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Das andere Mädchen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am17.02.2020
Vielschichtig und verstörend - der Bestseller aus Australien!
»Vor 28 Jahren verschwand ein kleines Mädchen. Dieses Mädchen bist du ...«
Kim Leamy, Fotografin aus Melbourne, wird aus heiterem Himmel von einem Fremden angesprochen, der Unglaubliches erzählt: Er behauptet, ihr wirklicher Name sei Sammy Went und sie sei vor 28 Jahren in einer Kleinstadt in Kentucky entführt worden. Kim hält das für einen schlechten Scherz oder eine Verwechslung, hat sie doch hier in Australien eine geborgene Kindheit verbracht. Und doch bleiben Zweifel. Zweifel, die Kim schließlich in Sammys kleine Heimatstadt in den USA führen: in eine beklemmende Welt von religiösem Fanatismus und dunklen Geheimnissen. Die Wahrheit, die Kim dort findet, ist verstörend - und tödlich ...

Der gebürtige Engländer Christian White ist ein international ausgezeichneter Drehbuchautor. Sein Romandebüt »Das andere Mädchen« wurde in seiner australischen Wahlheimat zum Überraschungsbestseller. Christian lebt mit seiner Frau in Melbourne und schreibt bereits an seinem nächsten Thriller.
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Produkt

KlappentextVielschichtig und verstörend - der Bestseller aus Australien!
»Vor 28 Jahren verschwand ein kleines Mädchen. Dieses Mädchen bist du ...«
Kim Leamy, Fotografin aus Melbourne, wird aus heiterem Himmel von einem Fremden angesprochen, der Unglaubliches erzählt: Er behauptet, ihr wirklicher Name sei Sammy Went und sie sei vor 28 Jahren in einer Kleinstadt in Kentucky entführt worden. Kim hält das für einen schlechten Scherz oder eine Verwechslung, hat sie doch hier in Australien eine geborgene Kindheit verbracht. Und doch bleiben Zweifel. Zweifel, die Kim schließlich in Sammys kleine Heimatstadt in den USA führen: in eine beklemmende Welt von religiösem Fanatismus und dunklen Geheimnissen. Die Wahrheit, die Kim dort findet, ist verstörend - und tödlich ...

Der gebürtige Engländer Christian White ist ein international ausgezeichneter Drehbuchautor. Sein Romandebüt »Das andere Mädchen« wurde in seiner australischen Wahlheimat zum Überraschungsbestseller. Christian lebt mit seiner Frau in Melbourne und schreibt bereits an seinem nächsten Thriller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641228576
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum17.02.2020
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1363 Kbytes
Artikel-Nr.4279757
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Melbourne, Australien

- Jetzt -

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte der Fremde. Er musste so um die vierzig sein, sah auf zurückhaltende Weise gut aus und sprach mit amerikanischem Akzent. Dazu trug er einen nassen Regenparka und knallgelbe Sneaker. Die Schuhe waren brandneu - sie quietschten beim Gehen. Er setzte sich zu mir an den Tisch, ohne meine Antwort abzuwarten, und sagte: »Sie sind Kimberly Leamy, stimmt´s?«

Ich unterrichtete an drei Abenden in der Woche am Northampton Community TAFE Fotografie und machte gerade zwischen zwei Stunden Pause. Normalerweise wimmelte es in der Cafeteria von Schülern, aber heute herrschte eine fast unheimliche, postapokalyptische Leere. Seit nun beinahe sechs Tagen regnete es ununterbrochen; dank der doppelt verglasten Fenster blieb der Lärm jedoch draußen.

»Kim genügt«, sagte ich leicht genervt. Von meiner Pause war nicht mehr viel übrig, und ich hatte das Alleinsein genossen. Anfang der Woche hatte ich eine alte zerlesene Ausgabe von Stephen Kings Friedhof der Kuscheltiere im Lehrerzimmer unter einem wackligen Tischbein gefunden und war seither eifrig dabei, sie zu verschlingen. Ich hatte schon immer gerne gelesen, und Horror gehörte zu meinen Lieblingsgenres. Meine jüngere Schwester Amy hatte häufig frustriert festgestellt, dass ich in derselben Zeit drei Bücher las, in der sie gerade mal eins schaffte. Der Trick des schnellen Lesens besteht darin, dass man ein langweiliges Leben führen muss, hatte ich ihr erklärt. Amy hatte einen Verlobten und eine dreijährige Tochter; ich hatte Stephen King.

»Mein Name ist James Finn«, sagte der Mann. Er legte eine Mappe zwischen uns auf den Tisch und schloss die Augen, wie ein olympischer Turmspringer, der sich mental auf seinen Sprung vorbereitet.

»Sind Sie Lehrer oder Schüler?«, fragte ich.

»Weder noch.«

Er schlug die Mappe auf, zog ein Foto im Format zwanzig mal dreißig heraus und schob es über den Tisch. Seine Bewegungen hatten etwas Mechanisches. Jede Geste war überlegt und souverän.

Die Aufnahme zeigte ein kleines Mädchen im grünen Gras, sie hatte tiefblaue Augen und einen dunklen Strubbelkopf. Sie lächelte - wenn auch ein bisschen geziert, als hätte sie keine Lust, fotografiert zu werden.

»Kommt Ihnen das Mädchen bekannt vor?«, fragte er.

»Nein, ich glaube nicht. Sollte sie?«

»Würden Sie noch mal genauer hinsehen?«

Er lehnte sich zurück, um meine Reaktion besser beobachten zu können. Ich tat ihm den Gefallen und betrachtete das Foto noch einmal. Die blauen Augen, das überbelichtete Gesicht, das Lächeln, das eigentlich keins war. Vielleicht kam sie mir jetzt tatsächlich bekannt vor. »Ich weiß nicht. Tut mir leid. Wer ist das?«

»Sie heißt Sammy Went. Das Foto wurde an ihrem zweiten Geburtstag aufgenommen. Drei Tage später ist sie verschwunden.«

»Verschwunden?«

»Entführt aus dem Haus ihrer Eltern in Manson, Kentucky. Direkt aus ihrem Zimmer im ersten Stock. Die Polizei konnte keinerlei Spuren finden, die auf einen Eindringling hingewiesen hätten. Es gab keine Zeugen, keinen Erpresserbrief. Sie hat sich einfach in Luft aufgelöst.«

»Ich denke, Sie wollen zu Edna«, sagte ich. »Sie unterrichtet Verbrechen und Justiz. Ich bin nur für Fotografie zuständig, aber Edna brennt für diese wahren Kriminalgeschichten.«

»Nein, ich bin wegen Ihnen hier.« Er räusperte sich und fuhr dann fort: »Manche waren überzeugt, dass sie in den Wald spaziert und dort von einem Kojoten oder einem Puma gerissen wurde, aber wie weit würde eine Zweijährige kommen? Das Wahrscheinlichste ist, dass Sammy gekidnappt wurde.«

»... okay. Dann sind Sie Ermittler?«

»Eigentlich bin ich Steuerberater.« Er atmete geräuschvoll aus, und ich roch Pfefferminz. »Aber ich bin in Manson aufgewachsen und kenne die Familie Went recht gut.«

Mein nächster Kurs sollte in fünf Minuten beginnen, also schaute ich demonstrativ auf die Uhr. »Tut mir sehr leid, das mit dem Mädchen, aber ich fürchte, ich muss gleich zum Unterricht. Natürlich würde ich gerne helfen. An eine Spende in welcher Höhe hatten Sie gedacht?«

»Spende?«

»Sammeln Sie kein Geld für die Familie? Geht es nicht darum?«

»Ich möchte kein Geld von Ihnen«, sagte er unterkühlt und starrte mich mit eigenartig verkniffener Miene an. »Ich bin hier, weil ich glaube ... dass Sie mit der Angelegenheit zu tun haben.«

»Mit der Entführung einer Zweijährigen?« Ich lachte. »Erzählen Sie mir nicht, dass Sie aus den Staaten hergereist sind, um mich der Kindesentführung zu beschuldigen.«

»Sie verstehen mich falsch«, sagte er. »Das kleine Mädchen verschwand am 3. April 1990. Sie wird seit achtundzwanzig Jahren vermisst. Ich denke nicht, dass Sie Sammy Went gekidnappt haben. Ich denke, dass Sie Sammy Went sind.«

In meinem Fotografiekurs waren siebzehn Schüler - in Bezug auf Alter, Herkunft und Geschlecht bunt gemischt. Einerseits war da Lucy Cho, die so frisch von der Highschool kam, dass sie immer noch einen Kapuzenpulli mit der Aufschrift Mornington Secondary auf dem Rücken trug. Andererseits Murray Palfrey, ein vierundsiebzigjähriger Rentner, der immer, bevor er sich meldete, seine Finger knacken ließ.

Heute Abend war Mappenpräsentation: Die Schüler sollten der Klasse die Arbeiten zeigen, die sie während des Semesters aufgenommen hatten, um anschließend gemeinsam darüber zu sprechen. Die meisten waren eher unspektakulär. Größtenteils handwerklich solide, sodass ich wohl etwas richtig gemacht haben musste - die Themen aber waren meist die gleichen wie im letzten und vorletzten Semester. Ich sah dasselbe Graffiti an derselben baufälligen Mauer; dasselbe efeuumrankte Häuschen in Carlton Gardens; denselben Unheil verheißenden Gully, durch den schmutzig braunes Wasser in den Egan River floss.

Den größten Teil der Stunde schaltete ich auf Autopilot.

Meine Begegnung mit dem amerikanischen Steuerberater hatte mich verunsichert. Allerdings nicht, weil ich ihm glaubte. Meine Mutter Carol Leamy mochte vieles gewesen sein - sie war vor vier Jahren gestorben -, aber ganz gewiss keine Kidnapperin. Wer je auch nur eine Minute mit meiner Mutter verbracht hatte, wusste, dass sie keine Lüge aufrechterhalten konnte, geschweige denn eine internationale Kindesentführung hätte durchziehen können.

James Finn täuschte sich in Bezug auf mich, und vermutlich würde er das kleine Mädchen niemals finden, aber trotzdem hatte er mir eine unbequeme Wahrheit ins Bewusstsein gerufen: Kontrolle ist eine Illusion. Sammy Wents Eltern hatten diese Lektion auf die harte Tour, durch den Verlust eines Kindes, lernen müssen. Und ich hatte dieselbe Erfahrung durch den Tod meiner Mutter gemacht. Sie war relativ plötzlich gestorben: Als sie die Diagnose Krebs erhielt, war ich vierundzwanzig, und sechsundzwanzig, als sie daran starb.

Meiner Erfahrung nach sagten Menschen, die so etwas durchgemacht hatten, entweder »Alles hat seinen Grund« oder »Chaos regiert«. Natürlich gibt es weitere Varianten dieser Grundeinstellungen: »Gottes Wege sind unergründlich« oder »Das Leben ist kein Zuckerschlecken«. Für mich war es Letzteres. Meine Mutter hatte weder geraucht noch ihr Leben lang in einer Textilfabrik gearbeitet, sie hatte sich gut ernährt und Sport getrieben, und doch hatte all das zum Schluss überhaupt keinen Unterschied gemacht.

Verstehen Sie? Kontrolle gibt es nicht.

Als ich merkte, dass ich während der Präsentation träumte, kippte ich schnell meinen inzwischen kalten Kaffee herunter und versuchte erneut, mich zu konzentrieren.

Simon Daumier-Smith war jetzt an der Reihe, seine Arbeiten zu zeigen. Simon war ein schüchterner Junge Anfang zwanzig, der beim Sprechen meist zu Boden starrte. Wenn er dann doch einmal aufblickte, huschte sein träges Auge hinter seiner Lesebrille hin und her wie ein Fisch.

Es dauerte einige Minuten, bis er ungeschickt eine Serie von Fotografien auf Staffeleien vor der Klasse platziert hatte. Da die anderen Schüler bereits unruhig wurden, bat ich Simon, uns während seiner Vorbereitungen doch ein bisschen was zu erzählen.

»Äh, ja, na klar, okay«, sagte er und hatte Mühe, dabei die Abzüge zu befestigen. Einer fiel ihm aus der Hand und glitt über den Boden, Simon jagte ihm hinterher.

»Okay, also ich weiß ja, dass wir eigentlich, äh, Gegensätze suchen sollten und äh, na ja, ich bin nicht so sicher, ob ich wirklich, na ja, begriffen habe, was damit gemeint war oder so.« Er stellte das letzte Foto auf die Staffelei und trat einen Schritt beiseite, damit die Klasse die Serie betrachten konnte. »Vermutlich könnte man behaupten, die Serie zeigt den Gegensatz zwischen hässlich und schön.«

Zu meiner absoluten Überraschung waren die Fotos von Simon Daumier-Smith ... atemberaubend.

Insgesamt handelte es sich um sechs Fotos, alle in derselben Einstellung aufgenommen. Er musste die Kamera auf einem Stativ befestigt und alle paar Stunden ein Foto gemacht haben. Die Komposition war karg und schlicht: ein Bett, eine Frau und ihr Kind. Die Frau war in Simons Alter, hübsch, aber mit Aknenarben im Gesicht. Das Kind war ungefähr drei, hatte unnatürlich gerötete Wangen und eine kränklich gerunzelte Stirn.

»Ich hab sie alle in einer Nacht aufgenommen«, erklärte Simon. »Die Frau ist meine Verlobte Joanie, und das ist unsere kleine Tochter Simone. Wir haben sie übrigens nicht nach mir so genannt. Viele denken, wir hätten sie nach mir...

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Autor

Der gebürtige Engländer Christian White ist ein international ausgezeichneter Drehbuchautor. Sein Romandebüt »Das andere Mädchen« wurde in seiner australischen Wahlheimat zum Überraschungsbestseller. Christian lebt mit seiner Frau in Melbourne und schreibt bereits an seinem nächsten Thriller.