Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Der finstere See

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.06.2023
Du kannst vor allem davonlaufen - nur nicht vor deiner eigenen Vergangenheit ...
Jeremy Horton ist erfolgreicher Architekt und glücklicher Familienvater. Doch er vermeidet jeden Gedanken an seine Vergangenheit und insbesondere an seine kleine Schwester Emily, die vor vielen Jahren unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Erst als seine Mutter stirbt, sieht Jeremy sich gezwungen, in das kleine Dorf zurückzukehren, in dem er die Sommer seiner Kindheit verbrachte. Jeremy spürt deutlich, dass er dort nicht willkommen ist. Immer wieder drängt sich ihm die Frage auf, ob er selbst die Schuld an Emilys Tod trägt. Und wenn ja - ist er dann auch eine Gefahr für seine eigene Tochter Lucy?

Julie Cameron lebt mit ihrer Familie auf dem Land, in einem kleinen Dorf im südenglischen Berkshire. Sie hat Biomedizin studiert, arbeitet im Gesundheitswesen und schreibt nebenher die Art von vielschichtigen Thrillern, die sie selbst am liebsten liest.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDu kannst vor allem davonlaufen - nur nicht vor deiner eigenen Vergangenheit ...
Jeremy Horton ist erfolgreicher Architekt und glücklicher Familienvater. Doch er vermeidet jeden Gedanken an seine Vergangenheit und insbesondere an seine kleine Schwester Emily, die vor vielen Jahren unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Erst als seine Mutter stirbt, sieht Jeremy sich gezwungen, in das kleine Dorf zurückzukehren, in dem er die Sommer seiner Kindheit verbrachte. Jeremy spürt deutlich, dass er dort nicht willkommen ist. Immer wieder drängt sich ihm die Frage auf, ob er selbst die Schuld an Emilys Tod trägt. Und wenn ja - ist er dann auch eine Gefahr für seine eigene Tochter Lucy?

Julie Cameron lebt mit ihrer Familie auf dem Land, in einem kleinen Dorf im südenglischen Berkshire. Sie hat Biomedizin studiert, arbeitet im Gesundheitswesen und schreibt nebenher die Art von vielschichtigen Thrillern, die sie selbst am liebsten liest.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641251741
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum21.06.2023
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3230 Kbytes
Artikel-Nr.10228515
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

Sarah hatte darauf bestanden, zu fahren, und jetzt hockte Jeremy neben ihr auf dem Beifahrersitz. Angesichts der schlichten Tatsache, dass sie ihn für fahruntüchtig hielt, fühlte er sich entmannt, hinfällig wie eine jüngferliche Tante. Das alles wurde noch schlimmer, weil sie ihm immer wieder besorgte Blicke zuwarf, als rechnete sie damit, er werde neben ihr still entschlafen und als schlaffer Leichnam an ihrer Seite sitzen. Jeder dieser Blicke ärgerte ihn noch mehr, und er hatte Mühe, seine wachsende Gereiztheit zu unterdrücken. Er wusste, sie konnte nichts dazu, aber nach diesem Zwischenfall war er verstimmt und wütend. Solange er zurückdenken konnte, war es ihm zuwider gewesen, irgendeine Art von Szene zu machen, und obwohl er wusste, dass sein Zorn sich gegen ihn selbst richtete, konnte er nicht verhindern, dass er ihn stattdessen auf sie projizierte.

Wieder blickte sie zu ihm herüber, und diesmal platzte ihm der Kragen.

»Herrgott noch mal, Sarah, sieh mich nicht dauernd so an! Dieses Theater macht mich noch wahnsinnig. Ich war ein bisschen wacklig auf den Beinen, das ist alles. Da war nichts weiter. Man könnte ja glauben, du wärst meine Mutter oder so. Du meine Güte!«

Obwohl, wenn er darüber nachdachte, vielleicht doch nicht gerade seine Mutter. Vielleicht eine normale Mutter, die sich um ihr Kind sorgte.

Er sah die Kränkung in ihrem Gesicht und wünschte, er hätte den Mund gehalten. Sie regte sich nur selten auf. Anders als er war sie nur schwer aus der Fassung zu bringen, und auch jetzt blickte sie fest auf die Straße und tat seinen selbstsüchtigen Wutausbruch mit einer winzigen Kopfbewegung ab, einer kaum merklichen Bewegung wie dem Zucken eines Katzenohrs, das eine Fliege verscheuchte. Er wusste, dass seine Spitzen oft ins Zentrum trafen, aber als sie sprach, klang ihre Stimme ruhig und freundlich wie immer. Es war nie ihre Absicht, aber ihr Gleichmut beschämte ihn manchmal nur umso mehr.

»Ich weiß, du findest, ich übertreibe, aber ich werde es nicht einfach ignorieren. Du warst weiß wie ein Laken, Jez, und es schien fast so, als wüsstest du nicht, wo du bist. Ich sage nicht, dass es das war, aber es könnte ein Anfall oder so etwas gewesen sein, vielleicht sogar das Herz. Da kannst du nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert.«

Er erinnerte sich an den Druck in seiner Brust, an die Atemnot, an die Angst, die ihn durchströmt hatte. Er war fast in dem entsprechenden Alter, und so traute er sich nicht, ihr zu widersprechen, so gern er es auch getan hätte.

»Und ich weiß, was du sagen willst, also kannst du dir die Mühe sparen. Ich fahre jetzt, und wir fahren ins Krankenhaus.«

Sie erstickte mit einer Handbewegung jeden möglichen Protest im Keim.

»Ich möchte, dass du in die Notaufnahme gehst, um dich untersuchen zu lassen. Das ist alles. Ich will sicher sein, dass wir keinen Grund zur Sorge haben. Es hat also keinen Sinn, wenn du darüber diskutierst, denn wir werden hinfahren, ob es dir gefällt oder nicht.«

Jeremy öffnete den Mund, um zu antworten, aber dann dachte er an die Kinder auf dem Rücksitz, denen er schon genügend Angst eingejagt hatte. Teils ihretwegen schluckte er seine Worte herunter, teils aber auch, weil er wusste, dass Sarah recht hatte.

Die Kinder waren unnatürlich still; von dem Gezappel und Gezänk, das ihre Autofahrten normalerweise begleitete, war nichts zu hören. Jack konzentrierte sich wieder auf sein Handy - die Sorge um den Vater schien vergessen - , aber Lucy klammerte sich an die Sitzlehne ihrer Mutter, sichtlich verschreckt.

Tränen standen ihr in den Augen. »Mummeee«, heulte sie, »ich will nicht, dass Daddy ins Krankenhaus muss.«

Ich auch nicht, hätte er gern gesagt, aber dann hörte er seine Stimme, grundlos schroff.

»Hör auf, Lucy. Ich habe dir schon mal gesagt, niemand mag eine Heulsuse.«

Das brachte sie nur noch mehr zum Weinen.

Die Erinnerung rollte heran, ein Geist aus der Vergangenheit. Jeremys erster Schultag. Alle anderen Mütter wischten Tränen ab, beruhigend, tröstend, nur seine war ein unbeweglicher Klotz und bog seine Finger auf, die sich verängstigt in ihren Rock gekrallt hatten. Du machst eine schreckliche Szene, Jeremy. Du musst lernen, dass niemand ein Muttersöhnchen leiden mag, also sei bitte nicht so ein Jammerlappen. Und das war davor gewesen. Wie hätte er danach auch nur eine Chance haben können?

Mit einem Achselzucken schüttelte er die Erinnerung ab. Er dachte nicht gern an seine Mutter und ihre kleinen Grausamkeiten, und es ärgerte ihn, wie sie immer wieder in seine Gedanken eindrang. Jeder, der ihm in den Kopf schaute, könnte irrtümlich auf die Idee kommen, es machte ihm immer noch etwas aus.

»Es tut mir leid, Schatz, Daddy wollte dich nicht anfauchen. Mir geht es gut, du hast keinen Grund, dir Sorgen zu machen. Mummy ist nur vorsichtig, weil sie mich liebhat.«

Er legte Sarah eine Hand aufs Knie und drückte es beruhigend. Er liebte seine Familie. Warum also gelang es ihm so oft nicht, der Mann zu sein, der er sein wollte?

Jeremy setzte die letzten Koffer in der Diele ab und schloss erleichtert die Haustür. Es war spät. Sarah ging geradewegs nach oben, und die Kinder folgten ihr trödelnd. Der Ausflug zum Krankenhaus hatte sehr viel länger gedauert als erwartet, und es war längst Schlafenszeit für sie. Auf der Heimfahrt waren sie übermüdet und quengelig gewesen, und nur mit Mühe hatte er sie unter Kontrolle halten können.

In der Küche machte er sich ein Bier auf. Er war todmüde, aber an Schlafen war noch nicht zu denken. Das kam vom Krankenhaus. Alles dort hatte ihn nervös gemacht: die endlose Warterei, die Geräusche, die durch die Vorhänge ringsum gedrungen waren, das Rattern der Transportwagen, das Stimmengemurmel, die eiligen Schritte auf dem Vinylboden, das Stöhnen, die spröden Schreie. Und der Geruch. Der Geruch war das Schlimmste gewesen. Feuchte menschliche Dünste, überlagert von beißend scharfen Desinfektionsmitteln. Er hatte daran denken müssen, wie die Zeit verging, und dass auch er selbst unausweichlich älter wurde.

Und dann der Arzt. Sein jugendliches, lässiges Aussehen und seine selbstbewusst-arrogante Art hatten erst recht dazu geführt, dass Jeremy sich jedes einzelnen seiner zweiundvierzig Jahre schmerzlich bewusst war. Aber zumindest war er gründlich gewesen, der Herr Doktor. Er hatte Jeremy sein Stethoskop an die Brust gedrückt, wo die Muskeln passenderweise zu Altmännertitten hingewelkt waren, und sie hatten das komplette Programm absolviert - EKG, CT, umfassende medizinische und soziale Anamnese - , bevor Jeremy endlich entlassen war. Während der Scanner brummte und kreiste, hatte er sich gefragt, was er tun würde, wenn sich in seinem Kopf ein blinder Passagier versteckte, ein bösartiges Zellenbündel, das sich in die Falten und Ritzen seines Gehirns verkrochen hatte. Würde er sein wie sein Vater, tapfer und stoisch bis zum Ende, oder würde er zu einer schlimmeren Version seiner selbst werden, die noch nicht offenbar geworden war? Am Ende fand er es nicht heraus, denn das Urteil hatte »Panikattacke« gelautet. Du Waschlappen - das hatte der Arzt zwar nicht hinzugefügt, aber gedacht hatte er es bestimmt.

Bei der Erinnerung daran schnappte Jeremy sich ein zweites Bier aus dem Kühlschrank und suchte für Sarah eine Flasche Wein aus. Wahrscheinlich brauchte sie nach diesem Tag auch etwas zur Entspannung. Im Wohnzimmer zog er die Vorhänge zu und schaltete den Fernseher ein. Er wusste nicht, warum, aber er konnte sich auf nichts konzentrieren. Vielleicht war es nur die Müdigkeit, aber was immer es war, es gab ihm das Gefühl, losgelöst zu sein, als erlebe er alles aus der Distanz. Es war beunruhigend, und er schüttelte den Kopf, als könnte er es so vertreiben.

Ausgerechnet in diesem Augenblick kam Sarah zu ihm und beäugte ihn besorgt, weil er den Kopf so hin und her drehte. Sie ließ sich neben ihm auf das Sofa fallen, schmiegte den Kopf in seine Halsbeuge und blickte mit ernsten Augen zu ihm auf.

»Bist du sicher, dass dir nichts fehlt?«, fragte sie. »Es passt einfach nicht zu dir, so in Panik zu geraten. Du hast so ... ich weiß nicht, so verzweifelt ausgesehen, glaube ich. Es hat mir Angst gemacht. Hast du eine Ahnung, was es ausgelöst haben könnte?«

Die laufenden Gestalten huschten ungebeten vor seinem geistigen Auge vorbei, und unwillkürlich schauderte ihn, was seine Unruhe noch verstärkte.

»Ich weiß es nicht.« Er blinzelte ein paar Mal schnell hintereinander, als würde er etwas Unangenehmes aus seinem Auge schwemmen wollen. »Ich habe wie immer aus dem Fenster geschaut, und im nächsten Augenblick ist es einfach passiert. Ich hab an nichts Spezielles gedacht, und ich war ganz sicher nicht angespannt. Ich weiß wirklich nicht, woher es kam.«

Er legte seinen Arm um sie und zog sie näher zu sich heran.

»Hey, lass uns nicht mehr darüber reden. Um ehrlich zu sein, ich kam mir ziemlich albern vor, und ich würde es am liebsten so schnell wie möglich vergessen.«

Er senkte den Kopf und fand ihre Lippen, warm und weich und nach Minze schmeckend. Sie hatte sich die Zähne geputzt, als sie oben war, hatte die schale Flugzeugluft weggebürstet, den sauren Geschmack der Angst, und Jeremy wünschte, er hätte ihr die gleiche Rücksicht gezollt. Irgendwie gelang es ihm immer, hinter den Erwartungen zurückzubleiben. Er wich zurück und schaute fest in den blauen Hafen ihrer Augen.

»Sarah, es tut mir leid, dass ich dich angefaucht habe - und Lucy. Das wollte ich nicht. Das Ganze...

mehr

Autor

Julie Cameron lebt mit ihrer Familie auf dem Land, in einem kleinen Dorf im südenglischen Berkshire. Sie hat Biomedizin studiert, arbeitet im Gesundheitswesen und schreibt nebenher die Art von vielschichtigen Thrillern, die sie selbst am liebsten liest.