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Die Gewalt der Hunde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.12.2021
Ein intensives Psychodrama über das althergebrachte Ideal männlicher Härte und die Beziehung zwischen zwei Brüdern.
Montana in den 1920ern: Den Brüdern Phil und George Burbank gehört die größte Ranch in ihrem Tal, sie sind ein gutes Team, obwohl ihre Charaktere unterschiedlicher nicht sein könnten. Phil ist elegant, genial und grausam, George schwerfällig, anspruchsvoll und sanft. Es ist ein Ort, wo Männer immer noch Männer sind, wo das sich rasant modernisierende 20. Jahrhundert in Schach gehalten und die alten Cowboys wie Bronco Henry verehrt werden. Als George jedoch heimlich die Witwe Rose heiratet, beginnt der schockierte und wütende Phil, einen sadistischen, erbarmungslosen Krieg gegen sie und ihren heranwachsenden Sohn zu führen ...

Thomas Savage wurde 1915 in Salt Lake City geboren. Er studierte an der University von Montana, war Schriftsteller und Englischdozent, arbeitete aber auch u.a. als Ranchhelfer, Klempnergehilfe, Schweißer, Versicherungssachverständiger. Sein Werk umfasst 13 Romane. »Die Gewalt der Hunde« wurde 1967 zum ersten Mal veröffentlicht und 2021 von Jane Campion für Netflix verfilmt, mit Benedict Cumberbatch und Kirsten Dunst; der Film hatte im September 2021 auf dem Filmfestival in Venedig Premiere, Jane Campion erhielt den Regiepreis.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin intensives Psychodrama über das althergebrachte Ideal männlicher Härte und die Beziehung zwischen zwei Brüdern.
Montana in den 1920ern: Den Brüdern Phil und George Burbank gehört die größte Ranch in ihrem Tal, sie sind ein gutes Team, obwohl ihre Charaktere unterschiedlicher nicht sein könnten. Phil ist elegant, genial und grausam, George schwerfällig, anspruchsvoll und sanft. Es ist ein Ort, wo Männer immer noch Männer sind, wo das sich rasant modernisierende 20. Jahrhundert in Schach gehalten und die alten Cowboys wie Bronco Henry verehrt werden. Als George jedoch heimlich die Witwe Rose heiratet, beginnt der schockierte und wütende Phil, einen sadistischen, erbarmungslosen Krieg gegen sie und ihren heranwachsenden Sohn zu führen ...

Thomas Savage wurde 1915 in Salt Lake City geboren. Er studierte an der University von Montana, war Schriftsteller und Englischdozent, arbeitete aber auch u.a. als Ranchhelfer, Klempnergehilfe, Schweißer, Versicherungssachverständiger. Sein Werk umfasst 13 Romane. »Die Gewalt der Hunde« wurde 1967 zum ersten Mal veröffentlicht und 2021 von Jane Campion für Netflix verfilmt, mit Benedict Cumberbatch und Kirsten Dunst; der Film hatte im September 2021 auf dem Filmfestival in Venedig Premiere, Jane Campion erhielt den Regiepreis.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641271855
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum13.12.2021
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1734 Kbytes
Artikel-Nr.8236307
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



I

Phil übernahm stets das Kastrieren. Zuerst entfernte er den Hodensack und warf ihn beiseite, danach drückte er den einen und dann den anderen Hoden hinunter, schlitzte die ihn umhüllende Haut auf, riss ihn heraus und warf ihn ins Feuer, in dem die glühenden Brandeisen lagen. Erstaunlicherweise floss nicht viel Blut. Schon nach wenigen Augenblicken platzten die Hoden wie riesiges Popcorn. Manche Männer aßen sie angeblich mit einer Prise Salz und Pfeffer. »Bergaustern« nannte Phil sie mit verschmitztem Grinsen und sagte den jungen Ranchhelfern, bevor sie sich mit den Mädchen vergnügten, täten sie gut daran, selber welche zu essen.

Phils Bruder George, der fürs Einfangen der Kälber zuständig war, wurde bei diesen Worten knallrot, besonders weil sie im Beisein der Arbeiter fielen. George war ein stämmiger, humorloser und honoriger Mensch, und Phil brachte ihn gern auf die Palme. Herrgott, Phil brachte jeden gern auf die Palme!

Bei so heiklen Aufgaben wie dem Kastrieren trug niemand Handschuhe, doch bei allem anderen schon, um die Hände vor Verbrennungen durch Seile, vor Splittern, Schnittwunden, Blasen zu schützen. Die Arbeiter trugen Handschuhe, wenn sie Kälber einfingen, Zäune errichteten, Brandzeichen aufdrückten, das Vieh mit Heu versorgten, ja sogar beim Reiten, wenn sie Pferde oder Vieh trieben. Alle außer Phil. Er ignorierte Blasen, Schnittwunden und Splitter und verachtete jeden, der zum Schutz Handschuhe anzog. Seine Hände waren trocken, kraftvoll, mager.

Die Ranchhelfer und Cowboys trugen Handschuhe aus Pferdeleder, die sie aus den Katalogen von Sears, Roebuck und Montgomery Ward bestellt hatten - Sears und Sawbuck und Monkey Ward, wie Phil diese Firmen oft nannte. Nach der Arbeit oder sonntags, wenn die Schlafbaracke vom Wasserdampf des Wäschewaschens oder Rasierens und vom Duft des Haarwassers derer erfüllt war, die in die Stadt wollten, saßen die Männer wie große Kinder über ihre Bestellformulare gebeugt, kauten an ihrem Bleistift, musterten missbilligend ihre unleserliche Handschrift und zerbrachen sich den Kopf über Versandgewicht oder Postleitzahl. Oft gaben sie es irgendwann auf und überließen die Aufgabe seufzend jemand anderem, der sich mit Buchstaben und Zahlen besser auskannte, der es bis an die Highschool geschafft hatte und manchmal Briefe an ihre Eltern und die in Erinnerung gebliebenen Schwestern für sie verfasste.

Aber wie wunderbar war es, die Bestellung abzuschicken, wie herrlich und zugleich furchtbar, auf das Paket aus Seattle oder Portland zu warten, das zusammen mit den neuen Handschuhen vielleicht auch neue Schuhe für die Stadt, Grammophonplatten oder ein Musikinstrument enthielt, um die Einsamkeit der Winterabende zu vertreiben, an denen der Wind wie ein Wolfsrudel von den Bergen heulte.

Unsere allerbeste Gitarre. Für Melodien und Akkorde im spanischen Stil. Breites Griffbrett aus Ebenholz, feine, klanglich volle, fächerförmig verstrebte natürliche Fichtendecke, Zargen und Boden aus Palisander, echte Hornkanten. Eine wahre Schönheit.

Während sie darauf warteten, dass ihre Bestellung am fünfundzwanzig Kilometer entfernten Postamt eintraf, lasen sie immer wieder solche Beschreibungen, ließen noch mal Revue passieren, wie sie das Bestellformular ausgefüllt hatten, schwelgten in Vorfreude. Echte Hornkanten!

»Na, schaut ihr euch wieder mal den guten alten Weihnachtskatalog an?«, fragte Phil dann, trat zum Ofen und stampfte den Schnee von den Schuhen. Breitbeinig, die bloßen Hände hinterm Rücken verschränkt, stand er da und blickte in den Raum. Im Lauf der Jahre hatten ein paar von den jungen Männern versucht, seine Gewohnheit, keine Handschuhe zu tragen, nachzuahmen, vielleicht weil sie sich von ihm ein anerkennendes Lächeln oder Nicken erhofften, doch da ihr Verhalten unbeachtet blieb, streiften sie irgendwann die Handschuhe wieder über. »Schaut ihr euch den guten alten Weihnachtskatalog an?«

»Na klar, Phil«, sagten sie, stolz, ihn beim Vornamen zu nennen, schlugen aber den Katalog während des Gesprächs zu, damit er nicht sah, dass es sie nach den wohlgeformten Frauen gelüstete, die Korsetts und Unterwäsche vorführten. Wie sehr sie seine Abgeklärtheit bewunderten! Da ihm die Hälfte der größten Ranch im Tal gehörte, konnte er sich alles Mögliche leisten, zum Beispiel ein Automobil, ob Lozier oder Pierce-Arrow, doch danach hatte er kein Verlangen. Sein Bruder George hatte einmal den Wunsch geäußert, einen Pierce zu kaufen, aber Phil hatte bloß gesagt: »Willst du etwa wie ein Jude aussehen?« Damit war die Sache erledigt gewesen. Nein, Phil fuhr nicht Auto. Sein Sattel, der in der großen Scheune neben einem Steigbügel am Haken hing, war gut zwanzig Jahre alt, seine Sporen bestanden aus gutem unlegiertem Stahl - kein kunstvolles Silberinlay, nichts Verziertes wie in den Träumen anderer Männer. Er trug keine Stiefel, sondern ganz gewöhnliche Schuhe und verschmähte den Schnickschnack der Cowboys, obwohl er, als er noch jünger gewesen war, genauso gut reiten konnte wie jeder von ihnen und besser mit dem Lasso umging als George. Trotz all seines Geldes und seiner Herkunft trat er nicht anders auf als seine Leute, war wie alle Ranchhelfer in Overall und blau gemustertes Hemd gekleidet. Dreimal im Jahr fuhr ihn George nach Herndon zum Haareschneiden. Starr wie ein Indianer saß er in seinem steifen Stadtanzug auf dem Beifahrersitz des alten Reo, die gebieterische Nase adlerhaft unter dem schiefergrauen Fedora, vorspringendes Kinn. Und so saß er auch in Whitey Potters Frisierstuhl, die langen, schmalen, wettergegerbten Hände reglos auf den kühlen Armlehnen, während die Haare büschelweise auf den weiß gekachelten Boden fielen.

Ein stets schick gekleideter Handlungsreisender mit blitzender Krawattennadel hatte bei seinem Anblick mal in sich hineingelacht und Whitey ausgefragt.

»An Ihrer Stelle würde ich da nicht lachen, Mister«, sagte Whitey. »Er ist steinreich, reicher als alle anderen hier im Tal, ausgenommen sein Bruder. Ich bin stolz, ihn in meinem Salon begrüßen zu dürfen, wahnsinnig stolz.« Schnipp, schnipp, schnipp. »Er und sein Bruder sind Partner.«

Genau das waren sie, ja mehr als Partner, mehr als Brüder. Sie ritten gemeinsam, wenn sie das Vieh zusammentrieben, sprachen miteinander, als hätten sie sich gerade erst kennengelernt, redeten von den alten Zeiten in der Highschool und an der Universität in Kalifornien, wo George im selben Jahr hinausgeflogen war, in dem Phil seinen Abschluss machte. Phil erinnerte sich an Streiche, die er anderen Studenten gespielt hatte, an gemeinsame Freunde - an ihre Ausgelassenheit. Phil war der kluge Kopf gewesen, George der zähe Arbeiter.

Es hatte etwas von einer einvernehmlichen Entscheidung, wenn sie im Herbst ihre Rinder verkauften oder einen Morgan-Deckhengst erstanden, um die Qualität ihrer Reitpferde zu verbessern. Phil freute sich stets auf die Jagd im Oktober, wenn sich die Weidenbäume an den Bächen rostrot gefärbt hatten und der Dunst ferner Waldbrände wie ein Schleier über den Berggipfeln hing. Man sah die beiden mit ihren Packpferden durch die Ebene zu den Bergen reiten, Phil mit seinem kurzen Karabiner oder seiner Kaliber-.30-Flinte. So eine Beziehung zwischen Brüdern war nicht ungewöhnlich: Phil hochgewachsen und hager, die strahlend blauen Augen mal in die Ferne, mal auf den Boden vor ihm gerichtet, George stämmig und unerschütterlich, auf einem stämmigen, unerschütterlichen Braunen trottend. Sie schlossen Wetten ab - wer würde den ersten Wapiti entdecken und ihn erlegen? Mit welchem Genuss Phil die Hirschleber aß! Abends schlugen sie unterhalb der Baumgrenze ihr Lager auf und saßen im Schneidersitz vor dem Feuer, wo sie von den alten Zeiten und den Plänen für eine neue Scheune redeten, Plänen, die nie verwirklicht wurden, weil es bedeutet hätte, dass sie die alte Scheune abreißen müssten. Sie legten ihre Bettrollen nebeneinander und lauschten im Dunkeln dem Lied eines schmalen Baches, nur so breit wie ein großer Schritt, der die Quelle des Missouri war. Dann schliefen sie und erwachten bei Raureif.

So lief es seit vielen Jahren, und Phil war inzwischen vierzig. Sie schliefen noch immer in ihrem Kinderzimmer, in denselben Messingbetten wie damals, und geisterten in dem großen Blockhaus herum, seit ihre Eltern, die Phil als die Alten bezeichnete, ausgezogen waren, um ihren Lebensabend in einer Suite des besten Hotels von Salt Lake City zu verbringen. Dort versuchte sich der Alte Herr am Aktienmarkt, und die Alte Dame spielte Mah-Jongg und machte sich zum Essen fein, wie sie´s schon immer tat. Im verriegelten Schlafzimmer der Alten auf der Ranch sammelte sich der Staub, den die Automobile - von Tag zu Tag wurden es mehr - aufwirbelten, die auf der Straße vorbeiholperten. Die Luft wurde dort immer muffiger, die Geranien der Alten Dame verwelkten, und die Uhr aus schwarzem Marmor blieb stehen.

Die Brüder beschäftigten Mrs Lewis, die Köchin, weiter, sie wohnte in einer Hütte hinterm Haupthaus und fand noch genügend Zeit, um alles einigermaßen sauberzuhalten, auch wenn sie sich bei jedem Besenstrich beklagte. Fortgegangen war das Mädchen, das letzte von vielen, das das Essen serviert und oben in einer winzigen Kammer geschlafen hatte. Ihre Anwesenheit hätte in einem Junggesellenhaushalt vielleicht auch einen seltsamen Eindruck gemacht, und dennoch legten die Brüder eine überraschende Sittsamkeit an den Tag, so als schlichen noch immer Frauen durchs Haus. George badete einmal wöchentlich; er betrat das Bad voll bekleidet und schloss hinter sich ab, dann wusch er sich ziemlich geräuschlos, bei leisem Geplätscher und ohne ein Lied zu singen, und kam voll bekleidet, gefolgt von einer...

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Thomas Savage wurde 1915 in Salt Lake City geboren. Er studierte an der University von Montana, war Schriftsteller und Englischdozent, arbeitete aber auch u.a. als Ranchhelfer, Klempnergehilfe, Schweißer, Versicherungssachverständiger. Sein Werk umfasst 13 Romane. »Die Gewalt der Hunde« wurde 1967 zum ersten Mal veröffentlicht und 2021 von Jane Campion für Netflix verfilmt, mit Benedict Cumberbatch und Kirsten Dunst; der Film hatte im September 2021 auf dem Filmfestival in Venedig Premiere, Jane Campion erhielt den Regiepreis.