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Ich bin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am09.05.2022
ICH BIN zeichnet die Lebensreise der Hamburger Designerin Bisrat Negassi nach. Anfang der Siebzigerjahre in Asmara, der Hauptstadt Eritreas, geboren, erlebte Bisrat bereits als Kind die grausame Realität des Krieges. Als Bisrats Vater sich auf einer Todesliste wiederfand, verließ die Familie das Land und erreichte nach zwei Jahren Flucht Deutschland. Statt Zugehörigkeit zu erfahren, sah Bisrat sich dort jedoch mit etwas konfrontiert, das sie vorher nicht kannte: Rassismus. Und wurde wütend. Doch sie beschloss, dass Wut nicht der richtige Ratgeber ist, stattdessen ließ sie daraus eine kreative Power entstehen und vertraute ganz auf ihren Mut. Bisrat wurde Modedesignerin und rief nach einer Initiation bei XUYL.Bët in Paris ihr eigenes Modelabel NEGASSI ins Leben. 2016 co-gründete sie in Hamburg den Artspace M.Bassy, um kreativen Stimmen aus Afrika und der Diaspora Raum zu bieten und Begegnungen zwischen verschiedenen Menschen und Kulturen zu zelebrieren. 2020 co-gründete sie das transnationale Atelier/Netzwerk COME iN TENT. Heute ist Bisrat Modedesignerin & Kuratorin.

Bisrat Negassi ist eine Modedesignerin und Co-Gründerin des interkulturellen Salons M.Bassy & des Ateliers COME iN TENT in Hamburg. Sie wurde in Eritrea geboren und wuchs in Deutschland auf. Sie lebte und arbeitete in Deutschland, Frankreich und den USA und führt heute ihr Modelabel NEGASSI in Hamburg. Dabei steht NEGASSI für transkulturelle Mode - eine Art universelle Sprache durchfließt ihre Kreationen.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR17,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextICH BIN zeichnet die Lebensreise der Hamburger Designerin Bisrat Negassi nach. Anfang der Siebzigerjahre in Asmara, der Hauptstadt Eritreas, geboren, erlebte Bisrat bereits als Kind die grausame Realität des Krieges. Als Bisrats Vater sich auf einer Todesliste wiederfand, verließ die Familie das Land und erreichte nach zwei Jahren Flucht Deutschland. Statt Zugehörigkeit zu erfahren, sah Bisrat sich dort jedoch mit etwas konfrontiert, das sie vorher nicht kannte: Rassismus. Und wurde wütend. Doch sie beschloss, dass Wut nicht der richtige Ratgeber ist, stattdessen ließ sie daraus eine kreative Power entstehen und vertraute ganz auf ihren Mut. Bisrat wurde Modedesignerin und rief nach einer Initiation bei XUYL.Bët in Paris ihr eigenes Modelabel NEGASSI ins Leben. 2016 co-gründete sie in Hamburg den Artspace M.Bassy, um kreativen Stimmen aus Afrika und der Diaspora Raum zu bieten und Begegnungen zwischen verschiedenen Menschen und Kulturen zu zelebrieren. 2020 co-gründete sie das transnationale Atelier/Netzwerk COME iN TENT. Heute ist Bisrat Modedesignerin & Kuratorin.

Bisrat Negassi ist eine Modedesignerin und Co-Gründerin des interkulturellen Salons M.Bassy & des Ateliers COME iN TENT in Hamburg. Sie wurde in Eritrea geboren und wuchs in Deutschland auf. Sie lebte und arbeitete in Deutschland, Frankreich und den USA und führt heute ihr Modelabel NEGASSI in Hamburg. Dabei steht NEGASSI für transkulturelle Mode - eine Art universelle Sprache durchfließt ihre Kreationen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641260545
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum09.05.2022
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2464 Kbytes
Artikel-Nr.8381069
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



ROT WIE GRANATAPFELSAFT

Es war das Jahr 1975 in Asmara, Eritrea. Ein Nachmittag im September. Ich war gerade mal fünf Jahre alt, als meine Mutter mir verbot, im Garten zu spielen. Wir lebten sehr idyllisch in einer schönen Villa mit einem großen Vorgarten und einem kleineren Hinterhof. Im Vorgarten ragte der Granatapfelbaum unseres italienischen Nachbarn über eine Steinmauer zu uns rüber. Diesen Baum empfand ich als sehr großzügig, und ich bedankte mich regelmäßig bei ihm dafür, dass er einige seiner knackig roten Früchte bei uns im Garten abschüttelte. So als wollte er uns eine Freude machen, oder mir zumindest. Meine Freude drückte ich in einer Art sportlichen Aktivität aus, indem ich die leuchtend roten, süß-säuerlich schmeckenden Kerne zwischen meinem Daumen und dem Zeigefinger einzeln zerquetschte und sie dann schnell in den Mund steckte, um schließlich den Saft genüsslich von meinen Fingern abzulecken. Meine Mutter ermahnte mich jedes Mal, wenn sie mich dabei erwischte, ich solle doch bitte damit aufhören, das sei eklig und unhygienisch. Trotzdem machte ich es heimlich weiter, manchmal zerdrückte ich sogar gleich fünf oder sechs Kerne auf einmal in der Handfläche und ließ mir den Saft in den Mund tröpfeln. Dann waren meist nicht nur meine Hände dreckig, sondern auch die Kleidung. Außer dem Geschmack gefielen mir auch die Ästhetik und die Haptik dieser Frucht, sie faszinierte mich regelrecht. Von außen rot, rund und glatt, lässt sie sich nicht anmerken, dass sie unzählige Kerne in ihrem Inneren beherbergt. Ich stellte mir immer vor, dass der Granatapfel eine Geschenkverpackung ist und die ganzen Kerne im Inneren der Frucht die eigentliche Überraschung.

Unser Haus befand sich im Zentrum Asmaras, in der Campo di Stato. Es war hell verputzt, einstöckig, mit mehreren Räumen und einem Anbau im Hinterhof. Das Wohnzimmer, das Herz des Hauses, war mit einem hellen Marmorboden und einem opulenten Kamin ausgestattet. Im Campo di Stato - im tigrinischen Slang auch Combishtato genannt - in Asmaras Zentrum lebten viele Botschafter:innen und Expats. Eine internationale kleine Blase. Links von uns lebte der italienische Botschafter mit seiner Familie - zu seinem Haus gehörte der Granatapfelbaum. Uns gegenüber war die große Villa mit einem großzügigen Garten, die dem Direktor der Banca di Roma gehörte. Hinter uns die sudanesische und griechische Botschaft. Mein Vater war damals geschäftsführender Leiter der Highway Constructions in Eritrea/Äthiopien. Und obwohl er wegen der Arbeit sehr viel reisen musste, nahm unser Leben seinen normalen alltäglichen Lauf, und alles schien für mich in Ordnung. Meine beiden älteren Geschwister und ich gingen auf die britische Grundschule, welche von Expat-Kindern aus den USA, Großbritannien, Indien, Italien, Griechenland etc. besucht wurde. Meine jüngste Schwester, die dreieinhalb Jahre jünger ist als ich, war noch zu klein für den Kindergarten.

An dem besagten Nachmittag im September hatte ich mal wieder nicht auf meine Mutter gehört und war doch in den Garten gegangen. In Asmara schien fast immer die Sonne, und der Himmel war meist in einem besonderen Blau gekleidet. Meine älteren Geschwister hatten sich bereits heimlich rausgeschlichen. Ich lief hinter ihnen her. Auch unsere Cousine Rigat, die kaum älter als achtzehn und für meine Eltern wie ein fünftes Kind war, folgte. Fröhlich tobten wir mit unserem Hund Solomon, einem Irish Setter, im Garten rum, als auf einmal in unmittelbarer Nähe Schüsse fielen. Erschrocken liefen wir zum Garteneingang. Rigat versuchte uns daran zu hindern, aber unsere Neugier war stärker. Schon standen wir draußen vor unserem Gartentor und sahen, dass mitten auf der Straße ein Auto quer stand. Die Fahrertür war offen, und ein mit Blut überströmter Mann befand sich daneben. Es war der eritreische Fahrer, der regungslos am Boden lag. Alles war rot, sein weißes Hemd, sein Jackett, die Straße und die Hände und Oberteile der zu Hilfe herbeigeeilten Passant:innen. Ich hatte noch nie zuvor so viel Blut gesehen. Ich hatte noch nie zuvor einen Toten gesehen. Ich hatte auch noch nie zuvor die hässliche Fratze des Krieges so direkt zu Gesicht bekommen. Der Krieg war zwar unmittelbar vor mir, vor uns, aber was ich gerade erblickte, war so surreal, als hätte ich einen Film gesehen, der eigentlich nicht für meine Kinderaugen bestimmt war.

In Eritrea herrschte Krieg. Wie der Krieg anfing? Um das zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen, denn dieser Krieg ist das Ergebnis jahrhundertelanger Unterdrückung. So lange wurde Eritrea schon kolonisiert. Um 1400 wurde Eritrea als Medri Bahri bekannt (Land am Meer) und Bahri Negassi genannt, König des Meeres. 1557 besetzten osmanische Türken das Küstengebiet sowie das Hinterland und herrschten über 300 Jahre. Im Zuge des »Wettlaufs um Afrika« im 19. Jahrhundert trafen sich Vertreter der europäischen Mächte, der USA und des Osmanischen Reichs, um Afrika unter sich aufzuteilen. Eine ihrer Begründungen dafür war, die vermeintliche Zivilisation nach Afrika zu bringen. 1890 erklärte Italien Eritrea zu seiner ersten Kolonie, Eritrea wurde Siedlungsland für arme Süditaliener:innen. Eritreische Bauern wurden enteignet und zu billigen Arbeitskräften für Plantagenbesitzer und die Bauindustrie degradiert. Im Zuge des Kolonialismus herrschte im ganzen Land eine strenge Apartheidpolitik, die in Rassengesetzen mündete. Eritreer:innen wurden aufgrund ihrer Hautfarbe zu Menschen zweiter Klasse herabgestuft, ihnen wurden jegliche Rechte aberkannt. Sie durften keinen Fuß in die Städte setzen, es sei denn, sie kamen, um zu arbeiten. Jegliche Kontakte zwischen Weißen und Schwarzen, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten, waren verboten.

Benito A. A. Mussolini, der von 1922 Ministerpräsident des Königreiches Italiens und ab 1925 Diktator des faschistischen Regimes in Italien war, lud radikale und visionäre Architekten aus Italien ein und stellte diesen Asmara als grenzenlose Spielstätte für ihre futuristischen Ideen zur Verfügung. Ermutigt von ihrem Führer verwandelten sie Asmara in eine urbane Utopie. So realisierte sich Mussolini sein »Africa Orientale Italiana« und nannte Asmara »La Piccola Roma«. Mehr als 70.000 Italiener:innen lebten über 50 Jahre lang in Eritrea.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm erst mal Großbritannien die Führung im Land. Die Alliierten konnten sich über die Zukunft Eritreas nicht einigen und überließen die Entscheidung der UNO. So wurde laut Beschluss der UNO (Resolution 390 A/V) Eritrea mit dem Nachbarland Äthiopien föderiert. Diese Föderation garantierte Eritrea ein Selbstbestimmungsrecht in allen inneren Angelegenheiten, eine eigene Verfassung, ein gewähltes Parlament, Parteien, Gewerkschaften etc. und für Äthiopien als Zentralgewalt die Entscheidungsbefugnis in allen überregionalen Angelegenheiten, zum Beispiel Außenpolitik und Armee. Eritrea mit Äthiopien zu fusionieren, basierte auf den Interessen der Westmächte, vor allem der Vereinigten Staaten: Sie wollten ihre Militärbasen in Eritrea aufschlagen, um besser den Wasserhandelsweg kontrollieren zu können.1 Jedoch löste der Kaiser Äthiopiens, Haile Selassie, systematisch alle von der UNO garantierten Rechte der eritreischen Bevölkerung auf. Politische Parteien wurden verboten. Freie Presse sowie Gewerkschaften wurden aufgelöst. Fabriken wurden geschlossen oder nach Äthiopien verlegt.

Alle Bücher auf Tigrinya und Arabisch, den durch das Bundesgesetz garantierten eritreischen Amtssprachen, wurden verbrannt. Amharisch, die Sprache des Kaisers, wurde als Amtssprache eingeführt.

Die eritreische Regierung wurde durch eine Verwaltung ersetzt. Eritreische Politiker:innen wurden ermordet, tausende weitere verhaftet. Handel und Häfen wurden beschlagnahmt. Die Bevölkerung antwortete mit Demonstrationen, Streiks und einem Appell an die UNO. Der friedliche Widerstand blieb jedoch ohne Erfolg, immer blutiger unterdrückte die kaiserliche äthiopische Regierung eritreische Proteste.

1961 bildete sich die Eritreische Befreiungsfront - ELF. Nachdem die friedlichen Demonstrationen nichts bewirkt hatten und das eritreische Volk weiterhin degradiert und ermordet wurde, fing der bewaffnete Befreiungskampf an mit dem Ziel der Unabhängigkeit Eritreas. Im November 1962 besetzte das äthiopische Militär alle wichtigen Städte, und Eritrea wurde offiziell als 14. Provinz Äthiopiens völkerrechtswidrig annektiert. Obwohl gegen ihren Beschluss gehandelt wurde, schaute die UNO diesem Geschehen tatenlos zu. Das führte zum 30-jährigen Unabhängigkeitskrieg des eritreischen Volkes (1961 bis 1991).

1970 gründete sich eine zweite Freiheitsbewegung aus der ELF, die EPLF: Eritreische Volksbefreiungsfront. Ihr Ziel war, genauso wie das der ELF, ein unabhängiges Eritrea. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war jedoch, dass die EPLF nicht nur die Befreiung Eritreas anstrebte, sondern zusätzlich noch die Entwicklung eines Schulwesens, einer demokratischen Landreform, die Ausweitung der Gesundheitsversorgung und die Etablierung gleicher Rechte für alle im Volk, d. h. für Menschen in urbanen Gegenden wie auch auf dem Land. Gleichberechtigung der Frauen und auch Gleichberechtigung zwischen den neun verschiedenen Volksgruppen Eritreas.

Nach dem Sturz von Kaiser Haile Selassie im Jahre 1974 setzte sich eine Militärregierung an die Spitze Äthiopiens, die vom Diktator Mengistu Haile Mariam geführt wurde. Sie verfolgte einen ungleich härteren Kurs in Eritrea als ihre Vorgängerin. Unterstützt wurde...

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Bisrat Negassi ist eine Modedesignerin und Co-Gründerin des interkulturellen Salons M.Bassy & des Ateliers COME iN TENT in Hamburg. Sie wurde in Eritrea geboren und wuchs in Deutschland auf. Sie lebte und arbeitete in Deutschland, Frankreich und den USA und führt heute ihr Modelabel NEGASSI in Hamburg. Dabei steht NEGASSI für transkulturelle Mode - eine Art universelle Sprache durchfließt ihre Kreationen.
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