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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.06.2021
Eine unschuldige Frau wird zur Gejagten
Das Jobangebot klingt zu gut, um wahr zu sein: Tina soll für ein paar Wochen in einer Wohnung in London ein unauffälliges Leben führen und wird dafür großzügig bezahlt. Einziger Haken: Sie darf während der gesamten Zeit keinen Kontakt zu ihrem jetzigen Leben haben. Keine Anrufe, keine Mails, kein Social Media. Tina lässt sich darauf ein. Und anfangs scheint auch alles ganz harmlos. Doch dann findet sie heraus, wofür sie eingesetzt wird. Plötzlich ist sie ganz allein in einer unbekannten Stadt. Gejagt von einem Feind, der kein Erbarmen kennt. Und er hat seine Augen überall ...

Michael Meisheit, 1972 in Köln geboren, studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg Drehbuch und ist seit über zwanzig Jahren im deutschen Fernsehgeschäft aktiv. Meisheit lebt mit seiner Familie in Berlin-Kreuzberg.
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Produkt

KlappentextEine unschuldige Frau wird zur Gejagten
Das Jobangebot klingt zu gut, um wahr zu sein: Tina soll für ein paar Wochen in einer Wohnung in London ein unauffälliges Leben führen und wird dafür großzügig bezahlt. Einziger Haken: Sie darf während der gesamten Zeit keinen Kontakt zu ihrem jetzigen Leben haben. Keine Anrufe, keine Mails, kein Social Media. Tina lässt sich darauf ein. Und anfangs scheint auch alles ganz harmlos. Doch dann findet sie heraus, wofür sie eingesetzt wird. Plötzlich ist sie ganz allein in einer unbekannten Stadt. Gejagt von einem Feind, der kein Erbarmen kennt. Und er hat seine Augen überall ...

Michael Meisheit, 1972 in Köln geboren, studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg Drehbuch und ist seit über zwanzig Jahren im deutschen Fernsehgeschäft aktiv. Meisheit lebt mit seiner Familie in Berlin-Kreuzberg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641262259
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum14.06.2021
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1806 Kbytes
Artikel-Nr.5143056
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Köln

Donnerstag, 9. September

Auf dem Weg ins Krankenhaus hatte Tina zum ersten Mal das Gefühl, dass sie verfolgt wurde. Der schwarze BMW aus Holland hatte auf der anderen Straßenseite gestanden, als sie in Ehrenfeld mit dem störrischen Fiat Panda ihres Mitbewohners losgefahren war. Derselbe BMW mit dem auffälligen gelben Kennzeichen fuhr eine halbe Stunde später auf den Holweider Parkplatz, von dem aus Tina in den grauen Betonklotz gehen wollte, um ihren Vater zu besuchen. Sie hatte sich die Nummer auf dem Kennzeichen nicht gemerkt, aber wie wahrscheinlich war es, dass zwei identische BMW aus Holland in Köln unterwegs waren?

Tina blieb stehen, zückte ihr Handy und tippte sinnlos darauf herum. Dabei behielt sie unauffällig das Fahrzeug im Auge. Nachdem der Wagen drei Reihen entfernt hinter einer großen Linde geparkt hatte, blieben die Autotüren geschlossen, der Motor ausgeschaltet. Drei Minuten, fünf Minuten, zehn Minuten. Irgendwann hörte Tina in ihrem Kopf das Meckern ihrer Mutter, da Tina sowieso schon zu spät losgefahren war. Überflüssig natürlich, denn ihr Vater würde so schnell nirgendwohin gehen, aber Pünktlichkeit war für ihre Mutter ein Prinzip. Ein eisernes. Tina beschloss, dass es vielleicht doch zwei holländische BMW in Köln geben konnte, und in einem davon machte nun jemand ein Nickerchen. Warum sollte man sie auch verfolgen?

In der kardiologischen Abteilung am Bett ihres Vaters musste Tina sich diese Frage erneut stellen. Während eines Monologs ihrer Mutter betrachtete sie auf ihrem Handy die Fotos der letzten Tage. Ein Selfie, das sie zwei Nächte zuvor am Brüsseler Platz gemacht hatte, ließ ihre Nackenhaare in die Höhe schießen. Darauf zu sehen waren ihre Freundin Anna und sie, gut gelaunt, hundert Meter vom Hallmackenreuther entfernt, wo sie zu viele Caipis getrunken hatten. Zu sehen war aber auch der holländische BMW. Am Straßenrand hinter ihnen, das gelbe Kennzeichen reflektierte das Licht der Laterne.

»Alles okay, Chrissy?«, fragte Papa mitten in Mamas Elegie über die Unfähigkeit der Ärzte, die mal wieder keine Spontanheilung zustande brachten.

Tina sah Sorge in den müden blauen Augen ihres Vaters. Er war gerade erst sechzig geworden, wirkte jedoch mit seinen grauen Haaren und dem blassen Gesicht wie ein Greis, der von der gestärkten weißen Bettwäsche verschlungen wurde. Vielleicht war er auch gar nicht ungewöhnlich blass. Vielleicht kam es Tina lediglich so vor, weil sie ihn eigentlich nur mit hochrotem Kopf kannte und er jetzt durch die Medikamente einen normalen Blutdruck hatte. Als die Werte bedrohlich in die Höhe geschossen waren, hatte Mama ihn am Vortag ins Krankenhaus gebracht. Schnell setzte Tina ein Lächeln auf.

»Ja, ja, Paps. Alles okay.«

»Was schaust du dir denn da an?«

»Fotos ... von Anna und mir.«

Papa winkte sie zu sich. Sie setzte sich an den Rand des Bettes und betrachtete das Bild mit ihm gemeinsam. Währenddessen redete ihre Mutter unaufhörlich weiter. Doch Tina und ihr Vater hatten gelernt, auf anderen Frequenzen miteinander zu kommunizieren, sodass Mamas Geplapper wie das Geräusch von Regen auf einem Wellblechdach wirkte.

»Ist doch ein wunderschönes Bild von dir. Das Lächeln, das Herzen schmelzen lässt. Was ist das Problem?«

»Es gibt kein Problem.«

Außer dass irgendein Holländer sie schon seit mindestens vorgestern quer durch die Stadt verfolgte. Warum? Fieberhaft ging Tina im Kopf die Holländer durch, die sie kannte. Sie hatte mal bei einem Segelwochenende am Ijsselmeer etwas mit einem Surfer gehabt. Doch das war eine halbe Ewigkeit her, und der Typ hatte sie nach drei unbeantworteten Anrufen in Ruhe gelassen. War das ein Grund, Jahre später zum Stalker zu werden?

»Du bist immer viel zu kritisch mit deinem Aussehen«, stellte ihr Vater fest. »Du bist eine echte Schönheit. Genau wie deine Mutter früher.«

»Früher?«, empörte sich Mama.

Das war der Punkt, an dem sie ihren Monolog nun doch unterbrach. Papa lachte und war in den nächsten Minuten damit beschäftigt, seiner Frau zu versichern, dass sie nach wie vor eine Schönheit war. Es stimmte. Auch mit Ende fünfzig war sie dank ihrer langen schwarzen Haare und der funkelnden braunen Augen ein Hingucker. Tina war froh, dass sie beides von ihrer Mutter geerbt hatte. Oder vielmehr, dass sich die Gene ihrer aus der Türkei stammenden Großmutter auch über zwei Generationen und zwei deutsche Männer hinweg durchgesetzt hatten. Ihr Vater hatte lediglich die großen Ohren beigesteuert, die Tina gerne unter wilden Haarkreationen verbarg.

Während ihr Vater seine Frau mit Engelsgeduld beruhigte, konnte Tina ihren Blick nicht von dem BMW nehmen. Auch auf dem Foto erkannte man nicht, wer auf dem Fahrersitz saß. Schemenhaft konnte man Hände am Lenkrad ausmachen. Außerdem eine Lichtreflexion dort, wo sich das Gesicht befand. Nein, kein Gesicht. Bei genauerem Hinsehen erkannte Tina das Objektiv einer Kamera. Der Holländer hatte sie beim Fotografieren fotografiert. Mit einer richtigen Kamera. Wie ein Privatdetektiv. Gab es die überhaupt noch? Und, wenn ja, wer hatte ihr einen auf den Hals gehetzt? Sie schuldete ein paar Leuten Geld, aber nicht annähernd so viel, wie es kosten würde, einen Privatermittler mit teurem BMW tagelang hinter ihr herzuschicken. Oder war es die Polizei? Zivilfahnder? Ihr fiel ein, dass sie mit Anfang zwanzig für einen Freund, der am Anfang einer kurzen, ruhmlosen Karriere als Drogendealer gestanden hatte, ein paarmal Haschisch über die Grenze gebracht hatte. Aus Holland! Aber war das nach mehr als zehn Jahren nicht verjährt?

»Dir geht´s doch gut, oder?«

Ihr Vater erforschte Tinas Gesichtsausdruck, während Mama sich darüber ausließ, dass niemand erkannte, wie sehr seine Herzprobleme auch für sie eine Belastung waren. Schließlich hatte man bei ihr gerade erst Diabetes diagnostiziert, und damit war auch nicht zu spaßen.

»Paps, mir geht´s super«, betonte Tina und setzte das Lächeln auf, das Herzen schmelzen ließ. »Weißt du doch.«

»Dann ist gut«, antwortete er zufrieden. »Das ist alles, was mir wichtig ist.«

»Na klar«, sagte Tina. »Du, ich muss leider los. Zur Arbeit.«

Sie ignorierte die Beschwerde ihrer Mutter und drückte ihren viel zu schmächtig gewordenen Vater an sich. Bald darauf befand sich Tina auf dem Weg zum Parkplatz. Zum Holländer. Sie würde ihn zur Rede stellen. Egal, ob Stalker, Privatdetektiv oder Zivilfahnder. Der Kerl konnte sich auf etwas gefasst machen, denn auf solche Spielchen hatte sie keine Lust. Wer ein Problem mit ihr hatte, sollte mit ihr reden. Mit zunehmender Wut stampfte sie über das hässliche Linoleum der Flure, vorbei an der schmucklosen Rezeption, durch die automatische Schiebetür nach draußen. Schnurstracks zum Parkplatz. Zum BMW. Nur leider war das Auto nicht mehr da. Der Platz unter der Linde war leer. Tina blickte in alle Richtungen, entdeckte den holländischen Wagen aber nirgendwo. Sie war geradezu enttäuscht. Ihre Empörung verpuffte. Gleichzeitig war sie sicher, dass sie den Wagen wiedersehen würde.

Es dauerte nicht einmal vier Stunden, bis es so weit war. Tina war längst bei der Arbeit. Unterwegs mit Harry. Seit zwei Monaten arbeitete sie als »Blaulichtreporterin«, wie Harry es nannte. Ein Begriff, der sicherlich aus Zeiten stammte, in denen es auch noch Privatdetektive gegeben hatte. Genauso antiquiert kam sie sich vor, wenn sie in dem zugemüllten Opel Kombi des leicht übergewichtigen und nach Irish Moos riechenden Harry saß. Wo sie illegal den Polizeifunk abhörten, um dann loszurasen, wenn sich irgendwo in Köln etwas vermeintlich Berichtenswertes ereignete. Unfälle, Schlägereien, Festnahmen. Harry hieß eigentlich Harald, war um die sechzig und machte diesen Job schon, »seit er denken konnte«. Früher hatte er Fotos gemacht, heute filmte er mit einer kleinen Digitalkamera. Das Geschäft war hart. Weil jeder Idiot ein Handy mit Kamera besaß, war die Konkurrenz groß. Zumal Amateure ihr Material meistens kostenlos an die Redaktionen weitergaben. Harry und Tinas Glück war, dass sie für den Betreiber einer Facebook-Seite arbeiteten, der die schaurigen Berichte digital unter das Volk brachte. Immerhin ein moderner Aspekt von Tinas Arbeit als Blaulichtreporterin. Natürlich war es nicht das, wofür sie fünf Jahre lang Journalismus studiert hatte. Aber bei ihren Jobs in der seriösen Medienwelt hatte sie sich bisher immer zielsicher mit den Falschen angelegt, nämlich mit ihren Chefs. Überbordende Egos, Chauvinisten, Feiglinge. Darauf hatte sie keine Lust mehr. Nach einer schmerzhaften Durststrecke sorgte der neue Job jetzt dafür, dass sie die Miete zahlen konnte. Er hatte ihr sogar eine kleine Fangemeinde eingebracht. Keiner konnte eine Messerstecherei in Köln-Kalk so gut gelaunt anmoderieren wie sie. Niemand hatte weniger Skrupel, wenn es darum ging, einem Unfallbeteiligten ein Mikrofon hinzuhalten. Das hatte Tina zumindest bis zu diesem Tag gedacht.

Als der Funk kurz nach Einbruch der Dunkelheit einen »VU Ex«, also einen Verkehrsunfall mit Exitus, am Konrad-Adenauer-Ufer vermeldete, war Tina in Gedanken noch bei dem BMW. Während Harry durch die Nebenstraßen an sämtlichen Absperrungen vorbeibretterte, rätselte sie, ob sie sich vielleicht durch ihre fragwürdige Berühmtheit einen Stalker eingehandelt hatte. Freundliche oder noch öfter anzügliche Mails erhielt sie über die Redaktion der Facebook-Seite regelmäßig. Die Penisbilder leitete man ihr gar nicht erst weiter. Natürlich stand nirgendwo ihre Adresse, aber die...

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