit den Füßen genau in Louises Fußstapfen zu treffen.

»Mum?«, fragte sie. Eigentlich wollte sie eine muntere Bemerkung machen, um die seltsame Situation zu überspielen, doch ihr fiel nichts ein. Erschrocken riss Louise den Kopf herum. Im ersten Moment zeigte sich in ihrem Gesicht keinerlei Erkennen. Diesen leeren Ausdruck, in den sich ein Anflug von Angst mischte, fürchtete Pudding allmählich mehr als alles andere. Sie bekam kaum noch Luft. Doch dann lächelte Louise, und ihr Lächeln war nur eine Spur brüchig, nur ein klein wenig diffus.

»Pudding! Da bist du ja, Liebes. Ich habe schon nach dir gesucht«, sagte sie, wobei ihr Blick verriet, dass sie nachgrübelte, ob das stimmte. Pudding stellte fest, dass Louise nichts in den Händen hielt, sondern die ganze Zeit am untersten Knopf ihrer gelben Strickjacke herumgenestelt hatte. Sie fing immer unten an, doch weiter war sie an jenem Morgen nicht gekommen.

»Ach ja?«, erwiderte Pudding und zwang sich, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken.

»Ja. Wo bist du gewesen?«

»Nirgends, nur in meinem Zimmer. Ich habe dich wohl nicht rufen hören. Komm, gehen wir.« Pudding eilte weiter, bevor die kleine Schwindelei ihre Mutter zusätzlich verwirren konnte. »Gehen wir rein und setzen den Kessel auf, ja? Machen wir eine schöne Kanne Tee?«

»Ja. Das wird uns guttun.« Louise seufzte ein wenig, während sie sich umdrehte, um an der Seite ihrer Tochter zum Haus zurückzugehen. Sie verwischten ihre ursprünglichen Fußabdrücke, und Tauspritzer durchnässten die Socken um Puddings Knöchel. Dennoch überkam sie eine überwältigende Heiterkeit, als ein Schwalbengeschwader fröhlich kreischend über ihnen durch den Himmel zog und die Milchkühe der Manor-Farm auf der anderen Seite des Tales begeistert muhten, als sie nach dem Melken auf die Weide durften.

»Hast du die Hasen auf dem Feld gesehen, Mum?«, fragte sie unbesonnen.

»Was? Wann?«, erwiderte Louise, und Pudding beeilte sich, die Frage zurückzunehmen.

»Ach nichts. Vergiss es.« Sie drückte ihrer Mutter den Arm, und Louise tätschelte ihre Hand.

An der Hintertreppe wucherte Löwenzahn, und der Ascheimer musste dringend geleert werden. Die Schwarzen Johannisbeeren verfaulten am Strauch, weil niemand sie pflückte - außer den Amseln, die violette Spuren auf dem Weg und unterm Fenster hinterließen. Doch als sie in die Küche zurückkehrten, zischte schon der Kessel auf der heißen Herdplatte, und Puddings Vater Doktor Cartwright schürte das Feuer. Er war gekämmt und angekleidet, auch wenn er sich noch nicht rasiert hatte und seine Augen noch ein wenig müde wirkten.

»Zwei Rosen, taufrisch aus dem Garten«, begrüßte er sie.

»Morgen, Dad. Hast du gut geschlafen?« Pudding stellte die Butterdose auf den Tisch, zog ruckelnd die Schublade auf, um Messer herauszuholen, und nahm das Brot vom Vortag aus dem Tontopf.

»Viel zu gut! Du hättest mich früher wecken sollen.« Der Arzt streichelte seiner Frau über die Oberarme und lächelte zu ihr hinab. Er strich ihr das ungekämmte Haar zur Seite und küsste sie auf die Stirn, woraufhin Pudding beschämt, aber selig den Blick abwandte.

»Toast, Donny?«, fragte Louise. Wie Pudding feststellte, hatte sie ihre Strickjacke inzwischen zugeknöpft, und jeder Knopf saß im richtigen Loch.

»Ja, bitte, Mum«, sagte Donald. Und bei den Frühstücksvorbereitungen packten alle mit an, vielleicht nicht ganz so wie früher, aber in einer Abfolge alter Gewohnheiten, die wohltuend vertraut anmutete. In der Nacht stob ihre Familie auseinander, dachte Pudding. Wie Distelsamen im Wind wurden sie von Luftströmungen, die sie weder wahrnahm noch begriff, hierhin und dorthin getrieben. Was Pudding jedoch verstand, war, dass es ihr oblag, morgens alle wieder einzusammeln. Und so sang sie beim Brotschneiden ein paar Takte von All things bright and beautiful - so schief sie konnte, um ihre Familie zum Lächeln zu bringen.

Als Irene das Klappern von Keith Glovers Fahrrad hörte, tat ihr Herz einen Sprung und schlug heftig gegen ihre Rippen. Sorgsam achtete sie darauf, weder den Blick zu heben noch sonst irgendeine Reaktion zu zeigen. So sorgsam, dass sie schon fürchtete, sich womöglich gerade dadurch zu verraten. Sie meinte, die Schuld müsse ihr in leuchtenden Lettern auf der Stirn geschrieben stehen. Unübersehbar für Nancy mit ihren Adleraugen, die kein Hehl daraus machte, dass sie allem, was Irene tat oder sagte, mit Argwohn begegnete. Sie saß Irene am Frühstückstisch gegenüber, strich hauchdünn Butter auf ihren Toast und beäugte skeptisch jedes zu große Stück Schale in der Orangenmarmelade. Die Sonne glänzte auf der Tischplatte aus Rosenholz und auf Nancys silbergrauem Haar, das sie wie üblich zu einem Knoten frisiert hatte. Sie war klein, zierlich...

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Katherine Webb, geboren 1977, wuchs im englischen Hampshire auf und studierte Geschichte an der Durham University. Später arbeitete sie mehrere Jahre als Wirtschafterin auf herrschaftlichen Anwesen. Auf ihr großes internationales Erfolgsdebüt »Das geheime Vermächtnis« folgten zahlreiche weitere SPIEGEL-Bestseller-Romane. Nach längeren Aufenthalten in London und Venedig lebt und schreibt sie heute in der Nähe von Bath, England.