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Ein frommer Mörder

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am12.07.2021
Der Täter unter uns
Glasgow, 1969. Ein brutaler Serienkiller versetzt die Stadt in Angst. Als die Behörden beschließen, die Öffentlichkeit in die Suche einzubeziehen, gerät die Lage vollends außer Kontrolle. Während die Bürger in Panik geraten, versinkt die Polizei in nutzlosen Hinweisen. Ein Hilferuf erreicht den talentierten Ermittler DI McCormack. Er soll die Ermittlungen wieder in geordnete Bahnen lenken. Doch die Beamten aus der Stadt stehen dem Neuankömmling aus den Highlands ablehnend gegenüber. Gegen alle Widerstände kämpft McCormack für die Wahrheit.

Liam McIlvanney stammt aus der schottischen Region Ayreshire. Er studierte in Glasgow und Oxford. Für seine Thriller wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt. McIlvanney ist Professor für Schottland-Studien an der Universität von Otago, Neuseeland.
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Produkt

KlappentextDer Täter unter uns
Glasgow, 1969. Ein brutaler Serienkiller versetzt die Stadt in Angst. Als die Behörden beschließen, die Öffentlichkeit in die Suche einzubeziehen, gerät die Lage vollends außer Kontrolle. Während die Bürger in Panik geraten, versinkt die Polizei in nutzlosen Hinweisen. Ein Hilferuf erreicht den talentierten Ermittler DI McCormack. Er soll die Ermittlungen wieder in geordnete Bahnen lenken. Doch die Beamten aus der Stadt stehen dem Neuankömmling aus den Highlands ablehnend gegenüber. Gegen alle Widerstände kämpft McCormack für die Wahrheit.

Liam McIlvanney stammt aus der schottischen Region Ayreshire. Er studierte in Glasgow und Oxford. Für seine Thriller wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt. McIlvanney ist Professor für Schottland-Studien an der Universität von Otago, Neuseeland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641250911
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum12.07.2021
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2569 Kbytes
Artikel-Nr.5142690
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



JACQUILYN KEEVINS

Alle glauben, ich hätte mich umentschieden, und das hätte mich das Leben gekostet. Sie schütteln den Kopf über meine Unvernunft oder die Launen des Schicksals. Als wäre es so schlimm, sich mal anders zu entscheiden. Als hätte ich es besser wissen müssen. Aber ich hatte mich gar nicht anders entschieden. Ich hatte Mum und Dad gesagt, dass ich ins Majestic gehen würde - soweit hatten sie recht -, aber das hatte ich überhaupt nicht vorgehabt. Ich wollte eigentlich ins Barrowland.

Ich wollte ins Barrowland, um einen Mann zu treffen.

Die Schuhe, die ich mir letzten Samstag bei Frasers gekauft hatte, drückten an den Zehen, als ich den Berg hinunter zur Bushaltestelle ging. Ich trug ein smaragdgrünes Crêpe-Kleid, das ich leicht gekürzt hatte. Es war ärmellos, und das Satinfutter meines Mantels fühlte sich kühl auf den nackten Armen an. Ich merkte, wie mein Parfüm - Rive Gauche - sich im unteren Deck des Busses ausbreitete, und ich erinnere mich daran, dass die Schaffnerin eine Laufmasche hatte und dass ich dachte, sie hätte mal besser eine heile Strumpfhose als Reserve einstecken sollen.

Wieso hatte ich meine Eltern angelogen? Keine Ahnung. Vielleicht, um es spannender zu machen. Das heimliche Treffen, meine ich. Der Mann hieß William. Er war groß, hatte dichtes Haar, durch das er sich immer mit der Hand fuhr, und seine kräftigen schlanken Unterarme waren zu sehen, weil er sich die Ärmel hochgekrempelt hatte. Ich kannte ihn noch nicht lange. Er hatte etwas Zurückhaltendes an sich. Ich fragte mich, ob er womöglich verheiratet war, aber das war mir egal. Es war lange her, dass jemand mich zum Tanzen ausgeführt hatte. Der Junge war das Problem. Klein-Alasdair. Gerade sechs geworden. Es schreckt sie ab, wenn man ein Kind hat.

Am Glasgow Cross stieg ich aus, ging die Gallowgate entlang bis zum Barrowland und stellte mich in die Schlange unter dem rot und grün leuchtenden Neonschild. Nachdem ich den Mantel an der Garderobe abgegeben hatte, stieg ich die breite Treppe zum Saal hinauf. Das gefiel mir immer am besten, dieses Hinaufsteigen ins bunte Treiben, wenn die Musik lauter wurde und die tanzenden Paare sichtbar wurden. Die letzten Stufen rannte ich fast und tauchte in den Saal ein. Ich fühlte mich sicher, hier im Wechselspiel von Licht und Dunkel fühlte ich mich geborgen.

Ich holte mir ein Bitter Lemon an der Bar und setzte mich an einen Tisch, damit die Leute sehen konnten, dass ich auf jemanden wartete.

Ich zündete mir eine Zigarette an und sah auf die Uhr. William hatte sich schon eine Viertelstunde verspätet. Benny Hamlin and the Hi-Hats spielten gerade Boom Bang-a-Bang , und ich ärgerte mich, weil ich dazu gern getanzt hätte. Ich nahm mir noch eine Zigarette und sah zu, wie der Rauch zu den Sternschnuppen an der Decke aufstieg.

Um halb zehn musste ich mir eingestehen, dass er nicht mehr kommen würde. Mein Bitter Lemon war ausgetrunken, von meinen Zigaretten waren nur noch zwei übrig. Ich weiß noch, wie wütend ich war, den Tränen nah, gar nicht so sehr, weil er mich sitzengelassen hatte, sondern weil alles verdorben war, der Abend und das Kleid und die Musik und alles. Ich kramte nach meinem Lippenstift und wollte schon gehen, als ein Schatten auf meine Handtasche fiel. Ich blickte auf, und da stand er. Im Gegenlicht, weshalb ich sein Gesicht nicht richtig sehen konnte. Ich hatte vergessen, wie groß er war und wie gewählt er sich ausdrückte.

»Es tut mir leid, dass ich zu spät komme«, sagte er. »Darf ich Ihnen trotzdem Gesellschaft leisten?«

Das war die Art, wie er redete. Er bot mir eine Zigarette an und zündete sie mit einem hübschen goldenen Feuerzeug an, nahm selbst aber keine. Er rauchte nicht, hatte immer nur welche dabei, für Gelegenheiten wie diese.

Er spendierte mir noch ein Bitter Lemon und zog noch eine Schachtel Embassy Filter aus dem Automaten und hängte seinen Mantel über einen freien Stuhl. Er hatte einen schönen Wollschal, den er zusammenfaltete und auf den Stuhl neben sich legte. Er sah sehr gut aus mit seinem markanten Kinn, der geraden Nase und dem kurzen blonden Haar mit dem akkuraten Seitenscheitel. Er trug einen dezent gestreiften Schlips und einen braunen Nadelstreifenanzug. Stilvoll. Ich musste lächeln, als ich mich vorbeugte und seine Hand festhielt, während er mir Feuer gab.

Die Musik war laut, man konnte sich kaum unterhalten, aber er fragte mich, wie mein Tag gewesen sei, und erzählte von seinem Job. Ich hörte gar nicht richtig zu, erfreute mich vor allem am Klang seiner Stimme. Glasgower Akzent, aber kultiviert, nicht wie diese Kerle, die mit dem Mund solche Geräusche machten, als würde Luft aus einem Ballon entweichen. Er war vollkommen anders. Viele der Männer im Barrowland waren harte Burschen oder hielten sich dafür, sie prügelten sich gern. Während meiner Nachtschichten bekam ich sie oft genug zu sehen, wenn sie mit ihren zerschlagenen Gesichtern in die Ambulanz kamen. Ich würde ja gern sagen, dass sie dermaßen zugerichtet gar nicht mehr schlau wirkten, aber in Wahrheit sahen sie noch genauso schlau - oder genauso beknackt - aus, wenn sie in ihren blutbesudelten Hemden dasaßen, mit stolzgeschwellter Brust, während sie sich ausmalten, wie sie vor ihren Kumpels damit angeben würden. William war anders, er wirkte älter, reifer, wie einer, der sich auskannte. Und ein guter Tänzer war er auch.

Wir gingen um halb elf die Gallowgate hinunter zu seinem Wagen. Im Licht der Straßenlampen wirkte er jünger als drinnen im Saal. Er war um die fünfundzwanzig, obwohl er auf älter machte. Immerhin war ich gut fünf Jahre älter als er, und das gefiel mir, es gab mir mehr Sicherheit.

Sein Wagen war ein schnittiger weißer Flitzer und sah ziemlich neu aus. Er hielt mir die Beifahrertür auf, während ich auf dem roten Ledersitz Platz nahm. Dann schloss er die Tür und ging hinüber zur Fahrerseite. Ich ließ mich gegen ihn fallen, wenn der Wagen eine Kurve nahm, und sah zu ihm auf, aber er blickte starr geradeaus und behielt die Hände am Lenkrad. Er sprach von der Umstellung aufs Dezimalsystem und setzte dabei eine so ernsthafte Miene auf, dass ich ihn, als er an einer roten Ampel hielt, in die Seite pikste, um ihn zum Lachen zu bringen. Es war ja nett, dass er so wohlerzogen war, aber er hätte es ruhig ein bisschen lockerer angehen können. Passieren würde sowieso nichts - ich hatte meine Tage -, aber man will ja trotzdem seinen Spaß haben, wenn man mal ausgeht.

Wir stiegen aus, und er führte mich in einen Hofeingang. Kaum standen wir im Dunkeln, war er wie verwandelt, als ob man einen Kippschalter betätigt hätte. Er packte mich an den Schultern und küsste mich so heftig, dass mein Kopf gegen die Mauer prallte. Wird auch Zeit, dachte ich. Dann waren seine Hände überall, und er fing an zu keuchen.

»Nicht hier«, sagte ich. »Komm weiter.«

Ich führte ihn den Hügel hinab in die Seitengasse hinterm Carmichael Place. Ich lachte vor mich hin, weil ich mich wieder wie fünfzehn fühlte. Hier waren wir früher nach dem Kino oder dem Kirchenkaffee mit Jungs hingegangen und hatten ein bisschen rumgemacht, bevor wir heimgingen. Ich war fünfzehn Jahre nicht mehr hier gewesen, aber es war alles noch wie früher, die gleichen Garagen und Gartentore.

In dem Hinterhof war es stockfinster. Der Boden war uneben, nichts als Grasbüschel und spitze Steine, und an einem davon blieb ich prompt mit dem Absatz hängen. Ich fiel gegen ihn und hielt mich an seinem Arm fest, und ich weiß noch, wie ich die ganze Zeit lachte, ich konnte nicht mehr aufhören zu lachen, es kam mir alles so komisch vor. Mein Mund stand weit offen, vor lauter Lachen blieb mir die Luft weg, und da schlug er mir seine Faust direkt ins Gesicht.

Zuerst wusste ich gar nicht, was passiert war. Ich dachte, ich sei ausgerutscht und gegen seine Schulter geprallt oder jemand wäre zwischen uns hindurchgerannt und hätte mich dabei angerempelt. Ich taumelte zurück, gegen ein schepperndes Garagentor. Ich hielt mir die Hand vor den Mund, und als ich sie herabnahm, war sie dunkel verfärbt. Ich schaute auf und sah ihn mit erhobener Faust auf mich zukommen. Ich schrie, aber zuerst musste ich schlucken, und der Schrei klang irgendwie dünn und halbherzig, und er erstickte ihn mit einem weiteren Schlag, und es ruckte mehrmals, als würde ich über eine Treppe nach unten rutschen, und dann lag ich mit dem Gesicht auf dem Boden und starrte mit dem Auge, das noch sehen konnte, nach oben, und jetzt stand er über mir, zog sich den Schlips ab und nickte dabei mechanisch vor sich hin.

Das war alles. Jetzt sieht mein Vater aus, als ob er nie wieder lächeln könnte, als hätte er völlig vergessen, wie das überhaupt geht, und er ist plötzlich alt, alt, alt, zu einem Zwerg geschrumpft, sein Kragen ist zu weit, seine Jackenärmel sind zu lang, und meine Mutter wankt vollgepumpt mit Valium durch den Tag. Sie versuchen, Frohsinn zu verbreiten wegen Alasdair, aber das klappt nicht, darauf fällt ein Kind nicht herein. Der Junge weiß, dass etwas nicht stimmt, und natürlich denkt er, es sei seine Schuld.

Was haben sie sich für Sorgen gemacht, Mum und Dad, als ich in...

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Autor

Liam McIlvanney stammt aus der schottischen Region Ayreshire. Er studierte in Glasgow und Oxford. Für seine Thriller wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt. McIlvanney ist Professor für Schottland-Studien an der Universität von Otago, Neuseeland.