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Die Seherin von Troja

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
560 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am19.07.2021
Mit sieben Jahren kommt Möwe, Tochter einer trojanischen Sklavin, in die Obhut der Priesterin Pythia. Diese erkennt die Gabe ihres Schützlings, ihr einst als Orakel nachzufolgen. Von nun an ist Möwe dazu ausersehen, Könige zu beraten und der Herrin der Toten zu dienen. Nach dem Tod der Priesterin wird aus Möwe, der Seherin mit den außergewöhnlichen Fähigkeiten, die neue Pythia. Als sie neun schwarze Schiffe erblickt, die auf Pylos zuhalten, nimmt ihr Leben eine dramatische Wende: Es sind der trojanische Prinz Äneas und die letzten überlebenden Männer von Troja, die die entführten Frauen ihres Volkes retten wollen. Phythia schließt sich ihnen an, denn nur sie kann das Schicksal ihres Volkes voraussagen ...

Jo Graham hat mehrere Jahre in der Politik gearbeitet, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrer Familie in Maryland.
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Produkt

KlappentextMit sieben Jahren kommt Möwe, Tochter einer trojanischen Sklavin, in die Obhut der Priesterin Pythia. Diese erkennt die Gabe ihres Schützlings, ihr einst als Orakel nachzufolgen. Von nun an ist Möwe dazu ausersehen, Könige zu beraten und der Herrin der Toten zu dienen. Nach dem Tod der Priesterin wird aus Möwe, der Seherin mit den außergewöhnlichen Fähigkeiten, die neue Pythia. Als sie neun schwarze Schiffe erblickt, die auf Pylos zuhalten, nimmt ihr Leben eine dramatische Wende: Es sind der trojanische Prinz Äneas und die letzten überlebenden Männer von Troja, die die entführten Frauen ihres Volkes retten wollen. Phythia schließt sich ihnen an, denn nur sie kann das Schicksal ihres Volkes voraussagen ...

Jo Graham hat mehrere Jahre in der Politik gearbeitet, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrer Familie in Maryland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641267278
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum19.07.2021
Seiten560 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1828 Kbytes
Artikel-Nr.5143912
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2

Das Orakel

In dem Schrein waren wir nicht von aller Welt abgeschieden. Alle paar Tage kam jemand, meistens Leute vom Lande, mit Opfergaben und Fragen. Sie brachten Äpfel vom letzten Jahr, Säcke voll Korn, frischgebackenes Brot und Oliven, die in ihrem eigenen Öl eingelegt waren. Bisher hatte ich mir niemals Gedanken darum gemacht, was mit Opfergaben geschieht. Man bringt sie den Göttern dar und was dann? Lösen sie sich einfach in Luft auf?

Die Opfer dienten dazu, uns am Leben zu erhalten, und wir verzehrten, was man uns brachte, mit unserer Ziegenmilch und dem scharfen Käse, den Dolcis daraus machte. Auf den Hängen unterhalb der Höhle grasten fünf weiße Ziegen. Ein Knabe von einem Gehöft weiter unten am Berg kam und versorgte sie. Er war doppelt so alt wie ich und redete nicht mit mir; das hielt er für unter seiner Würde.

Manchmal kamen auch Edelleute mit ihrem Gefolge, ihren Wagen und prachtvollen Pferden; ihre Bronzelanzen waren poliert, so dass sich die Sonne darin spiegelte. Sie pflegten eingesalzenen Fisch in großen Töpfen zu bringen, Amphoren mit rotem Wein und einmal in jenem Sommer auch zehn Ellen feines Leinen, so tiefschwarz gefärbt wie die Nacht. Ich berührte den Stoff und überlegte, ob er wohl aus dem Flachs gemacht war, den ich mit meiner Mutter und den Frauen aus Wilusa geerntet hatte.

»He, du da, lass das!«, herrschte mich einer der Diener an, als er sah, wie meine kleinen Finger die Gabe seines Herrn betasteten.

Phythia schnaubte. »Ach, das ist nur unsere Linnea, sie ist ganz hingerissen von dem feinen Tuch.«

Linnea, so nannte sie mich, und der Name blieb hängen, Leinen-Mädchen, das Mädchen vom Flachsfluss. Sie nannten mich nicht in meiner eigenen Sprache Möwe, so wie meine Mutter es tat.

In jenem ersten Sommer kam meine Mutter oft auf den Berg, doch als der Regen begann und sie mehr Arbeit zu verrichten hatte, geschah das nicht mehr so häufig. Außerdem war Aren jetzt größer und musste ständig beaufsichtigt werden, damit er nicht davontappte und im flachen Wasser des Flusses ertrank.

Als der Regen kam, traf auch der Wagen aus dem Hause des Königs ein, um Pythia zu der Zeremonie zu holen, die die Rückkehr der Erhabenen Herrin verkündete, die einwöchigen Feiern der Thesmophorien, das Fest der Rückkehr. Sie fuhr allein fort und nahm mich nicht mit; sie sagte, ich hätte noch nicht genug gelernt, um ihr zu dienen, ohne ihr Schande zu bereiten. Eigentlich hätte mich das schmerzen müssen, doch das tat es nicht. Mir war klar, dass ich nicht dazu taugte, ihr vor anderen zu Diensten zu sein. Ich war noch immer linkisch und unbeholfen.

Im Jahr darauf nahm sie mich mit. Ich war gerade acht geworden und gewachsen, so dass ich neue Gewänder brauchte, ganz schwarz, ohne Borte, nur mit einem einfachen Umschlag gesäumt. Pythia machte viel Aufhebens darum, während Dolcis nähte, und ich wusste, dass sie mich zu den Mysterien mitnehmen würde.

Das Gewand war lang und verbarg meinen Fuß fast völlig.

»Binde eine Schnur als Gürtel darum«, wies Pythia die Dienerin an, »sonst kann das Kind ja nicht gehen.«

Dolcis nahm eine schöne schwarze Kordel und schnürte sie um meine Taille, dabei zupfte sie den Stoff lose darüber, so dass er anmutige Falten warf. »So. Es muss lang sein, damit sie wachsen kann. Sie hat noch ein hübsches Stück zuzulegen.«

»Das glaube ich nicht«, bemerkte Pythia. »Sie wird immer klein sein. So groß wie ich wird sie nie.«

Ich hatte Pythia bisher nicht besonders groß gefunden. Aber ich hielt sie für größer als meine Mutter, und das sagte ich auch.

»Ah«, erwiderte Pythia, »das ist das Blut der alten Küstenvölker, die hier gelebt haben, ehe meine Vorväter mit Pferden und Bronze kamen. Klein und dunkel wie die Leute von den Inseln. Menschen des Meeres, keine Menschen der Streitwagen.« Sie hob mein langes Haar an, dicht und schwer. »Du wirst die Perücke nicht brauchen, wenn du an der Reihe bist. Ich habe sie immer getragen. Mein Haar war so rot wie Dolcis´ Gesicht, als ich ein Mädchen war. Die Perücke ist schwer, und sie juckt. Aber du hast schönes, dichtes Haar, so schwarz wie eine Rabenschwinge. Du wirst sie nicht brauchen«, stellte sie befriedigt fest.

»Wenn ich womit an der Reihe bin?«, stammelte ich.

Pythia berührte zart meine Wange, schlang eine schwarze Strähne um ihren Finger. »Glaubst du etwa, wir leben ewig, Kind? Die Schreine hat es schon seit Anbeginn der Zeit gegeben, manche mächtiger, andere weniger. Und in jedem war Pythia Durch Deren Mund Die Herrin Der Toten Spricht. Sie ist immer Pythia, mag Pythia auch altern und sterben. Sie ist das Gefäß der Herrin, auf dass diese mit ihrem Munde spreche und sich ihrer Hände bediene. Denn wie sonst soll die Herrin der Toten deutlich zu den Lebenden sprechen oder in irdischen Gefilden handeln? Wenn ich nicht mehr bin, wirst du Pythia sein.«

»Aber Dolcis ...«

Sie zuckte die Schultern. »Dolcis hat nicht das zweite Gesicht. Die Herrin hat dich als die Ihre gezeichnet, damit du hierhergebracht wirst, wo du hingehörst, um Ihr zu dienen, anstatt dein Leben lang eine Sklavin zu sein.«

»Bin ich denn jetzt keine Sklavin?«, wollte ich wissen.

»Nicht mehr, als wir alle Ihre Sklaven sind«, antwortete Pythia.

»Aber ...«, setzte ich an.

»Selbst Könige müssen sich dem Tode beugen«, sagte Pythia. »Sogar sie, in ihren prächtigen Wagen, mit ihren strahlenden Waffen, müssen ins Schattenreich hinabsteigen und vor Ihrem Thron stehen, wo Sie mit Ihrem Gemahl sitzt, dem Gebieter der Schatten. Die jungen Krieger mit ihren Hunden und ihren Bögen werden vor Sie hintreten, und Sie wird ihnen Barmherzigkeit gewähren oder nicht, ganz wie es Ihr beliebt. Und Ihr Gemahl wird Ihre Bitten um Nachsicht erhören, falls Sie sie ausspricht, so wie er es im Fall des Leierspielers getan hat. Weißt du noch?«

Ich nickte, denn ich hatte die Geschichte von Orpheus nicht vergessen, der ausgezogen war, um von der Herrin der Toten für seine Braut Gnade zu erflehen.

»Sie hat dich ausgewählt«, sagte Pythia. »Sie hat dich zu Ihrer Stimme und zu Ihren Händen erwählt. Beim Fest der Thesmophorien wirst du geweiht werden, so wie es sich ziemt. Und von da an kannst du nicht tun, was die Lebenden tun. Du darfst kein Blut vergießen oder zusehen, wie Blut vergossen wird. Du darfst kein Fleisch mit dem Messer zerschneiden oder die Farben der Sonne tragen. Du gehörst der Herrin und den Schatten unter der Erde.«

»Aber Dolcis tötet doch Tauben«, wandte ich ein. »Und sie hat die Ziege zerlegt, die gestorben ist.«

»Dolcis ist nicht Pythia, und sie wird es niemals sein«, entgegnete sie. »Diese Verbote gelten für dich, nicht für Dolcis. Du wirst sie von deinem achten Lebensjahr an befolgen, so wie ich es getan habe.«

Ohne nachzudenken, sprach ich aus, was mich beschäftigte. »Heißt das, ich werde niemals einen Ehemann haben oder Kinder?«

Pythias Miene verfinsterte sich. »Du gehörst der Herrin, und da du Ihr gehörst, kannst du keinem Manne angehören. Wäre Ihr Gefäß Eigentum eines Mannes, so wäre das der allerschlimmste Frevel. Es hat schon Könige gegeben, die dieses Gesetz gebrochen haben, und just in diesen Zeiten sehen wir den Fluch am Werke, den sie auf ihre Häuser herabbeschworen haben.«

Dolcis blickte erschrocken auf. Ich dachte, sie wäre überrascht, dass Pythia sich so deutlich ausgedrückt hatte, doch ich begriff nicht, wovon die Rede war. Soweit ich wusste, hatte König Nestor keinerlei Frevel begangen, und im Palast von Pylos stand alles zum Besten.

Pythia fuhr fort: »Du wirst niemals ein Eheweib sein, und niemals wirst du ein anderes Heim kennen als Ihren Schrein. Das muss nicht heißen, dass du dich keinem Mann hingeben darfst, denn die Herrin ist nicht das ganze Jahr lang Jungfrau, aber du kannst niemals seine Gemahlin sein.«

»Und Kinder?«, fragte ich, obgleich mir das gar nicht so merkwürdig vorkam. Nicht eine der Leinensklavinnen hatte einen Ehemann, obwohl es am Fluss eine Handvoll Kinder gab.

»Jede deiner Töchter ist eine Tochter des Schreins, oder sie kann sich vermählen, wenn klar ist, dass Ihre Hand nicht auf ihr ruht. Söhne dürfen nach dem dritten Jahr ihrer Geburt nicht mehr unter Ihrem Dach schlafen.«

»Und dann?«, wollte ich wissen.

»Sie gehen zu ihren Vätern«, sagte sie schroff und wandte sich ab. »Lauf jetzt, Linnea. Ich habe viel zu tun.«

In jener Nacht träumte ich, dass ein blonder Knabe wie mein Bruder an Pythias Brust lag, dass er hinter einem hochgewachsenen Mann mit bronzefarbenem Haar davonfuhr und sich weinend über den hinteren Rand des Wagens beugte und die Arme nach ihr ausstreckte. Davon sagte ich Pythia nichts, obwohl ich ihr für gewöhnlich von allen meinen Träumen erzählte.

Stattdessen war ich es, die neben ihr hinten im Wagen stand und sie in den Kurven stützte, an das muskelharte Bein des Wagenlenkers gelehnt. Ich war noch nie in einem Wagen gefahren, und es war seltsam, die Welt von so hoch oben zu betrachten.

In späteren Jahren habe ich viele prachtvolle Städte gesehen, und ich kann sagen, dass Pylos keine davon war; damals jedoch kam es mir gewaltig vor. Im Streitwagen nur eine halbe Stunde von dem Schrein entfernt, war es um einen natürlichen Hafen herum erbaut worden, wo der Flachsfluss ins Meer strömt. Die Gebäude waren mehrere Stockwerke hoch, im alten Stil der Inseln, mit rot und schwarz bemalten Säulen, die sich nach oben hin verjüngten. Der Palast lag am Meer, dennoch fehlte eine Schutzmauer, nur ein traditionelles Mäuerchen außer...

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Autor

Jo Graham hat mehrere Jahre in der Politik gearbeitet, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrer Familie in Maryland.