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Die juten Sitten - Kaiserwetter in der Gosse

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.06.2021
Sex und Lust, Prunk und Schmutz - willkommen im verruchtesten Bordell der deutschen Kaiserzeit!
Berlin, 1935: Schweren Herzens schließt Minna ihr geliebtes Bordell »Ritze«, um in Frankreich ein neues Leben zu beginnen. Auf der Zugfahrt nach Nizza erzählt sie dem jungen Stricher Emil und ihrem alten Konkurrenten Gustav, wie alles begann - damals zur Kaiserzeit: Wie sie es von der mittellosen Arbeiterin zur Lieblingsdirne eines Herzogs brachte, sich Hals über Kopf in den Zeremonienmeister des Kaisers verliebte und schließlich ihr eigenes Bordell eröffnete. Und wie eine Orgie im Jagdschloss Grunewald zu einem Duell mit verheerenden Folgen führte ...
Der dekadente Glanz der Jahrhundertwende - der Roman zum erfolgreichen Audible-Hörspiel

Anna Basener finanzierte sich ihr Studium in Hildesheim als »erfolgreichste deutsche Groschenromanautorin« (DIE ZEIT). Heute schreibt sie Romane, Drehbücher, Theaterstücke und Hörspiele. Ihr Hörspiel »Die juten Sitten« schoss bei Audible über Nacht auf Platz 1, bei Goldmann erscheint die Romanserie dazu.
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Produkt

KlappentextSex und Lust, Prunk und Schmutz - willkommen im verruchtesten Bordell der deutschen Kaiserzeit!
Berlin, 1935: Schweren Herzens schließt Minna ihr geliebtes Bordell »Ritze«, um in Frankreich ein neues Leben zu beginnen. Auf der Zugfahrt nach Nizza erzählt sie dem jungen Stricher Emil und ihrem alten Konkurrenten Gustav, wie alles begann - damals zur Kaiserzeit: Wie sie es von der mittellosen Arbeiterin zur Lieblingsdirne eines Herzogs brachte, sich Hals über Kopf in den Zeremonienmeister des Kaisers verliebte und schließlich ihr eigenes Bordell eröffnete. Und wie eine Orgie im Jagdschloss Grunewald zu einem Duell mit verheerenden Folgen führte ...
Der dekadente Glanz der Jahrhundertwende - der Roman zum erfolgreichen Audible-Hörspiel

Anna Basener finanzierte sich ihr Studium in Hildesheim als »erfolgreichste deutsche Groschenromanautorin« (DIE ZEIT). Heute schreibt sie Romane, Drehbücher, Theaterstücke und Hörspiele. Ihr Hörspiel »Die juten Sitten« schoss bei Audible über Nacht auf Platz 1, bei Goldmann erscheint die Romanserie dazu.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641260965
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum21.06.2021
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1739 Kbytes
Artikel-Nr.5425134
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Frauenarbeit

Berlin, 1935

Sieht aus wie eine Kirche, der Bahnhof. Lange Fenster mit Rundbögen, dahinter blauer Himmel. Ein Maihimmel in Berlin, und um Minna herum dampfende Ungeheuer, die sie aus der Stadt entführen wollen, als wär sie eine Jungfer in Gefahr. Sie steht in ihrem braunen Cordkostüm am Bahnsteig und drückt den Sommermantel an die Brust. Die Gleishalle ist aus Sandstein. Sie wölbt sich über den Reisenden, umschließt sie wie ein dicker Bauch. Minna fühlt sich verschluckt. Um sie herum wuseln Kofferträger durch diesen Bauch wie Bläschen im Champagner. Minna wuselt nicht. Sie ist mehr eine Bulette, die hier reingeplumpst ist. Ihr ist nicht nach wuseln, sie könnte sich auch einfach hier hinlegen. Hat´s ja eh kaum aus dem Bett geschafft, heute Morgen. Aufstehen mit diesen Knochen? ... Da wünschst du dir fast, du wärst doch wieder im horizontalen Gewerbe, da könnteste wenigstens liegen bleiben. Einfach immer liegen bleiben. Aber liegen ist ja kein Leben.

»Minna!«, ruft Emil. »Jetzt komm, wir müssen einsteigen.«

Durch die Kirchenfenster fällt goldenes Licht auf seinen Sonnenschopf. Der Junge strahlt über beide Ohren. Minna darf ihn nicht mehr Junge nennen, er ist jetzt ein Mann, sagt er. Er hat immer noch dieses Milchgesicht. Aber er macht sich, also sollte sie ihm den Gefallen wohl tun. Sie will auch. Vergisst es nur immer wieder.

»Minna!«

»Wat zur Hölle soll ick in Frankreich?«, fragt sie sich leise.

»Denkst du, ich trag dich da rein?« Emil steht plötzlich vor ihr. In seinem Alter ist man noch flink, ein tanzendes Champagnerbläschen. Minna sieht ihn an mit seinen geröteten Wangen. Könnte glatt auf ne Kekspackung, das Gesicht.

»Vielleicht war det doch keine jute Idee«, sagt sie.

»Minna, wir haben das hundert Mal besprochen. Außerdem: Du kannst nicht zurück in die Ritze. Du hast sie verkauft.«

»Det mein ick. Schlechte Idee.«

»Minna, das war eine gut überlegte Entscheidung«, doziert der Junge, der jetzt ein Mann ist. »Du hast ne feine Summe dafür bekommen. Und jetzt geht´s nach Paris für dich.« Emil strahlt. »Stadt der Liebe.«

Minna schaut zu dem dampfenden Zug, als fürchte sie, von ihm verdaut zu werden. »Die Sache ist mulmich.«

»Du bist nur aufgeregt, weil es deine erste Reise ist.« Emil schaut verständnisvoll. »Ich war schon weg, und ich bin trotzdem aufgeregt.«

»Det sieht man.«

»Der Siebzehndreißig nach Nizza über Paris. Einsteigen, bitte ...«, ruft der Schaffner, und Emil nimmt Minnas Hand.

»Minna, jetzt komm schon.«

»Du kannst auch alleine fahren«, sagt sie und hält seine Hand fest.

»Du kannst nicht hierbleiben.« Er sieht ihr tief in die Augen. »Das ist nicht mehr das Berlin, das du kennst.«

»Ick kenn viele Berlins, Emil.«

Er schüttelt den Kopf. »Aber keins davon war wie dieses. Jetzt komm, dein Gepäck ist doch schon drin.«

Minna schaut auf ihre Füße, sie wollen sich nicht bewegen. Sie wollen den Berliner Boden nicht verlassen. Sie sind tonnenschwer.

»Hedwig ist in Paris«, sagt Emil jetzt. »Willst du sie wiedersehen oder nicht?«

Minna geht einen kleinen Schritt vorwärts, dann noch einen.

»Na also.«

Emil greift Minnas Arm und zieht sie zum Zug. Sie stolpert aufs Trittbett und dann rein in das Ungeheuer. Die Wände sind aus glänzendem Kirschbaumholz, selbst die Tür zum Lokus ist poliert. Nachtzug erste Klasse, weil Emil einen reichen Liebhaber hat. Wo auch immer der das Geld herhat. Weißt du ja nie so genau bei Doktor Magnus Hirschfeld. Behandelt wahrscheinlich eine sehr reiche, sehr heimliche Transe. Oder mehrere. Wahrscheinlich mehrere.

»Komm, unser Abteil ist da vorn«, sagt Emil und wird vom Pfeifen des Schaffners übertönt. Er führt Minna durch Mitreisende und Gepäck zu einer Glastür mit dunkelroten Vorhängen. Dunkelrote Vorhänge, das kennt sie gut von früher. Aber die damals waren schwerer und teurer. Bessere Qualität, verglichen hiermit. Sieht Minna sofort.

Der Zug setzt sich mit einem Ruck in Bewegung. Minna fällt gegen Emil und dann gegen das Fenster. Sie fahren aus dem Sandsteinbauch hinaus, durch majestätische Steinbögen und dann durch Kreuzberg. Minna hat noch keine Nacht außerhalb dieser Stadt verbracht, und schon gar nicht in einem Zug. Aber Berlin wird heute zum ersten Mal seit zweiundsechzig Jahren ohne sie ins Bett gehen. Sie schaut aus dem Fenster.

»Schlaf rund«, flüstert Minna, »dette nicht eckig wirst.«

Emil öffnet eine Schiebetür und fragt sie, welche Seite sie wolle. Sie sieht es aus dem Augenwinkel und schaut auf die Stadt. Seiten interessieren sie nicht. Von was überhaupt?

»Minna?« Emil kommt zu ihr ans Fenster und guckt auch raus auf die rußbraunen Mietshäuser und die grünen Bäume. »Kein Wunder, dass das hier nicht die Stadt der Liebe ist.«

»Halt die Klappe«, brummt sie.

Sie schweigen, während der Zug schnauft und schnauft und es offensichtlich gar nicht erwarten kann, diese Stadt zu verlassen.

»Mir wird Berlin auch fehlen«, gibt Emil schließlich zu.

Minna nickt und wendet sich ab. Zwei Schritte über den Gang in das kleine Abteil, rechts eine Sitzbank, links eine Sitzbank, beide dunkelrot, dazwischen ein Klapptisch. Auf der einen Seite über der Rückenlehne ist ein schmaler goldgerahmter Spiegel, der von der Glaswand bis zum Fenster reicht. Schlichter Rahmen, keine Schnörkel. Ist Minna unerklärlich, warum man dann überhaupt Gold nimmt. Wenn schon Prunk, dann doch richtig, oder? Aber gut, hat halt nicht jeder gesehen, was sie gesehen hat. Auf der anderen Seite die Gepäckablage und ein kleines Regalbrett. Emil legt seinen Hut drauf und schiebt die Tür hinter ihnen zu. Er trägt jetzt Filzhut im City-Stil, wenn er nicht im Dienst ist und Geld damit macht, auszusehen wie ein Kind.

»Aus den Bänken machen wir nachher die Betten«, erklärt er. »Welche Seite willst du?«

Minna ist es Jacke wie Hose. Sie zeigt auf die rechte Bank, während er seine Lederjacke an den Haken hängt. Er setzt sich ans Fenster, sie bleibt stehen.

»Soll ich dir den Mantel abnehmen?«

Minna hebt eine Augenbraue. »Det wär ja det erste Mal.«

Emil zuckt mit den Schultern. »Dann halt ihn eben fest.«

»Nee.« Sie hängt den Mantel auf und legt ihren Hut neben Emils. Sie setzt sich ihm gegenüber und ächzt leise.

»Was ist denn so toll an Berlin?«, fragt Emil.

»Jeht ja gar nicht um die Stadt.«

»Nicht?«

»Dir fällt´s vielleicht leicht, die Ritze zu verlassen. Für euch war det immer nur ´n Haus wie jedet andere ...«

Emil lacht. »Kein Haus ist wie die Ritze, Minna. Es ist das kleinste Haus der Welt.«

»Ja ... Aber es war meins, Emil.«

»Und jetzt hast du genug, um in Paris ein neues Leben anzufangen.«

Minna schaut aus dem Fenster. »Ick dachte immer, die Ritze ist det Haus, in dem ick sterben werde, Emil. Ick bin die Ritze, und die Ritze ist icke! Solange ick lebe, wird kein anderer Name im Grundbrief stehen als meiner! Det dachte ick ...« Die Stadt verschwimmt vor ihren Augen, sie ist kaum noch Wirklichkeit.

»Gut, verstehe.«

Minna winkt ab. »Du verstehst jar nüscht.«

»Dann erklär´s mir.«

»Wenn du in den letzten acht Jahren nicht begriffen hast, wat dieses Haus für mich bedeutet, dann kann ick dir nicht helfen.«

Er runzelt die Stirn. »Aber ...«

»Ick hatte die Ritze vierzig Jahre lang«, unterbricht sie ihn. »Vierzig. So weit kannst du gar nicht denken.«

»Zurück nicht, nein.«

»Jut, waren nur neununddreißig Jahre, aber ick hab mehr Lebenszeit in diesem Loch verbracht als irgendwo anders. Ick fühl mir, als hätte man mir den Arm amputiert.«

»Das geht aber doch vorbei. Und es tut dir auch mal gut, dich ein bisschen auszuruhen.«

»Fühl mich wie ne Schildkröte, die man aus ihrem Panzer jerissen hat.«

»Aber du hast doch auch schon vor der Ritze gelebt. Wenn das damals ging, geht es jetzt auch, Minna.«

»Damals ...« Sie schnaubt. »Da war ick ´n anderer Mensch. Wo sind eigentlich meine Zigarillos?«

Minna sucht in ihrer Jackentasche, dann in ihrer Handtasche. Sie findet die Schachtel und nimmt sich einen raus. Emil beugt sich mit seinem Feuerzeug zu ihr. Geschenk von Magnus natürlich.

»Wie warst du denn vorher?«, fragt er.

»Jung und schön.«

»Und wie bist du an das kleinste Haus Berlins überhaupt drangekommen?«

Sie füllt das Abteil mit Rauch und wischt mit der Hand durch die Schwaden. »Ach, ick will eigentlich nicht drüber reden.«

»Gut, ich ...«

»Det waren janz andere Zeiten damals«, unterbricht sie ihn wieder. »Und ick hatte janz andere Träume. Oder zumindest hab ick mir nicht die Ritze erträumt.«

»Wir müssen auch nicht ...«

Weiter kommt er nicht.

»Es ist ne sehr lange Geschichte, und ick kann mir auch jar nicht an allet erinnern. Und ick bin wahrlich nicht stolz auf det, wat ick jetan habe, damals. Also zumindest nicht auf diese eine Sache.«

»Klar, ich ...«

»Also«, unterbricht Minna ihn, »det Jahr war 1895 ...«

Berlin, 1895

Minna sitzt seit Stunden aufm Lokus. Ihre Finger sind schon ganz blau, zumindest soweit sie das im Licht der Gaslaterne sehen kann, die sie an die Tür gehängt hat. Der Holzboden unter ihren Stiefeln ist mit einer dünnen Eisschicht überzogen. In ihrer Hand hält sie das letzte Stück Zeitung. Sie...

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Anna Basener finanzierte sich ihr Studium in Hildesheim als »erfolgreichste deutsche Groschenromanautorin« (DIE ZEIT). Heute schreibt sie Romane, Drehbücher, Theaterstücke und Hörspiele. Ihr Hörspiel »Die juten Sitten« schoss bei Audible über Nacht auf Platz 1, bei Goldmann erscheint die Romanserie dazu.