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Der Schatten des Bösen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
560 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am01.04.2019
Anlässlich der Beerdigung des ehemaligen Sargtischlers und Mörders Larry Glassbrook kehrt die Polizistin Florence Lovelady mit ihrem Sohn Ben zurück nach Lancashire - in die Stadt des spektakulären Falls, der einst ihre Karriere begründete. 1969 wurden dort mehrere Jugendliche vermisst. Es stellte sich heraus, dass sie entführt und in Särgen lebendig begraben worden waren. Florence gelang es, Grassbrook dieser grausamen Taten zu überführen und ihn lebenslang hinter Gitter zu bringen. Doch kaum ist der vermeintliche Mörder von damals selbst unter der Erde, mehren sich die Zeichen, dass der Schatten des Bösen weiter reichen könnte als vermutet ...
Der erste Fall für Florence Lovelady: »Brillant gemachter Nervenkitzel« (The Guardian)

Sharon Bolton, geboren im englischen Lancashire, hat eine Schauspielausbildung absolviert und Theaterwissenschaft studiert. Ihr Debütroman »Todesopfer« machte sie über Nacht zum Star unter den britischen Spannungsautor*innen. Seitdem wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Dagger in the Library für ihr Gesamtwerk. Sharon Bolton lebt mit ihrer Familie in Oxford.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
HörbuchCD-ROM
EUR24,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAnlässlich der Beerdigung des ehemaligen Sargtischlers und Mörders Larry Glassbrook kehrt die Polizistin Florence Lovelady mit ihrem Sohn Ben zurück nach Lancashire - in die Stadt des spektakulären Falls, der einst ihre Karriere begründete. 1969 wurden dort mehrere Jugendliche vermisst. Es stellte sich heraus, dass sie entführt und in Särgen lebendig begraben worden waren. Florence gelang es, Grassbrook dieser grausamen Taten zu überführen und ihn lebenslang hinter Gitter zu bringen. Doch kaum ist der vermeintliche Mörder von damals selbst unter der Erde, mehren sich die Zeichen, dass der Schatten des Bösen weiter reichen könnte als vermutet ...
Der erste Fall für Florence Lovelady: »Brillant gemachter Nervenkitzel« (The Guardian)

Sharon Bolton, geboren im englischen Lancashire, hat eine Schauspielausbildung absolviert und Theaterwissenschaft studiert. Ihr Debütroman »Todesopfer« machte sie über Nacht zum Star unter den britischen Spannungsautor*innen. Seitdem wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Dagger in the Library für ihr Gesamtwerk. Sharon Bolton lebt mit ihrer Familie in Oxford.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641232634
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum01.04.2019
Seiten560 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5965 Kbytes
Artikel-Nr.4024718
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Dienstag, 10. August 1999

Am heißesten Tag des Jahres ist Larry Glassbrook zum letzten Mal in seine Heimat Lancashire zurückgekehrt, und die Leute aus der Stadt sind gekommen, um ihn zu verabschieden.

Nicht auf freundliche Art und Weise.

Vielleicht bilde ich es mir ja nur ein, aber die Menschenmenge vor der Kirche scheint während des kurzen, unterkühlten Trauergottesdienstes größer geworden zu sein. Viele sind früh gekommen, um sich wie Zuschauer vor einer großen Parade einen guten Platz zu sichern.

Überall, wo ich hinschaue, zwischen Grabsteinen und entlang der Friedhofsmauer stehen Leute, sie säumen die Wege wie eine gespenstische Ehrengarde. Als wir dem Sarg hinaus ins grelle Sonnenlicht folgen, sehen sie uns an, ohne sich zu rühren oder etwas zu sagen.

Die Presse ist in voller Mannschaftsstärke erschienen, obwohl das Datum so lange wie möglich geheim gehalten wurde. Uniformierte Polizisten drängen die Medienleute zurück, halten die Wege und das Kirchenportal frei, aber die Fotografen haben Trittleitern und riesige Teleobjektive mitgebracht. Die runden, flauschigen Mikrofone der Berichterstatter sehen aus, als könnten sie noch das Huschen der Kirchenmäuse einfangen.

Ich halte den Blick gesenkt, schiebe die Sonnenbrille auf der Nase noch ein wenig höher, obgleich mir klar ist, dass ich inzwischen ganz anders aussehe. Dreißig Jahre sind eine lange Zeit.

Ein paar Meter vor mir laufen dicke Schweißperlen über die Nacken der Sargträger. Die Männer ziehen eine Geruchsspur hinter sich her, einen Dunst von Aftershave und biergesättigtem Schweiß, von nicht oft genug gereinigten Anzügen.

Das Niveau ist seit Larrys Zeiten deutlich gesunken. Die Angestellten des Beerdigungsunternehmens Glassbrook & Greenwood trugen Anzüge, so schwarz wie frisch geschlagene Kohle. Ihre Schuhe und ihr Haar glänzten, und sie rasierten sich so gründlich, dass sie immer gereizte, wunde Haut hatten. Larrys Männer trugen die Särge voller Ehrfurcht, wie die Kunstwerke, die sie waren. Solche billigen Furniersärge wie den da vor mir hätte es bei Larry niemals gegeben.

Zu wissen, dass seine eigene Beerdigung nicht die Anforderungen erfüllen würde, auf denen er immer bestanden hatte, könnte durchaus eine bittere Enttäuschung für Larry gewesen sein. Andererseits hat er vielleicht auch gelacht, laut und gemein. So, wie er es manchmal getan hatte, wenn man es am wenigsten erwartete und besonders erschreckend wirkte. Und dann fuhr er sich vielleicht mit den Fingern durch sein schwarzes Haar, zwinkerte anzüglich und tanzte weiter zu den Elvis-Songs, die er in seiner Werkstatt unablässig hörte.

Noch nach all dieser Zeit bekomme ich Herzrasen beim bloßen Gedanken an die Musik von Elvis Presley.

Wie ein riesiges krabbelndes Insekt ändern der billige Sarg und seine Träger die Richtung und verlassen den Weg. Während wir nach Süden auf das Familiengrab der Glassbrooks zuhalten, brennt die Hitze so heftig auf unseren Gesichtern wie die Bühnenscheinwerfer einer heruntergekommenen Musicalhalle. In Lancashire, so weit oben auf dem Hochmoor, sind heiße Tage selten, heute jedoch scheint die Sonne fest entschlossen zu sein, Larry schon einmal einen Vorgeschmack auf die Temperaturen zu geben, die in seinem nächsten Kerker auf ihn warten.

Ich frage mich, was wohl auf seinem Grabstein stehen wird: Treu ergebener Ehemann, liebevoller Vater, gnadenloser Mörder.

Während seine letzten Minuten über der Erde verstreichen, scheint die Menge gleichzeitig vorwärtszudrängen und zurückzuweichen, wie ein verwirrtes Meer, das nicht mehr genau weiß, ob Ebbe oder Flut ist.

Da sehe ich aus dem Augenwinkel die Teenager, halb verborgen hinter dem Rand meiner Sonnenbrille. Ein Junge und zwei Mädchen, klein, dürr, in grellbunten Polyesterklamotten. Die Blicke der Erwachsenen huschen auf dem Friedhof umher, mustern zornig die Trauergäste, streifen nervös die Polizisten und betrachten neugierig die Medienleute. Die Teenager haben nur Augen für die Hauptperson unter den Trauernden, für die Frau, die unmittelbar hinter dem Pfarrer dahinschreitet, direkt vor mir.

Sie ist schön, was ihr mit fünfzehn niemand prophezeit hätte. Ihr Haar ist jetzt honigblond, und ihr Körper hat sich gerundet. Sie sieht nicht mehr aus wie eine Marionette, deren Kopf zu groß für den dürren Strichmännchen-Körper ist. Ihre Augen, die einen immer anstarrten wie die eines erschrockenen Buschbabys in einer Tiersendung, haben jetzt genau die richtige Größe für ihr Gesicht. Der Stoff ihres schwarzen Kleides ist so glatt und frisch, dass es erst vor Kurzem gekauft worden sein muss.

Gemurmel und Flüstern verraten, dass die Zuschauer uns folgen. Die Frau in dem neuen schwarzen Kleid schaut sich um. Unwillkürlich tue ich es ihr gleich und bemerke, dass auch die drei Teenager hinter uns gehen.

Bei ihrem Anblick schmerzt die Wunde an meiner linken Hand. Ich klemme sie mir in die rechte Achselhöhle und drücke mit dem Oberarm ganz sachte dagegen, um den Schmerz zu lindern. Das hilft ein bisschen, aber ich kann spüren, wie mir der Schweiß zwischen den Schulterblättern nach unten rinnt. Der Vikar ist kaum gelassener als ich. Er hat sein Taschentuch gezückt, wischt sich den Nacken ab und tupft die Stirn trocken, doch er stimmt die Bestattungsgebete mit der Miene eines Mannes an, der weiß, dass das Ende in Sicht ist. Zum vorgegebenen Zeitpunkt lassen die Sargträger die Seile, die sie halten, langsam durch die Hände gleiten, und schwankend senkt sich der Sarg immer tiefer hinab, bis wir ihn nicht mehr sehen können.

Da bricht es los. Ich sehe meine eigenen Gedanken in den Augen der Umstehenden gespiegelt, und ein Wispern aufgewühlter Energie wogt durch die Menge.

»Besser als du´s verdienst, du Dreckskerl!«, ruft eine Stimme von hinten.

Genau das hat Larry mit seinen jungen Opfern gemacht, er hat sie in die Erde hinabgesenkt. Nur waren sie nicht tot.

Einer der Teenager, der Jüngste, ist ein Stück von seinen Freundinnen weggeschlendert und versteckt sich halb hinter einem Grabstein. Mit verschlagener Neugier späht er zu mir herüber. Stephen, der Name fällt mir rasch wieder ein. Der magere Bengel in dem blauen Hemd ist Stephen.

Ein nassgeschwitzter Sargträger bietet mir Erde an, also nehme ich eine Handvoll und gehe auf das Grab zu. Auf dem Sargdeckel liegen keine Blumen, in der Kirche waren auch keine. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal eine Kirche ohne Blumen gesehen zu haben, und habe jäh die Vision, wie die Frauen der Gemeinde gestern Abend still und ernst dort hineingegangen sind, um sie wegzuräumen, weil Blumen für diese Beerdigung nicht angemessen sind.

Dicht an der Friedhofsmauer, hinter der Menge kaum zu sehen, steht der Mann, der damals in dieser Kirche Küster war. Jetzt trägt er einen schwarzen Anzug. Er blickt nicht auf, und ich glaube nicht, dass mein alter Freund mich gesehen hat.

Ich werfe die Erde hinab und bin mir der Tatsache bewusst, dass hinter mir auch den anderen Trauergästen Erde angeboten wird. Sie schütteln höflich die Köpfe. Die Erde anzunehmen war also falsch. Das hat alle auf mich aufmerksam gemacht. Wieder einmal.

Die Gebete sind zu Ende. »Richtet nicht«, improvisiert der plötzlich mutig gewordene Vikar, »auf dass ihr nicht gerichtet werdet.« Dann verneigt er sich vor niemand Bestimmtem und eilt davon.

Die Sargträger verschwinden. Ich trete ebenfalls zurück, und die Frau mit dem honigblonden Haar bleibt am Grab allein.

Nicht lange. Die Zuschauer stacheln sich gegenseitig an, langsam schiebt sich die Masse vorwärts. Auch die Teenager kommen näher, allerdings sind sie im hellen Sonnenlicht schwerer zu sehen als die Erwachsenen.

Die Zuschauer bleiben stehen. Die Frau in Schwarz sieht sie unverwandt an, doch keiner erwidert ihren Blick. Dann tritt eine Frau in den Sechzigern vor, bis ihre Füße in den Sandalen mit den dunkel geränderten Zehennägeln ganz am Rande des Grabes stehen. Ich kenne diese Frau. Vor Jahren ist sie auf mich losgefahren, als Unglück und Zorn sie jeglichen Anstand vergessen ließen. Ich kann mich erinnern, wie sie mir den dicken Finger beinahe ins Gesicht rammte, ich rieche noch ihren bitteren Atem, als sie sich vorbeugte und mit ihren Drohungen und Anschuldigungen auf mich einstach. Ihr Name ist Duxbury; sie ist die Mutter von Susan, Larrys erstem Opfer.

Am Rand von Larrys Grab holt sie tief Luft, beugt sich vor und spuckt aus. Möglicherweise zum ersten Mal in ihrem Leben. Die Spucke tröpfelt dünn. Falls sie beim Aufprall auf das Holz ein Geräusch macht, so höre ich es nicht. Der Nächste, der auf das Grab zutritt, hat mehr Übung. Ein gewaltiger, stiernackiger Mann mit Glatze, wahrscheinlich jünger, als die Furchen in seiner Haut andeuten. Er räuspert sich einmal, und dann klatscht ein Schleimklumpen, so zäh wie trocknende Ölfarbe, auf den Sarg. Einer nach dem anderen folgen die Umstehenden seinem Beispiel, bis der Sarg dort unten von Spuckeblumen übersät sein muss.

Der Letzte von denen, die ans Grab treten, ist ein alter Mann, dünn und dunkelhäutig, Augen wie Steine. Er sieht sich um.

»Is´ nichts Persönliches, Mädchen«, sagt er zu der Frau in Schwarz, während ich versuche, mir etwas Persönlicheres vorzustellen, als auf ein Grab zu spucken. »Dir haben wir nie die Schuld gegeben.« O-beinig und arthritisch humpelt er davon.

Eine Minute lang, vielleicht auch länger, steht die Frau in Schwarz regungslos da und starrt blicklos vor sich hin. Dann geht sie, ohne sich noch einmal umzusehen, über den Rasen zum Weg. Dabei wappnet sie sich vielleicht für den Spießrutenlauf vorbei an den Reportern und Fotografen. Während der Trauerfeier haben sie sich zurückgehalten,...

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Autor

Sharon Bolton, geboren im englischen Lancashire, hat eine Schauspielausbildung absolviert und Theaterwissenschaft studiert. Ihr Debütroman »Todesopfer« machte sie über Nacht zum Star unter den britischen Spannungsautor*innen. Seitdem wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Dagger in the Library für ihr Gesamtwerk. Sharon Bolton lebt mit ihrer Familie in Oxford.